Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 6 AS 254/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 158/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 195/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 20. September 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungs-bescheides wegen Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006.
Der am. 1973 geborene Kläger bezog im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau I Ö , geboren am. 1976, beim Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger und seine Ehefrau lebten in einer ca. 41 qm großen Mietwohnung, für die eine Gesamtmiete von monatlich 258,00 EUR (Kaltmiete 156,00 EUR, Betriebskosten 65,00 EUR, Heizkosten 31,00 EUR, Zuschlag Carport 10,00 EUR) zu zahlen war.
Der Kläger hatte erstmals am 9. Oktober 2004 für sich und seine Ehefrau Arbeitslosengeld II beantragt. Im Antragsformular gab er an, dass weder er noch seine Partnerin über Vermögen verfüge, das den Wert von 4.850,00 EUR je Person (bei Partnern insgesamt 9.700,00 EUR) übersteige. Auf den Antrag vom 9. Oktober 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 25. November 2004 für den Zeitraum 1. Januar bis 31. August 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 860,00 EUR und berücksichtigte dabei neben den Regelleistungen in Höhe von jeweils 311,00 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 238,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 f. der Leistungsakte Bezug genommen. Zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zahlte der Beklagte im Zeitraum Januar bis September 2005 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 125,01 EUR und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 14,86 EUR an die AOK Schleswig-Holstein.
Auf den Folgeantrag vom 16. August 2005 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 18. August 2005 Arbeitslosengeld II in zunächst identischer Höhe auch für den Zeitraum 1. September 2005 bis 28. Februar 2006, nachdem der Kläger Änderungen in den Vermögensverhältnissen verneint hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid (Bl. 27 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Nachdem die Ehefrau des Klägers einen Arbeitsvertrag über ein Beschäftigungsverhältnis als Bedienung mit einem monatlichen Bruttogehalt von 600,00 EUR beginnend ab 1. September 2005 und die erste Gehaltsabrechnung beigebracht hatte, die bei einem Bruttoverdienst von 600,00 EUR einen Auszahlungsbetrag von 504,86 EUR bescheinigte (Bl. 32 der Leistungsakte), änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung vom 18. August 2005 mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 ab und bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt monatlich 555,14 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006. Dabei legte er ein zu berücksichtigendes Einkommen der Ehefrau von monatlich 304,86 EUR zugrunde. Beitragszahlungen an die AOK Schleswig-Holstein übernahm er nunmehr (seit Oktober 2005) in Höhe von 39,21 EUR für die gesetzliche Krankenversicherung und von 4,66 EUR für die soziale Pflegeversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33-38 der Leistungsakte Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau auf den Fortzahlungsantrag vom 6. März 2006 mit Bescheid vom 15. März 2006 Arbeitslosengeld II für den Monat März in Höhe von 555,14 EUR. Dabei legte er weiterhin ein Einkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 600,00 EUR zugrunde, obwohl diese mit dem Folgeantrag angegeben hatte, seit November 2005 nur noch geringfügig beschäftigt zu sein und monatlich nur noch 300,00 EUR zu verdienen.
Bereits im Herbst 2005 hatte der Beklagte von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger und seine damalige Ehefrau wegen des Verdachtes der Zuhälterei, der illegalen Prostitution, der illegalen Einschleusung von Ausländern und des Sozialleistungsbezuges erfahren. Die Bundespolizeiinspektion K übermittelte dem Beklagten im Frühjahr 2006 ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse. Wann dies genau geschah, ist nicht mehr feststellbar. Da sich bei den dem Beklagten übersandten Unterlagen auch ein Vermerk des polizeilichen Ermittlungsdienstes vom 3. März 2006 befand, kann dies jedenfalls nicht vor diesem Datum geschehen sein. Die Bundespolizei war aufgrund der Beobachtung von Kontobewegungen und anderen Geldtransfers von erheblichen Einnahmen des Klägers und seiner Ehefrau ausgegangen. Ferner ging sie auch von dem Vorhandensein erheblicher Vermögenswerte aus, u. a. in Form von Kraftfahrzeugen der Marken Mercedes, BMW und Audi, deren Wert sie auf insgesamt 40.000,00 EUR schätzte.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen waren im streitigen Zeitraum sechs Fahrzeuge im Besitz des Klägers und seiner Ehefrau, nämlich ein Mercedes-Benz E-Klasse, amtliches Kennzeichen KI , ein Mercedes-Benz Vito, amtliches Kennzeichen KI , ein Mercedes-Benz S-Klasse, amtliches Kennzeichen KI , ein BMW 3er Cabrio, amtliches Kennzeichen KI , ein Audi 80 Cabrio, amtliches Kennzeichen KI und ein BMW 530d, amtliches Kennzeichen KI. Zwei der Kraftfahrzeuge waren auf den Kläger zugelassen (Mercedes-Benz mit den amtlichen Kennzeichen KI und KI ), zwei auf seine damalige Ehefrau (BMW mit den amtlichen Kennzeichen KI und KI ). Zwei Kraftfahrzeuge waren auf den Bruder des Klägers (F Öa ) zugelassen (Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen KI und Audi 80 Cabrio mit dem amtlichen Kennzeichen KI ); die Bundespolizeiinspektion Kiel ordnete sie aber vermögensrechtlich dem Kläger zu.
Der Beklagte hörte daraufhin am 9. März 2006 allein den Kläger zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 und zur Geltendmachung einer Erstattungsforderung in Höhe von 11.070,84 EUR wegen überzahlten Arbeitslosengeldes II sowie in Höhe von 1.875,15 EUR wegen geleisteter Krankenversicherungs- und in Höhe von 222,90 EUR wegen geleisteter Pflegeversicherungsbeiträge an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 58 der Leistungsakte Bezug genommen. Der Kläger erklärte am 17. März 2006, sich zum Sachverhalt nicht äußern zu wollen.
Mit Bescheid vom 28. März 2006 hob der Beklagte die Bescheide vom 25. November 2004, 18. August 2005 sowie 15. März 2006 gegenüber dem Kläger vollständig auf und verlangte von diesem die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 13.168,89 EUR. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger sei ausweislich der Ermittlungsergebnisse der Bundespolizei nicht hilfebedürftig und könne seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten. Es sei eine fehlerhafte Bewilligung erfolgt, die ihre Ursache in falschen bzw. unvollständigen Angaben zum Vermögen der Bedarfsgemeinschaft habe. Der Beklagte schlüsselte die Erstattungsforderung nach Leistungsanteilen (Arbeitslosengeld II, Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge) auf, individualisierte die Rückforderung aber nicht nach den beiden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 68 f. der Leistungsakte Bezug genommen.
