S 2 KA 199/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 199/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 09.06.1998 wird der Beklagte verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 7) und 8) gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 24.06.1996 und 07.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist die Prüfung der Heilmittelverordnungen für die Quartale II/95 und III/95.

Die Beigeladenen zu 7) und 8) sind in Gemeinschaftspraxis als Ärzte für Neurologie und Psychiatrie in H niedergelassen, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglieder der Beigeladenen zu 6). Der Gemeinschaftspraxis gehörte in den streitbefangenen Quartalen auch der inzwischen verstorbene I an.

Im Quartal II/95 behandelten die Vertragsärzte 2955 Versicherte der Ersatzkassen gegenüber 789 im Durchschnitt der Fachgruppe 38, Untergruppe 1. Die Gesamtleistungen wiesen bei der Honoraranforderung eine Standardabweichung um + 300,2 % auf.

Im Quartal III/95 behandelten die Vertragsärzte 3074 Ersatzkassenversicherte gegenüber durchschnittlich 788. Die Gesamtleistungen überschritten im Honorarbereich um + 464,7 %.

Die außergebührenmäßigen Kosten zeigen folgendes Bild:

II/95 Sprechstundenbedarf (Ersatzkassen): - 52,7 % III/95 Sprechstundenbedarf (Ersatzkassen): + 244,57 % Arzneikosten (Ersatzkassen): + 48,5 % Arzneikosten (Primärkassen). + DM 4.849,24 Krankenhauseinweisungen (Primärkassen): 14 AU-Fälle/AU-Tage: - 25 %/- 17,17 %

Die Heilmittelkosten der Gemeinschaftspraxis stellen sich gegenüber der gesamten Fachgruppe Neurologen/Psychiater (FG 38) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wie folgt dar:

II/95:

Fallzahl Abweichung pro Fall Mitglieder 535 + 177 % Fam.Ang. 137 + 29 % Rentner 273 + 112 % Gesamtabweichung in DM: + 27.722,15

III/95:

Fallzahl Abweichung pro Fall Mitglieder 559 + 162 % Fam.Ang. 143 + 17 % Rentner 289 + 86 % Gesamtabweichung in DM: + 20.514,76

Mit Schreiben vom 25.03.1996 sowie 06.05.1996 beantragten der Kläger sowie der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband (AEV) die Prüfung der Verordnungsweise bei den Heilmitteln (Bäder, Massagen und Krankengymnastik) nach Durchschnittswerten gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 6 der Prüfvereinbarung für die Quartale II/95 und III/95. Zur Begründung führten sie aus, die Überschreitung im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses lasse nach gängiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits eine Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise vermuten, so daß sich eine weitergehende Begründung erübrige.

Mit Schreiben vom 21.05.1996 und 29.05.1996 rügten die Beigeladenen zu 7) und 8) u.a., daß ihnen regelmäßig von den Ersatzkassen keine Daten über mögliche kompensatorische Einsparungen, wie z.B. AU-Fälle und -Zeiten oder Krankenhauseinweisungen, gegeben würden.

Des weiteren spreche die Prüfvereinbarung nicht von einem Vergleich mit der Fachgruppe, sondern mit der Vergleichsgruppe, nämlich von der Gruppe derjenigen Ärzte, deren Behandlungsspektrum typischerweise die Verordnung von physiotherapeutischen Heilmitteln einschließe. Für die gesamte Fachgruppe 38, deren wesentlicher Anteil aus psychiatrisch/ psychotherapeutisch arbeitenden Kollegen bestehe, sei die Verordnung physiotherapeutischer Heilmittel nicht typisch.

Seit 1981 habe sich die Arbeitsweise in der Praxis - ein Schwerpunkt sei bekanntlich die Neurologie einschließlich rehabilitativer Maßnahmen - nicht geändert. Es lägen kompensatorische Einsparungen bei den phys.-med. Leistungen und auch den Arzneiverordnungskosten vor, die nicht beachtet worden seien.

