L 12 AL 2915/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2915/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts K. vom 04.07.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01.2016 bis 28.02.2017 ohne die Berücksichtigung einer zwölfwöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 24.03.2016.

Der 1953 geborene Kläger war unbefristet bei der Sparkasse K. beschäftigt. Am 28.12.2007 schloss er mit der Arbeitgeberin einen Änderungsvertrag. Es wurde Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart, mit einer Arbeitsphase vom 30.12.2009 bis 30.12.2012 sowie einer Freistellungsphase vom 31.12.2012 bis 31.12.2015.

Am 08.10.2015 stellte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund einen Antrag auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die DRV Bund lehnte diesen Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.11.2015 ab, da der Kläger die beantragte Rente frühestens ab einem Alter von 63 Jahren und zwei Monaten in Anspruch nehmen könne, dieses Alter erreiche er erst am 02.02.2017.

Am 07.12.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 01.01.2016 arbeitslos. In der Arbeitsbescheinigung vom 16.12.2015 gab der Arbeitgeber an, das Arbeitsverhältnis ende zum 31.12.2015.

Mit Bescheid vom 23.12.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit in der Zeit vom 01.01.2016 bis 24.03.2016 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Darüber hinaus mindere die Sperrzeit die Anspruchsdauer um ein Viertel, im Fall des Klägers somit um 180 Tage. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er hierdurch arbeitslos werde. Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund, der die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen könne, lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 28.12.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 25.03.2016 bis 23.09.2017 in Höhe von 29,56 EUR (Bemessungsentgelt 62,39 EUR) täglich.

Am 05.01.2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.12.2015. Bei Abschluss des Altersteilzeitvetrages habe er noch beabsichtigt, nahtlos nach der Altersteilzeit ab 01.01.2016 eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte mit einem Abschlag von 10,8 % zu beziehen. Diese Absicht habe sich geändert, nachdem der Gesetzgeber beschlossen habe, eine abschlagsfreie Rente ab 63 einzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Sparkasse K. zum 31.12.2015 durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages am 28.12.2007 selbst gelöst. Indem er das ursprünglich unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt habe, habe er sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und sei dadurch nach Ende der Freistellungsphase zum 01.01.2016 beschäftigungslos geworden. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt, sodass die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Hierfür sei nicht ausreichend, dass der Kläger bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages im Dezember 2007 beabsichtigt habe, nach Durchlaufen der Altersteilzeit ab 01.01.2016 unter Inkaufnahme eines Abschlags in Höhe von 10,8 % in Rente zu gehen. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes allein und ausschließlich im Zeitpunkt des versicherungswidrigen Verhaltens sei nicht ausreichend. Vielmehr müsse für die Bestimmung der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliege, auch das nachfolgende Verhalten des Betroffenen Berücksichtigung finden.

Der Kläger hat am 27.01.2016 Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben und zu deren Begründung er auf den Widerspruch verwiesen.

Mit Urteil vom 04.07.2016 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 23.12.2015 sowie unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 28.12.2015, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016, verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2017 zu bewilligen. Der Kläger habe zunächst geplant, nahtlos in Altersrente zu gehen, so dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Die spätere Änderung der Gesetzeslage führe nicht zu einem Entfallen des wichtigen Grundes.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 04.08.2016 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung. Es habe kein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorgelegen, da bereits bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages am 28.12.2007 festgestanden habe, dass ein nahtloser Übergang aus dem Arbeitsverhältnis in die Rente zum 01.01.2016 nicht möglich gewesen sei. Durch das Rentenversicherungsanpassungsgesetz vom 20.04.2007, in Kraft ab dem 01.01.2008, sei die Mindestaltersgrenze für die Inanspruchnahme einer Altersgrenze für langjährig Versicherte auf die Vollendung des 63. Lebensjahres angehoben worden. Dies bedeute, dass der Kläger frühestens am 01.01.2017 hätte in Rente gehen können. Da die Altersteilzeitvereinbarung nicht vor dem 01.01.2007 geschlossen worden sei, bestehe insoweit auch kein Vertrauensschutz für den Kläger. Dass der Kläger, wie er im Erörterungstermin in erster Instanz angegeben habe, keine Rentenauskunft eingeholt habe, müsse er sich zurechnen lassen. Folglich erübrigten sich weitere Überlegungen zur rechtlichen Bewertung der Rentenreform zum 01.07.2014. Darüber hinaus habe das Sozialgericht die Beklagte nicht zu einer Bewilligung bis 31.12.2017 verpflichten dürfen, da der Kläger ab 01.03.2017 eine Altersrente beziehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 04.07.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, das SG habe zu Recht entschieden, dass für das Lösen seines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses ein wichtiger Grund vorgelegen habe.

Das Sozialgericht hat die Rentenakte des Klägers beigezogen.

Im Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht am 24.05.2017 gab der Kläger an, der Altersteilzeitvertrag sei 2007 abgeschlossen worden. Seit 01.03.2017 beziehe er Altersrente.

Wegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 23.12.2015 sowie vom 28.12.2015, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 23.12.2015 zu Recht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 3 SGB III hat die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe – § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Der Kläger löste das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei der Sparkasse K. zum 31.12.2015 durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages am 28.12.2007. Der Altersteilzeitvertrag wurde zur Überzeugung des Senats 2007 geschlossen. Dies entnimmt der Senat zum einen dem Altersteilzeitvertrag selbst, in dem das Datum 2007 vermerkt wurde, sowie der Auskunft des Klägers im Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht.

