Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2330/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2266/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. April 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 126.071,67 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen (einschließlich Umlage U2) sowie die Forderung von Säumniszuschlägen von insgesamt EUR 126.071,67.
Die Klägerin hatte bis 31. Dezember 2005 das Betreiben eines Hotels als Inhaberin als Gewerbe angemeldet. Die Räumlichkeiten des Hotels befanden sich in einem dem Bruder der Klägerin (im Folgenden W) gehörenden Gebäude. Ab 1. Januar 2016 war W Inhaber.
Der Beigeladene zu 1) ist ausgebildeter Hotelfachmann. Er war mit Arbeitsvertrag vom 1. November 1998, den für die Klägerin W unterzeichnete, als Empfangschef zu einer monatlichen Vergütung von DM 4.100,00 im Hotel angestellt. Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 1. November 1998, in der die Klägerin als Arbeitgeber und der Beigeladene zu 1 als Arbeitnehmer bezeichnet waren und die für die Klägerin W unterzeichnete, enthält auszugsweise folgende Regelungen: I. Provisionen aus Übernachtungen Vorbemerkung: Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber als leitender Angestellter angestellt. Der Arbeitgeber betreibt einen Hotelbetrieb. Das Hotel verfügt über 21 Einzelzimmer, 14 Doppelzimmer und 7 Businesszimmer. Pro Tag kann hieraus ein Umsatz wie folgt erwirtschaftet werden: &8722; 21 Einzelzimmer zu je DM 119,00; &8722; 14 Doppelzimmer zu je DM 45,00; &8722; 7 Businesszimmer zu je DM 175,00; Bruttosumme DM 5.754,00 Unter Zugrundelegung von 30 Tage/Monat entspricht dies einem maximal erzielbaren Umsatz von DM 172.620,00. Hierin sind Provisionszahlungen an Dritte mit max. 10 % enthalten. 1. Der Arbeitnehmer erhält hieraus folgende Provisionsvergütungen: &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 69.000,00 monatlich (40% des erzielbaren Umsatzes): pro Übernachtung DM 2,00 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 87,000,00 monatlich (50% des erzielbaren Umsatzes: pro Übernachtung DM 3,00 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 104.000,00 monatlich (60% des erzielbaren Umsatzes: pro Übernachtung DM 3,50 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 120.000,00 monatlich (70% des erzielbaren Umsatzes): pro Übernachtung DM 4,00 brutto 2. Die vorgenannten Umsätze müssen auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sein. [ ]. 3. Die unstreitig festgestellten Provisionen sind zum 15. des übernächsten Monats durch den Arbeitgeber zur Zahlung fällig. [ ] II. Provisionen aus Gastronomie 1. Der Arbeitnehmer erhält aus dem monatlichen Gewinn. des vom Arbeitgeber betriebenen Bistros 20%. [ ]. [ ].
Am 29. Juni 1999 hoben die Klägerin und der Beigeladene zu 1 (unterzeichnet auch von der Beigeladenen zu 8, die Ehefrau des Beigeladenen zu 1, die mit Arbeitsvertrag vom 9. Juli 1999 zum 1. September 1999 als Assistenz des Empfangschefs angestellt wurde) die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag auf und trafen folgende Vereinbarung: 1. Die gesetzten Umsatzziele sind ohne Einstellung einer zusätzlichen Person zur Unterstützung des [Beigeladenen zu 1] nicht erreichbar. 2. Zur Unterstützung wird zum 01.09.1999 [Beigeladene zu 8], bekannt, in Vollzeit eingestellt. 3. Ansprüche aus der Zusatzvereinbarung sind bisher nicht angefallen und werden nicht erhoben. 4. Die Zusatzvereinbarung wird zum 30.06.1999 in vollem Umfang aufgehoben. 5. [Dem Beigeladenen zu 1] werden im Gegenzug ein Darlehen bis in Höhe von DM 25.000,00 und tätige Hilfe zur Regulierung seiner Verbindlichkeiten gegenüber seinen früheren Geschäftspartnern und Ämtern zugesagt. Die Bereitstellung des Geldbetrags endet am 31.12.2001 und verfällt ersatzlos. 6. Der Geldbetrag wird ab Inanspruchnahme mit 3% jährlich verzinst. Die Rückzahlung beginnt am 01.01.2003 in 120 gleichen Monatsraten zuzüglich verbleibender Zinsen. 7. Ebenfalls am 29. Juni 1999 vereinbarten W und der Beigeladene zu 1 folgendes: Vorbemerkung: Am 29.06.1999 wurde die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag [ ] und [dem Beigeladenen zu 1] vom 01.11.1998 aufgehoben. [Der Beigeladene zu 1] hatte sich jedoch darauf eingestellt, künftig über die finanziellen Mittel aus dieser aufgehobenen Zusatzvereinbarung verfügen zu können, um 1. seine Gläubiger befriedigen und 2. eine neue Existenz gründen zu können. [W] beabsichtigt, die Liegenschaft Hotel [ ] zu veräußern und verweist hierzu auf seine Bauschadensprozesse. [W] ist bereit, [dem Beigeladenen zu 1] den Ausfall der finanziellen Mittel aus der Zusatzvereinbarung bis zur Auflassung auszugleichen. Die Parteien vereinbaren daher wie folgt: 1. [Der Beigeladene zu 1] stellt an [W] Ansprüche gleichlautend aus der aufgehobenen Zusatzvereinbarung. 2. [W] stellt [dem Beigeladenen zu 1] die beanspruchten Beträge abzüglich 7% als Darlehen leihweise zur Verfügung, da [W] nur beschränkt freie Geldmittel aus der Verpachtung des Namens [ ] zur Verfügung stehen. 3. [W] verhandelt mit den Gläubigern des [Beigeladenen zu 1] direkt und zahlt eventuelle Vergleichsbeträge direkt und unbar an die Gläubiger. 4. Als Belege gelten die quittierten Abrechnungen und/oder Überweisungen. 5. Diese Vereinbarung gilt bis zur Auflassung, jedoch längstens bis 31.12.2003. 6. Sollte es bis 31.12.2003 zur Auflassung gekommen sein, so erlässt [W] [dem Beigeladenen zu 1] als Anerkennung seiner Mitwirkung die Hälfte des bis dahin errechneten und ausbezahlten Gesamtdarlehens. Der Rest wie auch im Falle der Nichtauflassung die volle Darlehenssumme sind bis 31.12.2009 zur Rückzahlung fällig. 7. Sollte aus welchen Gründen auch immer zwischen [W] und [dem Beigeladenen zu 1] z.B. durch Ausfall der Pächterin des Hotels [ ] vor der Auflassung ein Arbeitsverhältnis entstehen, so endet diese Vereinbarung mit dem Tag des Beginns dieses Arbeitsverhältnisses ersatzlos und ohne weitere Kündigung. Punkt 4 bleibt hiervon unberührt.
Am 30. März 2004 vereinbarten W und der Beigeladene zu 1: Die Parteien beziehen sich auf die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung vom 29.6.1999. Der Verkauf der Liegenschaft Hotel [ ] ist nicht erfolgt. Die Bauschadensprozesse dauern an. Die Vereinbarung vom 29.6.1999 wird um das 1. und 2. Quartal 2004 fortgesetzt. Eine Fortsetzung ist nicht geplant.
Eine an die Beigeladene zu 4 (eingegangen am 3. November 2005) gesandte anonyme Anzeige behauptete, der Beigeladene zu 1 habe von W zumindest bis zum Sommer 2004 fast EUR 115.000,00 unter Umgehung von Steuer und Sozialversicherung erhalten. Der Anzeige waren neben den Vereinbarungen auch eine vom Beigeladenen zu 1 erstellte Provisionsabrechnung für das zweite Quartal 2004 vom 28. Juli 2004 beigefügt.
Aufgrund dieser Anzeige erstattete das Hauptzollamt S. nach Ermittlungen Strafanzeige gegen die Klägerin und W. Im Rahmen der Ermittlungen erfolgten Durchsuchungen mit der Beschlagnahme von Unterlagen. Beschlagnahmt wurden unter anderem Provisionsabrechnungen des Beigeladenen zu 1 für den Zeitraum vom 1. April 2001 bis 31. März 2006, in der Rezeption des Hotels zwei PC mit Excel-Dokumenten mit Tabellen für den Zeitraum Februar 2001 bis März 2005, in denen Namen, Arbeitsstunden, der Stundenlohn von DM 17,00 sowie der Lohn in DM und EUR vermerkt waren.
Die Staatsanwaltschaft S. erhob Anklage gegen die Klägerin und W wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, gegen den Beigeladenen zu 1 wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt sowie gegen W und den Beigeladenen zu 1 wegen falscher Versicherung an Eides Statt. Das Strafverfahren gegen die Klägerin stellte das Amtsgericht S. nach § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) nach Zahlung einer Geldbuße von EUR 1.200,00 ein. Mit Urteil vom 16. Oktober 2008 verurteilte das Amtsgericht S. W wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 61 Fällen und falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie den Beigeladenen zu 1 wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu neun Monaten Freiheitsstrafe und setzte die Freiheitsstrafen zur Bewährung aus. Das Amtsgericht S. führte zur Begründung unter anderem aus, W habe dem Beigeladenen zu 1 im Zeitraum von Juni 1999 bis Juni 2004 neben seinem Gehalt zusätzliche Provisionen von mindestens EUR 20.000,00 jährlich gezahlt, für die keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, obwohl W den Arbeitslohncharakter der Zahlungen zumindest billigend in Kauf genommen habe. Es sei auf diese Weise erreicht worden, dass der Beigeladenen zu 4 für den Beschäftigungszeitraum Juni 1999 bis Juni 2004 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 45.285,23 unbekannt geblieben und daher nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. W und der Beigeladene zu 1 hätten die Taten in dem festgestellten Umfang umfassend und glaubhaft gestanden; W mit einer schriftlichen Erklärung insbesondere, dass es sich bei den (festgestellten) Zahlungen objektiv um Provisionszahlungen gehandelt und er dies subjektiv billigend in Kauf genommen habe.
Auf Nachfrage der Beigeladenen zu 6 gab die Staatsanwaltschaft S. an (Schreiben vom 13. Februar 2009), verantwortlich für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei in erster Linie W gewesen, der das Hotel geführt habe. Die Klägerin sei zwar formal als Inhaberin im Gewerberegister eingetragen gewesen, jedoch die meiste Zeit über an ihrem Wohnsitz in G ...
Am 17. April 2006 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2005 durch.
