Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 13 SF 1915/13 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 51/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 19. November 2015 (S 13 SF 1915/13 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 30 AS 5332/11 auf 332,51 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen (SG) anhängig gewesenes Verfahren (S 30 AS 5332/11) der von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägerin.
Mit der am 15. Juli 2011 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2011 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2011) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2011 hatte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II "in gesetzlicher Höhe", die Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren und die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 begehrte sie die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 (W 5873/11) insoweit abzuändern, als die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren zu tragen habe und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erachtet werde. Im Erörterungstermin am 30. Oktober 2012, der von 12:00 Uhr bis 13:48 Uhr dauerte und drei weitere Verfahren der Klägerin umfasste, bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH). Die Beklagte erklärte sich bereit, "ohne Neuverbescheidung für den Leistungszeitraum 1.06.2011 bis 30.11.2011 an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 48,00 EUR auszuzahlen". Der Beschwerdeführer nahm das Anerkenntnis an, erklärte die Klage im Übrigen in der Hauptsache für erledigt und beantragte eine Entscheidung über die Kosten. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 verpflichtete das SG die Beklagte zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Drittel. Unter dem 28. Januar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Ge-bühren für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG 7,42 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 587,42 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 111,61 Euro Summe 699,03 Euro
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 17. September 2013 die zu zahlende Vergütung auf 445,56 Euro fest. Von dem Betrag in Höhe von 699,03 Euro seien 253,47 Euro abzusetzen. Zur Begründung für die Absetzungen führte die UdG aus, hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde die um 40 v.H. geminderte Mittelgebühr als angemessen erachtet. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten seien unterdurchschnittlich ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin. Die Terminsgebühr werde auf 150,00 Euro festgesetzt, bei der Einigungsgebühr werde die um 50 v.H. geminderte Mittelgebühr (95,00 Euro) als angemessen erachtet.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Verfahrens-gebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 170,00 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien zumindest durchschnittlich gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei weit überdurchschnittlich gewesen. Eine volle Terminsgebühr entstehe bereits, wenn der Anwalt einen Termin wahrnehme bzw. auftrete und Verhandlungsbereitschaft anzeige. Dies sei hier der Fall gewesen. Die Erledigungsgebühr sei entstanden, weil er ein Teilanerkenntnis angenommen habe. Aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen sei bei zumindest rechtswahrend erhobenen Klagen von einer Gebühr in Höhe von 60 v.H. auszugehen. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und die Festsetzung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG beanstandet. Eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits sei vorliegend weder erkennbar, noch sei eine solche konkret vorgetragen. Der Vergütungsanspruch betrage daher 332,51 Euro.
Mit Beschluss vom 19. November 2015 hat das SG die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen und auf die Anschlusserinnerung des Beschwerdegegners die aus der Staats-kasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 252,78 Euro festgesetzt (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro, Fahrt- und Abwesenheitsgeld Nr. 7002 VV-RVG 7,42 Euro, Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 40,36 Euro). Hinsichtlich der Verfahrensgebühr sei eine Gebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei deutlich unterdurchschnittlich. Der Beschwerdeführer habe vorliegend vornehmlich vorformulierte Textbausteine verwendet, welche er gerichtsbekannt in einer Vielzahl von Verfahren verwendet habe. Er habe daneben keine wesentlich darüber hinausgehenden oder sonderlich ins Gewicht fallenden einzelfallbezogenen Ausführungen gemacht. Ebenso sei die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unter dem Durchschnitt gewesen. Sein Vortrag habe sich im Wesentlichen in allgemeinen rechtlichen und pauschal gehaltenen Ausführungen ohne jeweiligen Bezug zum Einzelfall gehalten. Eine konkrete Berechnung der Anspruchshöhe sei nicht erfolgt. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin stelle sich unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Rechtsstreits in der Sache sowie unter Berücksichtigung der Kostenentscheidung als durchschnittlich dar. Die Terminsgebühr sei in Höhe von ½ der Mittelgebühr angemessen. Die Vorsitzende habe die wesentliche Aufarbeitung des Leistungsfalles vorgenommen und auf dieser Grundlage rechtliche Hinweise an die Beteiligten gegeben. Hierdurch habe sich die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei der Terminswahrnehmung erheblich reduziert. Eine Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) sei nicht angefallen. Die Beklagte habe ein Anerkenntnis abgegeben, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich darauf beschränkt, das Anerkenntnis anzunehmen und so den Rechtsstreit lediglich formal einer Erledigung zuzuführen.
