L 10 R 1637/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 450/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1637/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Umstand, dass nach dem Urteil des BSG vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, die sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung im Rahmen von Statusbeurteilungen keine Bedeutung hat, begründet für die Zeit vor dieser Entscheidung des BSG keinen Vertrauensschutz.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.03.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 09.02.2016 (streitiger Zeitraum) und in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung sowie das Recht der Arbeitsförderung.

Der 1967 geborene Kläger ist einer von zwischenzeitlich sechs Gesellschaftern der Beigeladenen, die alle zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit sind.

Die Beigeladene ist eine in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführte Steuerberatungsgesellschaft. Sämtliche Geschäftsführer sind Steuerberater, der Kläger zusätzlich nach eigenen Angaben (erstmals im Berufungsverfahren) der einzige Wirtschaftsprüfer. Das Stammkapital der im Jahre 1997 gegründeten Beigeladenen wurde im Jahr 2009 auf 160.000 EUR erhöht (§ 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages). Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages (in der noch immer geltenden ursprünglichen Fassung) bedürfen die Geschäftsführer zu im Einzelnen aufgeführten Rechtsgeschäften (u.a. in Bezug auf Grundstücke, Zweigniederlassungen, Anstellungsverträge mit Jahresgehalt von mehr als 30.000 DM, Krediten mit einem Volumen von im Einzelfall mehr als 20.000 DM oder sonstigen Verträgen mit solchem Volumen) der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Nach § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (Fassung von April 2004) werden Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz oder der Vertrag nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je angefangene 500 EUR eines Geschäftsanteiles geben eine Stimme. Hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrages, von den Gesellschaftern als Satzung bezeichnet, wird auf Bl. 32 ff. VA Bezug genommen. Am 28.01.2016 haben die Gesellschafter einstimmig beschlossen, § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages dahingehend zu ändern, dass Beschlüsse der Gesellschaft durch einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter gefasst werden, sofern das Gesetz oder diese Satzung nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je ein Euro eines Geschäftsanteiles gewährt eine Stimme. Diese Änderung ist am 09.02.2016 in das Handelsregister eingetragen worden.

Am 14.01.2011 übertrug der Kläger, der bis dahin Geschäftsanteile am Stammkapital der Beigeladenen im Umfang von insgesamt 40.000 EUR hielt (= 25 %), Anteile im Umfang von 3.200 EUR an einen eintretenden Mitgesellschafter, so dass sich seine Anteile am Stammkapital der Beigeladenen seither auf 36.800 EUR (= 23 %) belaufen.

Bereits Ende 2008 hatten sich die damaligen vier Gesellschafter, darunter der Kläger, geeinigt, entgegen der Satzung sämtliche Beschlüsse unter den Gesellschaftern einstimmig zu fassen. Dies sollte so lange gelten, bis die Gesellschafterstruktur mit den künftig aufzunehmenden Gesellschaftern endgültig steht und die Satzung in Bezug auf die Stimmrechtsmehrheiten geändert wird. Sie vereinbarten auch in Bezug auf neu aufzunehmende Gesellschafter eine aus diesen Personen bestehende "Stimmen-Gemeinschaft", auch um so wechselnde Mehrheiten mit künftigen kleineren Gesellschaftern zu vermeiden. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Bl. 130/131 VA Bezug genommen. Hiermit übereinstimmend beschlossen diese vier Gesellschafter im Januar 2009, dass die Beschlüsse der Gesellschaft eine Mehrheit von 100 % der anwesenden Stimmen erforderten (vgl. Bl. 29 VA). Am 27.01.2011 erging ein ähnlicher Beschluss der nunmehr sechs Gesellschafter, wonach Beschlüsse der Gesellschaft eine Mehrheit von 92 % der anwesenden Stimmen erforderten (vgl. Bl. 28 VA) und im Februar 2014 wurde dies dahingehend geändert, dass nun eine Mehrheit von 90 % der anwesenden Stimmen erforderlich war (vgl. Bl. 27 VA). Keiner dieser Beschlüsse wurde im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrages umgesetzt und auch nicht im Handelsregister eingetragen, nach Darstellung des Klägers weil sich jeweils viele Änderungen in der Gesellschafterzusammensetzung ergaben und man nicht jeweils eine eigene oder neue Satzungsänderung habe herbeiführen wollen (vgl. Bl. 41 Rückseite SG-Akte).