Dagegen legte der Kläger am 3. April 2006 Widerspruch ein, begründete diesen aber unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung nicht und regte die Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2006, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 2. Januar 2007, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lägen vor. Arbeitslosengeld II sei zu Unrecht gewährt worden, weil die Eheleute sowohl über verwertbares Vermögen als auch über Einkommen verfügt hätten, welches der Hilfegewährung entgegengestanden hätte. Aufgrund der bundespolizeilichen Ermittlungen sei in den Monaten Januar bis November 2005 von Einnahmen in Höhe von 15.343,18 EUR auszugehen, durchschnittlich pro Monat also 1.395,74 EUR. Dieser Betrag reiche aus, um den monatlichen Bedarf von 860,00 EUR zu decken. Ferner verfüge das Ehepaar über Vermögen im Wert von ca. 40.000,00 EUR in Gestalt von fünf Pkw.
Am 2. Februar 2007 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Zu ihrer Begründung hat er ausgeführt, dass er kein Einkommen erzielt habe, das zur Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II hätte führen können. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten sei unsubstantiiert. Der Beklagte beziehe sich allein auf die vorliegenden Ermittlungsakten der Bundespolizei und vermute auf dieser Grundlage fehlende Hilfebedürftigkeit. Konkrete Tatsachen, die diese Vermutung stützten, gebe er allerdings nicht an. Er (der Kläger) verfüge nicht über fünf Kraftfahrzeuge im Wert von ca. 40.000,00 EUR. Da er wahrheitsgemäße Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht habe, sei die Minderung seiner Ansprüche und die Aufhebung entsprechender Bewilligungsentscheidungen nicht zulässig.
Er hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
nachdem er die angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung mit Bescheid vom 23. Februar 2007 abgeändert und die Rückforderungssumme auf 8.548,05 EUR reduziert hatte. Die Änderung trage dem bisher nicht beachteten Individualisierungsgrundsatz Rechnung. Der Betrag setze sich aus der Regelleistung in Höhe von 311,00 EUR und seinem kopfteiligen Anteil an den Unterkunftskosten in Höhe von 119,00 EUR für 15 Monate zuzüglich gezahlter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.098,05 EUR zusammen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 24 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Zwischenzeitlich ist gegen den Kläger und seine damalige Ehefrau auch das strafrechtliche Verfahren weiter betrieben worden. Beide waren mit Anklageschrift vom 13. Dezember 2006 der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel wegen Betrugs zu Ungunsten des Beklagten angeklagt worden. Eine Anklage wegen Zuhälterei bzw. Ausübung illegaler Prostitution ist nicht erfolgt. In der Anklageschrift bezifferte die Staatsanwaltschaft den Wert von fünf den Eheleuten zugeordneten Kraftfahrzeugen auf 36.300,00 EUR. Gegen die Ehefrau des Klägers ist das strafrechtliche Hauptverfahren mit Beschluss des Amtsgerichtes Kiel vom 17. Januar 2008 nicht eröffnet worden. Im Hinblick auf die Stellung der Sozialleistungsanträge allein durch den Kläger ist das Amtsgericht wegen nicht nachweisbaren Betrugsvorsatzes der Ehefrau von keiner hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen. Gegen den Kläger ist das strafrechtliche Hauptverfahren durchgeführt, in einer Hauptverhandlung am 17. Juni 2008 jedoch gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) gegen die Ableistung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. September 2012 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und den Bescheid vom 23. Februar 2007 insoweit aufgehoben, als mit ihnen bewilligtes Arbeitslosengeld II in Höhe von mehr als 5.535,42 EUR aufgehoben und insgesamt (inklusive Krankenversicherungsbeiträgen) eine Erstattung von mehr als 6.654,38 EUR verlangt wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) tragfähig sei, soweit es um die Rücknahme der Arbeitslosengeld-II-Bewilligungsentscheidungen für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 5.535,42 EUR gehe. Die Bewilligungsentscheidungen seien in vollem Umfang anfänglich rechtswidrig gewesen, weil der Kläger durchgehend nicht hilfebedürftig gewesen sei. Er und seine damalige Ehefrau hätten über Vermögen verfügt, das die für sie maßgeblichen Freibeträge in Höhe von insgesamt 28.700,00 EUR überschritten habe. Die im Besitz des Klägers und seiner damaligen Ehefrau stehenden fünf Kraftfahrzeuge, die mit 36.300,00 EUR zu bewerten seien, seien dem Eigentum entweder des Klägers oder seiner Ehefrau zuzuordnen, wofür sowohl die Haltereigenschaft als auch die tatsächliche Nutzung der Fahrzeuge streite. Insoweit werde auf die Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden Bezug genommen, die auch im sozialgerichtlichen Verfahren verwertbar seien. Weil bereits deshalb in keinem Monat des streitigen Leistungszeitraums ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestanden habe, könne offen bleiben, ob darüber hinaus bedarfsdeckendes Einkommen aus Zuhälterei und/oder Prostitution erzielt worden sei. Auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X lägen vor, weil der Kläger bei Erstantragstellung die Frage nach vorhandenen Vermögensgegenständen komplett verneint habe und von dieser Erklärung auch in den Folgeanträgen nicht abgerückt sei. Soweit der Beklagte im Rahmen des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 28. März 2006 den Individualisierungsgedanken missachtet und vom Kläger auch diejenigen überzahlten Leistungen zurückgefordert habe, die für seine damalige Ehefrau gewährt worden seien, sei der Bescheid zwar rechtswidrig gewesen. Dieser Mangel sei allerdings durch den Änderungsbescheid vom 27. Februar 2007 grundsätzlich geheilt worden. Auch mit diesem Bescheid seien die Summen der zurückzunehmenden und der zu erstattenden Leistungen aber falsch festgesetzt worden, weil die horizontale Verteilung des berücksichtigten Einkommens der Ehefrau aus abhängiger Beschäftigung missachtet worden sei. Der Klage sei deshalb im Sinne der Reduzierung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung auf die tenorierten Beträge stattzugeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid (Bl. 123 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 4. Oktober 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 5. November 2012 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung macht er geltend, dass das Sozialgericht die Verfahrenseinstellung gegen Auflagen nach § 153a StPO zu Unrecht als Indiz für eine Verurteilung gewertet habe. Das Sozialgericht habe keinesfalls vom Nachweis der Taten ausgehen dürfen, sondern sei gehalten gewesen, weiter Beweis zu erheben. Vor diesem Hintergrund habe das Sozialgericht schon nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Soweit das Sozialgericht die fünf Fahrzeuge seinem Vermögen bzw. dem Vermögen seiner Ehefrau zugeordnet habe, sei dies nicht richtig. Er sei lediglich Halter zweier Fahrzeuge gewesen, keines der Fahrzeuge habe allerdings in seinem Eigentum gestanden. Im Übrigen verstoße die Aufhebungsentscheidung gegen Individualisierungsgrundsatz und Bestimmtheitsgebot. Auch sei im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2007 die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten worden, weil der Beklagte von den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn bereits im Herbst 2005 Kenntnis erhalten habe. Nach wie vor sei unklar, auf welche 15 Monate sich die Aufhebungsentscheidung beziehe.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 20. September 2012 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und den Bescheid vom 23. Februar 2007 insgesamt aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Vorsitzende hat die Sache mit Verfügung vom 17. Oktober 2016 für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr geladen. U.a. ist die Ladung des Prozessbevollmächtigten des Klägers verfügt worden. Zuvor hatte der Berichterstatter den Termin mit der Kanzlei des Bevollmächtigten telefonisch abgestimmt, weil gerichtsbekannt ist, dass der Bevollmächtigte häufig ortsabwesend ist und es in der Vergangenheit vorliegend wiederholt zu Terminaufhebungen gekommen war. Nachdem ein Empfangsbekenntnis über die Ladung ausgeblieben war, hat die Geschäftsstelle den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 30. November 2016 per Telefax an die Rückübersendung der Empfangsbestätigung bzgl. der Terminmitteilung vom 17. Oktober 2016 erinnert. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 184 der Gerichtsakte Bezug genommen. Darauf hat der Bevollmächtigte des Klägers nicht reagiert. Zum Termin ist er nicht erschienen. Der Berichterstatter hat mit dem Prozessbevollmächtigten im Termin am 12. Dezember 2016 fernmündlich die Umstände der Ladung zum Termin erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 186 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Dem Senat haben die Leistungsakten des Beklagten und die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel zum Az. 593 Js 17149/06 vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakten wird wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat ist trotz Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2016 nicht gehindert gewesen, zur Sache zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 126 Rn. 4). Der Bevollmächtigte des Klägers ist zum Termin fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß geladen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), so dass eine Vertagung des Rechtsstreits nicht angezeigt gewesen ist.
Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist die Ladungsverfügung der Vorsitzenden vom 17. Oktober 2016 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers per Briefpost bei Zugrundelegung üblicher Postlaufzeiten noch in der 42. Kalenderwoche zugegangen und damit bekannt gegeben worden. Dafür spricht, dass dem Kläger selbst die ihn betreffende Ladungsverfügung am 18. Oktober 2016 zugestellt worden ist und der Beklagte den Empfang der ihn betreffenden Ladungsverfügung für den 19. Oktober 2016 bestätigt hat. Die Bekanntgabe ist damit deutlich vor Beginn der in § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG normierten Regelfrist von zwei Wochen erfolgt. Im Rahmen der Ladungsverfügung ist der Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt, entschieden und Beweis erhoben werden kann.
Der Behauptung des Prozessbevollmächtigten, die Ladungsverfügung nicht erhalten zu haben, schenkt der Senat nach den Gesamtumständen des Falls keinen Glauben; er hält sie für prozesstaktisch motiviert. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Termin der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten unstreitig für den 12. Dezember 2016 vor Abgang der Ladung telefonisch angekündigt worden war; der Prozessbevollmächtigte hat im Telefonat mit dem Berichterstatter im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der Termin in dieser Sache für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr in seinem Terminkalender vorgemerkt sei. Ferner berücksichtigt der Senat, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Erinnerung der Geschäftsstelle vom 30. November 2016 an die Rückübersendung des Empfangsbekenntnisses erhalten hat; auch dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem mit dem Berichterstatter geführten Telefonat eingeräumt. Diese unstreitigen Umstände, der Zugang der den anderen Verfahrensbeteiligten ebenfalls u.a. nach Kiel übersandten Ladungsverfügungen und die fehlende Rücksendung der an den Prozessbevollmächtigten abgesandten Ladungsverfügung als unzustellbar streiten nach Überzeugung des Senats dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Ladungsverfügung tatsächlich erhalten hat. Anders kann seine Reaktion auf das Erinnerungsschreiben vom 30. November 2016 nicht erklärt werden. Hätte der Prozessbevollmächtigte die Ladungsverfügung vom 17. Oktober 2016 tatsächlich nicht erhalten, wäre es gerade in Ansehung des in seinem Terminkalender für den 12. Dezember 2016 in dieser Sache vorgemerkten Termins mehr als naheliegend gewesen, beim Gericht schriftlich oder fernmündlich nachzufragen und um ggf. erneute Zustellung der Ladungsverfügung zu ersuchen. Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht getan. Warum er untätig geblieben ist, hat er auch auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären können. Die Einlassung des Prozessbevollmächtigten, seine Kanzleimitarbeiterin habe das Erinnerungsschreiben abgelegt, nachdem sie eine Ladungsverfügung für den 17. Oktober 2016 nicht habe finden können, erweist sich nach Lage der Dinge und vor dem Hintergrund, dass die abermalige Terminsaufhebung für den Kläger wegen der weiteren Fortdauer der seit März 2006 bestehenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den belastenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid prozessual günstig gewesen wäre, als in so hohem Maße unwahrscheinlich, dass der Senat von einem solchen Geschehensablauf nicht auszugehen vermag.
Unschädlich ist vor diesem Hintergrund, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das ihm mit der Ladungsverfügung übersandte Formular einer Empfangsbestätigung nicht ausgefüllt zurück übersandt hat. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG sind Terminbestimmungen und Ladungen (lediglich) bekannt zu geben. Einer förmlichen Zustellung bedarf es seit Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung vom 2. Januar 2002 nicht mehr. Vielmehr kann das Gericht nach freiem Ermessen die Form der Zustellung wählen, um den Nachweis der Bekanntgabe der Ladung sicherzustellen und so den Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs rechtssicher auszuräumen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 63 Rn. 3b). Dies bedeutet aber nicht, dass in allen anderen Fällen der schlichten Bekanntgabe der Ladung von einer nicht ordnungsgemäßen Ladung auszugehen ist, wenn ein Beteiligter behauptet, die Ladung nicht erhalten zu haben. Vielmehr ist in diesen Fällen im Wege des Freibeweises festzustellen, ob diese Behauptung zutrifft (Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. Februar 2010 – L 2 R 312/09 B; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2013 – L 2 AS 816/13 B jeweils zit. n. juris). Dem hat der Senat mit seinen Würdigungen Rechnung getragen.
Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Ladungsverfügung vom 17. Oktober 2016 nicht erhalten haben sollte, wäre nach Ansicht des Senats gleichwohl von einer ordnungsgemäßen Ladung des Prozessbevollmächtigten auszugehen. Denn spätestens mit dem Erinnerungsschreiben vom 30. November 2016 ist dem Prozessbevollmächtigten der Termin bekannt gegeben worden. Dieses Schreiben in Kombination mit der bereits in seinem Terminkalender vermerkten Vorankündigung konnte für einen Rechtsanwalt nur so verstanden werden, dass ein Termin für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr nunmehr verbindlich anberaumt sei. Zwar wäre bei einer Bekanntgabe der Ladung erst am 30. November 2016 die Regel-Ladungsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG von zwei Wochen nicht eingehalten gewesen. Der Kläger hat die – grundsätzlich zulässige – Unterschreitung der Frist aber weder gerügt (zum Rügeerfordernis Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 110 Rn. 14) noch vor dem Termin einen Vertagungsantrag gestellt.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands mit 6.654,38 EUR die maßgebliche Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR überschreitet.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und des Änderungsbescheids vom 23. Februar 2007 abgewiesen, soweit die Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 dem Kläger gegenüber in Höhe von 5.535,42 EUR aufgehoben werden und von ihm die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 6.654,38 EUR gefordert wird. Soweit das Sozialgericht die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten wegen darüber hinausgehender Beträge aufgehoben hat, ist dies nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil nur der Kläger Berufung eingelegt hat.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Umfang unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide insoweit rechtmäßig sind und den Kläger nicht zu beschweren vermögen. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, findet die Aufhebungsentscheidung vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und des Änderungsbescheids vom 27. Februar 2007 in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht – soweit nicht das Berufungsvorbringen Anlass zu ergänzenden Ausführungen gibt – grundsätzlich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Soweit sich der Kläger mit der Berufung gegen die Beweiswürdigung durch das Sozialgericht wendet und (lediglich) behauptet, die Fahrzeuge hätten nicht in seinem Eigentum gestanden, vermag dieses Vorbringen der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten desjenigen, der der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Deshalb trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheids, wenn sie diesen zurücknimmt. Eine Beweislastumkehr ist allerdings nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn in dessen persönlicher oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung erschwert oder verhindert wird (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R – SozR 4-4200 § 9 Nr 14, Rn. 30).
So liegen die Dinge hier. Für die Frage, in wessen Eigentum ein Fahrzeug steht, weist dessen Halter zweifellos eine besondere Beweisnähe auf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn der Kläger lediglich behauptet, die Fahrzeuge hätten nicht in seinem Eigentum gestanden. Erforderlich wäre es vielmehr, den tatsächlichen Eigentümer konkret zu benennen und die Umstände darzulegen, die zu einer Zulassung der Fahrzeuge auf seine Person bzw. die Person seiner damaligen Ehefrau geführt haben. Dies hat der Kläger unterlassen. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Senats sind erschöpft, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sich ohne seinen Prozessbevollmächtigten nicht zur Sache einlassen zu wollen. Vor diesem Hintergrund gehen Zweifel an der Eigentümerstellung bezüglich der seinem Vermögen bzw. dem Vermögen seiner damaligen Ehefrau zugerechneten fünf Fahrzeuge zu seinen Lasten.
Auch die vom Kläger mit der Berufung geltend gemachten Bestimmtheitsdefizite liegen nicht vor. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R – BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, Rn. 15).
Daran gemessen sind substanzielle Bestimmtheitsdefizite nicht erkennbar. Aus der Gesamtbetrachtung der Bescheide vom 28. März 2006 und 27. Februar 2007 ergibt sich für einen verständigen Empfänger ohne Weiteres, dass die ihn betreffenden Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 vollumfänglich aufgehoben werden. Soweit der Kläger bemängelt, dass nicht klar sei, auf welche 15 Monate sich die Aufhebungsentscheidung beziehe, vermag der Einwand schon deshalb nicht zu greifen, weil er nach dem Monat März 2006 vom Beklagten kein Arbeitslosengeld II mehr erhalten hat. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Aufhebungsentscheidung auf (all) diejenigen 15 Monate beziehen soll, für die zuvor Leistungen gewährt worden waren. Weil dies hinreichend den angegriffenen Entscheidungen auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, ist es auch unschädlich, dass im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2006 der Änderungsbescheid vom 21. Oktober 2005 als Gegenstand der Aufhebungsentscheidung nicht ausdrücklich bezeichnet wird (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 16).
Schließlich vermag auch der Hinweis auf die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ungeachtet der Frage der Erforderlichkeit des Änderungsbescheids vom 27. Februar 2007 angesichts der dem Sozialgericht eingeräumten Möglichkeit, bereits den Aufhebungsbescheid vom 28. März 2006 geltungserhaltend auf den dem Individualanspruch des Klägers entsprechenden Aufhebungsbetrag zu begrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R – SozR 4-1300 § 33 Nr 1), war die Jahresfrist für den Erlass einer vollständig neuen Aufhebungsentscheidung bei Bekanntgabe des Bescheids vom 27. Februar 2007 jedenfalls noch nicht verstrichen. Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erforderliche Kenntnis hat sich nämlich zumindest auf alle Tatsachen zu beziehen, die tatbestandlich für die Feststellung der Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsakts erforderlich sind (Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 81 m.w.N.). Eine derartige Tatsachenkenntnis hatte der Beklagte entgegen der Meinung des Klägers im Herbst 2005 noch nicht. Vielmehr ist mit dem Sozialgericht davon auszugehen, dass die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit ihrer Bewilligungsentscheidungen frühestens mit Übersendung der wesentlichen Ermittlungsergebnisse durch die Bundespolizeiinspektion Kiel im März 2006 gereift sein kann. Kenntnis von den Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X hatte der Beklagte frühestens nach erfolgter Anhörung des Klägers am 17. März 2006 (Eingangs des ausgefüllten Anhörungsschreibens). Ausgehend von diesem Datum war die Jahresfrist bei Bekanntgabe des Bescheids vom 27. Februar 2007 noch nicht verstrichen.
Das Sozialgericht hat schließlich auch die Rückforderungssumme zutreffend berechnet. Dem Kläger sind für den Zeitraum Januar bis September 2005 monatlich 430,00 EUR bewilligt (und gezahlt) worden, für den Zeitraum Oktober 2005 bis März 2006 monatlich 277,57 EUR. Daraus ergibt sich eine Aufhebungssumme von 9 x 430,00 EUR + 6 x 277,57 EUR = 5.535,42 EUR.
Die diesbezügliche Erstattungsentscheidung stützt sich auf § 50 Abs. 1 SGB X. Hinzu kommt, gestützt auf § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 und 5 SGB III, die rechtmäßige Erstattungsforderung bezüglich der für den Zeitraum Januar bis August 2005 in Höhe von monatlich 139,87 EUR geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die das Sozialgericht zutreffend mit insgesamt 8 x 139,87 EUR = 1.118,96 EUR beziffert hat. Dabei ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Erstattungspflicht insoweit allein den Kläger trifft, weil er bis zum 31. August 2005 pflichtversichertes Mitglied der AOK Schleswig-Holstein gewesen ist, während für seine damalige Ehefrau eine beitragslose Familienversicherung bestand.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, bestehen zur Überzeugung des Senats nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungs-bescheides wegen Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006.