Gegen den am 23. Dezember 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29. Dezember 2015 Beschwerde eingelegt. Die Erledigungsgebühr sei in Höhe von 190,00 Euro festzusetzen. Durch die Erledigungserklärung nach Annahme des Teilanerkenntnisses sei die Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt worden. Zudem seien mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 dem Beklagten lediglich ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Die Verfahrens- und Terminsgebühr seien zumindest entsprechend dem Beschluss der UdG festzusetzen, weil der Beschwerdegegner die Erinnerung auf die Erledigungsgebühr begrenzt habe. Einer weiteren Kürzung stehe das Verschlechterungsverbot entgegen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 30. Dezember 2015) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Lan-dessozialgerichts in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des 1. Senats die Berichterstatterin des Senats. Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Rechtsprechung des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist im tenorierten Umfang begründet.
Ihm steht eine Vergütung in Höhe von 252,78 Euro zu. Insoweit nimmt der Senat in entspre-chender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Grün-de II des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug, denen er sich anschließt.
Im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erledigungsgebühr führt der Senat ergänzend aus: Die Entstehung der Erledigungsgebühr setzt nach Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG voraus, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die anwaltliche Mitwirkung erfordert dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein qualifiziertes erledigungsgerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgeht, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchs- bzw. Klageverfahren abgegolten wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 62/12 R m.w.N., nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage 2016, VV 1002 Rn. 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 23. Aufl. 2017, VV 1002 Rn. 38). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor, noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05, beide nach juris).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners liegt unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe im vorliegenden Fall keine über die Annahme eines Anerkenntnisses und einer Klagerücknahmen hinausgehende Tätigkeit vor. Der Beschwerdeführer hat den Antrag der am 15. Juli 2011 erhobenen Klage nicht beziffert. Er hat lediglich die Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe beantragt. Die Beklagte hat im Erörterungstermin am 30. Oktober 2012 nach Hinweisen der Vorsitzenden eine Nachzahlung in Höhe von 48,00 Euro zugestanden, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet hat. Er hat vielmehr daraufhin das Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich um ein volles Anerkenntnis, dessen Annahme mit der Verfahrensgebühr abgegolten wird. Der 1. Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 6. Senats an, wonach allein aus der Nichteinigung über die Kosten des Verfahrens nicht von einem Teilanerkenntnis auszugehen ist (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - L 6 SF 572/17 B, nach juris). Entscheidend für das Entstehen der Gebühr ist allein die Erledigung in der Hauptsache, die wiederum eine qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts voraussetzt, ein verbleibender Streit über die Kosten - wie hier - ist insoweit unschädlich (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage 2016, VV 1002, Rn. 7, Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1002, Rn. 28). Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Sinn des Gesetzes, denn die Erledigungsgebühr soll belohnen, dass dem Gericht die Mühen für die Abfassung eines Urteils erspart bleiben (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1002, Rn. 24).
Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass lediglich ein Teilanerkenntnis auch nicht daraus hergeleitet werden kann, dass die Beklagte die Übernahme der Kosten bezüglich des Widerspruchsverfahren (W 5873/11) und die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Be-schwerdegegners nicht anerkannt hat. Soweit in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78ff SGG) gestritten wird, handelt es sich nicht um Kosten des Verfahrens im Sinne von § 193 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 142/11 R, nach juris). Soweit der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 die ursprünglich erhobene Klage prozessual um diesen Streitgegenstand erweitert hat (§ 99 Abs. 1 SGG), war diese Klageänderung unzulässig, denn die Beklagte hatte sich hierauf nicht eingelassen und das SG hatte sich zur Sachdienlichkeit des Antrages nicht geäußert (§ 99 Abs. 1, Abs. 2 SGG). Der Beschwerdeführer hat die weiteren Anträge spätestens durch seine Erklärung, der Rechtsstreit habe sich (damit) vollumfänglich erledigt, zurückgenommen. Eine besondere Müheverwaltung, die eine Entstehung der zusätzlichen Gebühr rechtfertigen könnte, ist dem nicht zu entnehmen. Sie stellt keine über die normale Prozessführung hinausgehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung des Rechtsstreits dar. Die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung wird vielmehr mit der Verfahrensgebühr abgegolten. An die Ausführungen des SG im Kostenbeschluss vom 5. Dezember 2012 ist der Senat nicht gebunden.
Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Auslagen Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld Nr. 7003,7005 VV-RVG 7,42 Euro Zwischensumme 212,42 Euro Umsatzsteuer 40,36 Euro Gesamtsumme 252,78 Euro
Einer Kürzung der Vergütung auf diesen Betrag steht allerdings der Grundsatz der "reformatio in peius" entgegen. Die Beschwerde des Beschwerdegegners im erstinstanzlichen Verfahren war auf eine Festsetzung der Vergütung des Beschwerdeführers auf 332,51 Euro beschränkt. Eine Herabsetzung der Vergütung unter diesen Betrag ist in diesem Fall weder im Erinnerungs- noch im Beschwerdeverfahren möglich. Legt die Staatskasse selbst keine Erinnerung ein, garantiert dies die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren (vgl. für die Beschwerde: Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, nach juris). Legt die Staatskasse nur in eingeschränktem Umfang Erinnerung ein, garantiert dies, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nicht unterhalb dieses Betrages festgesetzt wird (vgl. Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, § 56 Rdnr. 7).
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen (SG) anhängig gewesenes Verfahren (S 30 AS 5332/11) der von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägerin.
Mit der am 15. Juli 2011 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2011 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2011) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2011 hatte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II "in gesetzlicher Höhe", die Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren und die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 begehrte sie die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 (W 5873/11) insoweit abzuändern, als die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren zu tragen habe und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erachtet werde. Im Erörterungstermin am 30. Oktober 2012, der von 12:00 Uhr bis 13:48 Uhr dauerte und drei weitere Verfahren der Klägerin umfasste, bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH). Die Beklagte erklärte sich bereit, "ohne Neuverbescheidung für den Leistungszeitraum 1.06.2011 bis 30.11.2011 an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 48,00 EUR auszuzahlen". Der Beschwerdeführer nahm das Anerkenntnis an, erklärte die Klage im Übrigen in der Hauptsache für erledigt und beantragte eine Entscheidung über die Kosten. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 verpflichtete das SG die Beklagte zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Drittel. Unter dem 28. Januar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Ge-bühren für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG 7,42 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 587,42 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 111,61 Euro Summe 699,03 Euro
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 17. September 2013 die zu zahlende Vergütung auf 445,56 Euro fest. Von dem Betrag in Höhe von 699,03 Euro seien 253,47 Euro abzusetzen. Zur Begründung für die Absetzungen führte die UdG aus, hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde die um 40 v.H. geminderte Mittelgebühr als angemessen erachtet. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten seien unterdurchschnittlich ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin. Die Terminsgebühr werde auf 150,00 Euro festgesetzt, bei der Einigungsgebühr werde die um 50 v.H. geminderte Mittelgebühr (95,00 Euro) als angemessen erachtet.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Verfahrens-gebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 170,00 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien zumindest durchschnittlich gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei weit überdurchschnittlich gewesen. Eine volle Terminsgebühr entstehe bereits, wenn der Anwalt einen Termin wahrnehme bzw. auftrete und Verhandlungsbereitschaft anzeige. Dies sei hier der Fall gewesen. Die Erledigungsgebühr sei entstanden, weil er ein Teilanerkenntnis angenommen habe. Aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen sei bei zumindest rechtswahrend erhobenen Klagen von einer Gebühr in Höhe von 60 v.H. auszugehen. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und die Festsetzung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG beanstandet. Eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits sei vorliegend weder erkennbar, noch sei eine solche konkret vorgetragen. Der Vergütungsanspruch betrage daher 332,51 Euro.
