L 10 R 4195/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3631/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4195/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die (Weiter)Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1961 geborene Klägerin ist von Beruf pharmazeutisch-technische Assistentin und war in verschiedenen Apotheken beschäftigt. Depressive Zustände sind seit dem Jahr 2002 belegt und in der Vergangenheit insbesondere unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung erfasst worden (u. a. Gutachten des Nervenarztes Dr. R. für die Beklagte im Jahr 2007, Leistungsbeurteilung drei bis unter sechs Stunden). Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte auf den Rentenantrag der Klägerin vom Januar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Februar 2007 bis Januar 2010, die dann - wegen der Notwendigkeit, auf den Weiterzahlungsantrag ein weiteres Gutachten einzuholen - bis Februar 2011 verlängert wurde. Der Facharzt für Neurologie und Psychotherapie Dr. H. diagnostizierte im Januar 2011 lediglich noch eine Somatisierung mit somatoformen Schmerzangaben und sah die früher diagnostizierten depressiven Störungen vollständig remittiert. Eine zeitliche Leistungseinschränkung nahm er nicht an, sodass die Beklagte den Weitergewährungsantrag ablehnte. Im Verlaufe des Rechtsstreits bestätigte die mit der Begutachtung der Klägerin vom Sozialgericht Ulm beauftragte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. die Leistungsbeurteilung von Dr. H. , auch wenn sie von einer rezidivierenden depressiven Störung, aktuell leicht, ausging. Der Rechtsstreit endete durch einen gerichtlichen Vergleich vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 7 R 856/12), mit dem die Beteiligten wegen eines erneuten Versicherungsfalles im August 2012 (Begutachtung durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt des Klinikums H. Dr. Z. , Leistungsfähigkeit unter drei Stunden) die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.08.2015 vereinbarten.

Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 15.07.2015 und der Widerspruchsbescheid vom 27.10.2015, mit dem die Beklagte den neuerlichen Weiterzahlungsantrag der Klägerin ablehnte. Grundlage der Entscheidung war ein weiteres Gutachten von Dr. H. , der die Klägerin im Juli 2015 untersuchte und der die Klägerin in der Untersuchung bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person voll orientiert, im Gedankengang formal geordnet, ohne Wahn, Halluzination, Ich-Störung oder manisches Erleben beschrieb. Anhaltspunkte für ein höhergradiges hirnorganisches Psychosyndrom lägen nicht vor, die mnestischen und intellektuellen Funktionen bewertete der Gutachter in Bezug auf durchschnittliche Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes als ausreichend. Die Klägerin sei klagsam, verstimmt und unglücklich mit ihrer Situation, die Grundstimmung jedoch nicht mittelschwer und nicht schwer depressiv. Affektive Schwingungsfähigkeit, Antrieb und Psychomotorik seien unauffällig. Er diagnostizierte eine Dysthymie, die früher diagnostizierte rezidivierende depressive Störung sei zum Untersuchungszeitpunkt weitestgehend gebessert, sowie somatoforme Schmerzen und er hielt die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ohne Nachtschicht und ohne erhöhten Zeitdruck auszuüben.