Der Prüfungsausschuß der Ärzte und Krankenkassen Düsseldorf teilte den Vertragsärzten daraufhin unter dem 18.06.1996 u.a. mit, ihm sei bekannt, daß die AU-Fälle und -Zeiten sowie Krankenhauseinweisungen und andere statistische Daten nicht vorlägen, er könne diesem jedoch keine Abhilfe schaffen. Bezüglich der Vergleichsgruppe würden sie nur mit den Ärzten verglichen, welche ihrem Leistungsspektrum entsprächen (U 1, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie).

In seinen Sitzungen vom 28.05.1996 und 02.09.1996 befaßte sich der Prüfungsausschuß mit den Prüfanträgen und faßte folgende Beschlüsse

Quartal II/95: Regreßfestsetzung in Höhe von DM 1.350,00 Quartal III/95: Regreßfestsetzung in Höhe von DM 1.000,00

Gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 24.06.1996 und 07.10.1996 erhoben die Beigeladenen zu 7) und 8) sowie I jeweils Widerspruch. Dabei wiesen sie darauf hin, daß die Untergruppe 1 als zu grob für den Vergleich nicht herangezogen werden könne, da sich in der Untergruppe 1 nicht nur Ärzte befänden, die regelmäßig solche Verordnungen vornähmen, wie dies die Prüfvereinbarung vorsehe.

Durch die bekannten Schwerpunkte der Gemeinschaftspraxis - überdurchschnittlicher Anteil an Schlaganfallpatienten - überdurchschnittlicher Anteil an Parkinsonpatienten - überdurchschnittlicher Anteil an Patienten mit MS - überdurchschnittlicher Anteil an schizophren Erkrankten mit Defiziten - überdurchschnittlicher Anteil an Altenheimpatienten ergebe sich regelmäßig die Notwendigkeit, physiotherapeutische Leistungen zu verordnen, um Krankenhaus- und Kuraufenthalte zu vermeiden und eine medizinisch sinnvolle und wirtschaftliche rehabilitative Betreuung umzusetzen.

Durch die Zusammenarbeit mit der geriatrischen Abteilung des Kreiskrankenhauses H seien sie in der Lage, Schlaganfall- sowie Parkinsonpatienten und andere schwerbehinderte Patienten außerhalb der Einrichtung zu versorgen, die andernfalls weiterhin stationär betreut werden müßten. Dies sei eine kompensatorische Leistung.

Es würden keine phys.-med. Leistungen in eigener Praxis durchgeführt, so daß auch hier Einsparungen vorlägen.

Mit Schreiben vom 25.02.1998 bat der Beklagte den Kläger, ihm die Vergleichszahlen der Heilmittel Gesamt-Nordrhein auf der Basis der Untergruppe 1 der Nervenärzte, unterteilt nach M/F/R, für die Quartale II/III/95 mitzuteilen. Diesem Anliegen vermochte der Kläger nicht zu entsprechen, da ihm diese Vergleichszahlen nicht vorlägen. Grundlage hierfür sei die Prüfvereinbarung (§ 13 Abs. 3), welche eine Aufteilung der veranlaßten Leistungen in dieser Form nicht vorsehe. Die Heilmittelstatistik sei ausschließlich auf die Gebietsgruppenwerte auf Landesebene abgestellt.

Mit Beschluss vom 17.03.1998, ausgefertigt als Bescheid vom 09.06.1998, hob der Beklagte die Heilmittelregresse für die Quartale II/III/95 zugunsten des Klägers auf.

Zur Begründung führte er aus, der sachkundig besetzte Beschwerdeausschuß habe folgendes festgestellt:

Grundlage für den statistischen Kostenvergleich seien im Falle der zur Debatte stehenden Verfahren die Statistiken der Ersatzkassen über die Verordnung von Heilmitteln, denen - gemäß § 13 Abs. 3 der Prüfvereinbarung - der Fallkostenvergleich mit den Durchschnittswerten der gesamten Arztgruppe zugrundeliege.

