Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
24
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 24 AS 246/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 474/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 59/13 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Bemerkung
Urteil m. ZVW, neu: L 7 AS 180/16 ZVW
I. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 31.01.2013 hinaus weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der 1955 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und freizügigkeitsberechtigt. Seit 17.10.2011 lebt er laut Meldebestätigung der Stadt A-Stadt vom 07.11.2011 wieder in Deutschland. Vom 20.12.2011 bis 17.02.2012 arbeitete der Kläger bei C. in C-Stadt / Taunus als Lagerist / Fahrer. Seither war der Kläger auf Arbeitssuche. Am 27.08.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II, die vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 bewilligt wurden. Am 17.01.2013 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Die Weiterbewilligung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und damit liege ein Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II vor. Hiergegen erhob der Kläger am 31.01.2013 Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA), die VO (EG) 883/2004 sowie den Gleichheitssatz nach Art. 18 AEUV. Unter dem 08.02.2013 beantragte der Kläger gerichtlichen Eilrechtschutz, woraufhin mit Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18.03.2013 (S 24 AS 164/13 ER) vorläufig Leistungen ab 08.02.2013 bis 07.08.2013 bewilligt wurden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II finde vorliegend Anwendung. Die Bundesregierung habe einen Vorbehalt gegenüber dem Europäischen Fürsorgeabkommen in Bezug auf SGB II-Leistungen erklärt, so dass der in Frage stehende Ausschlussgrund des § 7 SGB II zu beachten sei.
Der Kläger hat am 27.02.2013 Klage erhoben. Zur Begründung werden die bereits im Widerspruch genannten europarechtlichen Regelungen angeführt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 08.05.2013 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Im Rahmen der nach § 105 Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Anhörung haben die Beteiligten keine begründeten Einwände gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgebracht.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus.
Gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Ausgenommen sind nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Leistungsausschluss vorliegend auf den nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigten und damit aufenthaltsberechtigten Kläger – er ist im Sinne dieser Vorschrift ein Unionsbürger, der sich – nachdem er arbeitslos geworden ist, zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält – nicht anwendbar. Die Nichtanwendbarkeit beruht auf dem Anwendungsvorrang entgegenstehenden europäischen Rechts. Dies gilt im Ergebnis unabhängig von der zwischen den Beteiligten und auch im Übrigen umstrittenen Frage (siehe etwa einerseits LSG Rheinland-Pfalz, B. v. 21.8.2012, L 3 AS 250/12 B ER und andererseits z.B. LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 2.8.2012, L 5 AS 1297/12 B ER), ob der in Bezug auf das Europäische Fürsorgeabkommen von der Bundesregierung am 19.12.2011 erklärte Vorbehalt zur Unanwendbarkeit dieses Abkommens führt. Denn die mangelnde Anwendbarkeit des Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ergibt sich aufgrund der VO (EG) 883/2004.
Hierzu ist auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 12.02.2013, L 7 AS 786/12 B ER, Bezug zu nehmen. Das Hessische Landesozialgericht führt dort in Bezug auf § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II Folgendes aus:
"Der Leistungsausschluss widerspricht dem europarechtlich eng ausgestalteten Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 i.V.m. 70 VO (EG) 883/2004 – VO. Dieses schließt eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wie dies bei § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II der Fall ist, aus. Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO untersagt jegliche auf die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU gestützte Diskriminierung einer in den Geltungsbereich der VO fallenden Person in der sozialen Sicherheit als Ausfluss des primärrechtlich in Art. 21 AEUV verankerten Diskriminierungsverbotes unter EU-Bürgern (Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 Rn. 1). Es gebietet, die sozialrechtlich geschuldete Leistung einem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie dem Staatsangehörigen des zuständigen Staates (Eichenhofer, a.a.O., Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 Rn. 4 m.w.N.). Einbezogen in das Gleichbehandlungsgebot sind nach Art. 3 Abs. 3 VO i.V.m. Anlage X Buchst. b zu Art. 70 VO ausdrücklich die deutschen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eine Beschränkung des Gleichbehandlungsgebotes ist nur insoweit vorgesehen, als die Art. 70 VO unterliegenden besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nicht in einen anderen Mitgliedsstaat exportiert werden dürfen (Art. 70 Abs. 4 VO). Der teilweise Geltungsausschluss nach Art. 70 Abs. 3 VO umfasst nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO. Eine Ungleichbehandlung wird auch nicht durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ermöglicht, denn diese gestattet nur, Sozialhilfeleistungen auszuschließen. Es handelt sich jedoch bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II wegen ihrer Ausrichtung auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht um Leistungen der Sozialhilfe (siehe auch LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010, Az.: L 7 AS 3769/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2010, Az.: L 34 AS 1501/10 B ER - beide juris - )."