Seit März 1998 ist der Kläger auf Grund eines mit der Beigeladenen geschlossenen Geschäftsführervertrages als Geschäftsführer für die Beigeladene tätig. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (§ 1 Abs. 3 des Vertrages) und berechtigt sowie verpflichtet, die Gesellschaft allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages). Weisungen der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegen stehen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages). Entsprechend der oben dargestellten Regelung im Gesellschaftsvertrag bedarf er für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Geschäfte der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung (§ 2 des Geschäftsführervertrages). Er hat nach § 3 Abs. 1 des Vertrages seine ganze Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, für Nebentätigkeiten bedarf er der Einwilligung der Gesellschafterversammlung (§ 3 Abs. 2 des Vertrages) und er darf ohne Genehmigung weder Nebentätigkeiten (§ 3 Abs. 2 des Vertrages) noch Tätigkeiten im Geschäftszweig der Gesellschaft ausüben (§ 3 Abs. 3 des Vertrages). Nach § 6 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages in der Fassung des Nachtrages vom 01.01.2005 (Bl. 24 VA) erhält er seit dem 01.01.2005 ein festes Monatsgehalt von 10.000 EUR und nach § 6 Abs. 2 des Vertrages erhält er eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von einem Monatsgehalt, wenn das Dienstverhältnis während eines gesamten Kalenderjahres besteht. Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beigeladene nach § 6 Abs. 3 in der Fassung des Nachtrages vom 14.01.2011 seit dem 01.01.2011 einen Anspruch auf eine Tantieme in Höhe von 11,5 % des Jahresüberschusses. Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt nach § 6 Abs. 5 Satz 1 des Vertrages der Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Monaten bestehen. Der Kläger hat Anspruch auf ein Firmenfahrzeug sowie Spesen und Aufwendungsersatz (§ 7 des Vertrages) sowie Anspruch auf 30 Arbeitstage bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr (§ 8 des Vertrages). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 14 ff. VA, hinsichtlich der Nachträge auf Bl. 20 ff. VA Bezug genommen. Gegenüber der Volksbank R. übernahm der Kläger eine Bürgschaft zur Sicherung von Forderungen der Bank gegen die Beigeladene in Höhe von 135.700 EUR (Bl. 30 VA).

Im Januar 2015 beantragten der Kläger und die Beigeladene die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen für die Zeit ab 01.01.2011 (vgl. Bl. 76 VA). Mit getrennten Bescheiden an den Kläger und die Beigeladene vom 19.05.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.01.2016 stellte die Beklagte für die Zeit ab dem 01.01.2011, ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung in der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest, nicht aber - ausdrücklich - in der Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung.

