Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 80/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 70/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall zu qualifizieren ist.
Die 1973 geborene Klägerin arbeitet beim Service der C. am C-Stadter D. Am 07.01.2012, gegen 15 Uhr, nahm sie dort mit einem Kollegen einen gefundenen Rucksack entgegen. Gemeinsam nahmen sie den Rucksack und dessen Inhalt in Augenschein und listeten den Inhalt auf. Etwas fünfzehn Minuten später kam die Bundespolizei. In dem Rucksack hätten sich auch 15.000 Rubel, 500 Euro, Schmuck und eine Festplatte befunden. Die Klägerin händigte den Rucksack gegen Unterschrift an die Bundespolizei aus. Gegen 18:20 Uhr wurden erst ihr Kollege und gegen 18:45 Uhr dann sie zur Wache geführt. Dort wurden die Taschen und die Kleidung der Klägerin untersucht. Hierfür musste sie sich komplett entkleiden.
Nach Eingang des Schreibens des Ehemannes der Klägerin vom 19.04.2012, bei der Beklagten am 23.04.2012 eingegangen, lehnte diese mit Bescheid vom 27.04.2012 einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da kein eigentliches Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin vom 24.05.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2012 zurück, da kein Arbeitsunfall vorliege. Zur Zeit des Unfalls müsse die Klägerin eine versicherte Tätigkeit ausgeübt haben, wobei die Handlungstendenz entscheidend sei. Maßgeblich sei, ob eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausgeübt werden wolle. Die die Unterbrechung privaten Verrichtungen werde dahingehend unterschieden, ob die Unterbrechung erheblich oder unerheblich sei. Bei einer erheblichen Unterbrechung bestehe kein Versicherungsschutz. Durch die Aufforderung, sich einer polizeilichen Kontrolle zu unterziehen, werde der Versicherungsschutz rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung unterbrochen. Die Handlungstendenz sei im Moment des Mitgehens zur Kontrolle nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet, sondern habe wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich der Verpflichtung zur Feststellung, ob sich die Klägerin einer Straftat schuldig gemacht habe, gedient. Als sich die Klägerin einer polizeilichen Untersuchung unterzogen habe, sei sowohl nach den objektiven Gesamtumständen als auch nach der subjektiven Handlungstendenz deutlich zum Ausdruck gekommen, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr ihr Verhalten bestimmt hätten.
Am 20.08.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr durch die Verhaftung vom 07.01.2012 ein körperlicher und ein seelischer Schaden entstanden seien. Da sie während ihrer Arbeitstätigkeit verhaftet geworden sei, handele es sich auch um einen Arbeitsunfall
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf den angegriffenen Bescheid. Die bei der Klägerin vorgenommene Untersuchung sei sicherlich unangenehm gewesen, aber seitens der Polizei nicht unverhältnismäßig, da zu diesem Zeitpunkt der Verdacht einer Straftat im Raum gestanden habe. Die Leibesvisitation erfülle nicht den Begriff des Unfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Kammer hat im Wege der Amtsermittlung Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, Entlassungsberichte sowie das Vorerkrankungsverzeichnis angefordert und die Akte des parallelen Schwerbehindertenrechtsstreits, Az. S 6 SB 100/09, beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Die Kammer hat über die Folgen des Ereignisses vom 07.01.2012 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG Beweis erhoben. Dabei ist durch den Sachverständigen Dr. E., Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, in seinem Gutachten vom 07.07.2013 festgestellt worden, dass bei der Klägerin eine abgeklungene Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, ängstlichen und emotional-instabilen Zügen vorliegt. Dem Ereignis vom 07.01.2012 komme die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache zu. Es sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. bis zur erfolgreichen Wiedereingliederung anzunehmen.
Die Klägerin sei unter schwierigen familiären Bedingungen aufgewachsen, welche von mangelnder emotionaler Versorgung und mangelnder Stabilität in der Beziehung zu den Primärobjekten geprägt gewesen sei. Durch den erfolgreichen Berufsabschluss sei es dann zu einer Stabilisierung gekommen. Aus dem biografischen Abriss gingen erhebliche Belastungsfaktoren und Entwicklungsauffälligkeiten hervor, die für die Entwicklung einer strukturellen Persönlichkeitsstörung sprechen. Sowohl der Personenschaden in 07/2009 als auch das streitgegenständliche Ereignis haben bei der Klägerin ihre Unzufriedenheit und Enttäuschung gegenüber übergeordneten Instanzen ihres Berufsfeldes gezeigt.