Nach erfolgter Anhörung (Schreiben vom 27. Dezember 2006) über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 137.956,33 (einschließlich Säumniszuschlägen von EUR 39.190,18) teilte die Klägerin mit (Schreiben vom 11. Juli 2007), die ursprünglich zum Arbeitsvertrag zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1 getroffene Zusatzvereinbarung über eine Umsatzprovision sei am 29. Juni 1999 aufgehoben worden, ohne dass zuvor Ansprüche aus dieser Zusatzvereinbarung entstanden seien. Da der Beigeladene zu 1 sich auf Zahlungen aus der Zusatzvereinbarung eingestellt gehabt habe, habe sich W nach Gesprächen bereit erklärt, ihn direkt bei der Schuldentilgung zu unterstützen und ihm Privatdarlehen bis zur Höhe der ursprünglich vereinbarten Umsatzprovisionen zur Verfügung zu stellen. Hierüber hätten die beiden die schriftliche Vereinbarung vom 29. Juni 1999 geschlossen und mit der Zusatzvereinbarung vom 30. März 2004 fortgeschrieben. Die Höhe der zu gewährenden Darlehen habe durch die Abrechnungen bestimmt werden sollen. Zahlungen habe ausschließlich W von seinem Privatkonto geleistet. Auf ihre Anweisung seien alle Anwesenheitszeiten beschäftigter Personen dokumentiert worden, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hätten oder nicht. In den Arbeitsverträgen sei festgelegt, dass mit den Lohnzahlungen eventuelle Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgegolten seien.
Mit Bescheid vom 11. September 2007 forderte die Beklagte von der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 126.071,67 (einschließlich Säumniszuschläge von EUR 36.544,18) nach. Eine Nachberechnung erfolgte anders als noch in der Anhörung angegeben nicht für vier Personen, die die Beklagte entsprechend den Angaben der Klägerin als Praktikanten/Umschüler ohne Entgelt behandelte, sowie für eine Person wegen des Sachbezugs einer Hauptmahlzeit als Koch. Zur Begründung führte die Beklagte aus: • Der Auffassung, bei den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 habe es sich nicht um Provisionszahlungen, sondern um Darlehnszahlungen gehandelt, könne nicht gefolgt werden. Provisionen seien Arbeitslohn, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Leistungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeführt würden. Die Provisionszahlungen würden unter Berücksichtigung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zuzüglich der angefallenen Säumniszuschläge nachberechnet. • Der Auffassung, bei den auf dem PC des W gefundenen Excel-Dateien habe es sich nicht um Arbeitszeitnachweise, sondern lediglich um Anwesenheitszeiten gehandelt, könne nicht gefolgt werden. Für "die nachstehend aufgeführten Arbeitnehmer" seien bislang weder Meldungen erstattet noch Beiträge abgeführt worden. Die bislang nicht entrichteten Beiträge würden inklusive Säumniszuschläge nacherhoben. Das Entgelt werde im Rahmen eines Summenbeitragsbescheides festgesetzt, da eine personenbezogene Zuordnung aufgrund fehlender Personalien nicht möglich gewesen sei. • Die Nachberechnung für die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 erfolge aufgrund der nicht gewährten Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen, obwohl diese den genannten Personen durch den für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrag der "DEHOGA" (gemeint wohl Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg; im Folgenden Manteltarifvetrag) zugestanden und nicht durch eine Verzichtserklärung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen worden seien. Insoweit würden nur Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 nachgefordert. • Seit Einfügen des § 14 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zum 1. August 2002 handle es sich bei gezahlten Schwarzlöhnen um einen Nettolohn, welche in einen Bruttolohn hochzurechnen sei. Hierfür sei bei dem Beigeladenen zu 1 die Lohnsteuerklasse IV, in den Fällen der nicht gemeldeten Arbeitnehmer die Lohnsteuerklasse VI zugrundegelegt worden. • Säumniszuschläge würden ab Fälligkeit der Beiträge bis zum Monat vor der Anhörung erhoben, weil unverschuldete Nichtkenntnis regelmäßig nicht vorliege, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um Fälle der illegalen Beschäftigung handle.
Den Bescheid vom 11. September 2007, der an die Klägerin unter ihrer (damaligen) Schweizer Anschrift adressiert war, übersandte die Beklagte dem Verteidiger der Klägerin mit Begleitschreiben vom 14. September 2007. Dieser behauptete (Schreiben vom 18. Oktober 2007), nicht zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigt zu sein, und legte vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid ein. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin den Bescheid vom 11. September 2007 nochmals mit Schreiben vom 2. November 2007.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressiertem Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 den Widerspruch vom 18. Oktober 2007 gegen den Bescheid vom 11. September 2007 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Aufgrund des Hinweises des Verteidigers, er sei zur Widerspruchserhebung nicht von der "Arbeitgeberin" berechtigt und habe derzeit auch keinen Kontakt zu ihr, sei davon auszugehen, dass eine schriftliche Bevollmächtigung nachträglich nicht mehr erfolge.
Mit Schreiben an die Beigeladene 6 vom 7. Dezember 2009 verwies die Klägerin auf das Schreiben ihres Verteidigers vom 18. Oktober 2007 und bestritt den Zugang des Schreibens vom 2. November "2009" sowie des angekündigten Bescheids. Nachdem die Beigeladene zu 6 die Beklagte hierüber unterrichtet hatte, stellte die Beklagte der Klägerin unter dem 5. März 2010 den Beitragsbescheid zu. Nach dem zurück gelangten Rückschein erhielt die Klägerin die Postsendung am 12. März 2010 ausgehändigt.
Die Klägerin erhob am 12. April 2010 Widerspruch.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin (gegen den Bescheid vom 11. September 2007) zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2010, der Klägerin zugestellt am 3. August 2010). Der Widerspruchsausschuss ging von einem Zugang des Bescheids vom 11. September 2007 am 12. März 2010 und einer Erhebung des Widerspruchs am 12. April 2010 aus. Der Widerspruch sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin sei im Prüfzeitraum Inhaberin des Betriebs gewesen und müsse – auch wenn das Amtsgericht S. W und den Beigeladenen zu 1 zu Bewährungsstrafen verurteilt habe – deswegen bis Dezember 2005 für die hieraus entstandenen Beitragsforderungen einstehen. Bei der Einstellung des Strafverfahrens gegen die Klägerin sei davon ausgegangen worden, dass sie mitverantwortlich für die Beitragsvorenthaltung gewesen sei. Weil sie sich in der Schweiz aufgehalten und W hauptsächlich die Geschäfte geführt gehabt habe, habe die Staatsanwaltschaft das Verschulden eher als gering eingestuft. Die im Bescheid vom 11. September 2007 getroffenen Feststellungen seien nachvollziehbar und zutreffend. Ergänzend würden dem Widerspruchsbescheid die aus der Schadensberechnung ermittelten Werte beigefügt, welche Grundlage der mit Bescheid vom 11. September 2007 getroffenen beitragsrechtlichen Feststellungen gewesen seien.
Die Klägerin erhob am 31. August 2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 3 KR 3630/10; nach wiederholtem Ruhen und Wiederanruf der Beklagten zuletzt: S 13 R 2330/14). Nachdem die Vereinbarung über Provisionszahlungen mit dem Beigeladenen zu 1 am 29. Juni 1999 wieder aufgehoben worden sei, sei ihm stattdessen ein Darlehen von bis zu DM 25.000,00 zur Regulierung privater Schulden zugesagt worden. Sie habe eine Provisionszahlung an den Beigeladenen zu 1 geleistet. Alle anderen Zahlungen seien ausschließlich aus dem Privatvermögen des W erfolgt. Dies habe eine Beweisaufnahme in einem Verfahren vor dem Finanzgericht S. ergeben, in welchem sich der Beigeladene zu 1 gegen einen Steuerbescheid gewehrt habe, mit welchem das Finanzamt Steuern für die von W gewährten Darlehensbeträge von ihm gefordert habe. Der Beigeladene zu 1 habe gegenüber W die von diesem geleisteten Zahlungen vollständig quittiert (Verweis auf eine vorgelegte Quittung vom 22. Juni 1999 über EUR 4.550,00 mit der Angabe "Anspruch aus Arbeitsvertrag II" sowie eine vorgelegte, vom Beigeladenen zu 1 gegenüber W erstellte "Provisionsübersicht" für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2000 mit einem Betrag von insgesamt DM 48.811,00). Sie habe von den Zahlungen des W keine Kenntnis gehabt. Feststellungen hierzu habe das Amtsgericht S. aufgrund der Einstellung des Verfahrens gegen sie nicht getroffen. Das Urteil des Amtsgerichts S. sei aufgrund einer Absprache zwischen ihm (Amtsgericht S.) und der Verteidigung beendet worden, so dass die Ausführungen für das vorliegende Verfahren nicht direkt verwertbar seien. Der Beigeladene zu 1 habe am 18. Juli 2006 in Höhe von EUR 2.850,00, am 14. Oktober 2010 in Höhe von EUR 14.500,00 und am 15. Oktober 2010 in Höhe von EUR 5.200,00 Rückzahlungen an W geleistet (Verweis auf vorgelegte Kontoauszüge). Der Beigeladene zu 1 habe bis einschließlich September 2014 EUR 47.610,00 und bis einschließlich März 2015 EUR 51.210,00 an W zurückgezahlt (Verweis auf vorgelegte Aufstellungen). Derzeit (April 2015) würden weitere Ratenzahlungen in Höhe von EUR 600,00 geleistet. Sämtliche im Hotelbetrieb tatsächlich beschäftigten Personen seien ordnungsgemäß angemeldet gewesen. Die von der Beklagten als "unbekannte Arbeitnehmer" bezeichneten Mitarbeiter seien unbekannt, weil sie als Mitarbeiter nie existiert hätten. Auf ihre Anweisung seien alle Anwesenheitszeiten beschäftigter Personen und aller sonstiger Personen mit Ausnahme der Gäste dokumentiert worden, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hätten oder nicht, um zu dokumentieren, wer sich wann im Hotel aufgehalten habe. Eine falsche tarifliche Einordnung der Mitarbeiter sei nicht erfolgt. Seit 1. Januar 2003 gelte für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip. Auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld hätten die Mitarbeiter verzichtet (Verweis auf vorgelegte "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vom 9. Januar 2006 zwischen W als "Arbeitgeber" und den Beigeladenen zu 1, 5, 8 und 11 sowie zwei weiteren Arbeitnehmerinnen). Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung der Beklagten, sie (die Klägerin) müsse sich das Handeln des W zurechnen lassen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies darauf, dass W im Strafverfahren eingeräumt habe, dass es sich bei den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 um Provisionszahlungen gehandelt habe. Im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gelte die Klägerin als Arbeitgeberin, weil sie nach dem Gewerberegister als Inhaberin des Hotels bis Ende 2005 eingetragen gewesen sei, und sie habe deshalb alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Beitragsforderungen zu verantworten. Das Sozialgericht Stuttgart habe mit Urteil vom 22. November 2010 (S 20 R 2444/08) die Klage des W wegen der Beitragsforderungen für die Monate Januar bis März 2006 aufgrund der Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 abgewiesen. Die Berufung des W habe das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 14. Mai 2013 (L 11 R 818/11) zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 3. März 2015 lud das SG einen Teil der betroffenen Arbeitnehmer, die AOK Baden-Württemberg, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See zum Verfahren bei.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. April 2015 ab. Die Klägerin sei Arbeitgeberin, da W das Hotel unter ihrem Namen und auf ihre Rechnung geführt habe. Die im Auftrag der Klägerin durch W mit dem Beigeladenen zu 1 geschlossene Vereinbarung vom 1. November 1998 sei im Prüfzeitraum noch wirksam gewesen. Sie sei weder aufgehoben noch durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt worden. Der Aufhebungsvertrag vom 29. Juni 1999 sei nur zum Schein abgeschlossen worden und daher nichtig. Die Ausgestaltung des angeblichen Privatdarlehensvertrags spreche gegen eine tatsächliche Darlehensvereinbarung. Die dargelegte monatliche Rückzahlung des Darlehens durch den Beigeladenen zu 1 vermöge die Kammer nicht vom tatsächlichen Bestehen der Darlehensschuld zu überzeugen. Die Klägerin habe den Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 trotz des allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags und fehlender Verzichtserklärung im Arbeitsvertrag kein Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld gezahlt. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die aus den beschlagnahmten Anwesenheitslisten lediglich mit Vornamen bezeichnenden Personen im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt gewesen seien. Insoweit habe die Beklagte die Beitragshöhe korrekt im Rahmen eines so genannten Summenbescheids festgesetzt. Die Beklagte fordere zurecht auch Säumniszuschläge in der geltend gemachten Höhe.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 27. April 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Mai 2015 Berufung eingelegt. Das SG gehe fälschlicherweise davon aus, W habe über den gesamten Zeitraum von 1998 bis 2005 als ihr Bevollmächtigter das Hotel geführt. Sie sei selbst in S. anwesend gewesen. Die Führung des Hotels habe ihr und dem in leitender Position als Empfangschef angestellten Beigeladenen zu 1 oblegen. Soweit sie sich teilweise von W habe vertreten lassen, bedeute dies nicht, dass sie W die Geschäftsführung des Hotels übertragen habe. Die Auffassung des SG, der Aufhebungsvertrag vom 29. Juni 1999 sei nur zum Schein geschlossen, sei unrichtig. Das SG übersehe wesentliche Tatsachen. Der Beigeladene zu 1 habe Interesse daran gehabt, dass die Beigeladene zu 8 einen Arbeitsplatz bei ihr (der Klägerin) erhalte. Dies sei in ihrer (der Klägerin) Personalplanung nicht vorgesehen gewesen und habe zur Anpassung/Aufhebung der Provisionsvereinbarung zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1 geführt. Die Zahlungen von W hätten nicht in ihren (der Klägerin) Interesse als Arbeitgeberin gelegen, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse des W, weil es diesem darum gegangen sei, die Immobilie mit gut laufendem Hotelbetrieb verkaufen zu können, um durch Bauprobleme und Bauverzögerungen eingetretene hohe finanzielle Belastungen aufzufangen. Da Provisionsvergütungen an den Beigeladenen zu 1 zu zusätzlichen Betriebsausgaben geführt hätten, die den Ertragswert des Hotelbetriebs wieder reduziert hätten, habe W sich entschieden, dem Beigeladenen zu 1 wegen dessen finanzieller Probleme ein Darlehen zu gewähren mit der Zusage eines Verzichts/Teilverzichts für den Fall einer erfolgreichen Veräußerung des Anwesens, die dann jedoch in der Folgezeit nicht erfolgt sei Bis einschließlich August 2017 habe der Beigeladene zu 1 an W über EUR 78.000,00 zurückgezahlt. Grund für die zunächst vom Beigeladenen zu 1 ab dem Jahre 2004 zögerlich gezahlten Rückzahlungen sei dessen Erkrankung gewesen. W habe im Strafverfahren kein Geständnis abgelegt, es habe sich um Provisionszahlungen gehandelt. Das SG lasse sich durch das gegen W ergangene Urteil des Amtsgerichts S. unzulässig beeinflussen und übersehe mehrere Tatsachen. In Bezug auf sie habe das Urteil keine Feststellungen getroffen. Das Urteil beruhe auf einer Verständigung. W habe erklärt, von seinem Privatkonto bis zum Ende des zweiten Quartals 2004 insgesamt EUR 114.774,95 an den Beigeladenen zu 1 oder an dessen Gläubiger überwiesen oder bezahlt zu haben und sei damals davon ausgegangen, dass solche Zahlungen nicht sozialversicherungspflichtig seien. Die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts S. seien auch teilweise unzutreffend. Die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 hätten Verzichtserklärungen abgegeben, die W nach Übernahme des Hotelbetriebs habe unterschreiben lassen (Verweis auf die im Klageverfahren zu den Beigeladenen zu 1, 5, 8 und 11 vorgelegten Erklärungen). Das im Manteltarifvertrag vom 18. März 2002 festgelegte Urlaubsgeld und die dort ebenfalls festgelegte Jahressondervergütung seien ihrer Auffassung nach in der von ihr geleisteten übertariflichen Vergütung enthalten gewesen. "Unbekannte Arbeitnehmer" habe sie nie beschäftigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. April 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil und im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2013 (L 11 R 818/11).
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1 hat angegeben, gegenüber dem Amtsgericht S. nicht eingeräumt oder gestanden zu haben, dass er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2017 hat der Senat die vorherige (mehrfache) Beiladung der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben und eine weitere Arbeitnehmerin sowie die Barmer und die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg beigeladen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten und die beigezogenen Akten im Verfahren L 11 R 818/11 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 ist überschritten. Denn die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung in Höhe von EUR 126.071,67.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen im Prüfzeitraum sind zutreffend festgelegt worden; dies gilt auch für die Erhebung von Säumniszuschlägen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010.
1. Die Klage der Klägerin ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Bescheid vom 11. September 2007 bestandskräftig (§ 77 SGG) ist. Zwar wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den (ersten) Widerspruch vom 18. Oktober 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 (als unzulässig) zurück. Hiergegen erhob die Klägerin keine Klage. Indem die Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 11. September 2007 jedoch erneut mit Einschreiben mit Rückschein übersandte, gab sie diesen Bescheid der Klägerin erneut bekannt und eröffnete damit dieser wiederum die Möglichkeit, Widerspruch hiergegen einzulegen. Über den von der Klägerin daraufhin eingelegten Widerspruch entschied der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2010 in der Sache.
2. Rechtsgrundlage für den Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist § 28p Abs.1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5).
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken– oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung wurden nach dem bis zum 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFzG) durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die Beigeladenen zu 1 und 5 sowie 7 bis 11 waren in dem von der Klägerin betriebenen Hotel versicherungspflichtig beschäftigt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R – juris, Rn. 8). Ebenfalls versicherungspflichtig beschäftigt waren die nicht bekannten Personen (dazu unten).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 161 Abs. 1, § 162 Nr. 2 SGB VI, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 341 Abs. 3 Satz 1, § 342 SGB III, § 358 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
a) Die Beklagte berechnete zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der an den Beigeladenen zu 1 zusätzlich zu dem arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalt erfolgten Zahlungen. Diese an den Beigeladenen zu 1 erfolgten Zahlungen sind Arbeitsentgelt. Denn es handelte sich um die Zahlung von Provisionen aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 in der Beschäftigung bei der Klägerin. Wie das SG im angefochtenen Urteil – und auch bereits im Rechtsstreit des W wegen der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ab 1. Januar 2006 das Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 21. November 2010 – S 25 R 2444/08 –) und das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14. Mai 2013 – L 11 R 818/11 –) – gelangt auch der Senat zu dieser Überzeugung. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung in vollem Umfang den Ausführungen in den Entscheidungsgründen der zuvor genannten Urteile an. Diese Überzeugung stützt der Senat auch auf Folgendes: • Der Beigeladene zu 1 stellte auch nach Aufhebung der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag weiterhin Provisionsabrechnungen und Provisionsübersichten. Dies ergibt sich aus den beschlagnahmten Unterlagen, die Bestandteil der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sind, beispielsweise die vom Beigeladenen zu 1 gegenüber W erstellte "Provisionsübersicht" für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2000 mit einem Betrag von insgesamt DM 48.811,00, die die Klägerin dem SG vorlegte (Bl. 72 SG-Akte S 3 KR 3630/10). Der Beigeladene zu 1 selbst bezeichnete die von ihm erstellten Abrechnungen jeweils als "Provisionsabrechnung" oder als "Provisionsübersicht". Die Abrechnungen erfolgten entsprechend den Vorgaben nach I 1. der aufgehobenen Zusatzvereinbarung vom 1. November 1998, nämlich orientiert an dem Umsatz aus Übernachtungen und dem entsprechenden Betrag der Provisionsvergütung. • Die Vereinbarung zwischen W und dem Beigeladenen zu 1 vom 29. Juni 1999 sollte die Provisionsvereinbarung ersetzen. Dem Beigeladenen zu 1 sollten die aus der aufgehobenen Provisionsvereinbarung zustehenden Ansprüche aufrechterhalten bleiben, nunmehr aber als Darlehen deklariert. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Nr. 1 der Vereinbarung, wonach der Beigeladene zu 1 an W "gleichlautend Ansprüche aus der aufgehobenen Zusatzvereinbarung" stellt. • Der Beigeladene zu 1 und W gestanden im Strafverfahren, dass es sich um Provisionszahlungen handelte. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 16. Oktober 2008. Die Feststellungen dieses Urteils kann der Senat zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Die zum Recht der Leistungserbringer in der Kranken- und Pflegeversicherung ergangene ständige Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 17. März 2015 – B 3 P 1/15 S – juris, Rn. 16 zur Kündigung eines Versorgungsvertrags in der sozialen Pflegeversicherung; Beschluss vom 2. April 2014 – B 6 KA 58/13 B – juris, Rn. 17 m.w.N. zur Entziehung der Zulassung eines Vertragsarztes; ebenso Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 30. Juli 2009 – VIII B 214/07 – juris, Rn. 7 zur Verwertung tatsächlicher Feststellungen in Strafurteilen im Finanzgerichtsprozess) ist auf Verfahren bei Betriebsprüfungen zu übertragen. Etwas anderes folgt weder daraus, dass nach dem Vortrag der Klägerin dem Urteil des Amtsgerichts S. eine Verständigung nach § 257c Strafprozessordnung (StPO) voranging, noch daraus dass das Amtsgericht S. das Strafverfahren gegen die Klägerin nach Zahlung einer Geldbuße endgültig einstellte. Grund für die Einstellung war das im Verhältnis zu W und dem Beigeladenen zu 1 geringere Verschulden der Klägerin, nicht aber ihre Verantwortlichkeit an der Vorenthaltung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Schreiben der Staatsanwaltschaft S. vom 26. April 2010 an die Beklagte). • Die behaupteten Zahlungen des Beigeladenen zu 1 an W zur Tilgung des angeblichen Darlehens erfordern keine andere Beurteilung. Monatliche Zahlungen zur Tilgung des angeblichen Darlehens begannen nicht, wie in Nr. 6 der Vereinbarung vom 29. Juni 1999 festgelegt, am 1. Januar 2003 in 120 gleichen Monatsraten, sondern erst im August 2012. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2010 betreffend die Nachforderung der Beklagten gegenüber W wegen der Provisionszahlungen für die Zeit ab 1. Januar 2006 ergangen. Das Sozialgericht Stuttgart sah unter anderem auch – in der in jenem Verfahren ebenfalls behaupteten teilweisen Zahlungen – keinen Anhalt für das Vorliegen eines Darlehens des W an den Beigeladenen zu 1. Die behaupteten Zahlungen stehen auch in Widerspruch zu dem vorherigen Verhalten des W und des Beigeladenen zu 1, insbesondere im Strafverfahren. Schließlich erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin die erste Zahlung des Beigeladenen zu 1 an W zur Tilgung des angeblichen Darlehens am 18. Juli 2006. Zu diesem Zeitpunkt war das Ermittlungsverfahren bereits anhängig. Die nächsten Zahlungen waren dann erst am 14. und 15. Oktober 2010, mithin zwei Tage und ein Tag vor dem Urteil des Amtsgerichts S ...