Mit Beschluss vom 19. November 2015 hat das SG die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen und auf die Anschlusserinnerung des Beschwerdegegners die aus der Staats-kasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 252,78 Euro festgesetzt (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro, Fahrt- und Abwesenheitsgeld Nr. 7002 VV-RVG 7,42 Euro, Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 40,36 Euro). Hinsichtlich der Verfahrensgebühr sei eine Gebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei deutlich unterdurchschnittlich. Der Beschwerdeführer habe vorliegend vornehmlich vorformulierte Textbausteine verwendet, welche er gerichtsbekannt in einer Vielzahl von Verfahren verwendet habe. Er habe daneben keine wesentlich darüber hinausgehenden oder sonderlich ins Gewicht fallenden einzelfallbezogenen Ausführungen gemacht. Ebenso sei die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unter dem Durchschnitt gewesen. Sein Vortrag habe sich im Wesentlichen in allgemeinen rechtlichen und pauschal gehaltenen Ausführungen ohne jeweiligen Bezug zum Einzelfall gehalten. Eine konkrete Berechnung der Anspruchshöhe sei nicht erfolgt. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin stelle sich unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Rechtsstreits in der Sache sowie unter Berücksichtigung der Kostenentscheidung als durchschnittlich dar. Die Terminsgebühr sei in Höhe von ½ der Mittelgebühr angemessen. Die Vorsitzende habe die wesentliche Aufarbeitung des Leistungsfalles vorgenommen und auf dieser Grundlage rechtliche Hinweise an die Beteiligten gegeben. Hierdurch habe sich die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei der Terminswahrnehmung erheblich reduziert. Eine Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) sei nicht angefallen. Die Beklagte habe ein Anerkenntnis abgegeben, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich darauf beschränkt, das Anerkenntnis anzunehmen und so den Rechtsstreit lediglich formal einer Erledigung zuzuführen.
Gegen den am 23. Dezember 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29. Dezember 2015 Beschwerde eingelegt. Die Erledigungsgebühr sei in Höhe von 190,00 Euro festzusetzen. Durch die Erledigungserklärung nach Annahme des Teilanerkenntnisses sei die Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt worden. Zudem seien mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 dem Beklagten lediglich ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Die Verfahrens- und Terminsgebühr seien zumindest entsprechend dem Beschluss der UdG festzusetzen, weil der Beschwerdegegner die Erinnerung auf die Erledigungsgebühr begrenzt habe. Einer weiteren Kürzung stehe das Verschlechterungsverbot entgegen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 30. Dezember 2015) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Lan-dessozialgerichts in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des 1. Senats die Berichterstatterin des Senats. Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Rechtsprechung des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist im tenorierten Umfang begründet.
Ihm steht eine Vergütung in Höhe von 252,78 Euro zu. Insoweit nimmt der Senat in entspre-chender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Grün-de II des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug, denen er sich anschließt.