Die Leibesvisitation habe in dem Erleben der Klägerin nachvollziehbar einen kränkenden Charakter, da ihre Integrität in Frage gestellt werde und die Untersuchung mit Gefühlen von Ausgeliefertsein, Hilfslosigkeit und Ohnmacht einhergegangen sei. Bei der Klägerin sei eine emotionale Symptomatik aus Angst, Anspannung, Ärger und Reizbarkeit in Verbindung mit der beruflichen Situation zu konstatieren, während sie sich im privaten Umfeld beschwerdefrei fühle. Strukturell zeigten sich deutlich zwanghafte, ängstliche und auch emotional-instabile Züge, so dass von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung auszugehen sei. Diese strukturelle Persönlichkeitsstörung sei als Schadensanlage zu werten. Die sich im Anschluss entwickelnde psychopathologische Symptomatik habe zunächst die Kriterien einer Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung von Gefühlen erfüllt, wobei sich die Symptome im Verlauf so weit zurückgebildet hätten, dass die Klägerin wieder ihre Berufstätigkeit habe aufnehmen können. Es sei nicht von einer akuten Belastungsreaktion auszugehen, welche an die Bedingung geknüpft sei, dass es sich um eine außergewöhnliche Belastung im Sinne eines überwältigenden traumatischen Erlebnisses mit ernsthafter Bedrohung gehandelt habe. Das Ereignis sei nicht geeignet, eine Anpassungsstörung auszulösen. Bei der Inaugenscheinnahme habe es sich um eine nachvollziehbar belastende Situation gehandelt, jedoch habe objektiv keine akute Bedrohungssituation bestanden. Wenn man von einer mittlerweile abgeklungenen Anpassungsstörung ausgeht, dann sei diese nur vor dem Hintergrund der erhöhten Vulnerabilität verständlich. Als zusätzliche Belastungsfaktoren seien die zunehmenden Belastungen und Anforderungen am Arbeitsplatz zu benennen. Es ergebe sich die Konstellation eines weniger schweren äußeren Ereignisses bei vorbestehender Schadensanlage, wobei die spezifische Qualität des Ereignisses ein individuelles Belastungsmuster treffe und aktualisiere, so dass die Zusammenhangsfrage zu bejahen sei. Eine Gelegenheitsursache sei zu verneinen.
Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.03.2014 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 41). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Denn der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war.
Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung – versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Die Gesundheits- und Körperschäden müssen "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung.
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen.
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, also nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin zwar nach dem Ereignis vom 07.01.2012 eine mittlerweile abgeklungene Anpassungsstörung erlitten hatte, diese aber gerade nicht als Folge eines Arbeitsunfalls aufzufassen ist. Dr. E. stellt in seinem Gutachten vom 07.07.2013 fest, dass bei der Klägerin eine abgeklungene Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, ängstlichen und emotional-instabilen Zügen vorliegt. Dem Ereignis vom 07.01.2012 kommt seines Erachtens die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache zu.
Es fehlt jedoch unter Zugrundelegung der gesetzlichen Anforderungen, konkretisiert durch die ständige Rechtsprechung, am Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Nach Ansicht der Kammer bestehen bereits Zweifel daran, ob die Aufforderung des sich Ausziehens und die darauf folgende Leibesvisitation – mit der sich die Klägerin ausweislich des zur Akte gereichten Protokolls – einverstanden erklärt hat, überhaupt als ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu qualifizieren ist. Denn niemand wirkt auf den Körper ein und unmittelbarer Zwang ist ebenfalls nicht eingesetzt worden. Darüber hinaus geht die Kammer unter Berücksichtigung der Aktenlage sowie der klägerischen Einlassung in der mündlichen Verhandlung von einem weit überwiegenden eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin aus, so dass zumindest unter diesem Gesichtspunkt ein Arbeitsunfall zu verneinen ist.
So führt beispielsweise das Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2007, Az. L 1 U 5087/06, zitiert nach juris aus (Rn. 25 ff.):
"Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit, im vorliegenden Fall als Unternehmer, zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273 , 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82 und 97; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 16/04 R). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76 , 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127 , 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 16/04 R). Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 31). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11). Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (zusammenfassend zuletzt BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = BSGE 94, 262 ff) ausführt, ist maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls die Handlungstendenz des Versicherten, nämlich ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (BSG a.a.O. unter Verweis auf BSGE 58, 76 , 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S 197; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 96; SozR 3-2200 § 550 Nr. 1; SozR 3-2200 § 548 Nr. 22; BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 24/03 R - vorgesehen zur Veröffentlichung in BSGE und SozR). Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sogenannten eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten (vgl. BSG Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -), erfolgen. Von der Handlungstendenz ist der subjektive Beweggrund, das heißt die persönliche Motivation für die Tätigkeit, abzugrenzen. Die Annahme einer auf die Belange des Unternehmens gerichteten Handlungstendenz setzt entsprechend voraus, dass anhand objektiver Kriterien ein nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist. Wie bei allen anderen Zurechnungsentscheidungen sind für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes alle Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 9 und Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -).
Dass nicht jede private Verrichtung während der versicherten Tätigkeit automatisch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führt, ist in der Rechtsprechung des BSG seit langem anerkannt.