Das hiergegen am 22.02.2016 vom Kläger angerufene Sozialgericht Reutlingen hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2017 abgewiesen. Nach Darstellung der gesetzlichen Grundlagen für die erfolgte Statusfeststellung (§ 7a Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB IV -) und für die Annahme von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI -) und dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -) sowie der Darstellung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) hierzu herausgearbeiteten Grundsätze ist es unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger ab dem 01.01.2011 bei der Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen und damit im festgestellten Umfang versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwögen. Ausgangspunkt der Prüfung sei der Geschäftsführervertrag vom Februar 1998 als einzige Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer. Dieser Vertrag habe nach seinem Inhalt maßgebliche arbeitsvertragstypische Elemente, wie den Umstand, dass der Kläger als Geschäftsführer die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen habe, die geregelten zustimmungsbedürftigen Geschäfte, die Erforderlichkeit, für eine Nebentätigkeit oder ein Ehrenamt die ausdrückliche Genehmigung der Gesellschaft einzuholen, das vereinbarte Festgehalt, den jährlichen Urlaubsanspruch sowie die vereinbarte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Für eine Selbstständigkeit sprechende typische Freiheiten ergäben sich aus dem Geschäftsführervertrag nicht. Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sei insoweit von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger habe auch auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung keine Möglichkeit gehabt, jederzeit unliebsame Entscheidungen abzuwehren. Vielmehr sei er dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterlegen. Er habe lediglich über eine Minderheitsbeteiligung von 23% verfügt, wobei Beschlüsse der Beigeladenen grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen gewesen seien. Der von den Gesellschaftern vereinbarten einheitlichen Stimmabgabe hat das Sozialgericht keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, weil selbst unter Annahme eines Stimmbindungsvertrages dieser aus wichtigem Grunde fristlos kündbar sei. Ein relevantes unternehmerisches Risiko des Klägers im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe insbesondere seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt, sondern sei gegen das Risiko eines krankheitsbedingten Entgeltsausfalls sogar geschützt. Der Übernahme von Bürgschaften komme nach der Rechtsprechung des BSG keine statusrechtliche Relevanz zu. Soweit sich der Kläger auf Entscheidungen von Landessozialgerichten stütze, habe er die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BSG nicht hinreichend berücksichtigt.

Gegen das ihm am 01.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.04.2017 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, dass die ursprünglichen vier Gesellschafter sich bereits verpflichteten, ihre Stimmrechte einstimmig wahrzunehmen, worauf das Sozialgericht nicht eingehe. Nicht berücksichtigt habe das Sozialgericht auch die Gründe, aus denen eine notarielle Beurkundung der einstimmig getroffenen Mehrheitserfordernisse unterblieb. Soweit das Sozialgericht von einer jederzeitigen Kündbarkeit der Stimmbindungsverträge ausgehe, unterliege es einem Zirkelschluss. Übersehen habe das Sozialgericht auch, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer eine herausragende Stellung innerhalb der Gesellschaft inne habe, weil er alleine berechtigt und befugt sei, hier Tätigkeiten zu erbringen. Jedenfalls aber müsse Vertrauensschutz bis zur Änderung der Rechtsprechung des BSG im November 2015 zuerkannt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.03.2017 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2016 festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen seit dem 01.01.2011 auch nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Einwände des Klägers nicht für durchschlagend.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklage ab Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister "am 02.02.2016" anerkannt, dass der Kläger nicht mehr im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist. Der Kläger hat dieses Teil-Anerkenntnis angenommen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Hierzu benötigt der Senat nicht das Einverständnis des Klägers, wie sich aus einem Vergleich mit § 124 Abs. 2 SGG ergibt. Der Umstand, dass der Kläger seinem Fall grundsätzliche Bedeutung beimisst und ein Revisionsverfahren anstrebt, gibt aus Sicht des Senats keinen Anlass zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Anders als der Erlass eines Gerichtsbescheides (vgl. § 105 Abs. 1 SGG) kann eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG auch in tatsächlich oder rechtlich schwierigen Fällen ergehen. Vorliegend ist der Sachverhalt ohnehin geklärt und seine Sicht der rechtlichen Situation hat der Kläger ausführlich dargestellt.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 19.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016, allerdings nur insoweit - da nur insoweit angefochten -, als die Beklagte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit ab 01.01.2011 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten als Geschäftsführer feststellte. Der Prüfungszeitraum des Senats beschränkt sich dabei auf die Zeit bis zum 08.02.2016. Denn für die Zeit ab 09.02.2016 hat sich der Rechtsstreit durch das vom Kläger angenommene Teil-Anerkenntnis der Beklagten erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Zwar hat die Beklagte im erwähnten Anerkenntnis als Beginn der Anerkennung einer versicherungsfreien Beschäftigung den 02.02.2016 angeführt. Indessen hat sie zugleich darauf hingewiesen, dass sie das Anerkenntnis "ab Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister abgebe". Da diese Eintragung - wie allen Beteiligten, dem Kläger durch zeitgleich mit dem Teil-Anerkenntnis erfolgte Zusendung des Auszuges aus dem Handelsregister bekannt - am 09.02.2016 stattgefunden hat, handelt es sich bei dem von der Beklagten angeführten Datum "02.02.2016" um ein offensichtliches Versehen, so dass die Auslegung der prozessualen Erklärung der Beigeladenen zu dem Ergebnis führt, dass dieses Teil-Anerkenntnis für die Zeit ab 09.02.2016, den Tag der Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister, Geltung erlangen sollte.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die materiellen Rechtsgrundlagen für die hier von der Beklagten getroffene Entscheidung dargestellt, zutreffend die einschlägige Rechtsprechung des BSG angeführt und es ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag, weil er als Beschäftigter bei der Beigeladenen tätig war. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

