L 13 R 2148/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3911/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2148/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. April 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Kosten des Gerichts in Höhe von 1000,00 EUR auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Rente sowie die zukünftige Auszahlung der Rentenbeiträge seiner Kinder.

Der 1949 geborene Kläger war als Rechtsanwalt tätig und zahlte freiwillig Beiträge in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung (zu den Einzelheiten s. Versicherungsverlauf vom 25. März 2015, Blatt 75 ff. der Verwaltungsakten der Beklagten). Er ist Vater von fünf Kindern.

Am 16. Februar 2015 beantragte der Kläger Versichertenrente und stellte den Antrag, dass die künftigen Einzahlungen seiner Kinder in deren jeweilige Rentenkasse in Deutschland ab dem 1. März 2015 zu 50 % an ihn durchgereicht werden. Er und seine Frau hätten die Kinder zu Leistungsträgern der Gesellschaft erzogen und ausgebildet und keinen Aufwand gescheut. Deshalb stünden die Einzahlungen seiner Kinder während seiner Rentnerzeit zu 50 % ihm zu, sobald seine Frau auch in Rente sei, stünden ihr die anderen 50 % zu. Der derzeitige Generationenvertrag stelle einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Familie dar und sei verfassungswidrig. Mit Rentenbescheid vom 25. März 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1. März 2015. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 21. Februar 2015 erfüllt. Die Rente betrage laufend 329,23 EUR. Die Zeit vom 22. November 1965 bis zum 21. November 1966 könne wegen einer Rechtsänderung nicht mehr berücksichtigt werden, weil diese Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres liege. Der Bescheid vom 19. Mai 2004 werde insoweit aufgehoben. Die Zeit vom 1. Juli 1976 bis zum 12. Juli 1979 könne nicht berücksichtigt werden, weil diese Zeit der Ausbildung die berücksichtigungsfähige Höchstdauer überschreite, weshalb der bisherige Bescheid ebenfalls aufgehoben werde.

Am 8. Mai 2015 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2015 als verspätet zurückgewiesen hat. Die hiergegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 9 R 2864/15) erhobene Klage hat das Gericht mit Urteil vom 28. April 2016 als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhobene Berufung (L 13 R 2147/16) hat der Kläger am 24. Oktober 2017 für erledigt erklärt.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Zuschuss zur Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 1. September 2015 verfügte die Beklagte, dass dem Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 25. März 2015 nicht entsprochen werden könne. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Die Berechnung entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Die Renteneinzahlungen der Kinder könnten nicht beachtet werden. Die Beklagte sei an die geltenden Gesetze gebunden. Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger dahingehend, das Gesetz dürfe nicht mehr angewandt werden, da die Kinderlosen nicht mehr eine absolute Minderheit darstellten, weshalb ein gerechter Generationenvertrag zu gelten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30. November 2015 Klage zum SG (S 9 R 3911/15) erhoben. Zur Begründung hat er zum Einen vorgetragen, die bisher anerkannten versicherten Zeiten vom 25. November 1965 bis zum 21. November 1966 sowie vom 1. Juli 1976 bis 12. Juli 1979 seien zu berücksichtigen, da die Gesetzesänderung rechts- und verfassungswidrig sei und Vertrauensschutz bestehe. Zum Anderen seien die Renteneinzahlungen seiner fünf Kinder zur Hälfte direkt an ihn auszuzahlen, solange er Rentner sei. Der derzeitige Generationenvertrag stelle einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Familie dar und sei verfassungswidrig. Es sei unerträglich, dass die Fürsorge und die Erziehung der Kinder zu Leistungsträgern der Gesellschaft Privatsache der Eltern sei, ihre Erziehungsleistung dann aber in der Gleichmacherei des Umlageverfahrens vollständig sozialisiert werde. Drei Kinder seien bereits Leistungsträger der Gesellschaft und die beiden Söhne würden bis in einem bzw. zwei Jahren auch Leistungsträger der Gesellschaft werden. Im Zweifel sollten jedenfalls eher die Kinderlosen auf Hartz IV und Hilfe zur Grundsicherung angewiesen sein, die nicht für den Fortbestand des deutschen Volkes gesorgt haben, als die, die ihre Kinder auch zu Leistungsträgern der Gesellschaft erzogen habe. Hiernach müsse auch berücksichtigt werden, wenn und soweit Eltern versagt haben und der Staat die Erziehung leisten musste. Das SG hat die Klage am 28. April 2016 abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt, da der Rentenbescheid vom 25. März 2015 rechtmäßig sei. Gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) könnten nur Zeiten nach dem vollendeten 17. Lebensjahr als Zeiten einer schulischen Ausbildung berücksichtigt werden, weshalb die Beklagte zu Recht erst ab 22. November 1966 die Schulausbildung anerkannt habe. Zudem seien insgesamt höchstens bis zu acht Jahre zu berücksichtigen, weshalb die Beklagte zutreffend die Zeit vom 1. Juli 1976 bis zum 12. Juli 1979 nicht mehr berücksichtigt habe, weil bereits 96 Monate anerkannt seien. Die Beklagte habe auch im Rentenbescheid vorgemerkte Zeiten aufheben dürfen, die §§ 24 und 48 SGB X seien nicht anzuwenden (Hinweis auf juris PK-SGB VI, 2. Auflage 2013 § 149 SGB VI Rdnr. 78). Für das weitere Begehren des Klägers, die Beiträge seiner Kinder zur Hälfte ausgezahlt zu bekommen, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Erziehungsleistungen würden in erster Linie im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung durch Kindererziehungszeiten berücksichtigt, was verfassungskonform sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. September 2015, B 12 KR 15/12 R, juris). Das vom Kläger präferierte System sei ohne jedwede Grundlage.