Dient die Unterbrechung privaten Verrichtungen, so unterscheidet die ständige Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14) zwischen erheblichen und unerheblichen Unterbrechungen. Während einer privaten Zwecken dienenden, erheblichen Unterbrechung besteht kein Versicherungsschutz ( BSGE 43, 113 , 114 f = SozR 2200 § 550 Nr. 26 S 58; BSGE 74, 159 , 161 = SozR 3-2200 § 550 Nr. 9 S 33; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 16; BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3). Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche tatsächliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt dagegen vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die ‚im Vorbeigehen‘ und ‚ganz nebenher‘ erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben, z.B. Kauf einer Zeitung an einem Kiosk während eines versicherten Weges ( BSGE 20, 219 , 221 = SozR Nr. 49 zu § 543 RVO a.F.; BSGE 43, 113 , 114 f = SozR 2200 § 550 Nr. 26 S 58; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 1; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8, 38). Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung - das Zurücklegen des Weges - der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Letztlich handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Verrichtung und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind. Die Situation ist also ähnlich der bei einer gemischten Tätigkeit, bei der auch die versicherte von der unversicherten Verrichtung nicht getrennt werden kann, weil beide zusammen zu einer bestimmten Gesamtlage geführt haben.
Für Verrichtungen, die sowohl privaten unversicherten als auch betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt sind - sog gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz dann (vgl. zuletzt BSG vom 22. August 2000 - B 2 U 18/99 R), wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Die Verrichtung braucht dabei nicht überwiegend betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sein (BSGE 3, 240 , 245; 20, 215, 216 = SozR Nr. 67 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 31. Januar 1974 - 2 RU 99/72 - USK 7410; BSG Urteil vom 22. August 1974 - 8 RU 288/73 - USK 74118; BSG Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 4/86 - USK 86208; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 93; BSG Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 3/93 - USK 9422; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch für Betriebswege und Geschäftsreisen (BSGE 3, 240 , 245; BSG Urteil vom 22. August 1974, a.a.O. m.w.N.). Ob das betriebliche Interesse wesentlich ist, beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218 = SozR a.a.O.). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre ( BSGE 20, 215 , 219 = SozR a.a.O.; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; Mehrtens, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der versicherte Weg des Versicherten von der Feier zum Wohn- und Geschäftshaus jedenfalls mit der Aufforderung, aus dem Lieferwagen auszusteigen, um sich im Polizeifahrzeug ins Polizeirevier E. zur Blutentnahme verbringen zu lassen, rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung unterbrochen worden ist und auch durch den Umstand, dass sich der Versicherte wenige Minuten später zu Fuß auf den Weg in Richtung des Wohn- und Geschäftshauses machte, der Versicherungsschutz nicht wieder aufgelebt ist.
Die Handlungstendenz des Versicherten war im Moment des Aussteigens nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet, sondern diente wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich seiner Verpflichtung, sich zur Feststellung, ob er sich der Trunkenheit im Straßenverkehr schuldig gemacht hatte, einer Blutentnahme zu unterziehen. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den vom SG beigezogenen und in der Gerichtsakte in Kopie befindlichen Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, den Feststellungen des Amtsgerichts Ettlingen im Beschluss vom 4. Mai 2005 sowie des Landgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 2. August 2005.
Mit der Aufforderung an den Kläger, den Heimweg in seinem Fahrzeug nicht weiter fortzusetzen und dem Umstand, dass der Kläger zunächst dieser Aufforderung auch nachkam, wurde nach den objektiven Gesamtumständen wie auch nach der subjektiven Handlungstendenz des Versicherten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr das Verhalten des Versicherten bestimmten. Es war weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich, sich der polizeilich angeordneten Blutentnahme zu entziehen.
Diese Unterbrechung des Versicherungsschutzes lebte auch nicht dadurch wieder auf, dass der Kläger jedenfalls beim zweiten Versuch der Polizei, ihn zum Einsteigen in das Polizeifahrzeug zu bewegen, eine Unaufmerksamkeit der Polizeibeamten ausnützte und sich mit dem Hinweis, jetzt nach Hause gehen zu wollen, zu Fuß auf den Weg in Richtung seines Wohn- und Geschäftsanwesens machte. Darin liegt zur Überzeugung des Gerichts keine Fortsetzung des ursprünglich versicherten betrieblichen Weges.
Die nach den Gesamtumständen anzunehmende Handlungstendenz des Versicherten war nach wie vor im Wesentlichen darauf gerichtet, sich nicht der Blutentnahme unterziehen zu wollen. Aus seinem Verhalten bis zum zweimaligen Wegbewegen von der Kontrollstelle ist nach den aktenkundigen Unterlagen deutlich zu entnehmen, dass I. die Notwendigkeit, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, nicht eingesehen hat oder einsehen wollte und das Verhalten der Polizeibeamten mehr oder weniger als nächtliche Schikane und Störung angesehen hat. Nachdem er sich zwar offenbar zunächst dazu entschlossen hatte, trotzdem den Polizeibeamten zu ihrem Fahrzeug zu folgen, dort aber nicht sofort Platz nehmen konnte, weil noch die Rückbank leergeräumt werden musste, gewann die ursprüngliche, abwehrende und missbilligende Haltung des Versicherten wieder Überhand und veranlasste ihn deshalb auch, sein schon einmal zuvor angesetztes Vorhaben, den weiteren Heimweg zu Fuß anzutreten und damit die "Störung" seines Heimwegs zu beenden, ein weiteres Mal in die Tat umzusetzen. Da das gesamte Geschehen nicht weit vom Wohn- und Geschäftshaus entfernt war, erschien dem Versicherten, wohl auch infolge trunkenheitsbedingter Unvernünftigkeit, dieses Vorgehen geeignet, sowohl die ihm als ungebührlich erscheinende Kontrolle zu vermeiden, als auch den weiteren Heimweg fortsetzen zu können. Letzteres stand dabei jedoch deutlich im Hintergrund seiner subjektiven Handlungstendenz, da das Sichentziehen wesentlich und letztlich Voraussetzung dafür war, den weiteren Heimweg fortsetzen zu können. Die Fortsetzung des Heimwegs (wenn auch zu Fuß) war also nur das Resultat bzw. Nebenziel der Entziehung, nicht aber die eigentliche Absicht und nicht maßgeblich für die Handlungstendenz des I.