Der Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der Provisionszahlungen an den Beigeladenen zu 1 ist entstanden, unabhängig davon, ob die Klägerin von den Zahlungen Kenntnis hatte. Denn nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Nach diesem sind Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen – was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt – und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (ständige Rechtsprechung; z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 R 18/11 R – juris, Rn. 30 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 25; Beschluss des Senats vom 22. November 2017 - L 4 R 238/14 - nicht veröffentlicht). Die Bestimmung der Höhe der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Grundlage der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB IV nach dem Entstehungsprinzip begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 11. September 2008 – 1 BvR 2007/05 – juris, Leitsatz 1a).
b) Die Beklagte berechnete zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 wegen nicht gezahltem Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach. Denn auch dieses ist beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
Nach § 10 Nr. 8 Buchst. a Manteltarifvertrag in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung erhielten alle fest besoldeten Arbeitnehmer pro Urlaubstag 1/22 ihres monatlichen Gesamtverdienstes. Nach § 11 Nr. 1 Manteltarifvertrag erhielten alle Arbeitnehmer ab dem zweiten Beschäftigungsjahr ein zusätzliches Urlaubsgeld. Nach § 15 Nr. 1 Manteltarifvertrag erhielten Arbeitnehmer eine Jahressondervergütung in Form einer Weihnachtsgratifikation.
Der Manteltarifvertrag war – von der Klägerin nicht bestritten – allgemeinverbindlich und war damit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) auch auf die Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin mit den Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 anzuwenden. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind als Einnahmen aus der Beschäftigung Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
Auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld konnten die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 nicht rechtswirksam verzichten. Denn nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG ist ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig.
Dem Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 – nur für dieses Jahr forderte die Beklagte im angefochtenen Bescheid deswegen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach; für das Jahr 2001 und früher erfolgte die Nacherhebung in dem vorangegangenen Bescheid vom 11. Februar 2002 – steht nicht entgegen, dass die Klägerin das nach dem Manteltarifvertrag vorgesehene Urlaubs- und Weihnachtsgeld an die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 nicht zahlte. Für das Jahr 2002 war der Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge aufgrund des sich aus § 22 Abs. 1 SGB IV in der im Jahre 2002 geltenden Fassung, die ausschließlich aus dem heutigen Satz 1 bestand, ergebenden Entstehungsprinzip gegeben, weil die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 Anspruch hierauf hatten. Erst mit Wirkung zum 1. Januar 2003 wurde durch Art. 2 Nr. 6 Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4621) in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingefügt, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt die Beitragsansprüche entstehen, sobald dieses ausgezahlt worden ist, und damit das Zuflussprinzip für Einmalzahlungen eingeführt. Für die Jahr 2003 bis 2005 erfolgt im angefochtenen Bescheid keine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen wegen nicht gewährten einmalig gezahlten Arbeitsentgelts.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren behauptete (Schriftsatz vom 27. Juni 2017), das im Manteltarifvertrag festgelegte Urlaubsgeld und die dort ebenfalls festgelegte Jahressondervergütung seien ihrer Auffassung nach in der von ihr geleisteten übertariflichen Vergütung enthalten gewesen, lässt sich dies nicht feststellen. Dies widerspricht dem bisherigen Vortrag der Klägerin, die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 hätten auf das Urlaubsgeld und die Jahressondervergütung verzichtet. Ein Verzicht der Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 auf diese Leistungen wäre nicht erforderlich, wenn sie diese Leistungen im Jahre 2002 bereits in anderer Form erhalten hätten. Die Verzichtserklärungen erfolgten zudem erst im Januar 2006, nachdem W Inhaber des Hotels war. Ferner enthielten die zwischen der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1 und 8 geschlossenen Arbeitsverträge jeweils in § 3 Nr. 5 Satz 1 die Vereinbarung, dass Ansprüche von Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht bestehen. Schließlich focht die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2002 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 über eine Nachforderung von EUR 3.374,15 wegen unter anderen auch an die Beigeladenen zu 1, 5, 7 und 11 nicht gezahlten Weihnachts- und Urlaubsgeldes aufgrund des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages in der damals geltenden Fassung nicht an.
c) Die Beklagte erließ den Bescheid vom 11. September 2007 zu Recht teilweise als Summenbescheid.
Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können, den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Satz 1 gilt nach § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Die Vorschrift ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe grundsätzlich personenbezogen festzustellen sind (zum Hintergrund der Vorschrift: BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 – B 12 KR 12/01 R – juris, Rn. 17 ff).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass im von der Klägerin im streitigen Prüfzeitraum betriebenen Hotel Personen als Arbeitnehmer beschäftigt waren, die die Klägerin nicht der jeweils zuständigen Einzugsstelle meldete. Dies ergibt sich aus den beschlagnahmten Excel-Tabellen. Die Behauptung der Klägerin, diese Aufstellungen seien reine Anwesenheitslisten, in denen auf ihre Anweisung die Anwesenheit auch nicht im Hotel beschäftigter Personen festgehalten worden sei, ist nicht überzeugend. Die Aufstellungen enthalten Angaben, die üblicherweise für die Erfassung der Arbeitszeit von Beschäftigten benötigt werden, wie "Pause", "Urlaub" und "Frei". Ferner enthalten die Aufstellungen eine "Abrechnung" für den Monat Februar 2001, die als Anlage 2 dem Bescheid vom 11. September 2009 beigefügt war und in der fünf Vornamen mit einer Anzahl von Stunden, einem Betrag von DM 17,00 und dem sich daraus ergebenden Gesamtbetrag genannt sind. Für nicht im Hotel beschäftigte Personen sind diese Angaben nicht notwendig. Hinsichtlich dieser nicht der Einzugsstelle gemeldeten beschäftigten Personen erfüllte die Klägerin ihre Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß, weil sie sie in die zu führenden Lohnunterlagen (§ 28f Abs. 1 SGB IV) nicht aufnahm.
Soweit die Beklagte insoweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachberechnet hat, sind die beschäftigten Personen nicht bekannt. In den Aufstellungen sind insoweit nur die Vornamen genannt. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Ermittlung der betreffenden Personen nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand erfolgen konnte. Denn es gab keine Anhaltspunkte für entsprechende erfolgsversprechende Ermittlungen. Schon die Klägerin selbst machte keine Angaben zu diesen Personen, sondern bestritt deren Beschäftigung.
d) Die Beklagte ermittelte das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu Recht durch eine Hochrechnung eines Nettolohns auf einen Bruttolohn.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV (eingefügt durch Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 [BGBl. I, S. 2787] mit Wirkung zum 1. August 2002) gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.
Ein "illegales Beschäftigungsverhältnis" war gegeben. Objektiv ausreichend ist insoweit, dass zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts (wie Zahlungs-, Melde-, Aufzeichnungs-, Nachweispflichten) verletzt werden (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 18). Die sowohl an den Beigeladenen zu 1 als auch an die unbekannten Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen erfolgten unter Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen, weil weder Lohnsteuer noch Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 24). Neben der zuvor genannten objektiven Voraussetzung ist auch ein "subjektives Element der Illegalität" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erforderlich (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 25 ff). Erforderlich ist insoweit (mindestens bedingter) Vorsatz (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 28).
Der Klägerin ist der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Soweit die Klägerin einerseits behauptete, sie habe von dem Verhalten des W, insbesondere im Zusammenhang mit den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 keine Kenntnis gehabt, ist der Verschuldensvorwurf dadurch gerechtfertigt, dass sie als Inhaberin des Hotels nicht die notwendige Überwachung und Kontrolle ihrer Pflichten als Arbeitgeberin hinsichtlich der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durchführte. Dies gilt insbesondere in dem Fall, wenn sie W schalten und walten ließ, ohne ihn zu kontrollieren. Andererseits spricht gegen die von der Klägerin behauptete Unkenntnis, dass sie sich in der Berufungsschrift gegen die Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils wandte, W habe über den gesamten Zeitraum von 1998 bis 2005 das Hotel als ihr Bevollmächtigter geführt. Hierzu trug sie selbst vor, in S. anwesend gewesen zu sein und die Absicht gehabt zu haben, das Grundstück, auf welchem das Hotelgebäude errichtet worden war, nach Abschluss der von W geführten Prozesse wegen der Bauschäden zu erwerben. Dies spricht dafür, dass sie das Hotel selbst (mit-)führte und deshalb ihren Pflichten als Arbeitgeberin ohne weiteres hätte nachkommen können.
Hinsichtlich der Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 ist eine fehlende Kenntnis der Klägerin auch deshalb nicht überzeugend, weil die Aufhebung der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag und die Vereinbarungen über die angeblichen Darlehen am selben Tag erfolgten. Es ist lebensfremd, dass W und der Beigeladene zu 1 die Zusammenhänge nicht auch mit der Klägerin besprachen, zumal vor dem von der Klägerin vorgetragenen Hintergrund der Probleme des Bauvorhabens an dem Gebäude, in welchem das Hotel betrieben wird, sowie dem Zweck der Vereinbarung, die Ertragssituation des Hotelbetriebs, dessen Inhaberin die Klägerin damals war, zu verbessern, um einen Verkauf der Immobilie mit gut laufendem Hotelbetrieb zu ermöglichen.
e) Die Beklagte setzte zu Recht Säumniszuschläge fest.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf EUR 50,00 nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG, Urteil vom 26. Januar 2005 – B 12 KR 3/04 R – juris, Rn. 36). Nach diesen Grundsätzen ist es ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 64).
Der Klägerin ist der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. d) zum subjektiven Element der Schwarzlohnzahlung verwiesen.
f) Die Klägerin war als Inhaberin des Hotels im streitigen Prüfzeitraum bis 31. Dezember 2005 Arbeitgeberin nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV und ist damit Schuldnerin der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge (vgl. Urteil des Senats vom 9. November 2012 – L 4 R 5379/11 – m.w.N. nicht veröffentlicht).
g) Auch die Höhe der Beitragsforderung ist nicht zu beanstanden. Etwaige Anhaltspunkte für Fehler bei der Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich. Auf die dem Bescheid vom 11. September 2007 beigefügte Anlage wird verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs.2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Klägerin und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, nachdem sie keinen Antrag gestellt haben.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs.2 und 3, 52 Abs.1 und 3, 47 Abs.1 Gerichtskostengesetz. Nachdem über den feststehenden Betrag von EUR 126.071,67 zu befinden war, ist dieser Betrag maßgeblich.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 126.071,67 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen (einschließlich Umlage U2) sowie die Forderung von Säumniszuschlägen von insgesamt EUR 126.071,67.