In Ergänzung der Ausführungen des Sozialgerichts und dem vordergründig berechtigten Einwand des Klägers Rechnung tragend weist der Senat darauf hin, dass auch der von den ursprünglichen vier Gesellschaftern bereits im Dezember 2008 vereinbarten "Stimmen-Gemeinschaft" keine durchschlagende Bedeutung zukommt. Gleiches gilt für den vom Sozialgericht unterstellten Umstand, dass mit den späteren, ähnlichen Beschlüssen der Gesellschafter (Bl. 27 ff VA: Stimmenmehrheiten zwischen 90 und 100 %) Stimmrechtsbindungen vereinbart wurden. Denn es handelt sich bei all diesen übereinstimmenden Bekundungen lediglich um schuldrechtliche Vereinbarungen, die nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls aus wichtigem Grund kündbar sind (Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 26), worauf das Sozialgericht zutreffend abgestellt hat. Soweit der Kläger insoweit rügt, das Sozialgericht habe die Bedeutung der Stimmrechtsbindung im Rahmen der Gesamtabwägung nicht hinreichend berücksichtigt, trifft dies nicht zu. Der Kläger verkennt vielmehr, dass - wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt - Ausgangspunkt der Prüfung der zwischen den Beteiligten, hier dem Kläger und der Beigeladenen, geschlossene Geschäftsführervertrag ist. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass dieser Vertrag maßgebliche und entscheidende Elemente eines typischen Beschäftigungsverhältnisses enthält. Maßgebend ist also in erster Linie, dass der Kläger in seiner Stellung als Geschäftsführer vertraglich dem Weisungsrecht der Beigeladenen unterlag (so ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages) und in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert war. Damit liegt ein Beschäftigungsverhältnis vor.

Die Bedeutung dieser Weisungsunterworfenheit wäre nur relativiert worden, wenn der Kläger derartige Weisungen der Beigeladenen (der Gesellschafterversammlung) auf Grund der ihm zukommenden Stellung als Mitgesellschafter hätte verhindern können. Maßgebend sind hierfür der Umfang der Kapitalbeteiligung, einschließlich der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung, und des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 28). Entscheidend ist somit für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung des eigentlich beschäftigten Geschäftsführers, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (BSG, a.a.O.). Über eine derartige Stellung verfügte der Kläger bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages Anfang 2016 nicht. Er hatte weder die Mehrheit des Stammkapitals noch eine Sperrminorität, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat und was auch der Kläger nicht in Zweifel zieht. Die von ihm angeführten Stimmbindungsvereinbarungen ändern die gesellschaftsrechtliche Situation nicht ab, weil es sich lediglich um schuldrechtliche Vereinbarungen ohne unmittelbare Auswirkung auf die gesellschaftsrechtliche Situation handelt und die dem entsprechend den sozialversicherungsrechtlichen Status nicht beeinflussen. Zuzugeben ist dem Kläger zwar, dass auch schuldrechtliche Vereinbarungen Bindungswirkung entfalten. In dessen waren - worauf wiederum das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - diese Stimmbindungsvereinbarungen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, a.a.O.) jederzeit kündbar. Für die statusrechtliche Beurteilung ist aber schon die bloße Möglichkeit einer Zerrüttung unter den Gesellschaftern bzw. eines Zerwürfnisses mit den sich daraus potentiell ergebenden gesellschaftsrechtlichen Folgen (z.B. Kündigung des Stimmbindungsvertrag) wegen des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände zu berücksichtigen (BSG, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund ist es auch ohne rechtliche Relevanz, aus welchen Gründen die Gesellschafter auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrages mit entsprechender Eintragung in das Handelsregister verzichteten. Maßgebend ist allein, ob der Kläger trotz seiner abhängigen Beschäftigung als Gesellschafter gesellschaftsrechtlich in der Lage war, auch im Konfliktfall ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Dies ist, wie dargelegt, nicht der Fall.