Das Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen wie bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an.
Für den Kläger ist der persönliche Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004 nach Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung eröffnet. Nach dieser Regelung gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Unter "Rechtsvorschriften” sind dabei Art. 1 lit. I der Verordnung "die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs. 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit” zu verstehen. Damit wird ein Bezug des Betreffenden zu einem Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem gefordert (dazu Schreiber, NZS 2012, 647, 649). Es kann vorliegend dahinstehen, ob insoweit ein abstrakter Bezug zu einem solchen Leistungssystem ohne konkrete Einbeziehung genügt oder vielmehr stets eine konkrete gegenwärtige oder frühere Eigenschaft als Versicherter bzw. eine ähnliche Rechtsstellung erforderlich ist (hierzu näher Schreiber, a.a.O., m.w.N.). Denn vorliegend sind die Voraussetzungen auch unter Zugrundelegung der engeren Auffassung, die eine konkrete gegenwärtige oder frühere Einbeziehung fordert, erfüllt. Der Kläger hat angegeben, bereits sozialversicherungspflichtig gewesen zu sein, und dies wird durch die vorliegenden Unterlagen bestätigt. Auf Bl. 13 der Verwaltungsakte ist der Sozialversicherungsausweis der Deutschen Rentenversicherung Hessen mit der Versicherungsnummer xxx1, ausgestellt am 20.12.2011, in Kopie vorhanden. Auf den Gehaltsabrechnungen Bl. 15-17 werden die entsprechenden Versicherungen (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) für den Zeitraum der Erwerbstätigkeit vom 20.12.2011 bis zum 17.02.2012 bestätigt. Zudem war der Kläger im Zeitraum vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 während des Bezuges von ALG II sozialversicherungspflichtig, was sich aus dem Bescheid Bl. 38 der Verwaltungsakte ergibt.
Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind zwischen den Beteiligten nicht streitig, zumal der Beklagte aufgrund des Beschlusses des SG Frankfurt vom 18.03.2013 (S 24 AS 164/13 ER) vorläufig Leistungen gewährte.
Im Hinblick auf den regelmäßig sechsmonatigen Bewilligungszeitraum gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sind die Leistungen zunächst bis 31.07.2013 zu gewähren. Über einen Weiterbewilligungsantrag ist sodann erneut zu entscheiden. Über die Verzinsung eines etwaigen Nachzahlungsanspruches nach § 44 SGB I für die Zeit vom 01.02.2013 bis 07.02.2013 ist ebenfalls durch den Beklagten zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der 1955 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und freizügigkeitsberechtigt. Seit 17.10.2011 lebt er laut Meldebestätigung der Stadt A-Stadt vom 07.11.2011 wieder in Deutschland. Vom 20.12.2011 bis 17.02.2012 arbeitete der Kläger bei C. in C-Stadt / Taunus als Lagerist / Fahrer. Seither war der Kläger auf Arbeitssuche. Am 27.08.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II, die vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 bewilligt wurden. Am 17.01.2013 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Die Weiterbewilligung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und damit liege ein Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II vor. Hiergegen erhob der Kläger am 31.01.2013 Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA), die VO (EG) 883/2004 sowie den Gleichheitssatz nach Art. 18 AEUV. Unter dem 08.02.2013 beantragte der Kläger gerichtlichen Eilrechtschutz, woraufhin mit Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18.03.2013 (S 24 AS 164/13 ER) vorläufig Leistungen ab 08.02.2013 bis 07.08.2013 bewilligt wurden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II finde vorliegend Anwendung. Die Bundesregierung habe einen Vorbehalt gegenüber dem Europäischen Fürsorgeabkommen in Bezug auf SGB II-Leistungen erklärt, so dass der in Frage stehende Ausschlussgrund des § 7 SGB II zu beachten sei.
Der Kläger hat am 27.02.2013 Klage erhoben. Zur Begründung werden die bereits im Widerspruch genannten europarechtlichen Regelungen angeführt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 08.05.2013 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Im Rahmen der nach § 105 Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Anhörung haben die Beteiligten keine begründeten Einwände gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgebracht.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus.
Gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Ausgenommen sind nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Leistungsausschluss vorliegend auf den nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigten und damit aufenthaltsberechtigten Kläger – er ist im Sinne dieser Vorschrift ein Unionsbürger, der sich – nachdem er arbeitslos geworden ist, zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält – nicht anwendbar. Die Nichtanwendbarkeit beruht auf dem Anwendungsvorrang entgegenstehenden europäischen Rechts. Dies gilt im Ergebnis unabhängig von der zwischen den Beteiligten und auch im Übrigen umstrittenen Frage (siehe etwa einerseits LSG Rheinland-Pfalz, B. v. 21.8.2012, L 3 AS 250/12 B ER und andererseits z.B. LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 2.8.2012, L 5 AS 1297/12 B ER), ob der in Bezug auf das Europäische Fürsorgeabkommen von der Bundesregierung am 19.12.2011 erklärte Vorbehalt zur Unanwendbarkeit dieses Abkommens führt. Denn die mangelnde Anwendbarkeit des Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ergibt sich aufgrund der VO (EG) 883/2004.