Die Klägerin hatte bis 31. Dezember 2005 das Betreiben eines Hotels als Inhaberin als Gewerbe angemeldet. Die Räumlichkeiten des Hotels befanden sich in einem dem Bruder der Klägerin (im Folgenden W) gehörenden Gebäude. Ab 1. Januar 2016 war W Inhaber.
Der Beigeladene zu 1) ist ausgebildeter Hotelfachmann. Er war mit Arbeitsvertrag vom 1. November 1998, den für die Klägerin W unterzeichnete, als Empfangschef zu einer monatlichen Vergütung von DM 4.100,00 im Hotel angestellt. Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 1. November 1998, in der die Klägerin als Arbeitgeber und der Beigeladene zu 1 als Arbeitnehmer bezeichnet waren und die für die Klägerin W unterzeichnete, enthält auszugsweise folgende Regelungen: I. Provisionen aus Übernachtungen Vorbemerkung: Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber als leitender Angestellter angestellt. Der Arbeitgeber betreibt einen Hotelbetrieb. Das Hotel verfügt über 21 Einzelzimmer, 14 Doppelzimmer und 7 Businesszimmer. Pro Tag kann hieraus ein Umsatz wie folgt erwirtschaftet werden: &8722; 21 Einzelzimmer zu je DM 119,00; &8722; 14 Doppelzimmer zu je DM 45,00; &8722; 7 Businesszimmer zu je DM 175,00; Bruttosumme DM 5.754,00 Unter Zugrundelegung von 30 Tage/Monat entspricht dies einem maximal erzielbaren Umsatz von DM 172.620,00. Hierin sind Provisionszahlungen an Dritte mit max. 10 % enthalten. 1. Der Arbeitnehmer erhält hieraus folgende Provisionsvergütungen: &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 69.000,00 monatlich (40% des erzielbaren Umsatzes): pro Übernachtung DM 2,00 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 87,000,00 monatlich (50% des erzielbaren Umsatzes: pro Übernachtung DM 3,00 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 104.000,00 monatlich (60% des erzielbaren Umsatzes: pro Übernachtung DM 3,50 brutto &8722; ab einem effektiv ausbezahlten Umsatz aus Übernachtungen in Höhe von DM 120.000,00 monatlich (70% des erzielbaren Umsatzes): pro Übernachtung DM 4,00 brutto 2. Die vorgenannten Umsätze müssen auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sein. [ ]. 3. Die unstreitig festgestellten Provisionen sind zum 15. des übernächsten Monats durch den Arbeitgeber zur Zahlung fällig. [ ] II. Provisionen aus Gastronomie 1. Der Arbeitnehmer erhält aus dem monatlichen Gewinn. des vom Arbeitgeber betriebenen Bistros 20%. [ ]. [ ].
Am 29. Juni 1999 hoben die Klägerin und der Beigeladene zu 1 (unterzeichnet auch von der Beigeladenen zu 8, die Ehefrau des Beigeladenen zu 1, die mit Arbeitsvertrag vom 9. Juli 1999 zum 1. September 1999 als Assistenz des Empfangschefs angestellt wurde) die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag auf und trafen folgende Vereinbarung: 1. Die gesetzten Umsatzziele sind ohne Einstellung einer zusätzlichen Person zur Unterstützung des [Beigeladenen zu 1] nicht erreichbar. 2. Zur Unterstützung wird zum 01.09.1999 [Beigeladene zu 8], bekannt, in Vollzeit eingestellt. 3. Ansprüche aus der Zusatzvereinbarung sind bisher nicht angefallen und werden nicht erhoben. 4. Die Zusatzvereinbarung wird zum 30.06.1999 in vollem Umfang aufgehoben. 5. [Dem Beigeladenen zu 1] werden im Gegenzug ein Darlehen bis in Höhe von DM 25.000,00 und tätige Hilfe zur Regulierung seiner Verbindlichkeiten gegenüber seinen früheren Geschäftspartnern und Ämtern zugesagt. Die Bereitstellung des Geldbetrags endet am 31.12.2001 und verfällt ersatzlos. 6. Der Geldbetrag wird ab Inanspruchnahme mit 3% jährlich verzinst. Die Rückzahlung beginnt am 01.01.2003 in 120 gleichen Monatsraten zuzüglich verbleibender Zinsen. 7. Ebenfalls am 29. Juni 1999 vereinbarten W und der Beigeladene zu 1 folgendes: Vorbemerkung: Am 29.06.1999 wurde die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag [ ] und [dem Beigeladenen zu 1] vom 01.11.1998 aufgehoben. [Der Beigeladene zu 1] hatte sich jedoch darauf eingestellt, künftig über die finanziellen Mittel aus dieser aufgehobenen Zusatzvereinbarung verfügen zu können, um 1. seine Gläubiger befriedigen und 2. eine neue Existenz gründen zu können. [W] beabsichtigt, die Liegenschaft Hotel [ ] zu veräußern und verweist hierzu auf seine Bauschadensprozesse. [W] ist bereit, [dem Beigeladenen zu 1] den Ausfall der finanziellen Mittel aus der Zusatzvereinbarung bis zur Auflassung auszugleichen. Die Parteien vereinbaren daher wie folgt: 1. [Der Beigeladene zu 1] stellt an [W] Ansprüche gleichlautend aus der aufgehobenen Zusatzvereinbarung. 2. [W] stellt [dem Beigeladenen zu 1] die beanspruchten Beträge abzüglich 7% als Darlehen leihweise zur Verfügung, da [W] nur beschränkt freie Geldmittel aus der Verpachtung des Namens [ ] zur Verfügung stehen. 3. [W] verhandelt mit den Gläubigern des [Beigeladenen zu 1] direkt und zahlt eventuelle Vergleichsbeträge direkt und unbar an die Gläubiger. 4. Als Belege gelten die quittierten Abrechnungen und/oder Überweisungen. 5. Diese Vereinbarung gilt bis zur Auflassung, jedoch längstens bis 31.12.2003. 6. Sollte es bis 31.12.2003 zur Auflassung gekommen sein, so erlässt [W] [dem Beigeladenen zu 1] als Anerkennung seiner Mitwirkung die Hälfte des bis dahin errechneten und ausbezahlten Gesamtdarlehens. Der Rest wie auch im Falle der Nichtauflassung die volle Darlehenssumme sind bis 31.12.2009 zur Rückzahlung fällig. 7. Sollte aus welchen Gründen auch immer zwischen [W] und [dem Beigeladenen zu 1] z.B. durch Ausfall der Pächterin des Hotels [ ] vor der Auflassung ein Arbeitsverhältnis entstehen, so endet diese Vereinbarung mit dem Tag des Beginns dieses Arbeitsverhältnisses ersatzlos und ohne weitere Kündigung. Punkt 4 bleibt hiervon unberührt.
Am 30. März 2004 vereinbarten W und der Beigeladene zu 1: Die Parteien beziehen sich auf die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung vom 29.6.1999. Der Verkauf der Liegenschaft Hotel [ ] ist nicht erfolgt. Die Bauschadensprozesse dauern an. Die Vereinbarung vom 29.6.1999 wird um das 1. und 2. Quartal 2004 fortgesetzt. Eine Fortsetzung ist nicht geplant.
Eine an die Beigeladene zu 4 (eingegangen am 3. November 2005) gesandte anonyme Anzeige behauptete, der Beigeladene zu 1 habe von W zumindest bis zum Sommer 2004 fast EUR 115.000,00 unter Umgehung von Steuer und Sozialversicherung erhalten. Der Anzeige waren neben den Vereinbarungen auch eine vom Beigeladenen zu 1 erstellte Provisionsabrechnung für das zweite Quartal 2004 vom 28. Juli 2004 beigefügt.
Aufgrund dieser Anzeige erstattete das Hauptzollamt S. nach Ermittlungen Strafanzeige gegen die Klägerin und W. Im Rahmen der Ermittlungen erfolgten Durchsuchungen mit der Beschlagnahme von Unterlagen. Beschlagnahmt wurden unter anderem Provisionsabrechnungen des Beigeladenen zu 1 für den Zeitraum vom 1. April 2001 bis 31. März 2006, in der Rezeption des Hotels zwei PC mit Excel-Dokumenten mit Tabellen für den Zeitraum Februar 2001 bis März 2005, in denen Namen, Arbeitsstunden, der Stundenlohn von DM 17,00 sowie der Lohn in DM und EUR vermerkt waren.
Die Staatsanwaltschaft S. erhob Anklage gegen die Klägerin und W wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, gegen den Beigeladenen zu 1 wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt sowie gegen W und den Beigeladenen zu 1 wegen falscher Versicherung an Eides Statt. Das Strafverfahren gegen die Klägerin stellte das Amtsgericht S. nach § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) nach Zahlung einer Geldbuße von EUR 1.200,00 ein. Mit Urteil vom 16. Oktober 2008 verurteilte das Amtsgericht S. W wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 61 Fällen und falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie den Beigeladenen zu 1 wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu neun Monaten Freiheitsstrafe und setzte die Freiheitsstrafen zur Bewährung aus. Das Amtsgericht S. führte zur Begründung unter anderem aus, W habe dem Beigeladenen zu 1 im Zeitraum von Juni 1999 bis Juni 2004 neben seinem Gehalt zusätzliche Provisionen von mindestens EUR 20.000,00 jährlich gezahlt, für die keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, obwohl W den Arbeitslohncharakter der Zahlungen zumindest billigend in Kauf genommen habe. Es sei auf diese Weise erreicht worden, dass der Beigeladenen zu 4 für den Beschäftigungszeitraum Juni 1999 bis Juni 2004 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 45.285,23 unbekannt geblieben und daher nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. W und der Beigeladene zu 1 hätten die Taten in dem festgestellten Umfang umfassend und glaubhaft gestanden; W mit einer schriftlichen Erklärung insbesondere, dass es sich bei den (festgestellten) Zahlungen objektiv um Provisionszahlungen gehandelt und er dies subjektiv billigend in Kauf genommen habe.
Auf Nachfrage der Beigeladenen zu 6 gab die Staatsanwaltschaft S. an (Schreiben vom 13. Februar 2009), verantwortlich für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei in erster Linie W gewesen, der das Hotel geführt habe. Die Klägerin sei zwar formal als Inhaberin im Gewerberegister eingetragen gewesen, jedoch die meiste Zeit über an ihrem Wohnsitz in G ...
Am 17. April 2006 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2005 durch.