Soweit der Kläger rügt, das Sozialgericht habe, ebenso wie das BSG in seinen Entscheidungen vom 11.11.2015, einem Zirkelschluss unterlegen, wenn es auf die jederzeitige fristlose Kündbarkeit der Stimmrechtsbindungsvereinbarungen abstellt, folgt ihm der Senat nicht. Der Kläger stellt zur Begründung des vermeintlichen Zirkelschlusses darauf ab, dass auch jegliche Bestellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund kündbar sei. Dies trifft zwar zu. Dabei verkennt der Kläger jedoch, dass es für die Frage, ob er nicht genehme Weisungen verhindern kann, gar nicht auf den Geschäftsführervertrag ankommt. Denn er unterliegt auf Grund des Geschäftsführervertrages gerade dem Weisungsrecht der Beigeladenen, was zur Annahme einer Beschäftigung führt. Dass der Geschäftsführervertrag aus wichtigem Grund kündbar ist, bestätigt diese Bewertung. Maßgebend ist zur Relativierung der Bedeutung dieses vertraglichen Weisungsrechts vielmehr, ob der Kläger als Gesellschafter (und nicht als Geschäftsführer) ihm nicht genehme Weisungen verhindern kann. Insoweit, für die Stellung als Gesellschafter, spielt die Kündbarkeit als Geschäftsführer keine Rolle.

Auch soweit der Kläger auf seine Bürgschaftsverpflichtung zugunsten der Beigeladenen - nach seiner Behauptung zwischenzeitlich 320.500 EUR - hinweist, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Der Kläger verkennt, dass diese Bürgschaftsverpflichtung keinerlei Einfluss auf den Geschäftsführervertrag hat, weil diese Verpflichtung nicht Teil einer Verpflichtung aus dem Geschäftsführervertrag ist. Und nur diese Tätigkeit als Geschäftsführer ist Gegenstand der statusrechtlichen Beurteilung. Aber selbst wenn diese Bürgschaftsverpflichtung als Teil der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Klägers angesehen würde, vermag dieser Umstand die Tatsache, dass der Kläger bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages über keinen wesentlichen (im Sinne der Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen) Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft verfügt hat, an der Beurteilung nichts zu ändern. Aus Sicht des Senats kommt der gesellschaftsrechtlichen Willensbildung (Mehrheit der Stimmen), also der Rechtsmacht, maßgebende Bedeutung zu. Darüber hinaus stellt eine derartige Bürgschaft auch kein für eine selbstständige Tätigkeit sprechendes unternehmerisches Risiko dar, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat.

Soweit der Kläger dem Sozialgericht vorwirft, es habe sich einzelne Punkte herausgepickt und immer nur isoliert bezüglich eines einzelnen Kriteriums argumentiert, trifft dies nicht zu. Tatsächlich hat das Sozialgericht ausgehend von der Bedeutung des geschlossenen Anstellungsvertrages mit dem auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Ergebnis einer abhängigen Beschäftigung geprüft, ob sich aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Klägers eine auch in Zeiten der Uneinigkeit der Gesellschafter feste Position mit maßgebendem Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft und dem Ergebnis, unliebsame Weisungen jederzeit verhindern zu können, ergibt. Diese Systematik der vorzunehmenden Prüfung lässt der Kläger unberücksichtigt und greift seinerseits für die gesellschaftsrechtliche Stellung unergiebige Umstände heraus, die er dann in den Vordergrund seiner Beurteilung rückt.