Dadurch, dass er das ursprünglich unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte, hat er sein Beschäftigungsverhältnis gelöst (BSG, Urteil vom 21.07.2009 – B 7 AL 6/08 R –, juris). Damit ist er nach dem Ende der Freistellungsphase zum 01.01.2016 beschäftigungslos geworden (BSG, a.a.O.). Da er keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber hatte, wurde dadurch die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt.

Für das Lösen des Beschäftigungsverhältnisses ist ein wichtiger Grund nicht erkennbar. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 159 Abs. 1 SGB III ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden (BSG, a.a.O.). Die Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat, oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Eine Sperrzeit tritt deshalb nur ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden konnte. Dies könnte vorliegend der Fall sein in Hinblick auf Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes, wenn der Kläger nahtlos von der Altersteilzeit in den Rentenbezug wechseln wollte und davon auch prognostisch auszugehen war. Jedoch stand schon im Dezember 2007, zu dem Zeitpunkt also als der Kläger den Altersteilzeitvertrag geschlossen hatte, fest, dass für den Kläger ein Renteneintritt zum 01.01.2016 (auch mit Abschlägen) nicht möglich war. Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 wurden die Regelungen zur Altersrente für langjährig Versicherte mit Wirkung zum 01.01.2008 geändert. Nach der bis dahin geltenden Regelung in § 36 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) konnten Versicherte eine Altersrente vor Vollendung des 65 Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn sie das 62. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hatten. Nach dieser Regelung hätte der Kläger zum 01.01.2016 Altersrente (mit Abschlägen) in Anspruch nehmen können. Mit der Neuregelung in § 36 SGB VI wurde die eine vorzeitige Inanspruchnahme erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Um u.a. Personen vor Einbußen zu schützen, die bei Verabschiedung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes bereits einen Altersteilzeitvertrag geschlossen hatten, der einen Renteneintritt mit Vollendung des 62. Lebensjahres voraussetzte, wurde in § 236 Abs. 2 SGB VI eine Vertrauensschutzregelung für vor dem 01.01.2007 geschlossene Verträge aufgenommen. Da der Vertrag jedoch erst zum 28.12.2007 geschlossen wurde, konnte der Kläger auch nicht in den Genuss dieser Regelung kommen. Damit lag ein wichtiger Grund für den Abschluss des befristeten Vertrages nicht vor.

Dass das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz erst zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist, ändert an der Beurteilung nichts, da es bereits am 20.04.2007 im Gesetzblatt verkündet worden war (BVerfG, Beschluss vom 07.12.2010 – 1 BvR 2628/07 –, juris). Ob der Kläger subjektiv die Vorstellung hatte, zum 01.01.2016 (mit Abschlägen) in Rente gehen zu können, ist für die Frage des wichtigen Grundes unerheblich, da der wichtige Grund objektiv vorliegen muss (BSG, Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R –, juris). Weitere Tatsachen, die Hinweise auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes liefern könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. So liegen u.a. keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem unbefristet beschäftigten Kläger, eine fristlose Kündigung gedroht hätte.

Die Dauer der Sperrzeit beträgt nach § 159 Abs. 3 SGB III zwölf Wochen. Sie beginnt hier nach dem Ende der Freistellungphase mit dem ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit (BSG, Urteil vom 21.07.2009 – B 7 AL 6/08 R –, juris), somit am 01.01.2016, und endet am 24.03.2016. Eine Verkürzung auf sechs Wochen nach § 159 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b SGB III wegen unzumutbarer Härte kommt nicht in Betracht. Zwar kann bei einem unverschuldetem Irrtum eine unzumutbare Härte i.S.d. § 159 Abs. 3 SGB III in Betracht kommen (BSG, Urteil vom 13.03.1997 – 11 RAr 17/96 –, juris). Jedoch müsste dieser Irrtum unvermeidbar gewesen sein (BSG, a.a.O.). Dies setzt voraus, dass sich der Kläger mit einer mit der Materie vertrauten Stelle in Verbindung setzt, um die Ansprüche zu klären (Karmanski, in Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 159 Rn. 164). Dies hat der Kläger nicht getan, er hat sich weder mit der Beklagten noch mit der Rentenversicherung in Verbindung gesetzt, so dass kein unverschuldeter Irrtum vorlag. Der Kläger durfte auch nicht darauf vertrauen, dass die am 28.12.2007 geltende Fassung des § 36 SGB VI Bestand haben würde, da das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz bereits am 20.04.2007 verkündet worden war (BVerfG a.a.O.)

2. Der Bewilligungsbescheid vom 28.12.2015 ist, soweit dem Kläger Arbeitslosengeld erst ab 25.03.2016 bewilligt worden ist, ebenfalls rechtmäßig. Dass die Beklagte Arbeitslosengeld über den (zum Zeitpunkt der Bewilligung und der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht bekannten) Rentenbeginn am 01.03.2017 hinaus bis 23.09.2017 bewilligt hat, verletzt den Kläger nicht in subjektiven Rechten. Für die Zeit vom 01.01.2016 bis 24.03.2016 kann der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosengeld jedoch nicht beanspruchen. Der Kläger erfüllte ab 01.01.2016 zwar alle Voraussetzungen für einen Anspruch Arbeitslosengeld; wegen der eingetretenen Sperrzeit ruhte der Anspruch jedoch in der Zeit vom 01.01.2016 bis 24.03.2016. Auf die Minderung der Anspruchsdauer als weitere Folge der Sperrzeit kommt es, nachdem der Kläger bereits seit 01.03.2017 Altersrente bezieht, nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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