Nach erfolgter Anhörung (Schreiben vom 27. Dezember 2006) über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 137.956,33 (einschließlich Säumniszuschlägen von EUR 39.190,18) teilte die Klägerin mit (Schreiben vom 11. Juli 2007), die ursprünglich zum Arbeitsvertrag zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1 getroffene Zusatzvereinbarung über eine Umsatzprovision sei am 29. Juni 1999 aufgehoben worden, ohne dass zuvor Ansprüche aus dieser Zusatzvereinbarung entstanden seien. Da der Beigeladene zu 1 sich auf Zahlungen aus der Zusatzvereinbarung eingestellt gehabt habe, habe sich W nach Gesprächen bereit erklärt, ihn direkt bei der Schuldentilgung zu unterstützen und ihm Privatdarlehen bis zur Höhe der ursprünglich vereinbarten Umsatzprovisionen zur Verfügung zu stellen. Hierüber hätten die beiden die schriftliche Vereinbarung vom 29. Juni 1999 geschlossen und mit der Zusatzvereinbarung vom 30. März 2004 fortgeschrieben. Die Höhe der zu gewährenden Darlehen habe durch die Abrechnungen bestimmt werden sollen. Zahlungen habe ausschließlich W von seinem Privatkonto geleistet. Auf ihre Anweisung seien alle Anwesenheitszeiten beschäftigter Personen dokumentiert worden, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hätten oder nicht. In den Arbeitsverträgen sei festgelegt, dass mit den Lohnzahlungen eventuelle Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgegolten seien.
Mit Bescheid vom 11. September 2007 forderte die Beklagte von der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 126.071,67 (einschließlich Säumniszuschläge von EUR 36.544,18) nach. Eine Nachberechnung erfolgte anders als noch in der Anhörung angegeben nicht für vier Personen, die die Beklagte entsprechend den Angaben der Klägerin als Praktikanten/Umschüler ohne Entgelt behandelte, sowie für eine Person wegen des Sachbezugs einer Hauptmahlzeit als Koch. Zur Begründung führte die Beklagte aus: • Der Auffassung, bei den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 habe es sich nicht um Provisionszahlungen, sondern um Darlehnszahlungen gehandelt, könne nicht gefolgt werden. Provisionen seien Arbeitslohn, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Leistungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeführt würden. Die Provisionszahlungen würden unter Berücksichtigung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zuzüglich der angefallenen Säumniszuschläge nachberechnet. • Der Auffassung, bei den auf dem PC des W gefundenen Excel-Dateien habe es sich nicht um Arbeitszeitnachweise, sondern lediglich um Anwesenheitszeiten gehandelt, könne nicht gefolgt werden. Für "die nachstehend aufgeführten Arbeitnehmer" seien bislang weder Meldungen erstattet noch Beiträge abgeführt worden. Die bislang nicht entrichteten Beiträge würden inklusive Säumniszuschläge nacherhoben. Das Entgelt werde im Rahmen eines Summenbeitragsbescheides festgesetzt, da eine personenbezogene Zuordnung aufgrund fehlender Personalien nicht möglich gewesen sei. • Die Nachberechnung für die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 erfolge aufgrund der nicht gewährten Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen, obwohl diese den genannten Personen durch den für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrag der "DEHOGA" (gemeint wohl Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg; im Folgenden Manteltarifvetrag) zugestanden und nicht durch eine Verzichtserklärung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen worden seien. Insoweit würden nur Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 nachgefordert. • Seit Einfügen des § 14 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zum 1. August 2002 handle es sich bei gezahlten Schwarzlöhnen um einen Nettolohn, welche in einen Bruttolohn hochzurechnen sei. Hierfür sei bei dem Beigeladenen zu 1 die Lohnsteuerklasse IV, in den Fällen der nicht gemeldeten Arbeitnehmer die Lohnsteuerklasse VI zugrundegelegt worden. • Säumniszuschläge würden ab Fälligkeit der Beiträge bis zum Monat vor der Anhörung erhoben, weil unverschuldete Nichtkenntnis regelmäßig nicht vorliege, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um Fälle der illegalen Beschäftigung handle.
Den Bescheid vom 11. September 2007, der an die Klägerin unter ihrer (damaligen) Schweizer Anschrift adressiert war, übersandte die Beklagte dem Verteidiger der Klägerin mit Begleitschreiben vom 14. September 2007. Dieser behauptete (Schreiben vom 18. Oktober 2007), nicht zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigt zu sein, und legte vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid ein. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin den Bescheid vom 11. September 2007 nochmals mit Schreiben vom 2. November 2007.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressiertem Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 den Widerspruch vom 18. Oktober 2007 gegen den Bescheid vom 11. September 2007 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Aufgrund des Hinweises des Verteidigers, er sei zur Widerspruchserhebung nicht von der "Arbeitgeberin" berechtigt und habe derzeit auch keinen Kontakt zu ihr, sei davon auszugehen, dass eine schriftliche Bevollmächtigung nachträglich nicht mehr erfolge.
Mit Schreiben an die Beigeladene 6 vom 7. Dezember 2009 verwies die Klägerin auf das Schreiben ihres Verteidigers vom 18. Oktober 2007 und bestritt den Zugang des Schreibens vom 2. November "2009" sowie des angekündigten Bescheids. Nachdem die Beigeladene zu 6 die Beklagte hierüber unterrichtet hatte, stellte die Beklagte der Klägerin unter dem 5. März 2010 den Beitragsbescheid zu. Nach dem zurück gelangten Rückschein erhielt die Klägerin die Postsendung am 12. März 2010 ausgehändigt.
Die Klägerin erhob am 12. April 2010 Widerspruch.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin (gegen den Bescheid vom 11. September 2007) zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2010, der Klägerin zugestellt am 3. August 2010). Der Widerspruchsausschuss ging von einem Zugang des Bescheids vom 11. September 2007 am 12. März 2010 und einer Erhebung des Widerspruchs am 12. April 2010 aus. Der Widerspruch sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin sei im Prüfzeitraum Inhaberin des Betriebs gewesen und müsse – auch wenn das Amtsgericht S. W und den Beigeladenen zu 1 zu Bewährungsstrafen verurteilt habe – deswegen bis Dezember 2005 für die hieraus entstandenen Beitragsforderungen einstehen. Bei der Einstellung des Strafverfahrens gegen die Klägerin sei davon ausgegangen worden, dass sie mitverantwortlich für die Beitragsvorenthaltung gewesen sei. Weil sie sich in der Schweiz aufgehalten und W hauptsächlich die Geschäfte geführt gehabt habe, habe die Staatsanwaltschaft das Verschulden eher als gering eingestuft. Die im Bescheid vom 11. September 2007 getroffenen Feststellungen seien nachvollziehbar und zutreffend. Ergänzend würden dem Widerspruchsbescheid die aus der Schadensberechnung ermittelten Werte beigefügt, welche Grundlage der mit Bescheid vom 11. September 2007 getroffenen beitragsrechtlichen Feststellungen gewesen seien.
Die Klägerin erhob am 31. August 2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 3 KR 3630/10; nach wiederholtem Ruhen und Wiederanruf der Beklagten zuletzt: S 13 R 2330/14). Nachdem die Vereinbarung über Provisionszahlungen mit dem Beigeladenen zu 1 am 29. Juni 1999 wieder aufgehoben worden sei, sei ihm stattdessen ein Darlehen von bis zu DM 25.000,00 zur Regulierung privater Schulden zugesagt worden. Sie habe eine Provisionszahlung an den Beigeladenen zu 1 geleistet. Alle anderen Zahlungen seien ausschließlich aus dem Privatvermögen des W erfolgt. Dies habe eine Beweisaufnahme in einem Verfahren vor dem Finanzgericht S. ergeben, in welchem sich der Beigeladene zu 1 gegen einen Steuerbescheid gewehrt habe, mit welchem das Finanzamt Steuern für die von W gewährten Darlehensbeträge von ihm gefordert habe. Der Beigeladene zu 1 habe gegenüber W die von diesem geleisteten Zahlungen vollständig quittiert (Verweis auf eine vorgelegte Quittung vom 22. Juni 1999 über EUR 4.550,00 mit der Angabe "Anspruch aus Arbeitsvertrag II" sowie eine vorgelegte, vom Beigeladenen zu 1 gegenüber W erstellte "Provisionsübersicht" für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2000 mit einem Betrag von insgesamt DM 48.811,00). Sie habe von den Zahlungen des W keine Kenntnis gehabt. Feststellungen hierzu habe das Amtsgericht S. aufgrund der Einstellung des Verfahrens gegen sie nicht getroffen. Das Urteil des Amtsgerichts S. sei aufgrund einer Absprache zwischen ihm (Amtsgericht S.) und der Verteidigung beendet worden, so dass die Ausführungen für das vorliegende Verfahren nicht direkt verwertbar seien. Der Beigeladene zu 1 habe am 18. Juli 2006 in Höhe von EUR 2.850,00, am 14. Oktober 2010 in Höhe von EUR 14.500,00 und am 15. Oktober 2010 in Höhe von EUR 5.200,00 Rückzahlungen an W geleistet (Verweis auf vorgelegte Kontoauszüge). Der Beigeladene zu 1 habe bis einschließlich September 2014 EUR 47.610,00 und bis einschließlich März 2015 EUR 51.210,00 an W zurückgezahlt (Verweis auf vorgelegte Aufstellungen). Derzeit (April 2015) würden weitere Ratenzahlungen in Höhe von EUR 600,00 geleistet. Sämtliche im Hotelbetrieb tatsächlich beschäftigten Personen seien ordnungsgemäß angemeldet gewesen. Die von der Beklagten als "unbekannte Arbeitnehmer" bezeichneten Mitarbeiter seien unbekannt, weil sie als Mitarbeiter nie existiert hätten. Auf ihre Anweisung seien alle Anwesenheitszeiten beschäftigter Personen und aller sonstiger Personen mit Ausnahme der Gäste dokumentiert worden, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hätten oder nicht, um zu dokumentieren, wer sich wann im Hotel aufgehalten habe. Eine falsche tarifliche Einordnung der Mitarbeiter sei nicht erfolgt. Seit 1. Januar 2003 gelte für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip. Auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld hätten die Mitarbeiter verzichtet (Verweis auf vorgelegte "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vom 9. Januar 2006 zwischen W als "Arbeitgeber" und den Beigeladenen zu 1, 5, 8 und 11 sowie zwei weiteren Arbeitnehmerinnen). Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung der Beklagten, sie (die Klägerin) müsse sich das Handeln des W zurechnen lassen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies darauf, dass W im Strafverfahren eingeräumt habe, dass es sich bei den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 um Provisionszahlungen gehandelt habe. Im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gelte die Klägerin als Arbeitgeberin, weil sie nach dem Gewerberegister als Inhaberin des Hotels bis Ende 2005 eingetragen gewesen sei, und sie habe deshalb alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Beitragsforderungen zu verantworten. Das Sozialgericht Stuttgart habe mit Urteil vom 22. November 2010 (S 20 R 2444/08) die Klage des W wegen der Beitragsforderungen für die Monate Januar bis März 2006 aufgrund der Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 abgewiesen. Die Berufung des W habe das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 14. Mai 2013 (L 11 R 818/11) zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 3. März 2015 lud das SG einen Teil der betroffenen Arbeitnehmer, die AOK Baden-Württemberg, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See zum Verfahren bei.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. April 2015 ab. Die Klägerin sei Arbeitgeberin, da W das Hotel unter ihrem Namen und auf ihre Rechnung geführt habe. Die im Auftrag der Klägerin durch W mit dem Beigeladenen zu 1 geschlossene Vereinbarung vom 1. November 1998 sei im Prüfzeitraum noch wirksam gewesen. Sie sei weder aufgehoben noch durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt worden. Der Aufhebungsvertrag vom 29. Juni 1999 sei nur zum Schein abgeschlossen worden und daher nichtig. Die Ausgestaltung des angeblichen Privatdarlehensvertrags spreche gegen eine tatsächliche Darlehensvereinbarung. Die dargelegte monatliche Rückzahlung des Darlehens durch den Beigeladenen zu 1 vermöge die Kammer nicht vom tatsächlichen Bestehen der Darlehensschuld zu überzeugen. Die Klägerin habe den Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 trotz des allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags und fehlender Verzichtserklärung im Arbeitsvertrag kein Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld gezahlt. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die aus den beschlagnahmten Anwesenheitslisten lediglich mit Vornamen bezeichnenden Personen im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt gewesen seien. Insoweit habe die Beklagte die Beitragshöhe korrekt im Rahmen eines so genannten Summenbescheids festgesetzt. Die Beklagte fordere zurecht auch Säumniszuschläge in der geltend gemachten Höhe.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 27. April 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Mai 2015 Berufung eingelegt. Das SG gehe fälschlicherweise davon aus, W habe über den gesamten Zeitraum von 1998 bis 2005 als ihr Bevollmächtigter das Hotel geführt. Sie sei selbst in S. anwesend gewesen. Die Führung des Hotels habe ihr und dem in leitender Position als Empfangschef angestellten Beigeladenen zu 1 oblegen. Soweit sie sich teilweise von W habe vertreten lassen, bedeute dies nicht, dass sie W die Geschäftsführung des Hotels übertragen habe. Die Auffassung des SG, der Aufhebungsvertrag vom 29. Juni 1999 sei nur zum Schein geschlossen, sei unrichtig. Das SG übersehe wesentliche Tatsachen. Der Beigeladene zu 1 habe Interesse daran gehabt, dass die Beigeladene zu 8 einen Arbeitsplatz bei ihr (der Klägerin) erhalte. Dies sei in ihrer (der Klägerin) Personalplanung nicht vorgesehen gewesen und habe zur Anpassung/Aufhebung der Provisionsvereinbarung zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1 geführt. Die Zahlungen von W hätten nicht in ihren (der Klägerin) Interesse als Arbeitgeberin gelegen, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse des W, weil es diesem darum gegangen sei, die Immobilie mit gut laufendem Hotelbetrieb verkaufen zu können, um durch Bauprobleme und Bauverzögerungen eingetretene hohe finanzielle Belastungen aufzufangen. Da Provisionsvergütungen an den Beigeladenen zu 1 zu zusätzlichen Betriebsausgaben geführt hätten, die den Ertragswert des Hotelbetriebs wieder reduziert hätten, habe W sich entschieden, dem Beigeladenen zu 1 wegen dessen finanzieller Probleme ein Darlehen zu gewähren mit der Zusage eines Verzichts/Teilverzichts für den Fall einer erfolgreichen Veräußerung des Anwesens, die dann jedoch in der Folgezeit nicht erfolgt sei Bis einschließlich August 2017 habe der Beigeladene zu 1 an W über EUR 78.000,00 zurückgezahlt. Grund für die zunächst vom Beigeladenen zu 1 ab dem Jahre 2004 zögerlich gezahlten Rückzahlungen sei dessen Erkrankung gewesen. W habe im Strafverfahren kein Geständnis abgelegt, es habe sich um Provisionszahlungen gehandelt. Das SG lasse sich durch das gegen W ergangene Urteil des Amtsgerichts S. unzulässig beeinflussen und übersehe mehrere Tatsachen. In Bezug auf sie habe das Urteil keine Feststellungen getroffen. Das Urteil beruhe auf einer Verständigung. W habe erklärt, von seinem Privatkonto bis zum Ende des zweiten Quartals 2004 insgesamt EUR 114.774,95 an den Beigeladenen zu 1 oder an dessen Gläubiger überwiesen oder bezahlt zu haben und sei damals davon ausgegangen, dass solche Zahlungen nicht sozialversicherungspflichtig seien. Die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts S. seien auch teilweise unzutreffend. Die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 hätten Verzichtserklärungen abgegeben, die W nach Übernahme des Hotelbetriebs habe unterschreiben lassen (Verweis auf die im Klageverfahren zu den Beigeladenen zu 1, 5, 8 und 11 vorgelegten Erklärungen). Das im Manteltarifvertrag vom 18. März 2002 festgelegte Urlaubsgeld und die dort ebenfalls festgelegte Jahressondervergütung seien ihrer Auffassung nach in der von ihr geleisteten übertariflichen Vergütung enthalten gewesen. "Unbekannte Arbeitnehmer" habe sie nie beschäftigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. April 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil und im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2013 (L 11 R 818/11).
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1 hat angegeben, gegenüber dem Amtsgericht S. nicht eingeräumt oder gestanden zu haben, dass er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2017 hat der Senat die vorherige (mehrfache) Beiladung der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben und eine weitere Arbeitnehmerin sowie die Barmer und die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg beigeladen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten und die beigezogenen Akten im Verfahren L 11 R 818/11 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 ist überschritten. Denn die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung in Höhe von EUR 126.071,67.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen im Prüfzeitraum sind zutreffend festgelegt worden; dies gilt auch für die Erhebung von Säumniszuschlägen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2010.
1. Die Klage der Klägerin ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Bescheid vom 11. September 2007 bestandskräftig (§ 77 SGG) ist. Zwar wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den (ersten) Widerspruch vom 18. Oktober 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 (als unzulässig) zurück. Hiergegen erhob die Klägerin keine Klage. Indem die Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 11. September 2007 jedoch erneut mit Einschreiben mit Rückschein übersandte, gab sie diesen Bescheid der Klägerin erneut bekannt und eröffnete damit dieser wiederum die Möglichkeit, Widerspruch hiergegen einzulegen. Über den von der Klägerin daraufhin eingelegten Widerspruch entschied der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2010 in der Sache.
2. Rechtsgrundlage für den Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist § 28p Abs.1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5).
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken– oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung wurden nach dem bis zum 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFzG) durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die Beigeladenen zu 1 und 5 sowie 7 bis 11 waren in dem von der Klägerin betriebenen Hotel versicherungspflichtig beschäftigt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R – juris, Rn. 8). Ebenfalls versicherungspflichtig beschäftigt waren die nicht bekannten Personen (dazu unten).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 161 Abs. 1, § 162 Nr. 2 SGB VI, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 341 Abs. 3 Satz 1, § 342 SGB III, § 358 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
a) Die Beklagte berechnete zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der an den Beigeladenen zu 1 zusätzlich zu dem arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalt erfolgten Zahlungen. Diese an den Beigeladenen zu 1 erfolgten Zahlungen sind Arbeitsentgelt. Denn es handelte sich um die Zahlung von Provisionen aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 in der Beschäftigung bei der Klägerin. Wie das SG im angefochtenen Urteil – und auch bereits im Rechtsstreit des W wegen der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ab 1. Januar 2006 das Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 21. November 2010 – S 25 R 2444/08 –) und das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14. Mai 2013 – L 11 R 818/11 –) – gelangt auch der Senat zu dieser Überzeugung. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung in vollem Umfang den Ausführungen in den Entscheidungsgründen der zuvor genannten Urteile an. Diese Überzeugung stützt der Senat auch auf Folgendes: • Der Beigeladene zu 1 stellte auch nach Aufhebung der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag weiterhin Provisionsabrechnungen und Provisionsübersichten. Dies ergibt sich aus den beschlagnahmten Unterlagen, die Bestandteil der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sind, beispielsweise die vom Beigeladenen zu 1 gegenüber W erstellte "Provisionsübersicht" für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2000 mit einem Betrag von insgesamt DM 48.811,00, die die Klägerin dem SG vorlegte (Bl. 72 SG-Akte S 3 KR 3630/10). Der Beigeladene zu 1 selbst bezeichnete die von ihm erstellten Abrechnungen jeweils als "Provisionsabrechnung" oder als "Provisionsübersicht". Die Abrechnungen erfolgten entsprechend den Vorgaben nach I 1. der aufgehobenen Zusatzvereinbarung vom 1. November 1998, nämlich orientiert an dem Umsatz aus Übernachtungen und dem entsprechenden Betrag der Provisionsvergütung. • Die Vereinbarung zwischen W und dem Beigeladenen zu 1 vom 29. Juni 1999 sollte die Provisionsvereinbarung ersetzen. Dem Beigeladenen zu 1 sollten die aus der aufgehobenen Provisionsvereinbarung zustehenden Ansprüche aufrechterhalten bleiben, nunmehr aber als Darlehen deklariert. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Nr. 1 der Vereinbarung, wonach der Beigeladene zu 1 an W "gleichlautend Ansprüche aus der aufgehobenen Zusatzvereinbarung" stellt. • Der Beigeladene zu 1 und W gestanden im Strafverfahren, dass es sich um Provisionszahlungen handelte. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 16. Oktober 2008. Die Feststellungen dieses Urteils kann der Senat zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Die zum Recht der Leistungserbringer in der Kranken- und Pflegeversicherung ergangene ständige Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 17. März 2015 – B 3 P 1/15 S – juris, Rn. 16 zur Kündigung eines Versorgungsvertrags in der sozialen Pflegeversicherung; Beschluss vom 2. April 2014 – B 6 KA 58/13 B – juris, Rn. 17 m.w.N. zur Entziehung der Zulassung eines Vertragsarztes; ebenso Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 30. Juli 2009 – VIII B 214/07 – juris, Rn. 7 zur Verwertung tatsächlicher Feststellungen in Strafurteilen im Finanzgerichtsprozess) ist auf Verfahren bei Betriebsprüfungen zu übertragen. Etwas anderes folgt weder daraus, dass nach dem Vortrag der Klägerin dem Urteil des Amtsgerichts S. eine Verständigung nach § 257c Strafprozessordnung (StPO) voranging, noch daraus dass das Amtsgericht S. das Strafverfahren gegen die Klägerin nach Zahlung einer Geldbuße endgültig einstellte. Grund für die Einstellung war das im Verhältnis zu W und dem Beigeladenen zu 1 geringere Verschulden der Klägerin, nicht aber ihre Verantwortlichkeit an der Vorenthaltung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Schreiben der Staatsanwaltschaft S. vom 26. April 2010 an die Beklagte). • Die behaupteten Zahlungen des Beigeladenen zu 1 an W zur Tilgung des angeblichen Darlehens erfordern keine andere Beurteilung. Monatliche Zahlungen zur Tilgung des angeblichen Darlehens begannen nicht, wie in Nr. 6 der Vereinbarung vom 29. Juni 1999 festgelegt, am 1. Januar 2003 in 120 gleichen Monatsraten, sondern erst im August 2012. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2010 betreffend die Nachforderung der Beklagten gegenüber W wegen der Provisionszahlungen für die Zeit ab 1. Januar 2006 ergangen. Das Sozialgericht Stuttgart sah unter anderem auch – in der in jenem Verfahren ebenfalls behaupteten teilweisen Zahlungen – keinen Anhalt für das Vorliegen eines Darlehens des W an den Beigeladenen zu 1. Die behaupteten Zahlungen stehen auch in Widerspruch zu dem vorherigen Verhalten des W und des Beigeladenen zu 1, insbesondere im Strafverfahren. Schließlich erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin die erste Zahlung des Beigeladenen zu 1 an W zur Tilgung des angeblichen Darlehens am 18. Juli 2006. Zu diesem Zeitpunkt war das Ermittlungsverfahren bereits anhängig. Die nächsten Zahlungen waren dann erst am 14. und 15. Oktober 2010, mithin zwei Tage und ein Tag vor dem Urteil des Amtsgerichts S ...