Der am. 1973 geborene Kläger bezog im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau I Ö , geboren am. 1976, beim Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger und seine Ehefrau lebten in einer ca. 41 qm großen Mietwohnung, für die eine Gesamtmiete von monatlich 258,00 EUR (Kaltmiete 156,00 EUR, Betriebskosten 65,00 EUR, Heizkosten 31,00 EUR, Zuschlag Carport 10,00 EUR) zu zahlen war.
Der Kläger hatte erstmals am 9. Oktober 2004 für sich und seine Ehefrau Arbeitslosengeld II beantragt. Im Antragsformular gab er an, dass weder er noch seine Partnerin über Vermögen verfüge, das den Wert von 4.850,00 EUR je Person (bei Partnern insgesamt 9.700,00 EUR) übersteige. Auf den Antrag vom 9. Oktober 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 25. November 2004 für den Zeitraum 1. Januar bis 31. August 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 860,00 EUR und berücksichtigte dabei neben den Regelleistungen in Höhe von jeweils 311,00 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 238,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 f. der Leistungsakte Bezug genommen. Zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zahlte der Beklagte im Zeitraum Januar bis September 2005 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 125,01 EUR und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 14,86 EUR an die AOK Schleswig-Holstein.
Auf den Folgeantrag vom 16. August 2005 gewährte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 18. August 2005 Arbeitslosengeld II in zunächst identischer Höhe auch für den Zeitraum 1. September 2005 bis 28. Februar 2006, nachdem der Kläger Änderungen in den Vermögensverhältnissen verneint hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid (Bl. 27 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Nachdem die Ehefrau des Klägers einen Arbeitsvertrag über ein Beschäftigungsverhältnis als Bedienung mit einem monatlichen Bruttogehalt von 600,00 EUR beginnend ab 1. September 2005 und die erste Gehaltsabrechnung beigebracht hatte, die bei einem Bruttoverdienst von 600,00 EUR einen Auszahlungsbetrag von 504,86 EUR bescheinigte (Bl. 32 der Leistungsakte), änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung vom 18. August 2005 mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 ab und bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt monatlich 555,14 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006. Dabei legte er ein zu berücksichtigendes Einkommen der Ehefrau von monatlich 304,86 EUR zugrunde. Beitragszahlungen an die AOK Schleswig-Holstein übernahm er nunmehr (seit Oktober 2005) in Höhe von 39,21 EUR für die gesetzliche Krankenversicherung und von 4,66 EUR für die soziale Pflegeversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33-38 der Leistungsakte Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau auf den Fortzahlungsantrag vom 6. März 2006 mit Bescheid vom 15. März 2006 Arbeitslosengeld II für den Monat März in Höhe von 555,14 EUR. Dabei legte er weiterhin ein Einkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 600,00 EUR zugrunde, obwohl diese mit dem Folgeantrag angegeben hatte, seit November 2005 nur noch geringfügig beschäftigt zu sein und monatlich nur noch 300,00 EUR zu verdienen.
Bereits im Herbst 2005 hatte der Beklagte von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger und seine damalige Ehefrau wegen des Verdachtes der Zuhälterei, der illegalen Prostitution, der illegalen Einschleusung von Ausländern und des Sozialleistungsbezuges erfahren. Die Bundespolizeiinspektion K übermittelte dem Beklagten im Frühjahr 2006 ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse. Wann dies genau geschah, ist nicht mehr feststellbar. Da sich bei den dem Beklagten übersandten Unterlagen auch ein Vermerk des polizeilichen Ermittlungsdienstes vom 3. März 2006 befand, kann dies jedenfalls nicht vor diesem Datum geschehen sein. Die Bundespolizei war aufgrund der Beobachtung von Kontobewegungen und anderen Geldtransfers von erheblichen Einnahmen des Klägers und seiner Ehefrau ausgegangen. Ferner ging sie auch von dem Vorhandensein erheblicher Vermögenswerte aus, u. a. in Form von Kraftfahrzeugen der Marken Mercedes, BMW und Audi, deren Wert sie auf insgesamt 40.000,00 EUR schätzte.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen waren im streitigen Zeitraum sechs Fahrzeuge im Besitz des Klägers und seiner Ehefrau, nämlich ein Mercedes-Benz E-Klasse, amtliches Kennzeichen KI , ein Mercedes-Benz Vito, amtliches Kennzeichen KI , ein Mercedes-Benz S-Klasse, amtliches Kennzeichen KI , ein BMW 3er Cabrio, amtliches Kennzeichen KI , ein Audi 80 Cabrio, amtliches Kennzeichen KI und ein BMW 530d, amtliches Kennzeichen KI. Zwei der Kraftfahrzeuge waren auf den Kläger zugelassen (Mercedes-Benz mit den amtlichen Kennzeichen KI und KI ), zwei auf seine damalige Ehefrau (BMW mit den amtlichen Kennzeichen KI und KI ). Zwei Kraftfahrzeuge waren auf den Bruder des Klägers (F Öa ) zugelassen (Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen KI und Audi 80 Cabrio mit dem amtlichen Kennzeichen KI ); die Bundespolizeiinspektion Kiel ordnete sie aber vermögensrechtlich dem Kläger zu.
Der Beklagte hörte daraufhin am 9. März 2006 allein den Kläger zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 und zur Geltendmachung einer Erstattungsforderung in Höhe von 11.070,84 EUR wegen überzahlten Arbeitslosengeldes II sowie in Höhe von 1.875,15 EUR wegen geleisteter Krankenversicherungs- und in Höhe von 222,90 EUR wegen geleisteter Pflegeversicherungsbeiträge an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 58 der Leistungsakte Bezug genommen. Der Kläger erklärte am 17. März 2006, sich zum Sachverhalt nicht äußern zu wollen.
Mit Bescheid vom 28. März 2006 hob der Beklagte die Bescheide vom 25. November 2004, 18. August 2005 sowie 15. März 2006 gegenüber dem Kläger vollständig auf und verlangte von diesem die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 13.168,89 EUR. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger sei ausweislich der Ermittlungsergebnisse der Bundespolizei nicht hilfebedürftig und könne seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten. Es sei eine fehlerhafte Bewilligung erfolgt, die ihre Ursache in falschen bzw. unvollständigen Angaben zum Vermögen der Bedarfsgemeinschaft habe. Der Beklagte schlüsselte die Erstattungsforderung nach Leistungsanteilen (Arbeitslosengeld II, Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge) auf, individualisierte die Rückforderung aber nicht nach den beiden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 68 f. der Leistungsakte Bezug genommen.