Es handelte sich bei der Unterbrechung des versicherten Weges auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die quasi "im Vorbeigehen" erledigt werden konnte. Zwar umfasste die Unterbrechung des Heimwegs vom Moment des Aussteigens aus dem Lieferwagen bis zum Entschluss des Versicherten, sich zu Fuß auf den weiteren Rückweg zu machen, nur wenige Minuten. Es handelte sich aber seiner Intensität und Zielrichtung nach erkennbar nicht um eine unwesentliche Unterbrechung, die sich, wie der Kauf einer Zeitung oder eines Brötchens, nur im Vorbeigehen ereignet und die wesentliche Prägung des Wegs als versicherten Weg bzw. betriebsdienlichen Weg unberührt gelassen hätte."
Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Arbeitsschicht der Klägerin am 07.01.2012 von 14 bis 22:30 Uhr rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung in Form der Leibesvisitation durch die Beamtinnen der Bundespolizei unterbrochen worden ist. Selbst wenn die Untersuchung der Klägerin und ihrer Sachen unter rein zeitlichen Gesichtspunkten nicht erheblich ins Gewicht fällt und sie danach auch wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, kann die Kammer einen Versicherungsschutz zu diesem Zeitpunkt nicht annehmen. Denn die Handlungstendenz der Klägerin ist im Moment des Mitkommens auf die Wache der Bundespolizei nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet gewesen. Im Wesentlichen dienten das Mitkommen und das Zulassen der Leibesvisitation den eigenen Angelegenheiten der Klägerin. Sie ist untersucht worden, da sie im Verdacht gestanden hat, mit dem Abhandenkommen von Geld, Schmuck und der Festplatte im Rucksack etwas zu tun gehabt zu haben. Die Beamten der Bundespolizei haben mit der Einwilligung der Klägerin ihre Sachen durchsucht.
Selbst wenn das erste Vernehmungsprotokoll vom 07.01.2012 (Blatt 140 f. der Gerichtsakte) die Klägerin als Zeugin und das zweite Protokoll vom 08.01.2014 (Blatt 142 f. der Gerichtsakte) die Klägerin als Tatverdächtige bezeichnet, macht dies aus Sicht der Kammer keinen Unterschied. Denn ausweislich der Einlassung in der mündlichen Verhandlung ist spätestens zum Zeitpunkt der Durchsuchung ist der Klägerin deren Zweck offenbart worden, nämlich dass sie "nichts mit dem Diebstahl der Fundsache zu tun habe". Die Kammer hat weder über eine ordnungsgemäße Belehrung der Klägerin zu befinden noch über Art und Umfang der polizeilichen Maßnahme. Einzig und allein entscheidend ist, dass die Klägerin immer als Tatverdächtige behandelt worden ist, ebenso wie ihre beiden Kollegen. Insofern hat auch allein die Abwehr des Verdachtes einer Straftat im Vordergrund des Handelns der Klägerin gestanden. Betriebliche Interessen spielten zu diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr.
Die Kammer versteht die Einwände der Klägerin, welche während ihrer Arbeitszeit bei Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit von der Bundespolizei mitgenommen worden ist. Jedoch ist allein der zeitliche und sachliche Zusammenhang nicht ausreichend. Denn wie bereits ausgeführt hat die Klägerin die Untersuchung einzig und allein zur Abwehr des Verdachts einer Straftat über sich ergehen lassen.
Sowohl nach den objektiven Gesamtumständen als auch nach der subjektiven Handlungstendenz bestimmten nicht mehr wesentliche betriebliche Interessen das Verhalten der Klägerin. All diese Handlungen und die damit verbundenen Umstände haben nichts mit den Aufgaben im Servicebereich des Mitgliedsunternehmens der Beklagten zu tun. Eine fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung für das Mitgliedsunternehmen der Beklagten hat nicht vorgelegen, da es einzig und allein um die Suche nach den aus den Rucksack verschwunden Sachen gegangen ist. Die Klägerin hat eigenwirtschaftlich gehandelt, da es weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich gewesen ist, sich der Leibesvisitation zu unterziehen. Denn es liegt weder eine entsprechende arbeitsvertragliche Pflicht, noch eine Nebenpflicht oder eine Weisung des Arbeitgebers vor.
Somit ist die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die klägerischen Einwände haben nicht rechtserheblich durchgegriffen, da allein der zeitliche Zusammenhang nicht ausreichend ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall zu qualifizieren ist.