Das hiergegen am 24.11.2015 mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung angerufene Sozialgericht Ulm hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hat von einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik seit Dezember 2015 berichtet und die Klägerin für keine drei Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Die Allgemeinmedizinerin Dr. P. hat ausgeführt, in den letzten Jahren sei es zu einer Stabilisierung und Teilremission gekommen, es bestehe aber keine regelmäßige Belastbarkeit. Daraufhin hat das Sozialgericht die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Im Rahmen der Untersuchung im Mai 2016 hat die Klägerin über Müdigkeit, wenig Antrieb sowie Kopfschmerzen berichtet. An Aktivitäten hat sie die Beschäftigung mit ihrem Hund (zweimal täglich ausführen), Treffen mit befreundeten Hundehaltern, Laufen und Rad fahren angegeben. Sie hat von ihrer schönen Wohnung aber auch von Sorgen und Problemen berichtet (mit der Hausverwaltung, mit Krankheiten der Kinder, finanzielle Sorgen). Die Sachverständige hat ein geordnetes Äußeres, ein zugewandtes Verhalten mit allenfalls zeitweilig leicht gedrückter Stimmung, jedoch keine schwere oder anhaltende Depressivität beschrieben. Die angegebenen Ermüdungserscheinungen seien trotz stundenlanger Dauer der Untersuchung nicht beobachtbar gewesen, das Konzentrationsvermögen sei durchgängig erhalten gewesen, die affektive Resonanz normal, es habe keine Hinweise auf Angst oder Panik gegeben und keine vegetativen Symptome. Aus den Angaben zum Alltag, insbesondere den Außer-Haus-Aktivitäten mit vielfachen Kontakten und der Pflege eines Hobbies (Hund) sei auf eine gute Gestaltungsfähigkeit im Alltag zu schließen. In der Laboruntersuchung hat die Sachverständige eine massive Unterdosierung der angegebenen Medikation festgestellt. In den psychometrischen Tests hat die Klägerin bei der Abklärung simulierter Symptome einen auffälligen Wert erreicht, bei der Abklärung der Depressionswerte hat sie eine leichte Depressivität, grenzwertig zum Normalen erreicht, und das Ergebnis eines weiteren Tests hat einer mittelgradigen Demenz entsprochen, woraus die Sachverständige angesichts der sonstigen fehlenden Auffälligkeiten auf ein Tendenzverhalten geschlossen hat. Sie hat die Klägerin im Übrigen als durchaus selbstbewusst und spontan sowie stringent im Handeln und Denken beschrieben. Diagnostiziert hat die Sachverständige eine leichte Verlaufsform einer Dysthymie, im Rahmen derer zeitweilige leichte Stimmungsschwankungen denkbar seien. Der Antrieb sei überwiegend normal, die Gestaltungsfähigkeit im Alltag ebenso. Das angegebene Schonungsbedürfnis sei nicht krankheitskorreliert. Zumutbar seien der Klägerin mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich.

Mit Urteil vom 25.09.2017 hat das Sozialgericht die Klage nach Beiziehung eines Entlassungsberichtes des Klinikums Schloss Winnenden, wo sich die Klägerin wegen eines Suizidversuchs im September/Oktober 2016 zur Behandlung befunden hat, abgewiesen. Die Klägerin sei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten von Dr. M. gestützt und die diagnostizierte Dysthymie anhand der erhobenen Befunde für nachvollziehbar erachtet. Die Diagnose einer schweren Depression werde durch die Untersuchung nicht gestützt. Die Klägerin habe als Hobby ihre Labradorhündin angegeben, über die sie auch Sozialkontakte unterhalte. Sie treffe sich mit anderen Hundebesitzern und habe angegeben, dass sie mit diesen spazieren gehe und dort alles loswerden könne, was sie bedrücke. Ermüdungserscheinungen habe Dr. M. während der gesamten Untersuchung nicht beobachten können. Auch die durchgeführte Testpsychologie sei größtenteils unauffällig gewesen. Lediglich in einem Test habe die Klägerin ein Ergebnis erzielt, welches auf eine mittelgradige Demenz hindeuten würde, aus der übrigen Untersuchung ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche vorliegen könne. Vielmehr habe die Klägerin beim Depressions-Test einen Wert erreicht, der an der unteren Grenze zur leichten Depression liege, was sich mit dem psychopathologischen Untersuchungsbefund von Dr. M. decke. Hinzu komme, dass die Klägerin sich nur niedrig-frequent in nervenärztlicher Behandlung befinde (einmal im Vierteljahr) und die eingenommenen Medikamente massiv unterdosiert seien. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. H. bestätige diese Beurteilung. Auch ihm gegenüber habe die Klägerin zahlreiche Aktivitäten und Interessen angegeben, insbesondere die Labradorhündin, zudem - so die Angaben - stricke sie Socken, sie interessiere sich für Kreuzworträtsel, Sudoku und das, wofür junge Leute sich interessieren würden. Auch Dr. H. habe in der Untersuchung keine schwere oder auch nur mittelschwere depressive Verstimmung erkennen können. Im Hinblick auf den Entlassungsbericht des Klinikums Schloss Winnenden hat sich das Sozialgericht der hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme der Dr. M. angeschlossen, wonach die vom Klinikum diagnostizierte schizoaffektive Störung mangels entsprechendem Befund in ihrer Untersuchung sowie auf Grund eines bloßen Verdachtes nicht gestellt werden könne.