Soweit der Kläger zuletzt Widersprüche in der Beurteilung des Begriffs Beschäftigung durch das BSG einerseits und Weisungen der Beklagten andererseits behauptet, führt dies nicht weiter. Maßgebend für die Konkretisierung des Begriffs der Beschäftigung ist die höchstrichterliche Rechtsprechung. Insbesondere relativiert eine hiervon ggf. abweichende Weisungslage nicht die Befugnis der Beklagten, entsprechend der Rechtsprechung Statusentscheidungen zu treffen. Soweit der Kläger meint, ihm sei nicht hinreichend bestimmt aufgezeigt, ob er beschäftigt ist oder nicht, dient gerade die hier streitige Statusentscheidung dieser Klärung.

Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, das BSG habe mit den Urteilen vom November 2015 (richtig: bereits mit Urteil vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 24) die sog. Kopf und Seele-Rechtsprechung "aufgegeben", erschließt sich die Relevanz dieses Vorbringens vor dem Hintergrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Rechtsstreits nicht. Es ist nicht erkennbar und auch der Kläger hat dies nicht schlüssig dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Kopf und Seele-Rechtsprechung in seinem Fall von Bedeutung gewesen wäre. Soweit der Kläger behauptet, er habe als Wirtschaftsprüfer eine herausragende Stellung innerhalb der Gesellschaft, weil er alleine Tätigkeiten dieser Art erbringe, vermag der Senat hieraus nichts in diesem Sinne abzuleiten. Die Beigeladene ist in einem bereiten Feld steuerrechtlich tätig. Gegenstand des Unternehmens sind die gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten gemäß § 33 in Verbindung mit § 57 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz, insbesondere die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen, die betriebswirtschaftliche Beratung und die gutachterliche und treuhänderische Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Dass bei einer operativen Tätigkeit von sechs Gesellschaftern als Geschäftsführer eine entsprechende Spezialisierung und Aufteilung der Geschäftsbereiche stattfindet, ist naheliegend. Dass dann aus der Tätigkeit in einem dieser Spezialbereiche aber eine prägende Einflussnahme auf die Gesellschaft insgesamt, insbesondere in Bezug auf die Machtverhältnisse im weiteren Sinne - über die sich aus den Gesellschaftsanteilen resultierende Stimmenrechte hinaus - abzuleiten sein soll, erschließt sich nicht.

Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass zwar auch im Falle einer Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung Vertrauensschutzgesichtspunkte Berücksichtigung finden müssen, falls zuvor eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung vorlag (BVerfG, Beschluss vom 05.11.2015, 1 BvR 1667/15, u.a. in juris). Dies war jedoch nicht der Fall. Vielmehr wurde die sog. Kopf und Seele-Rechtsprechung - worauf bereits das BSG im Urteil vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R (in SozR 4-2400 § 7 Nr. 24, m.w.N.) hingewiesen hat - für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und der Unfallversicherung entwickelt, also gerade nicht für das - hier maßgebende - Beitragsrecht. Tatsächlich hatte der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG - soweit ersichtlich - nur einmal hierauf zurückgegriffen (BSG, a.a.O. mit Hinweis auf das Urteil vom 23.06.1994, 12 RK 72/92), dann aber jahrelang hierauf nicht mehr Bezug genommen, sondern maßgebend auf die dem jeweiligen Beteiligten zustehende Rechtsmacht abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R ; Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; s. hierzu auch Ledge, Das Ende von "Kopf und Seele" in SGb 2007, 25, 27) und schließlich auch ausdrücklich Zweifel an dieser Rechtsprechung der für das Leistungsrecht zuständigen Senate formuliert (Urteile vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 17 BSG, und B 12 R 14/10 R, in juris). Dem entsprechend hat das BSG bei seiner Entscheidung vom 29.07.2015 (a.a.O.) auch keinen Grund gesehen, die zeitliche Anwendbarkeit seiner Rechtsauffassung zu begrenzen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass seit jeher der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch ausgelegt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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