Die 1973 geborene Klägerin arbeitet beim Service der C. am C-Stadter D. Am 07.01.2012, gegen 15 Uhr, nahm sie dort mit einem Kollegen einen gefundenen Rucksack entgegen. Gemeinsam nahmen sie den Rucksack und dessen Inhalt in Augenschein und listeten den Inhalt auf. Etwas fünfzehn Minuten später kam die Bundespolizei. In dem Rucksack hätten sich auch 15.000 Rubel, 500 Euro, Schmuck und eine Festplatte befunden. Die Klägerin händigte den Rucksack gegen Unterschrift an die Bundespolizei aus. Gegen 18:20 Uhr wurden erst ihr Kollege und gegen 18:45 Uhr dann sie zur Wache geführt. Dort wurden die Taschen und die Kleidung der Klägerin untersucht. Hierfür musste sie sich komplett entkleiden.
Nach Eingang des Schreibens des Ehemannes der Klägerin vom 19.04.2012, bei der Beklagten am 23.04.2012 eingegangen, lehnte diese mit Bescheid vom 27.04.2012 einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da kein eigentliches Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin vom 24.05.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2012 zurück, da kein Arbeitsunfall vorliege. Zur Zeit des Unfalls müsse die Klägerin eine versicherte Tätigkeit ausgeübt haben, wobei die Handlungstendenz entscheidend sei. Maßgeblich sei, ob eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausgeübt werden wolle. Die die Unterbrechung privaten Verrichtungen werde dahingehend unterschieden, ob die Unterbrechung erheblich oder unerheblich sei. Bei einer erheblichen Unterbrechung bestehe kein Versicherungsschutz. Durch die Aufforderung, sich einer polizeilichen Kontrolle zu unterziehen, werde der Versicherungsschutz rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung unterbrochen. Die Handlungstendenz sei im Moment des Mitgehens zur Kontrolle nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet, sondern habe wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich der Verpflichtung zur Feststellung, ob sich die Klägerin einer Straftat schuldig gemacht habe, gedient. Als sich die Klägerin einer polizeilichen Untersuchung unterzogen habe, sei sowohl nach den objektiven Gesamtumständen als auch nach der subjektiven Handlungstendenz deutlich zum Ausdruck gekommen, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr ihr Verhalten bestimmt hätten.
Am 20.08.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr durch die Verhaftung vom 07.01.2012 ein körperlicher und ein seelischer Schaden entstanden seien. Da sie während ihrer Arbeitstätigkeit verhaftet geworden sei, handele es sich auch um einen Arbeitsunfall
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf den angegriffenen Bescheid. Die bei der Klägerin vorgenommene Untersuchung sei sicherlich unangenehm gewesen, aber seitens der Polizei nicht unverhältnismäßig, da zu diesem Zeitpunkt der Verdacht einer Straftat im Raum gestanden habe. Die Leibesvisitation erfülle nicht den Begriff des Unfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Kammer hat im Wege der Amtsermittlung Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, Entlassungsberichte sowie das Vorerkrankungsverzeichnis angefordert und die Akte des parallelen Schwerbehindertenrechtsstreits, Az. S 6 SB 100/09, beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Die Kammer hat über die Folgen des Ereignisses vom 07.01.2012 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG Beweis erhoben. Dabei ist durch den Sachverständigen Dr. E., Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, in seinem Gutachten vom 07.07.2013 festgestellt worden, dass bei der Klägerin eine abgeklungene Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, ängstlichen und emotional-instabilen Zügen vorliegt. Dem Ereignis vom 07.01.2012 komme die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache zu. Es sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. bis zur erfolgreichen Wiedereingliederung anzunehmen.
Die Klägerin sei unter schwierigen familiären Bedingungen aufgewachsen, welche von mangelnder emotionaler Versorgung und mangelnder Stabilität in der Beziehung zu den Primärobjekten geprägt gewesen sei. Durch den erfolgreichen Berufsabschluss sei es dann zu einer Stabilisierung gekommen. Aus dem biografischen Abriss gingen erhebliche Belastungsfaktoren und Entwicklungsauffälligkeiten hervor, die für die Entwicklung einer strukturellen Persönlichkeitsstörung sprechen. Sowohl der Personenschaden in 07/2009 als auch das streitgegenständliche Ereignis haben bei der Klägerin ihre Unzufriedenheit und Enttäuschung gegenüber übergeordneten Instanzen ihres Berufsfeldes gezeigt.