Gegen das am 26.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.11.2017 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass seit dem Jahr 2000 von verschiedener Seite eine rezidivierende depressive Störung als Grunderkrankung festgestellt worden sei. Dies habe Dr. M. vernachlässigt. Wie schon die Bezeichnung des Krankheitsbildes sage, sei es durch das periodische Auftreten depressiver Episoden gekennzeichnet, deren Schweregrad unterschiedlich sein könne. Entsprechend habe sie auch gegenüber der Sachverständigen über Vergesslichkeit, Antriebslosigkeit und Einschränkungen der Belastbarkeit geklagt. Schon früher seien bei ihr akzentuierte Persönlichkeitszüge aufgefallen und insoweit vom Klinikum Schloss Winnenden eine schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv, diagnostiziert und ausführlich begründet worden. Zuletzt hat die Klägerin unter Kritik am Gutachten von Dr. M. eine weitere Sachaufklärung angeregt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2017 und den Bescheid vom 15.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen bei der Klägerin keine zeitliche Leistungseinschränkung vorliegt. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass der von Dr. M. und von Dr. H. jeweils erhobene psychopathologische Befund keine Hinweise auf schwerwiegendere depressive Zustände ergeben haben. Auch der von Dr. M. zur Aufdeckung und Quantifizierung depressiver Zustände angewandte psychometrische Test hat lediglich einen zum Normalen grenzwertigen und somit leicht depressiven Befund erbracht. Diesen Befund hat das Sozialgericht zu Recht in Übereinstimmung mit dem Alltagsverhalten der Klägerin gebracht und dies ausführlich dargelegt. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht und aus den von ihm dargelegten Gründen gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass bei der Klägerin im allein streitigen Zeitraum ab 01.09.2015 keine depressiven Zustände vorliegen, die über das Ausmaß einer leichten Störung hinaus gehen, so dass die Klägerin in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu arbeiten. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung darauf hinweist, dass ihre Grunderkrankung eine rezidivierende depressive Störung sei, führt dies nicht weiter. Denn im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Maßgebend für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens ist somit nicht die exakte diagnostische Einordnung, insbesondere bedarf es nicht der Abklärung, ob und welche Grunderkrankungen früher vorlagen und zu Einschränkungen führten oder latent vorliegen. Denn maßgebend für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit sind die funktionellen Auswirkungen von Erkrankungen, die sich im erhobenen Befund sowie im Alltagsverhalten abbilden. Insoweit aber lassen sich bei der Klägerin keine rentenrelevanten Leistungseinschränkungen feststellen, wie sich aus dem Gutachten von Dr. M. und jenem von Dr. H. ergibt. Beide Gutachter haben einen wenig auffälligen Befund erhoben, der das aktuelle Vorliegen einer mehr als leichten depressiven Erkrankung ausschließt.

Soweit die Klägerin auf den Entlassungsbericht des Klinikums Schloss Winnenden mit der dort gestellten Diagnose einer schizoaffektiven Störung, gegenwärtig depressiv, hinweist, resultiert auch hieraus keine rentenrelevante Leistungseinschränkung. In Übereinstimmung mit Dr. M. und dem Sozialgericht vermag sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin an einer schizoaffektiven Störung leidet. Zum einen haben sich in der gutachterlichen Untersuchung bei Dr. M. keinerlei Hinweise auf eine solche Störung ergeben, worauf die Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme hingewiesen hat. Gleiches gilt für die Untersuchung durch Dr. H ... Der Gutachter hat die Klägerin bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person voll orientiert, im Gedankengang formal geordnet, ohne Wahn, Halluzination, Ich-Störung oder manisches Erleben beschrieben. Zum anderen ergibt sich aus dem Bericht des Klinikums S. W. selbst, dass diese Diagnose lediglich auf einem anfänglichen Verdacht beruht. Auf Seite 3 des Berichtes wird die in der Diagnoseliste aufgeführte Störung mit einem Verdacht auf paranoid-psychotische Wahrnehmungsinhalte in Bezug auf das Verhalten des Hausverwalters und die Familienangehörigen begründet. Auf der Folgeseite wird dann im Rahmen der Beschreibung von Therapie und Verlauf dargestellt, dass das Ausschließen von psychotischem Erleben nicht mit Sicherheit möglich gewesen sei. Zu Recht hat Dr. M. darauf hingewiesen, dass der bloße Verdacht einer Störung nicht deren Diagnose rechtfertigt. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin bereits gegenüber Dr. M. von Auseinandersetzungen mit dem Hausverwalter berichtet hat, ohne dass sich hieraus Hinweise auf psychische Auffälligkeiten ergeben hätten. Dr. M. hat diese Probleme vielmehr als "die üblichen Sorgen und Probleme, die im Leben auftreten können" eingestuft. Selbst im Rahmen fremdanamnesitscher Abklärung bei einer Nachbarin hat das Klinikum Schloss Winnenden keine Hinweise auf psychotisches Erleben gefunden, da die Nachbarin die von der Klägerin angegebenen Übergriffe durch den Hausverwalter bestätigt hat.