Dagegen legte der Kläger am 3. April 2006 Widerspruch ein, begründete diesen aber unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung nicht und regte die Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2006, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 2. Januar 2007, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lägen vor. Arbeitslosengeld II sei zu Unrecht gewährt worden, weil die Eheleute sowohl über verwertbares Vermögen als auch über Einkommen verfügt hätten, welches der Hilfegewährung entgegengestanden hätte. Aufgrund der bundespolizeilichen Ermittlungen sei in den Monaten Januar bis November 2005 von Einnahmen in Höhe von 15.343,18 EUR auszugehen, durchschnittlich pro Monat also 1.395,74 EUR. Dieser Betrag reiche aus, um den monatlichen Bedarf von 860,00 EUR zu decken. Ferner verfüge das Ehepaar über Vermögen im Wert von ca. 40.000,00 EUR in Gestalt von fünf Pkw.
Am 2. Februar 2007 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Zu ihrer Begründung hat er ausgeführt, dass er kein Einkommen erzielt habe, das zur Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II hätte führen können. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten sei unsubstantiiert. Der Beklagte beziehe sich allein auf die vorliegenden Ermittlungsakten der Bundespolizei und vermute auf dieser Grundlage fehlende Hilfebedürftigkeit. Konkrete Tatsachen, die diese Vermutung stützten, gebe er allerdings nicht an. Er (der Kläger) verfüge nicht über fünf Kraftfahrzeuge im Wert von ca. 40.000,00 EUR. Da er wahrheitsgemäße Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht habe, sei die Minderung seiner Ansprüche und die Aufhebung entsprechender Bewilligungsentscheidungen nicht zulässig.
Er hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
nachdem er die angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung mit Bescheid vom 23. Februar 2007 abgeändert und die Rückforderungssumme auf 8.548,05 EUR reduziert hatte. Die Änderung trage dem bisher nicht beachteten Individualisierungsgrundsatz Rechnung. Der Betrag setze sich aus der Regelleistung in Höhe von 311,00 EUR und seinem kopfteiligen Anteil an den Unterkunftskosten in Höhe von 119,00 EUR für 15 Monate zuzüglich gezahlter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.098,05 EUR zusammen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 24 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Zwischenzeitlich ist gegen den Kläger und seine damalige Ehefrau auch das strafrechtliche Verfahren weiter betrieben worden. Beide waren mit Anklageschrift vom 13. Dezember 2006 der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel wegen Betrugs zu Ungunsten des Beklagten angeklagt worden. Eine Anklage wegen Zuhälterei bzw. Ausübung illegaler Prostitution ist nicht erfolgt. In der Anklageschrift bezifferte die Staatsanwaltschaft den Wert von fünf den Eheleuten zugeordneten Kraftfahrzeugen auf 36.300,00 EUR. Gegen die Ehefrau des Klägers ist das strafrechtliche Hauptverfahren mit Beschluss des Amtsgerichtes Kiel vom 17. Januar 2008 nicht eröffnet worden. Im Hinblick auf die Stellung der Sozialleistungsanträge allein durch den Kläger ist das Amtsgericht wegen nicht nachweisbaren Betrugsvorsatzes der Ehefrau von keiner hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen. Gegen den Kläger ist das strafrechtliche Hauptverfahren durchgeführt, in einer Hauptverhandlung am 17. Juni 2008 jedoch gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) gegen die Ableistung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. September 2012 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und den Bescheid vom 23. Februar 2007 insoweit aufgehoben, als mit ihnen bewilligtes Arbeitslosengeld II in Höhe von mehr als 5.535,42 EUR aufgehoben und insgesamt (inklusive Krankenversicherungsbeiträgen) eine Erstattung von mehr als 6.654,38 EUR verlangt wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) tragfähig sei, soweit es um die Rücknahme der Arbeitslosengeld-II-Bewilligungsentscheidungen für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 5.535,42 EUR gehe. Die Bewilligungsentscheidungen seien in vollem Umfang anfänglich rechtswidrig gewesen, weil der Kläger durchgehend nicht hilfebedürftig gewesen sei. Er und seine damalige Ehefrau hätten über Vermögen verfügt, das die für sie maßgeblichen Freibeträge in Höhe von insgesamt 28.700,00 EUR überschritten habe. Die im Besitz des Klägers und seiner damaligen Ehefrau stehenden fünf Kraftfahrzeuge, die mit 36.300,00 EUR zu bewerten seien, seien dem Eigentum entweder des Klägers oder seiner Ehefrau zuzuordnen, wofür sowohl die Haltereigenschaft als auch die tatsächliche Nutzung der Fahrzeuge streite. Insoweit werde auf die Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden Bezug genommen, die auch im sozialgerichtlichen Verfahren verwertbar seien. Weil bereits deshalb in keinem Monat des streitigen Leistungszeitraums ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestanden habe, könne offen bleiben, ob darüber hinaus bedarfsdeckendes Einkommen aus Zuhälterei und/oder Prostitution erzielt worden sei. Auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X lägen vor, weil der Kläger bei Erstantragstellung die Frage nach vorhandenen Vermögensgegenständen komplett verneint habe und von dieser Erklärung auch in den Folgeanträgen nicht abgerückt sei. Soweit der Beklagte im Rahmen des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 28. März 2006 den Individualisierungsgedanken missachtet und vom Kläger auch diejenigen überzahlten Leistungen zurückgefordert habe, die für seine damalige Ehefrau gewährt worden seien, sei der Bescheid zwar rechtswidrig gewesen. Dieser Mangel sei allerdings durch den Änderungsbescheid vom 27. Februar 2007 grundsätzlich geheilt worden. Auch mit diesem Bescheid seien die Summen der zurückzunehmenden und der zu erstattenden Leistungen aber falsch festgesetzt worden, weil die horizontale Verteilung des berücksichtigten Einkommens der Ehefrau aus abhängiger Beschäftigung missachtet worden sei. Der Klage sei deshalb im Sinne der Reduzierung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung auf die tenorierten Beträge stattzugeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid (Bl. 123 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 4. Oktober 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 5. November 2012 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung macht er geltend, dass das Sozialgericht die Verfahrenseinstellung gegen Auflagen nach § 153a StPO zu Unrecht als Indiz für eine Verurteilung gewertet habe. Das Sozialgericht habe keinesfalls vom Nachweis der Taten ausgehen dürfen, sondern sei gehalten gewesen, weiter Beweis zu erheben. Vor diesem Hintergrund habe das Sozialgericht schon nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Soweit das Sozialgericht die fünf Fahrzeuge seinem Vermögen bzw. dem Vermögen seiner Ehefrau zugeordnet habe, sei dies nicht richtig. Er sei lediglich Halter zweier Fahrzeuge gewesen, keines der Fahrzeuge habe allerdings in seinem Eigentum gestanden. Im Übrigen verstoße die Aufhebungsentscheidung gegen Individualisierungsgrundsatz und Bestimmtheitsgebot. Auch sei im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2007 die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten worden, weil der Beklagte von den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn bereits im Herbst 2005 Kenntnis erhalten habe. Nach wie vor sei unklar, auf welche 15 Monate sich die Aufhebungsentscheidung beziehe.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 20. September 2012 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und den Bescheid vom 23. Februar 2007 insgesamt aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Vorsitzende hat die Sache mit Verfügung vom 17. Oktober 2016 für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr geladen. U.a. ist die Ladung des Prozessbevollmächtigten des Klägers verfügt worden. Zuvor hatte der Berichterstatter den Termin mit der Kanzlei des Bevollmächtigten telefonisch abgestimmt, weil gerichtsbekannt ist, dass der Bevollmächtigte häufig ortsabwesend ist und es in der Vergangenheit vorliegend wiederholt zu Terminaufhebungen gekommen war. Nachdem ein Empfangsbekenntnis über die Ladung ausgeblieben war, hat die Geschäftsstelle den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 30. November 2016 per Telefax an die Rückübersendung der Empfangsbestätigung bzgl. der Terminmitteilung vom 17. Oktober 2016 erinnert. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 184 der Gerichtsakte Bezug genommen. Darauf hat der Bevollmächtigte des Klägers nicht reagiert. Zum Termin ist er nicht erschienen. Der Berichterstatter hat mit dem Prozessbevollmächtigten im Termin am 12. Dezember 2016 fernmündlich die Umstände der Ladung zum Termin erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 186 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Dem Senat haben die Leistungsakten des Beklagten und die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel zum Az. 593 Js 17149/06 vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakten wird wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat ist trotz Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2016 nicht gehindert gewesen, zur Sache zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 126 Rn. 4). Der Bevollmächtigte des Klägers ist zum Termin fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß geladen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), so dass eine Vertagung des Rechtsstreits nicht angezeigt gewesen ist.
Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist die Ladungsverfügung der Vorsitzenden vom 17. Oktober 2016 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers per Briefpost bei Zugrundelegung üblicher Postlaufzeiten noch in der 42. Kalenderwoche zugegangen und damit bekannt gegeben worden. Dafür spricht, dass dem Kläger selbst die ihn betreffende Ladungsverfügung am 18. Oktober 2016 zugestellt worden ist und der Beklagte den Empfang der ihn betreffenden Ladungsverfügung für den 19. Oktober 2016 bestätigt hat. Die Bekanntgabe ist damit deutlich vor Beginn der in § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG normierten Regelfrist von zwei Wochen erfolgt. Im Rahmen der Ladungsverfügung ist der Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt, entschieden und Beweis erhoben werden kann.
Der Behauptung des Prozessbevollmächtigten, die Ladungsverfügung nicht erhalten zu haben, schenkt der Senat nach den Gesamtumständen des Falls keinen Glauben; er hält sie für prozesstaktisch motiviert. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Termin der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten unstreitig für den 12. Dezember 2016 vor Abgang der Ladung telefonisch angekündigt worden war; der Prozessbevollmächtigte hat im Telefonat mit dem Berichterstatter im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der Termin in dieser Sache für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr in seinem Terminkalender vorgemerkt sei. Ferner berücksichtigt der Senat, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Erinnerung der Geschäftsstelle vom 30. November 2016 an die Rückübersendung des Empfangsbekenntnisses erhalten hat; auch dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem mit dem Berichterstatter geführten Telefonat eingeräumt. Diese unstreitigen Umstände, der Zugang der den anderen Verfahrensbeteiligten ebenfalls u.a. nach Kiel übersandten Ladungsverfügungen und die fehlende Rücksendung der an den Prozessbevollmächtigten abgesandten Ladungsverfügung als unzustellbar streiten nach Überzeugung des Senats dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Ladungsverfügung tatsächlich erhalten hat. Anders kann seine Reaktion auf das Erinnerungsschreiben vom 30. November 2016 nicht erklärt werden. Hätte der Prozessbevollmächtigte die Ladungsverfügung vom 17. Oktober 2016 tatsächlich nicht erhalten, wäre es gerade in Ansehung des in seinem Terminkalender für den 12. Dezember 2016 in dieser Sache vorgemerkten Termins mehr als naheliegend gewesen, beim Gericht schriftlich oder fernmündlich nachzufragen und um ggf. erneute Zustellung der Ladungsverfügung zu ersuchen. Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht getan. Warum er untätig geblieben ist, hat er auch auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären können. Die Einlassung des Prozessbevollmächtigten, seine Kanzleimitarbeiterin habe das Erinnerungsschreiben abgelegt, nachdem sie eine Ladungsverfügung für den 17. Oktober 2016 nicht habe finden können, erweist sich nach Lage der Dinge und vor dem Hintergrund, dass die abermalige Terminsaufhebung für den Kläger wegen der weiteren Fortdauer der seit März 2006 bestehenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den belastenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid prozessual günstig gewesen wäre, als in so hohem Maße unwahrscheinlich, dass der Senat von einem solchen Geschehensablauf nicht auszugehen vermag.
Unschädlich ist vor diesem Hintergrund, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das ihm mit der Ladungsverfügung übersandte Formular einer Empfangsbestätigung nicht ausgefüllt zurück übersandt hat. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG sind Terminbestimmungen und Ladungen (lediglich) bekannt zu geben. Einer förmlichen Zustellung bedarf es seit Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung vom 2. Januar 2002 nicht mehr. Vielmehr kann das Gericht nach freiem Ermessen die Form der Zustellung wählen, um den Nachweis der Bekanntgabe der Ladung sicherzustellen und so den Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs rechtssicher auszuräumen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 63 Rn. 3b). Dies bedeutet aber nicht, dass in allen anderen Fällen der schlichten Bekanntgabe der Ladung von einer nicht ordnungsgemäßen Ladung auszugehen ist, wenn ein Beteiligter behauptet, die Ladung nicht erhalten zu haben. Vielmehr ist in diesen Fällen im Wege des Freibeweises festzustellen, ob diese Behauptung zutrifft (Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. Februar 2010 – L 2 R 312/09 B; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2013 – L 2 AS 816/13 B jeweils zit. n. juris). Dem hat der Senat mit seinen Würdigungen Rechnung getragen.
Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Ladungsverfügung vom 17. Oktober 2016 nicht erhalten haben sollte, wäre nach Ansicht des Senats gleichwohl von einer ordnungsgemäßen Ladung des Prozessbevollmächtigten auszugehen. Denn spätestens mit dem Erinnerungsschreiben vom 30. November 2016 ist dem Prozessbevollmächtigten der Termin bekannt gegeben worden. Dieses Schreiben in Kombination mit der bereits in seinem Terminkalender vermerkten Vorankündigung konnte für einen Rechtsanwalt nur so verstanden werden, dass ein Termin für den 12. Dezember 2016, 11.00 Uhr nunmehr verbindlich anberaumt sei. Zwar wäre bei einer Bekanntgabe der Ladung erst am 30. November 2016 die Regel-Ladungsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG von zwei Wochen nicht eingehalten gewesen. Der Kläger hat die – grundsätzlich zulässige – Unterschreitung der Frist aber weder gerügt (zum Rügeerfordernis Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 110 Rn. 14) noch vor dem Termin einen Vertagungsantrag gestellt.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands mit 6.654,38 EUR die maßgebliche Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR überschreitet.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und des Änderungsbescheids vom 23. Februar 2007 abgewiesen, soweit die Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 dem Kläger gegenüber in Höhe von 5.535,42 EUR aufgehoben werden und von ihm die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 6.654,38 EUR gefordert wird. Soweit das Sozialgericht die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten wegen darüber hinausgehender Beträge aufgehoben hat, ist dies nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil nur der Kläger Berufung eingelegt hat.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Umfang unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide insoweit rechtmäßig sind und den Kläger nicht zu beschweren vermögen. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, findet die Aufhebungsentscheidung vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2006 und des Änderungsbescheids vom 27. Februar 2007 in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht – soweit nicht das Berufungsvorbringen Anlass zu ergänzenden Ausführungen gibt – grundsätzlich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Soweit sich der Kläger mit der Berufung gegen die Beweiswürdigung durch das Sozialgericht wendet und (lediglich) behauptet, die Fahrzeuge hätten nicht in seinem Eigentum gestanden, vermag dieses Vorbringen der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten desjenigen, der der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Deshalb trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheids, wenn sie diesen zurücknimmt. Eine Beweislastumkehr ist allerdings nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn in dessen persönlicher oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung erschwert oder verhindert wird (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R – SozR 4-4200 § 9 Nr 14, Rn. 30).
So liegen die Dinge hier. Für die Frage, in wessen Eigentum ein Fahrzeug steht, weist dessen Halter zweifellos eine besondere Beweisnähe auf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn der Kläger lediglich behauptet, die Fahrzeuge hätten nicht in seinem Eigentum gestanden. Erforderlich wäre es vielmehr, den tatsächlichen Eigentümer konkret zu benennen und die Umstände darzulegen, die zu einer Zulassung der Fahrzeuge auf seine Person bzw. die Person seiner damaligen Ehefrau geführt haben. Dies hat der Kläger unterlassen. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Senats sind erschöpft, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sich ohne seinen Prozessbevollmächtigten nicht zur Sache einlassen zu wollen. Vor diesem Hintergrund gehen Zweifel an der Eigentümerstellung bezüglich der seinem Vermögen bzw. dem Vermögen seiner damaligen Ehefrau zugerechneten fünf Fahrzeuge zu seinen Lasten.
Auch die vom Kläger mit der Berufung geltend gemachten Bestimmtheitsdefizite liegen nicht vor. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R – BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, Rn. 15).
Daran gemessen sind substanzielle Bestimmtheitsdefizite nicht erkennbar. Aus der Gesamtbetrachtung der Bescheide vom 28. März 2006 und 27. Februar 2007 ergibt sich für einen verständigen Empfänger ohne Weiteres, dass die ihn betreffenden Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 vollumfänglich aufgehoben werden. Soweit der Kläger bemängelt, dass nicht klar sei, auf welche 15 Monate sich die Aufhebungsentscheidung beziehe, vermag der Einwand schon deshalb nicht zu greifen, weil er nach dem Monat März 2006 vom Beklagten kein Arbeitslosengeld II mehr erhalten hat. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Aufhebungsentscheidung auf (all) diejenigen 15 Monate beziehen soll, für die zuvor Leistungen gewährt worden waren. Weil dies hinreichend den angegriffenen Entscheidungen auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, ist es auch unschädlich, dass im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. März 2006 der Änderungsbescheid vom 21. Oktober 2005 als Gegenstand der Aufhebungsentscheidung nicht ausdrücklich bezeichnet wird (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 16).
Schließlich vermag auch der Hinweis auf die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ungeachtet der Frage der Erforderlichkeit des Änderungsbescheids vom 27. Februar 2007 angesichts der dem Sozialgericht eingeräumten Möglichkeit, bereits den Aufhebungsbescheid vom 28. März 2006 geltungserhaltend auf den dem Individualanspruch des Klägers entsprechenden Aufhebungsbetrag zu begrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R – SozR 4-1300 § 33 Nr 1), war die Jahresfrist für den Erlass einer vollständig neuen Aufhebungsentscheidung bei Bekanntgabe des Bescheids vom 27. Februar 2007 jedenfalls noch nicht verstrichen. Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erforderliche Kenntnis hat sich nämlich zumindest auf alle Tatsachen zu beziehen, die tatbestandlich für die Feststellung der Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsakts erforderlich sind (Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 81 m.w.N.). Eine derartige Tatsachenkenntnis hatte der Beklagte entgegen der Meinung des Klägers im Herbst 2005 noch nicht. Vielmehr ist mit dem Sozialgericht davon auszugehen, dass die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit ihrer Bewilligungsentscheidungen frühestens mit Übersendung der wesentlichen Ermittlungsergebnisse durch die Bundespolizeiinspektion Kiel im März 2006 gereift sein kann. Kenntnis von den Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X hatte der Beklagte frühestens nach erfolgter Anhörung des Klägers am 17. März 2006 (Eingangs des ausgefüllten Anhörungsschreibens). Ausgehend von diesem Datum war die Jahresfrist bei Bekanntgabe des Bescheids vom 27. Februar 2007 noch nicht verstrichen.
Das Sozialgericht hat schließlich auch die Rückforderungssumme zutreffend berechnet. Dem Kläger sind für den Zeitraum Januar bis September 2005 monatlich 430,00 EUR bewilligt (und gezahlt) worden, für den Zeitraum Oktober 2005 bis März 2006 monatlich 277,57 EUR. Daraus ergibt sich eine Aufhebungssumme von 9 x 430,00 EUR + 6 x 277,57 EUR = 5.535,42 EUR.
Die diesbezügliche Erstattungsentscheidung stützt sich auf § 50 Abs. 1 SGB X. Hinzu kommt, gestützt auf § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 und 5 SGB III, die rechtmäßige Erstattungsforderung bezüglich der für den Zeitraum Januar bis August 2005 in Höhe von monatlich 139,87 EUR geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die das Sozialgericht zutreffend mit insgesamt 8 x 139,87 EUR = 1.118,96 EUR beziffert hat. Dabei ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Erstattungspflicht insoweit allein den Kläger trifft, weil er bis zum 31. August 2005 pflichtversichertes Mitglied der AOK Schleswig-Holstein gewesen ist, während für seine damalige Ehefrau eine beitragslose Familienversicherung bestand.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, bestehen zur Überzeugung des Senats nicht.
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