Hierzu ist auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 12.02.2013, L 7 AS 786/12 B ER, Bezug zu nehmen. Das Hessische Landesozialgericht führt dort in Bezug auf § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II Folgendes aus:
"Der Leistungsausschluss widerspricht dem europarechtlich eng ausgestalteten Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 i.V.m. 70 VO (EG) 883/2004 – VO. Dieses schließt eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wie dies bei § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II der Fall ist, aus. Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO untersagt jegliche auf die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU gestützte Diskriminierung einer in den Geltungsbereich der VO fallenden Person in der sozialen Sicherheit als Ausfluss des primärrechtlich in Art. 21 AEUV verankerten Diskriminierungsverbotes unter EU-Bürgern (Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 Rn. 1). Es gebietet, die sozialrechtlich geschuldete Leistung einem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie dem Staatsangehörigen des zuständigen Staates (Eichenhofer, a.a.O., Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 Rn. 4 m.w.N.). Einbezogen in das Gleichbehandlungsgebot sind nach Art. 3 Abs. 3 VO i.V.m. Anlage X Buchst. b zu Art. 70 VO ausdrücklich die deutschen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eine Beschränkung des Gleichbehandlungsgebotes ist nur insoweit vorgesehen, als die Art. 70 VO unterliegenden besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nicht in einen anderen Mitgliedsstaat exportiert werden dürfen (Art. 70 Abs. 4 VO). Der teilweise Geltungsausschluss nach Art. 70 Abs. 3 VO umfasst nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO. Eine Ungleichbehandlung wird auch nicht durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ermöglicht, denn diese gestattet nur, Sozialhilfeleistungen auszuschließen. Es handelt sich jedoch bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II wegen ihrer Ausrichtung auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht um Leistungen der Sozialhilfe (siehe auch LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010, Az.: L 7 AS 3769/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2010, Az.: L 34 AS 1501/10 B ER - beide juris - )."
Das Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen wie bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an.
Für den Kläger ist der persönliche Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004 nach Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung eröffnet. Nach dieser Regelung gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Unter "Rechtsvorschriften” sind dabei Art. 1 lit. I der Verordnung "die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs. 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit” zu verstehen. Damit wird ein Bezug des Betreffenden zu einem Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem gefordert (dazu Schreiber, NZS 2012, 647, 649). Es kann vorliegend dahinstehen, ob insoweit ein abstrakter Bezug zu einem solchen Leistungssystem ohne konkrete Einbeziehung genügt oder vielmehr stets eine konkrete gegenwärtige oder frühere Eigenschaft als Versicherter bzw. eine ähnliche Rechtsstellung erforderlich ist (hierzu näher Schreiber, a.a.O., m.w.N.). Denn vorliegend sind die Voraussetzungen auch unter Zugrundelegung der engeren Auffassung, die eine konkrete gegenwärtige oder frühere Einbeziehung fordert, erfüllt. Der Kläger hat angegeben, bereits sozialversicherungspflichtig gewesen zu sein, und dies wird durch die vorliegenden Unterlagen bestätigt. Auf Bl. 13 der Verwaltungsakte ist der Sozialversicherungsausweis der Deutschen Rentenversicherung Hessen mit der Versicherungsnummer xxx1, ausgestellt am 20.12.2011, in Kopie vorhanden. Auf den Gehaltsabrechnungen Bl. 15-17 werden die entsprechenden Versicherungen (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) für den Zeitraum der Erwerbstätigkeit vom 20.12.2011 bis zum 17.02.2012 bestätigt. Zudem war der Kläger im Zeitraum vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 während des Bezuges von ALG II sozialversicherungspflichtig, was sich aus dem Bescheid Bl. 38 der Verwaltungsakte ergibt.
Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind zwischen den Beteiligten nicht streitig, zumal der Beklagte aufgrund des Beschlusses des SG Frankfurt vom 18.03.2013 (S 24 AS 164/13 ER) vorläufig Leistungen gewährte.
Im Hinblick auf den regelmäßig sechsmonatigen Bewilligungszeitraum gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sind die Leistungen zunächst bis 31.07.2013 zu gewähren. Über einen Weiterbewilligungsantrag ist sodann erneut zu entscheiden. Über die Verzinsung eines etwaigen Nachzahlungsanspruches nach § 44 SGB I für die Zeit vom 01.02.2013 bis 07.02.2013 ist ebenfalls durch den Beklagten zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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