Soweit die Klägerin gegen das Gutachten von Dr. M. einwendet, die Sachverständige habe in Bezug auf den Antrieb keinen Befund erhoben und ihre Schlussfolgerungen seien daher nicht schlüssig, folgt ihr der Senat nicht. Dr. M. hat ein geordnetes Äußeres, ein zugewandtes Verhalten mit allenfalls zeitweilig leicht gedrückter Stimmung, jedoch keine schwere oder anhaltende Depressivität beschrieben. Die angegebenen Ermüdungserscheinungen seien - so die Sachverständige - trotz stundenlanger Dauer der Untersuchung nicht beobachtbar gewesen, das Konzentrationsvermögen sei durchgängig erhalten gewesen, die affektive Resonanz normal, es habe keine Hinweise auf Angst oder Panik gegeben und keine vegetativen Symptome. Sie hat auf eine aus den Angaben zur Gestaltung des Alltags zu schließende gute Gestaltungsfähigkeit hingewiesen. Auch ohne ausdrückliche Feststellung der Sachverständigen wäre aus einem solch weitgehend unauffälligen Befund mit guter Tagesgestaltung und grenzwertig zum Normalen getesteter Depressivität auf keine relevanten Einschränkungen des Antriebs zu schließen. Ohnehin trifft die Behauptung der Klägerin, die Sachverständige habe hierzu keinen Befund erhoben, so nicht zu. Vielmehr hat Dr. M. im Rahmen der Zusammenfassung und Beurteilung bei der Beschreibung der Psychopathologie ausdrücklich einen ausreichenden Antrieb beschrieben (Gutachten Seite 11 unten), was angesichts des auf Seite 12 mitgeteilten spontanen und stringenten Handelns und Denkens ohne weiteres nachvollziehbar ist.

Soweit die Klägerin ausdrückliche Feststellungen der Sachverständigen zu Auffassung und Aufmerksamkeit vermisst, gilt Ähnliches. Dr. M. hat - wie dargelegt - insbesondere die behaupteten Ermüdungserscheinungen gerade nicht bestätigt und das Konzentrationsvermögen als durchgängig erhalten beschrieben. Damit aber steht zugleich fest, dass Einschränkungen bei Auffassung und Aufmerksamkeit nicht aufgefallen sind.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Auskunft vom behandelnden Facharzt B. eine Verschlechterung der depressiven Symptomatik nach der Begutachtung durch Dr. H. angibt, hat sich eine solche Verschlechterung in der Untersuchung durch Dr. M. gerade nicht bestätigt.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Leitlinie Sozialmedizinische Begutachtung vorträgt, die Prognose bezüglich der Erwerbsfähigkeit sei ungünstig, weil bei ihr nahezu sämtliche in der Leitlinie aufgeführten Faktoren vorlägen, erschließt sich bereits nicht, aus welchen Gründen eine solche Prognose eine aktuelle Erwerbsminderung begründen soll. Im Übrigen besteht bei der Klägerin - anders als die Leitlinie verlangt - bereits keine mittelschwer bis schwer ausgeprägte depressive Symptomatik, wie oben ausführlich dargelegt ist.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung, weder in Bezug auf die aktuell durchgeführten Behandlungsmaßnahmen, noch durch ein weiteres Gutachten. Denn der Sachverhalt ist durch die eingeholten Gutachten geklärt und auf aktuelle Behandlungsmaßnahmen kommt es für die Beurteilung des Leistungsvermögens nicht maßgeblich an. Diese Beurteilung orientiert sich vielmehr an dem klinischen Befund, wie ihn Dr. H. und Dr. M. mit wenig Auffälligkeiten erhoben haben, den testpsychologischen Ergebnissen mit ebenfalls wenig Auffälligkeiten und den Fähigkeiten im Alltag, die eine gute Tagesstruktur, soziale Kontakte und eine erhaltene Gestaltungsfähigkeit belegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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