Der Beklagte sei zu der Auffassung gelangt, daß ein statistischer Kostenvergleich auf der Grundlage des oben beschriebenen Zahlenmaterials aus folgenden Überlegungen nicht möglich sei:

Die Arztgruppe der "Nervenärzte", die gemäß Anlage 1 zur Prüfvereinbarung insgesamt 9 Untergruppen umfasse, bestehe aus Ärzten für Neurologie und Psychiatrie (UG 1), Ärzten für Neurologie (UG 2), Ärzten für Psychiatrie (UG 3), Vertragsärzten mit überwiegend psychotherapeutischer Tätigkeit (UG 4), Vertragsärzten, die überwiegend elektroneurophysiologische Leistungen erbrächten (UG 5), Krankenhausärzten (UG s 6, 7 und 8) sowie Kinder- und Jugendpsychiatern (UG 9). Diese Aufzählung zeige, daß die Gesamtgruppe der Nervenärzte eine inhomogene Fachgruppe darstelle, die erheblich voneinander abweichende Behandlungs- und Patientenstrukturen beinhalte. Aus diesem Grunde verbiete sich ein statistischer Kostenvergleich unter Einsatz des vorliegenden Zahlenmaterials.

Der Beklagte habe daraufhin festgestellt, daß in diesem Falle Unwirtschaftlichkeit an jedem Einzelfall zu belegen wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze die strenge Einzelfallprüfung bei dem objektiven Krankheitszustand des behandelten Versicherten im Zeitpunkt der Behandlung an. Für die Durchführung sei eine (Nach-)Untersuchung des Patienten oder das Nachvollziehen des Krankheitszustandes und des Behandlungsverlaufes aufgrund anderer - mehr oder weniger - objektiver Unterlagen (Röntgen-bilder, Befunde anderer Ärzte o. ä.) erforderlich.

Diese Beweismethode scheide ungeachtet des ohnehin mit ihr verbundenen erheblichen Aufwandes in aller Regel schon wegen des Zeitablaufs zwischen Behandlungszeitraum und dem Zeitpunkt der Überprüfung aus, weil im nachhinein die konkrete Behandlungssituation nicht mehr zuverlässig aufgeklärt werden könne.

Um seinen gesetzlichen Auftrag nicht durch eine zeitaufwendige Einzelfallprüfung zu gefährden (zumal die vom BSG aufgestellten Kriterien für eine Einzelfallprüfung zum Nachweis einer Unwirtschaftlichkeit nur sehr schwer erfüllbar seien), sehe der Beklagte in Anbetracht der Tatsache, daß er keinen Anhalt für das Vorliegen von Unwirtschaftlichkeit habe, von einer Einzelfallprüfung der Heilmittelverordnungen der Quartale II/III/95 ab. Weil Unwirtschaftlichkeit daher nicht zu beweisen sei, seien die ausgesprochenen Heilmittelregresse aufzuheben gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 29.07.1998 erhobene Klage.

Der Kläger ist der Ansicht, eine Prüfung nach Untergruppen, so wie es der Beklagte für richtig halte, sei in der Prüfvereinbarung nicht vorgeschrieben. Daneben sei auch kein sachlicher Grund für eine differenziertere Vergleichsprüfung durch Bildung von Untergruppen ersichtlich, da die Gruppe der Nervenärzte (FG 38) im Hinblick auf die Verordnungsweise von Heilmitteln als ausreichend homogen betrachtet werden könne, um einen statistischen Vergleich vorzunehmen. Insbesondere ergebe sich keine Inhomogenität aus der Unterteilung der Fachgruppe in neun Untergruppen nach Anlage 1 der Prüfvereinbarung, zumal die Anlage 1 für die Heilmittelprüfung keine Anwendung finde. Auch die unterschiedlichen Punkteanforderungen in der Leistungssparte der physikalisch-medizinischen Leistungen stünden der Annahme einer Homogenität der Arztgruppe im Hinblick auf die Heilmittelverordnungen nicht entgegen. Unerheblich sei auch die inzwischen hinsichtlich der Überprüfung von Sprechstundenbedarf ergänzte Prüfvereinbarung, nach der die statistischen Erhebungen einen Arztuntergruppenvergleich gemäß der Anlage 1 mit Ausweisung der absoluten und prozentualen Fallwertabweichungen vorzusehen hätten; diese Vorgehensweise entfalte insofern keine Bindungswirkung. Im übrigen habe die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit grundsätzlich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen zu erfolgen. Selbst bei Ablehnung einer statistischen Prüfung könne die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht insgesamt mit dem Hinweis verneint werden, eine Einzelfallprüfung sei nicht durchführbar. Neben der strengen Einzelfallprüfung sei auch eine eingeschränkte Einzelfallprüfung möglich, mit welcher sich der Beklagte in keiner Weise auseinandergesetzt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 09.06. 1998 den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 7) und 8) gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen E vom 24.06.1996 und 07.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Zutreffend habe er sich gegen die Durchführung eines statistischen Kostenvergleichs entschieden. Das statistische Zahlenmaterial, die Verordnung von Heilmitteln betreffend, werde nur bezogen auf die einzelnen Arztgruppen erfaßt. Der Beklagte sei jedoch gehalten, die Gesamtwirtschaftlichkeit der geprüften Ärzte zu reflektieren. Dies bedeute, daß den auf Arztgruppen bezogenen Durchschnittswerten im Bereich der Heilmittelverordnungen Vergleichswerte gegenüberstünden, die auf die Untergruppen der jeweiligen Arztgruppe bezogen seien. Dies gelte sowohl für den gesamten Honorarbereich als auch für den Bereich der verordneten Arzneimittel sowie des veranlaßten Sprechstundenbedarfs. Damit sei dem Beklagten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach statistischer Vergleichsbetrachtung die Möglichkeit genommen, der von Amts wegen zu hinterfragenden Relevanz der Untergruppeneinteilung im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Beurteilungsweise nachzugehen, geschweige denn, sie zu überprüfen.

