L 7 SO 2285/17 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 176/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2285/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Rechtmäßigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes unter Beschränkung auf die Kosten eines im Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwaltes.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 18. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

1. Die gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist insbesondere nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a SGG ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss erfolgt nur dann, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr hat das Sozialgericht Ulm (SG) die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe bejaht und entsprechend Prozesskostenhilfe auch bewilligt. Der Kläger wendet sich allein gegen die Begrenzung der Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten auf die Bedingungen einer im Gerichtsbezirk des SG ansässigen Rechtsanwältin. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a SGG ausgeschlossen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Juni 2015 – L 8 AY 2/15 B – juris Rn. 4 m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten ohne Beschränkung auf die Kosten einer im Gerichtsbezirk des SG ansässigen Rechtsanwältin.

a) Gemäß § 121 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Vorschrift des § 121 Abs. 3 ZPO soll sicherstellen, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht besser gestellt wird als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst tragen muss (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof [VGH], Beschluss vom 19. Juni 2017 – 10 C 17.1076 – juris Rn.11; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2015 – 11 S 124/15 – juris Rn. 2 m.w.N.). Daher ist eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten grundsätzlich möglich.

Eine unbeschränkte Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts kann nur unter den Voraussetzungen, unter denen dem Antragsteller zusätzlich ein Verkehrsanwalt beigeordnet werden könnte, erfolgen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 19. Juni 2017 – 10 C 17.1076 – juris Rn. 12). Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO. Derartige besondere Umstände können darin bestehen, dass der Rechtsstreit besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweist, die eine besonders qualifizierte rechtliche Beratung erfordern oder dass zu einem auswärtigen Anwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (Bayerischer VGH, Beschluss vom 19. Juni 2017 – 10 C 17.1076 – juris Rn. 12 m.w.N.).

b) Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht dargetan. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass seine Betreuerin in B. wohne und es dieser daher nicht zumutbar sei, einen im Gerichtsbezirk des SG ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen, da insbesondere zur Mandatsübergabe ein persönliches Gespräch vor Ort unerlässlich sei und im Laufe des Gerichtsverfahrens auch weitere persönliche Gespräche notwendig seien.

Allerdings kommt ein Anspruch auf Beiordnung eines Verkehrsanwaltes auch dann in Betracht, wenn der auswärts wohnenden Partei wegen weiter Entfernung zur Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten ein zur Verfolgung ihrer Interessen notwendiges persönliches Beratungsgespräch nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufbringen würde (vgl. Oberlandesgericht [OLG] Frankfurt, Beschluss vom 18. November 2015 – 6 WF 185/15 – juris Rn. 5; OLG Bamberg, Beschluss vom 10. November 2011 – 2 WF 269/11 – juris Rn. 11; OLG Köln, Beschluss vom 18. Januar 2007 – 14 WF 284/06 – juris Rn. 2). In der Rechtsprechung ist dies etwa bei Entfernungen von über 600 Kilometern (OLG Köln, Beschluss vom 18. Januar 2007 – 14 WF 284/06 – juris Rn. 2), bei einer Distanz zwischen Berlin und Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2015 – 11 S 124/15 – juris Rn. 5) oder einer Fahrzeit von drei Stunden für Hin- und Rückfahrt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2013 – 16 WF 22/13 – juris Rn. 12) angenommen worden.

Derartige Entfernungen liegen hier nicht vor. Die mit dem Auto zurückzulegende kürzeste Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Betreuerin des Klägers, B., und dem Sitz des SG beträgt ca. 150 km (Fahrzeit ca. 100 Minuten). Hierauf kommt es aber nicht an, da die Begrenzung nach § 121 Abs. 3 ZPO nicht auf einen am Gerichtssitz ansässigen, sondern einen im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt abstellt (in diesem Sinne auch Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 5. März 2014 – 5 Ta 107/14 – juris Rn. 13). Die kürzesten Entfernungen zwischen B. und den im Gerichtsbezirk des SG liegenden Städten S. und G. betragen nur etwas mehr bzw. weniger als 90 km, die Fahrzeiten etwa 75 bis 80 Minuten. Beides sind Städte mit ca. 60.000 Einwohnern und dem Sitz eines Amtsgerichtes, so dass keine Zweifel bestehen, dass dort eine hinreichend große Anzahl von Rechtsanwälten für eine Mandatierung zur Verfügung stünde. Eine unzumutbare Entfernung für die Wahrnehmung persönlicher Gespräche mit einem anwaltlichen Bevollmächtigen besteht also nicht, zumal wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass auch die kürzeste Entfernung zwischen B. und dem Sitz der beigeordneten Rechtsanwältin ca. 30 km (ca. 35 Minuten) beträgt, so dass sich der Mehraufwand für eine Fahrt zu einem in G. oder S. ansässigen Rechtsanwalt auf eine einfache Fahrzeit von 40 bis 45 Minuten reduziert. Die kürzeste Entfernung zwischen B. und dem Wohnsitz des Klägers beträgt im Übrigen ca. 70 km (ca. 75 Minuten). Wenn die Betreuerin ihre diesbezüglichen Aufgaben pflichtgemäß erfüllen will, muss sie also ohnehin in den Gerichtsbezirk des SG fahren. Auch dies spricht gegen die Unzumutbarkeit, einen im Gerichtsbezirk des SG ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Der Senat ist nicht die Auffassung, dass auch schon bei derartig geringen Entfernungen die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes und daher die Beiordnung eines Anwaltes ohne die Beschränkung nach § 121 Abs. 3 ZPO notwendig sei. Wenn etwa das Arbeitsförderungsrecht davon ausgeht, dass arbeitslosen Personen tägliche (!) Pendelzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von bis zu insgesamt zweieinhalb Stunden (150 Minuten) bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden zumutbar sind (§ 140 Abs. 4 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]), ist nicht einzusehen, warum die Zumutbarkeitsgrenze für Fahrzeiten für einzelne, singuläre Gesprächstermine bei einem Rechtsanwalt niedriger angesetzt werden sollte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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