Im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erledigungsgebühr führt der Senat ergänzend aus: Die Entstehung der Erledigungsgebühr setzt nach Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG voraus, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die anwaltliche Mitwirkung erfordert dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein qualifiziertes erledigungsgerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgeht, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchs- bzw. Klageverfahren abgegolten wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 62/12 R m.w.N., nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage 2016, VV 1002 Rn. 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 23. Aufl. 2017, VV 1002 Rn. 38). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor, noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05, beide nach juris).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners liegt unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe im vorliegenden Fall keine über die Annahme eines Anerkenntnisses und einer Klagerücknahmen hinausgehende Tätigkeit vor. Der Beschwerdeführer hat den Antrag der am 15. Juli 2011 erhobenen Klage nicht beziffert. Er hat lediglich die Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe beantragt. Die Beklagte hat im Erörterungstermin am 30. Oktober 2012 nach Hinweisen der Vorsitzenden eine Nachzahlung in Höhe von 48,00 Euro zugestanden, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet hat. Er hat vielmehr daraufhin das Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich um ein volles Anerkenntnis, dessen Annahme mit der Verfahrensgebühr abgegolten wird. Der 1. Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 6. Senats an, wonach allein aus der Nichteinigung über die Kosten des Verfahrens nicht von einem Teilanerkenntnis auszugehen ist (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - L 6 SF 572/17 B, nach juris). Entscheidend für das Entstehen der Gebühr ist allein die Erledigung in der Hauptsache, die wiederum eine qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts voraussetzt, ein verbleibender Streit über die Kosten - wie hier - ist insoweit unschädlich (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage 2016, VV 1002, Rn. 7, Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1002, Rn. 28). Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Sinn des Gesetzes, denn die Erledigungsgebühr soll belohnen, dass dem Gericht die Mühen für die Abfassung eines Urteils erspart bleiben (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1002, Rn. 24).
Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass lediglich ein Teilanerkenntnis auch nicht daraus hergeleitet werden kann, dass die Beklagte die Übernahme der Kosten bezüglich des Widerspruchsverfahren (W 5873/11) und die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Be-schwerdegegners nicht anerkannt hat. Soweit in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78ff SGG) gestritten wird, handelt es sich nicht um Kosten des Verfahrens im Sinne von § 193 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 142/11 R, nach juris). Soweit der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 die ursprünglich erhobene Klage prozessual um diesen Streitgegenstand erweitert hat (§ 99 Abs. 1 SGG), war diese Klageänderung unzulässig, denn die Beklagte hatte sich hierauf nicht eingelassen und das SG hatte sich zur Sachdienlichkeit des Antrages nicht geäußert (§ 99 Abs. 1, Abs. 2 SGG). Der Beschwerdeführer hat die weiteren Anträge spätestens durch seine Erklärung, der Rechtsstreit habe sich (damit) vollumfänglich erledigt, zurückgenommen. Eine besondere Müheverwaltung, die eine Entstehung der zusätzlichen Gebühr rechtfertigen könnte, ist dem nicht zu entnehmen. Sie stellt keine über die normale Prozessführung hinausgehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung des Rechtsstreits dar. Die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung wird vielmehr mit der Verfahrensgebühr abgegolten. An die Ausführungen des SG im Kostenbeschluss vom 5. Dezember 2012 ist der Senat nicht gebunden.
Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Auslagen Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld Nr. 7003,7005 VV-RVG 7,42 Euro Zwischensumme 212,42 Euro Umsatzsteuer 40,36 Euro Gesamtsumme 252,78 Euro
Einer Kürzung der Vergütung auf diesen Betrag steht allerdings der Grundsatz der "reformatio in peius" entgegen. Die Beschwerde des Beschwerdegegners im erstinstanzlichen Verfahren war auf eine Festsetzung der Vergütung des Beschwerdeführers auf 332,51 Euro beschränkt. Eine Herabsetzung der Vergütung unter diesen Betrag ist in diesem Fall weder im Erinnerungs- noch im Beschwerdeverfahren möglich. Legt die Staatskasse selbst keine Erinnerung ein, garantiert dies die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren (vgl. für die Beschwerde: Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, nach juris). Legt die Staatskasse nur in eingeschränktem Umfang Erinnerung ein, garantiert dies, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nicht unterhalb dieses Betrages festgesetzt wird (vgl. Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, § 56 Rdnr. 7).
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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