Die Aufteilung der Fachgruppe 38 in insgesamt neun Untergruppen belege auch die Inhomogenität der Arztgruppe. Dies ergebe sich auch aus den Honoraranforderungen in der Leistungssparte der physikalisch-medizinischen Leistungen, bezogen auf alle neun Untergruppen, welche der Beklagte für die Quartale I/95 und II/95 näher dargestellt hat.

Während zudem § 13 Abs. 4 der Prüfvereinbarung hinsichtlich der Überprüfung von Sprechstundenbedarf zunächst lediglich den Arztgruppenvergleich vorgesehen habe, sei die Prüfvereinbarung insoweit im Herbst 1996 dahin ergänzt worden, daß die statistischen Erhebungen einen Arztuntergruppenvergleich gemäß der Anlage 1 mit Ausweisung der absoluten und prozentualen Fallwertabweichungen vorzusehen hätten. Es bleibe der Entscheidung der Vertragspartner vorbehalten, ob eine entsprechende Ergänzung auch hinsichtlich der Heilmittelverordnungsweise angezeigt sei, um statistische Vergleichsbetrachtungen durchführen zu können. In seiner Entscheidung, keine Einzelfallprüfung durchzuführen, sieht sich der Beklagte schließlich durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - unterstützt. Auch eine Verpflichtung, auf anderweitige Prüfmethoden zurückzugreifen, sei im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 15.11.1995 - 6 RKa 43/94 - durchaus fraglich.

Die Beigeladenen zu 7) und 8) wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und halten die Fachgruppe 38 für die inhomogenste aller Fachgruppen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Obwohl die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten gewesen sind, konnte die Kammer durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten in den ihnen form- und fristgerecht zugestellten Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen worden waren. Die Beiladung der Primärkassen beruht hierbei auf einem Irrtum, da diese von den vorliegend streitigen Heilmittelverordnungen zu Lasten der Ersatzkassen nicht betroffen sind.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtswidrig ist.

Der Versicherte hat nur Anspruch auf die ärztliche Versorgung, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend ist. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kann der Versicherte nicht beanspruchen, der Vertragsarzt darf sie nicht bewirken und die Krankenkassen dürfen sie nicht bewilligen (§§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz des 5. Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V)).

Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG kann die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten überprüft werden (vgl. nur BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 43/94 -). Hierzu gehört nach § 13 Abs. 1, 3 der Prüfvereinbarung auch die Prüfung der Heilmittelverordnungen. Dabei kommt den Prüfgremien ein Beurteilungsspielraum zu, weil die Festlegung des Grenzwertes für ein offensichtliches Mißverhältnis von der Beurteilung zahlreicher mehr oder weniger unbestimmter und in ihren wechselseitigen Auswirkungen nicht exakt quantifizierbarer Einzelfaktoren abhängt, überdies auch die Berücksichtigung aller relevanten Umstände letztlich eine wertende Entscheidung erfordert (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 23; BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 43/95 - und - 6 RKa 58/94 -). Infolgedessen beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung darauf, ob die Verwaltung das Verfahren ordnungsgemäß eingehalten hat, von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ihre Subsumtion so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. BSG SozR 2200 § 368n RVO Nrn. 31, 36, 42).