Die Leibesvisitation habe in dem Erleben der Klägerin nachvollziehbar einen kränkenden Charakter, da ihre Integrität in Frage gestellt werde und die Untersuchung mit Gefühlen von Ausgeliefertsein, Hilfslosigkeit und Ohnmacht einhergegangen sei. Bei der Klägerin sei eine emotionale Symptomatik aus Angst, Anspannung, Ärger und Reizbarkeit in Verbindung mit der beruflichen Situation zu konstatieren, während sie sich im privaten Umfeld beschwerdefrei fühle. Strukturell zeigten sich deutlich zwanghafte, ängstliche und auch emotional-instabile Züge, so dass von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung auszugehen sei. Diese strukturelle Persönlichkeitsstörung sei als Schadensanlage zu werten. Die sich im Anschluss entwickelnde psychopathologische Symptomatik habe zunächst die Kriterien einer Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung von Gefühlen erfüllt, wobei sich die Symptome im Verlauf so weit zurückgebildet hätten, dass die Klägerin wieder ihre Berufstätigkeit habe aufnehmen können. Es sei nicht von einer akuten Belastungsreaktion auszugehen, welche an die Bedingung geknüpft sei, dass es sich um eine außergewöhnliche Belastung im Sinne eines überwältigenden traumatischen Erlebnisses mit ernsthafter Bedrohung gehandelt habe. Das Ereignis sei nicht geeignet, eine Anpassungsstörung auszulösen. Bei der Inaugenscheinnahme habe es sich um eine nachvollziehbar belastende Situation gehandelt, jedoch habe objektiv keine akute Bedrohungssituation bestanden. Wenn man von einer mittlerweile abgeklungenen Anpassungsstörung ausgeht, dann sei diese nur vor dem Hintergrund der erhöhten Vulnerabilität verständlich. Als zusätzliche Belastungsfaktoren seien die zunehmenden Belastungen und Anforderungen am Arbeitsplatz zu benennen. Es ergebe sich die Konstellation eines weniger schweren äußeren Ereignisses bei vorbestehender Schadensanlage, wobei die spezifische Qualität des Ereignisses ein individuelles Belastungsmuster treffe und aktualisiere, so dass die Zusammenhangsfrage zu bejahen sei. Eine Gelegenheitsursache sei zu verneinen.
Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.03.2014 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 41). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Denn der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 07.01.2012 als Arbeitsunfall.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war.
Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung – versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Die Gesundheits- und Körperschäden müssen "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung.
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen.
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, also nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin zwar nach dem Ereignis vom 07.01.2012 eine mittlerweile abgeklungene Anpassungsstörung erlitten hatte, diese aber gerade nicht als Folge eines Arbeitsunfalls aufzufassen ist. Dr. E. stellt in seinem Gutachten vom 07.07.2013 fest, dass bei der Klägerin eine abgeklungene Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, ängstlichen und emotional-instabilen Zügen vorliegt. Dem Ereignis vom 07.01.2012 kommt seines Erachtens die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache zu.
Es fehlt jedoch unter Zugrundelegung der gesetzlichen Anforderungen, konkretisiert durch die ständige Rechtsprechung, am Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Nach Ansicht der Kammer bestehen bereits Zweifel daran, ob die Aufforderung des sich Ausziehens und die darauf folgende Leibesvisitation – mit der sich die Klägerin ausweislich des zur Akte gereichten Protokolls – einverstanden erklärt hat, überhaupt als ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu qualifizieren ist. Denn niemand wirkt auf den Körper ein und unmittelbarer Zwang ist ebenfalls nicht eingesetzt worden. Darüber hinaus geht die Kammer unter Berücksichtigung der Aktenlage sowie der klägerischen Einlassung in der mündlichen Verhandlung von einem weit überwiegenden eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin aus, so dass zumindest unter diesem Gesichtspunkt ein Arbeitsunfall zu verneinen ist.
So führt beispielsweise das Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2007, Az. L 1 U 5087/06, zitiert nach juris aus (Rn. 25 ff.):
"Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit, im vorliegenden Fall als Unternehmer, zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273 , 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82 und 97; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 16/04 R). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76 , 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127 , 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 16/04 R). Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 31). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11). Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (zusammenfassend zuletzt BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = BSGE 94, 262 ff) ausführt, ist maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls die Handlungstendenz des Versicherten, nämlich ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (BSG a.a.O. unter Verweis auf BSGE 58, 76 , 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S 197; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 96; SozR 3-2200 § 550 Nr. 1; SozR 3-2200 § 548 Nr. 22; BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 24/03 R - vorgesehen zur Veröffentlichung in BSGE und SozR). Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sogenannten eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten (vgl. BSG Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -), erfolgen. Von der Handlungstendenz ist der subjektive Beweggrund, das heißt die persönliche Motivation für die Tätigkeit, abzugrenzen. Die Annahme einer auf die Belange des Unternehmens gerichteten Handlungstendenz setzt entsprechend voraus, dass anhand objektiver Kriterien ein nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist. Wie bei allen anderen Zurechnungsentscheidungen sind für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes alle Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 9 und Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -).
Dass nicht jede private Verrichtung während der versicherten Tätigkeit automatisch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führt, ist in der Rechtsprechung des BSG seit langem anerkannt.