Der Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der Provisionszahlungen an den Beigeladenen zu 1 ist entstanden, unabhängig davon, ob die Klägerin von den Zahlungen Kenntnis hatte. Denn nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Nach diesem sind Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen – was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt – und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (ständige Rechtsprechung; z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 R 18/11 R – juris, Rn. 30 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 25; Beschluss des Senats vom 22. November 2017 - L 4 R 238/14 - nicht veröffentlicht). Die Bestimmung der Höhe der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Grundlage der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB IV nach dem Entstehungsprinzip begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 11. September 2008 – 1 BvR 2007/05 – juris, Leitsatz 1a).
b) Die Beklagte berechnete zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 wegen nicht gezahltem Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach. Denn auch dieses ist beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
Nach § 10 Nr. 8 Buchst. a Manteltarifvertrag in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung erhielten alle fest besoldeten Arbeitnehmer pro Urlaubstag 1/22 ihres monatlichen Gesamtverdienstes. Nach § 11 Nr. 1 Manteltarifvertrag erhielten alle Arbeitnehmer ab dem zweiten Beschäftigungsjahr ein zusätzliches Urlaubsgeld. Nach § 15 Nr. 1 Manteltarifvertrag erhielten Arbeitnehmer eine Jahressondervergütung in Form einer Weihnachtsgratifikation.
Der Manteltarifvertrag war – von der Klägerin nicht bestritten – allgemeinverbindlich und war damit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) auch auf die Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin mit den Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 anzuwenden. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind als Einnahmen aus der Beschäftigung Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
Auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld konnten die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 nicht rechtswirksam verzichten. Denn nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG ist ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig.
Dem Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 – nur für dieses Jahr forderte die Beklagte im angefochtenen Bescheid deswegen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach; für das Jahr 2001 und früher erfolgte die Nacherhebung in dem vorangegangenen Bescheid vom 11. Februar 2002 – steht nicht entgegen, dass die Klägerin das nach dem Manteltarifvertrag vorgesehene Urlaubs- und Weihnachtsgeld an die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 nicht zahlte. Für das Jahr 2002 war der Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge aufgrund des sich aus § 22 Abs. 1 SGB IV in der im Jahre 2002 geltenden Fassung, die ausschließlich aus dem heutigen Satz 1 bestand, ergebenden Entstehungsprinzip gegeben, weil die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 Anspruch hierauf hatten. Erst mit Wirkung zum 1. Januar 2003 wurde durch Art. 2 Nr. 6 Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4621) in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingefügt, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt die Beitragsansprüche entstehen, sobald dieses ausgezahlt worden ist, und damit das Zuflussprinzip für Einmalzahlungen eingeführt. Für die Jahr 2003 bis 2005 erfolgt im angefochtenen Bescheid keine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen wegen nicht gewährten einmalig gezahlten Arbeitsentgelts.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren behauptete (Schriftsatz vom 27. Juni 2017), das im Manteltarifvertrag festgelegte Urlaubsgeld und die dort ebenfalls festgelegte Jahressondervergütung seien ihrer Auffassung nach in der von ihr geleisteten übertariflichen Vergütung enthalten gewesen, lässt sich dies nicht feststellen. Dies widerspricht dem bisherigen Vortrag der Klägerin, die Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 hätten auf das Urlaubsgeld und die Jahressondervergütung verzichtet. Ein Verzicht der Beigeladenen zu 5 und 7 bis 11 auf diese Leistungen wäre nicht erforderlich, wenn sie diese Leistungen im Jahre 2002 bereits in anderer Form erhalten hätten. Die Verzichtserklärungen erfolgten zudem erst im Januar 2006, nachdem W Inhaber des Hotels war. Ferner enthielten die zwischen der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1 und 8 geschlossenen Arbeitsverträge jeweils in § 3 Nr. 5 Satz 1 die Vereinbarung, dass Ansprüche von Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht bestehen. Schließlich focht die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2002 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 über eine Nachforderung von EUR 3.374,15 wegen unter anderen auch an die Beigeladenen zu 1, 5, 7 und 11 nicht gezahlten Weihnachts- und Urlaubsgeldes aufgrund des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages in der damals geltenden Fassung nicht an.
c) Die Beklagte erließ den Bescheid vom 11. September 2007 zu Recht teilweise als Summenbescheid.
Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können, den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Satz 1 gilt nach § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Die Vorschrift ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe grundsätzlich personenbezogen festzustellen sind (zum Hintergrund der Vorschrift: BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 – B 12 KR 12/01 R – juris, Rn. 17 ff).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass im von der Klägerin im streitigen Prüfzeitraum betriebenen Hotel Personen als Arbeitnehmer beschäftigt waren, die die Klägerin nicht der jeweils zuständigen Einzugsstelle meldete. Dies ergibt sich aus den beschlagnahmten Excel-Tabellen. Die Behauptung der Klägerin, diese Aufstellungen seien reine Anwesenheitslisten, in denen auf ihre Anweisung die Anwesenheit auch nicht im Hotel beschäftigter Personen festgehalten worden sei, ist nicht überzeugend. Die Aufstellungen enthalten Angaben, die üblicherweise für die Erfassung der Arbeitszeit von Beschäftigten benötigt werden, wie "Pause", "Urlaub" und "Frei". Ferner enthalten die Aufstellungen eine "Abrechnung" für den Monat Februar 2001, die als Anlage 2 dem Bescheid vom 11. September 2009 beigefügt war und in der fünf Vornamen mit einer Anzahl von Stunden, einem Betrag von DM 17,00 und dem sich daraus ergebenden Gesamtbetrag genannt sind. Für nicht im Hotel beschäftigte Personen sind diese Angaben nicht notwendig. Hinsichtlich dieser nicht der Einzugsstelle gemeldeten beschäftigten Personen erfüllte die Klägerin ihre Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß, weil sie sie in die zu führenden Lohnunterlagen (§ 28f Abs. 1 SGB IV) nicht aufnahm.
Soweit die Beklagte insoweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachberechnet hat, sind die beschäftigten Personen nicht bekannt. In den Aufstellungen sind insoweit nur die Vornamen genannt. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Ermittlung der betreffenden Personen nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand erfolgen konnte. Denn es gab keine Anhaltspunkte für entsprechende erfolgsversprechende Ermittlungen. Schon die Klägerin selbst machte keine Angaben zu diesen Personen, sondern bestritt deren Beschäftigung.
d) Die Beklagte ermittelte das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu Recht durch eine Hochrechnung eines Nettolohns auf einen Bruttolohn.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV (eingefügt durch Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 [BGBl. I, S. 2787] mit Wirkung zum 1. August 2002) gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.
Ein "illegales Beschäftigungsverhältnis" war gegeben. Objektiv ausreichend ist insoweit, dass zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts (wie Zahlungs-, Melde-, Aufzeichnungs-, Nachweispflichten) verletzt werden (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 18). Die sowohl an den Beigeladenen zu 1 als auch an die unbekannten Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen erfolgten unter Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen, weil weder Lohnsteuer noch Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 24). Neben der zuvor genannten objektiven Voraussetzung ist auch ein "subjektives Element der Illegalität" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erforderlich (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 25 ff). Erforderlich ist insoweit (mindestens bedingter) Vorsatz (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 28).
Der Klägerin ist der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Soweit die Klägerin einerseits behauptete, sie habe von dem Verhalten des W, insbesondere im Zusammenhang mit den Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 keine Kenntnis gehabt, ist der Verschuldensvorwurf dadurch gerechtfertigt, dass sie als Inhaberin des Hotels nicht die notwendige Überwachung und Kontrolle ihrer Pflichten als Arbeitgeberin hinsichtlich der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durchführte. Dies gilt insbesondere in dem Fall, wenn sie W schalten und walten ließ, ohne ihn zu kontrollieren. Andererseits spricht gegen die von der Klägerin behauptete Unkenntnis, dass sie sich in der Berufungsschrift gegen die Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils wandte, W habe über den gesamten Zeitraum von 1998 bis 2005 das Hotel als ihr Bevollmächtigter geführt. Hierzu trug sie selbst vor, in S. anwesend gewesen zu sein und die Absicht gehabt zu haben, das Grundstück, auf welchem das Hotelgebäude errichtet worden war, nach Abschluss der von W geführten Prozesse wegen der Bauschäden zu erwerben. Dies spricht dafür, dass sie das Hotel selbst (mit-)führte und deshalb ihren Pflichten als Arbeitgeberin ohne weiteres hätte nachkommen können.
Hinsichtlich der Zahlungen an den Beigeladenen zu 1 ist eine fehlende Kenntnis der Klägerin auch deshalb nicht überzeugend, weil die Aufhebung der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag und die Vereinbarungen über die angeblichen Darlehen am selben Tag erfolgten. Es ist lebensfremd, dass W und der Beigeladene zu 1 die Zusammenhänge nicht auch mit der Klägerin besprachen, zumal vor dem von der Klägerin vorgetragenen Hintergrund der Probleme des Bauvorhabens an dem Gebäude, in welchem das Hotel betrieben wird, sowie dem Zweck der Vereinbarung, die Ertragssituation des Hotelbetriebs, dessen Inhaberin die Klägerin damals war, zu verbessern, um einen Verkauf der Immobilie mit gut laufendem Hotelbetrieb zu ermöglichen.
e) Die Beklagte setzte zu Recht Säumniszuschläge fest.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf EUR 50,00 nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG, Urteil vom 26. Januar 2005 – B 12 KR 3/04 R – juris, Rn. 36). Nach diesen Grundsätzen ist es ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 64).
Der Klägerin ist der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. d) zum subjektiven Element der Schwarzlohnzahlung verwiesen.
f) Die Klägerin war als Inhaberin des Hotels im streitigen Prüfzeitraum bis 31. Dezember 2005 Arbeitgeberin nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV und ist damit Schuldnerin der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge (vgl. Urteil des Senats vom 9. November 2012 – L 4 R 5379/11 – m.w.N. nicht veröffentlicht).
g) Auch die Höhe der Beitragsforderung ist nicht zu beanstanden. Etwaige Anhaltspunkte für Fehler bei der Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich. Auf die dem Bescheid vom 11. September 2007 beigefügte Anlage wird verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs.2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Klägerin und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, nachdem sie keinen Antrag gestellt haben.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs.2 und 3, 52 Abs.1 und 3, 47 Abs.1 Gerichtskostengesetz. Nachdem über den feststehenden Betrag von EUR 126.071,67 zu befinden war, ist dieser Betrag maßgeblich.
Rechtskraft
Aus
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