Bei Anwendung dieser Prüfmaßstäbe erweist sich der angefochtene Bescheid insofern als rechtsfehlerhaft, als der Beklagte die Durchführung einer statistischen Prüfung der Heilmittelverordnungen nach Durchschnittswerten abgelehnt hat.

Nach § 13 Abs. 1 der Prüfvereinbarung wird die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bei Heilmitteln auf der Basis arztgruppenspezifischer Durchschnittswerte geprüft, soweit - wie hier - für diesen Verordnungsbereich Richtgrößen nach Anlage 3 nicht bestimmt sind. Für die Prüfung der Heilmittelverordnungsweise nach Durchschnittswerten führen die Krankenkassen oder deren Verbände vierteljährlich für Vertragsärzte, die Arztgruppen angehören, deren Behandlungsspektrum typischerweise die Verordnung von physiotherapeutischen Heilmitteln einschließt, statistische Erhebungen, aus denen die von diesen Ärzten zu Lasten der nordrheinischen Krankenkassen verordneten Heilmittel hervorgehen. Die statistischen Erhebungen haben einen (Brutto-)Fallkostenvergleich mit den Durchschnittswerten der Arztgruppe zu enthalten. Soweit - wie hier - arztgruppenspezifische Richtgrößen in der Anlage 3 nicht bestimmt sind, regelt diese Anlage die Zuordnung der Ärzte in die nach Satz 1 für die Prüfung relevanten Arztgruppen.

Auf dieser Grundlage hätte der Beklagte eine statische Vergleichsprüfung der Heilmittelverordnungen vornehmen müssen. Zwar werden die Heilmittelstatistiken lediglich auf der Grundlage der Durchschnittswerte der gesamten Arztgruppe der Nervenärzte erstellt und dabei nicht nach Untergruppen - wie im Honorarbereich nach Anlage 1 zur Prüfvereinbarung - und innerhalb dieser nach Versichertenstatus M/F/R differenziert. Gleichwohl verbietet sich damit dem Grunde nach nicht von vornherein ein statistischer Kostenvergleich.

Soweit der Beklagte hierzu in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf abgehoben hat, die Aufteilung der Gruppe der Nervenärzte in neun Untergruppen zeige, daß die Gesamtgruppe der Nervenärzte eine inhomogene Fachgruppe darstelle, die erheblich voneinander abweichende Behandlungs- und Patientenstrukturen beinhalte, wird dies bei der ärztlichen Behandlungsweise sicherlich Geltung beanspruchen. Diese Erkenntnis für den Honorarbereich läßt aber keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß dies auch für den Bereich der Heilmittelverordnungen in gleicher Weise zu gelten hat. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die gemäß § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und damit von den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung gemeinsam und einheitlich vereinbarten Regelungen über die Erhebung des statistischen Zahlenmaterials aufgrund einer übereinstimmenden Wertung derer, die es angeht, die Vermutung der hinreichenden Aussagekraft der Daten für die Prüfung der Heilmittelverordnungsweise in sich tragen. Hierfür spricht auch der Umstand, daß im 2. Nachtrag zur Prüfvereinbarung vom 26.10.1993 lediglich im Hinblick auf die Prüfung der Verordnung von Sprechstundenbedarf eine Ergänzung zu § 13 Abs. 4 Satz 3 dahin vereinbart wurde, daß die statistischen Erhebungen einen Arztuntergruppenvergleich gemäß der Anlage 1 mit Ausweisung der absoluten und prozentualen Fallwertabweichungen vorzusehen haben (Rhein. Ärztebl. 2/97, 62). Wenn, wie die Beigeladenen zu 7) und 8) im Verwaltungsverfahren vorgetragen haben, der Arbeitskreis der Fachgruppe 38 mit Unterstützung des BVDN bei der Beigeladenen zu 6) seit längerem mehrere Beschwerden und Änderungsanträge hinsichtlich der richtigen Vergleichsgruppenbildung angebracht hat, hätte es aber nahegelegen, daß die Vertragspartner der Prüfvereinbarung über die Ergänzung bei der Prüfung des Sprechstundenbedarfs hinaus entsprechende Änderungen auch bei der Prüfung der Heilmittelverordnungen vorgenommen hätten. Erst recht hätte es nahegelegen, den von den Beigeladenen zu 7) und 8) vorgebrachten Bedenken nachzugehen, die Untergruppe 1 der Fachgruppe 38 (Nervenärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie) verordne nicht typischerweise physiotherapeutische Leistungen. Die Kammer vermag zwar nachzuvollziehen, daß eine differenzierende Regelung im Interesse einer verfeinerten Prüfung durchaus wünschenswert wäre. Die derzeitige Regelung sieht eine derartige Differenzierung indes nicht vor.