Dient die Unterbrechung privaten Verrichtungen, so unterscheidet die ständige Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14) zwischen erheblichen und unerheblichen Unterbrechungen. Während einer privaten Zwecken dienenden, erheblichen Unterbrechung besteht kein Versicherungsschutz ( BSGE 43, 113 , 114 f = SozR 2200 § 550 Nr. 26 S 58; BSGE 74, 159 , 161 = SozR 3-2200 § 550 Nr. 9 S 33; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 16; BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3). Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche tatsächliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt dagegen vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die ‚im Vorbeigehen‘ und ‚ganz nebenher‘ erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben, z.B. Kauf einer Zeitung an einem Kiosk während eines versicherten Weges ( BSGE 20, 219 , 221 = SozR Nr. 49 zu § 543 RVO a.F.; BSGE 43, 113 , 114 f = SozR 2200 § 550 Nr. 26 S 58; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 1; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8, 38). Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung - das Zurücklegen des Weges - der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Letztlich handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Verrichtung und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind. Die Situation ist also ähnlich der bei einer gemischten Tätigkeit, bei der auch die versicherte von der unversicherten Verrichtung nicht getrennt werden kann, weil beide zusammen zu einer bestimmten Gesamtlage geführt haben.
Für Verrichtungen, die sowohl privaten unversicherten als auch betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt sind - sog gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz dann (vgl. zuletzt BSG vom 22. August 2000 - B 2 U 18/99 R), wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Die Verrichtung braucht dabei nicht überwiegend betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sein (BSGE 3, 240 , 245; 20, 215, 216 = SozR Nr. 67 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 31. Januar 1974 - 2 RU 99/72 - USK 7410; BSG Urteil vom 22. August 1974 - 8 RU 288/73 - USK 74118; BSG Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 4/86 - USK 86208; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 93; BSG Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 3/93 - USK 9422; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch für Betriebswege und Geschäftsreisen (BSGE 3, 240 , 245; BSG Urteil vom 22. August 1974, a.a.O. m.w.N.). Ob das betriebliche Interesse wesentlich ist, beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218 = SozR a.a.O.). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre ( BSGE 20, 215 , 219 = SozR a.a.O.; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; Mehrtens, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der versicherte Weg des Versicherten von der Feier zum Wohn- und Geschäftshaus jedenfalls mit der Aufforderung, aus dem Lieferwagen auszusteigen, um sich im Polizeifahrzeug ins Polizeirevier E. zur Blutentnahme verbringen zu lassen, rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung unterbrochen worden ist und auch durch den Umstand, dass sich der Versicherte wenige Minuten später zu Fuß auf den Weg in Richtung des Wohn- und Geschäftshauses machte, der Versicherungsschutz nicht wieder aufgelebt ist.
Die Handlungstendenz des Versicherten war im Moment des Aussteigens nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet, sondern diente wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich seiner Verpflichtung, sich zur Feststellung, ob er sich der Trunkenheit im Straßenverkehr schuldig gemacht hatte, einer Blutentnahme zu unterziehen. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den vom SG beigezogenen und in der Gerichtsakte in Kopie befindlichen Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, den Feststellungen des Amtsgerichts Ettlingen im Beschluss vom 4. Mai 2005 sowie des Landgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 2. August 2005.
Mit der Aufforderung an den Kläger, den Heimweg in seinem Fahrzeug nicht weiter fortzusetzen und dem Umstand, dass der Kläger zunächst dieser Aufforderung auch nachkam, wurde nach den objektiven Gesamtumständen wie auch nach der subjektiven Handlungstendenz des Versicherten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr das Verhalten des Versicherten bestimmten. Es war weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich, sich der polizeilich angeordneten Blutentnahme zu entziehen.
Diese Unterbrechung des Versicherungsschutzes lebte auch nicht dadurch wieder auf, dass der Kläger jedenfalls beim zweiten Versuch der Polizei, ihn zum Einsteigen in das Polizeifahrzeug zu bewegen, eine Unaufmerksamkeit der Polizeibeamten ausnützte und sich mit dem Hinweis, jetzt nach Hause gehen zu wollen, zu Fuß auf den Weg in Richtung seines Wohn- und Geschäftsanwesens machte. Darin liegt zur Überzeugung des Gerichts keine Fortsetzung des ursprünglich versicherten betrieblichen Weges.
Die nach den Gesamtumständen anzunehmende Handlungstendenz des Versicherten war nach wie vor im Wesentlichen darauf gerichtet, sich nicht der Blutentnahme unterziehen zu wollen. Aus seinem Verhalten bis zum zweimaligen Wegbewegen von der Kontrollstelle ist nach den aktenkundigen Unterlagen deutlich zu entnehmen, dass I. die Notwendigkeit, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, nicht eingesehen hat oder einsehen wollte und das Verhalten der Polizeibeamten mehr oder weniger als nächtliche Schikane und Störung angesehen hat. Nachdem er sich zwar offenbar zunächst dazu entschlossen hatte, trotzdem den Polizeibeamten zu ihrem Fahrzeug zu folgen, dort aber nicht sofort Platz nehmen konnte, weil noch die Rückbank leergeräumt werden musste, gewann die ursprüngliche, abwehrende und missbilligende Haltung des Versicherten wieder Überhand und veranlasste ihn deshalb auch, sein schon einmal zuvor angesetztes Vorhaben, den weiteren Heimweg zu Fuß anzutreten und damit die "Störung" seines Heimwegs zu beenden, ein weiteres Mal in die Tat umzusetzen. Da das gesamte Geschehen nicht weit vom Wohn- und Geschäftshaus entfernt war, erschien dem Versicherten, wohl auch infolge trunkenheitsbedingter Unvernünftigkeit, dieses Vorgehen geeignet, sowohl die ihm als ungebührlich erscheinende Kontrolle zu vermeiden, als auch den weiteren Heimweg fortsetzen zu können. Letzteres stand dabei jedoch deutlich im Hintergrund seiner subjektiven Handlungstendenz, da das Sichentziehen wesentlich und letztlich Voraussetzung dafür war, den weiteren Heimweg fortsetzen zu können. Die Fortsetzung des Heimwegs (wenn auch zu Fuß) war also nur das Resultat bzw. Nebenziel der Entziehung, nicht aber die eigentliche Absicht und nicht maßgeblich für die Handlungstendenz des I.