Gegen das dem Kläger am 10. Mai 2016 zugestellte schriftliche Urteil - das fälschlicher Weise auch das Aktenzeichen S 9 R 2864/15 trägt - hat er am 10. Juni 2016 Berufung eingelegt und in der Folge weiterhin mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. April 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 1. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 25. März 2015 und 10. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 4. August 2015 eine höhere Rente zu gewähren sowie die zukünftigen Rentenbeiträge seiner Kinder an ihn zu mindestens 50 % auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das zutreffende angefochtene Urteil des SG.

Im Termin am 24. Oktober 2017 hat der Berichterstatter den rechtskundigen Kläger darauf hingewiesen, dass keinerlei Erfolgsaussicht bestehe und der Kläger damit rechnen müsse, Kosten des Gerichts gemäß § 192 SGG auferlegt zu bekommen. Dem Kläger ist dargelegt worden, dass die Rechtsverfolgung ohne jegliche Erfolgsaussicht sei. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sei keineswegs verfassungswidrig. Bezüglich seines Begehrens auf Auszahlung der Beiträge seiner Kinder habe das Bundessozialgericht unter dem 30. September 2015 (B 12 KR 15/12 R, juris) festgestellt, dass selbst eine Beitragsminderung nicht von Verfassungs wegen verlangt werden könne. Das vom Kläger Begehrte gehe weit darüber hinaus, sodass dies erst Recht nicht aus der Verfassung abgeleitet werden könne. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat Schriftsatzrecht bis Ende November 2017 erhalten. Auf den Antrag des Klägers auf Fristverlängerung wurde ihm Frist bis 11. Dezember 2017 eingeräumt. Eine weitere Stellungnahme ist nicht zu verzeichnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit Einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 28. April 2016 ist unbegründet. Das Urteil enthält zwar im Rubrum ein falsches Aktenzeichen; es ist aber identifizierbar, da es -im Gegensatz zum anderen Urteil vom 28. April 2016 im Verfahren S 9 R 2864/15- auch den Bescheid vom 1. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides erfasst. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat verweist auf das angefochtene Urteil und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Begrenzung des Gesetzgebers auf schulische Ausbildungszeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres, insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die schulische Ausbildung begründet allein noch keinen personalen Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung und stellt für sich genommen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Eigenleistung/Beitrag des Versicherten zur Rentenversicherung dar. Die Berücksichtigung beruht auf staatlicher Fürsorge, weshalb dem Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, der nicht verletzt ist (BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 13 R 77/07 R; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen, s. BVerfG, 7. April 2010,1 BvL 10/00; BSG SozR 4 - 2600 § 58 Nr. 8). Die Beklagte hat auch die Zeiten einer schulischen Ausbildung des Klägers zutreffend vom 22. November 1966 bis zum 30. Juni 1976 - mit Unterbrechungen - insgesamt 96 Monate anerkannt und hierbei die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate berücksichtigt (§ 122 Abs. 3 SGB VI; siehe Versicherungsverlauf vom 25. März 2015, Bl. 75 ff. Verwaltungsakten der Beklagten). Gem. § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI durfte die Beklagte den Vormerkungsbescheid vom 19. Mai 2005 bezüglich der schulischen Ausbildungszeiten ohne vorherige Anhörung aufheben und der aktuellen Rechtslage anpassen. Ein Vertrauensschutz besteht nicht (s. auch § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Auch die Bewertung schulischer Ausbildungszeiten ist verfassungsgemäß (s. Kasseler Kommentar, § 58 Rdnr. 59 m.w.N.). Der Bescheid vom 25. März 2015 in der Gestalt vom 10. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist auch im Übrigen gesetzesmäßig; wegen der Berechnung verweist der Senat insbesondere auf den Bescheid vom 25. März 2015, Blatt 70 ff. der Verwaltungsakten der Beklagten. Der rechtskundige Kläger hat keine Fehler der Beklagten in der Gesetzesanwendung aufgezeigt, auch sind solche dem Senat nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auszahlung der von seinen Kindern geleisteten Beiträgen. Das SG hat bereits darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht mit Urteil vom 30. September 2015, B 12 KR 15/12 R, juris, ausführlich dargelegt hat, dass die Ausgestaltung des Beitragsrechts zur gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsgemäß ist. Der Kläger wurde vom Senat darauf hingewiesen, dass wenn schon eine Beitragsminderung nicht von Verfassungs wegen verlangt werden könne, dann erst Recht das vom Kläger Begehrte, nämlich ein familieninternes Finanzierungssystem, erst Recht nicht aus der Verfassung abgeleitet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 192 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4). Die Auferlegung von Kosten des Gerichts beruht auf § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Kläger ist vom Berichterstatter (siehe hierzu Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 192 Rdnr. 19 mit weiteren Nachweisen) im Termin am 24. Oktober 2017 die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er ist auf die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten hingewiesen worden. Der Senat hat von der Auferlegung der Kosten Gebrauch gemacht. Die Rechtsverfolgung ist missbräuchlich, da das Klagebegehren keinerlei Erfolgsaussicht hat und vollkommen substanzlos ist. Angesichts dessen, dass der Kläger als Rechtsanwalt rechtskundig ist, reicht es nicht aus, rechtspolitische Kritik an den geltenden Gesetzen zu üben, sondern ist unter ausführlicher Darlegung der hierzu ergangenen Urteile und der Literatur substantiiert auszuführen, warum gerade die vom Kläger begehrte Auszahlung der Beiträge seiner Kinder von Verfassungs wegen zwingend sein soll. Dem entspricht die Begründung des Klägers in keiner Weise, weshalb der Senat die Auferlegung von Missbrauchsgebühren für angebracht erachtet. Der Senat schätzt die Kosten für eine Richterstunde auf 200 EUR (vgl. Lüdtke, Kommentar zum SGG, 5. Auflage, § 192 Rdnr. 27; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Februar 2017, L 4 U 632/16, Juris) und legt dem Kläger 5 Arbeitsstunden, einen Teil der insgesamt angefallenen Zeit seit dem Hinweis im Termin, auf.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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