Der Beklagte wird daher eine Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten vorzunehmen haben. Wie er die statistischen Werte intellektuell und im Hinblick auf die Gesamtwirtschaftlichkeit einzuordnen hat, unterliegt dabei seinem Beurteilungsspielraum.

Dabei wird sich der Beklagte Gewißheit darüber zu verschaffen haben, daß die wesentlichen Leistungsbedingungen der Beigeladenen zu 7) und 8) mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der Fachgruppe 38 übereinstimmen. Wenn bei der geprüften Arztpraxis besondere, einen erhöhten Verordnungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die Vergleichsgruppe atypisch sind, müssen deren Auswirkungen beachtet werden, ehe sich auf der Grundlage der statistischen Abweichungen eine verläßliche Aussage über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise treffen läßt (BSGE 74, 70, 73 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 23; Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 4/95 -). Demgemäß wird der Beklagte zu ermitteln haben, welche Auswirkungen der Umstand zur Folge hat, daß die Beigeladenen zu 7) und 8) in eigener Praxis fast keine physikalisch-medizinischen Leistungen erbracht haben. Da die in eigener ärztlicher Praxis erbrachten und die nach außen verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen ihrer Art nach austauschbar sind, ergeben sich bei der insofern gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung möglicherweise zu berücksichtigende Einsparungen zugunsten der beigeladenen Vertragsärzte. In welchem Maße die von den Beigeladenen zu 7) und 8) nicht selbst erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen gegenzurechnen sind, unterliegt ebenfalls dem Beurteilungsspielraum des Beklagten. Dieser kann sich insofern auf medizinische Erfahrungswerte, vorhandene statistische Erkenntnisse oder auf andere sachgerechte Quellen stützen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß die Fachgruppe 38 wesentlich von der Untergruppe 1, der die Beigeladenen zu 7) und 8) nach der Anlage 1 zur Prüfvereinbarung zugeordnet sind, geprägt wird. Dies ergibt sich aus der Anzahl der Leistungserbringer, die der Beklagte mit Schreiben vom 25. 02.1998 dem Kläger mitgeteilt hat. Von daher wird der Beklagte zu prüfen haben, inwieweit die von ihm in seiner Klageerwiderung vom 21.09.1998 geäußerten Bedenken gegen die Prüfung der Gesamtwirtschaftlichkeit zu relativieren sind.

Angesichts der Verpflichtung des Beklagten, eine statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten vorzunehmen, hatte die Kammer keine Veranlassung, sich näher damit zu beschäftigen, daß der Beklagte von einer Prüfung nach anderen Methoden, insbesondere einer Einzelfallprüfung, abgesehen hat. Rechtswidrig ist dieses Absehen vorliegend aber nicht. Der Kläger hatte den Prüfantrag ausdrücklich auf § 13 Abs. 3 der Prüfvereinbarung (Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Heilmittelverordnungsweise nach Durchschnittswerten) gestützt, entsprechende statistische Zahlenwerte angegeben und seinen Antrag mit Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses begründet. Stellt ein Prüfantrag auch lediglich eine Verfahrensvoraussetzung ohne materiellrechtliche Bedeutung dar (BSG, Urt. v. 21.06.1995 - 6 RKa 54/94 -), so ist es gleichwohl nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich der Beklagte bei der Auswahl der Prüfmethode auf die im Prüfantrag allein angegebene Methode beschränkt und über diesen Antrag nicht hinausgeht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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