Es handelte sich bei der Unterbrechung des versicherten Weges auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die quasi "im Vorbeigehen" erledigt werden konnte. Zwar umfasste die Unterbrechung des Heimwegs vom Moment des Aussteigens aus dem Lieferwagen bis zum Entschluss des Versicherten, sich zu Fuß auf den weiteren Rückweg zu machen, nur wenige Minuten. Es handelte sich aber seiner Intensität und Zielrichtung nach erkennbar nicht um eine unwesentliche Unterbrechung, die sich, wie der Kauf einer Zeitung oder eines Brötchens, nur im Vorbeigehen ereignet und die wesentliche Prägung des Wegs als versicherten Weg bzw. betriebsdienlichen Weg unberührt gelassen hätte."
Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Arbeitsschicht der Klägerin am 07.01.2012 von 14 bis 22:30 Uhr rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung in Form der Leibesvisitation durch die Beamtinnen der Bundespolizei unterbrochen worden ist. Selbst wenn die Untersuchung der Klägerin und ihrer Sachen unter rein zeitlichen Gesichtspunkten nicht erheblich ins Gewicht fällt und sie danach auch wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, kann die Kammer einen Versicherungsschutz zu diesem Zeitpunkt nicht annehmen. Denn die Handlungstendenz der Klägerin ist im Moment des Mitkommens auf die Wache der Bundespolizei nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet gewesen. Im Wesentlichen dienten das Mitkommen und das Zulassen der Leibesvisitation den eigenen Angelegenheiten der Klägerin. Sie ist untersucht worden, da sie im Verdacht gestanden hat, mit dem Abhandenkommen von Geld, Schmuck und der Festplatte im Rucksack etwas zu tun gehabt zu haben. Die Beamten der Bundespolizei haben mit der Einwilligung der Klägerin ihre Sachen durchsucht.
Selbst wenn das erste Vernehmungsprotokoll vom 07.01.2012 (Blatt 140 f. der Gerichtsakte) die Klägerin als Zeugin und das zweite Protokoll vom 08.01.2014 (Blatt 142 f. der Gerichtsakte) die Klägerin als Tatverdächtige bezeichnet, macht dies aus Sicht der Kammer keinen Unterschied. Denn ausweislich der Einlassung in der mündlichen Verhandlung ist spätestens zum Zeitpunkt der Durchsuchung ist der Klägerin deren Zweck offenbart worden, nämlich dass sie "nichts mit dem Diebstahl der Fundsache zu tun habe". Die Kammer hat weder über eine ordnungsgemäße Belehrung der Klägerin zu befinden noch über Art und Umfang der polizeilichen Maßnahme. Einzig und allein entscheidend ist, dass die Klägerin immer als Tatverdächtige behandelt worden ist, ebenso wie ihre beiden Kollegen. Insofern hat auch allein die Abwehr des Verdachtes einer Straftat im Vordergrund des Handelns der Klägerin gestanden. Betriebliche Interessen spielten zu diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr.
Die Kammer versteht die Einwände der Klägerin, welche während ihrer Arbeitszeit bei Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit von der Bundespolizei mitgenommen worden ist. Jedoch ist allein der zeitliche und sachliche Zusammenhang nicht ausreichend. Denn wie bereits ausgeführt hat die Klägerin die Untersuchung einzig und allein zur Abwehr des Verdachts einer Straftat über sich ergehen lassen.
Sowohl nach den objektiven Gesamtumständen als auch nach der subjektiven Handlungstendenz bestimmten nicht mehr wesentliche betriebliche Interessen das Verhalten der Klägerin. All diese Handlungen und die damit verbundenen Umstände haben nichts mit den Aufgaben im Servicebereich des Mitgliedsunternehmens der Beklagten zu tun. Eine fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung für das Mitgliedsunternehmen der Beklagten hat nicht vorgelegen, da es einzig und allein um die Suche nach den aus den Rucksack verschwunden Sachen gegangen ist. Die Klägerin hat eigenwirtschaftlich gehandelt, da es weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich gewesen ist, sich der Leibesvisitation zu unterziehen. Denn es liegt weder eine entsprechende arbeitsvertragliche Pflicht, noch eine Nebenpflicht oder eine Weisung des Arbeitgebers vor.
Somit ist die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die klägerischen Einwände haben nicht rechtserheblich durchgegriffen, da allein der zeitliche Zusammenhang nicht ausreichend ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved