S 17 KR 320/17 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 17 KR 320/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 441/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
Die sofortige Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 26. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017, mit dem die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 30. April 2016 eine vorläufige Reduzierung der so genannten Herstellerrabatte von 7 % bzw. 6 % auf 0 % gewährt hat, wird angeordnet.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen findet nicht statt.

Der Streitwert wird auf 573.414,13 Euro festgesetzt.
 

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine Arzneimittelimporteurin, begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer vorläufigen Befreiung von den so genannten Herstellerrabatten nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

1. Um die Ausgaben im Gesundheitswesen für Arzneimittel zu begrenzen, sind Pharmaunternehmen in Deutschland seit dem 1. Januar 2003 dazu verpflichtet, den Krankenkassen auf die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel einen Preisabschlag variierender Höhe, zuletzt in Höhe von 6 bzw. 7 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers zu gewähren (§ 130a Abs. 1 Satz 1, 2 i. V. m. Abs. 3b Satz 1 SGB V). § 130a Abs. 4 SGB V in Verbindung mit Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (im Weiteren auch: Transparenz-RL) ermöglicht die ausnahmsweise Befreiung eines Unternehmens von den Abschlägen. Diese Befreiungsmöglichkeit einzelner Arzneimittelimporteure von der Entrichtung der Rabatte war Gegenstand eines von der Kommission nach Art. 108 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG) 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrages (heute identisch geregelt in Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) eingeleiteten förmlichen Prüfverfahrens (Az. C[2013] 4775 final), das mit Beschluss (EU) 2015/1300 der Kommission vom 27. März 2015 (SA.34881 (2013/C) seinen Abschluss fand. Die Kommission erklärte in dem Beschluss § 130a Abs. 4 SGB V für mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar. Die Vorschrift stelle zwar eine staatliche Beihilferegelung dar. Die danach durchgeführte Befreiung (nur) von Unternehmen, die einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen ihren finanziellen Schwierigkeiten und den Herstellerrabatten nachweisen könnten, sei jedoch gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar (wird ausgeführt). Gegen den Beschluss vom 27. März 2015 erhob die E. GmbH & Co. KG, eine Wettbewerberin der Antragstellerin wie auch der Beigeladenen, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV Nichtigkeitsklage zum Gericht der Europäischen Union (T-354/15). Über diese Klage ist noch nicht entschieden.

2. Die Antragstellerin beliefert als Importeurin für EU-Arzneimittel sowohl Kliniken und den Arzneimittelgroßhandel als auch Apotheken im Direktgeschäft. Sie unterfällt der Pflicht zur Abschlagsgewährung gemäß § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 sowie Abs. 3a Satz 1 SGB V (sog. Preismoratorium). Ihr Marktanteil ist für den Monat Mai 2017 mit 6,87 % ausgewiesen (Übersicht über die Marktanteile und den Gesamtmarkt nach Insight Health, Bl. 69 der Gerichtsakte [GA]). Seit 2013 erwirtschaftet das Unternehmen Verluste, die in den Jahren 2013 und 2014 aufgrund der hohen Eigenkapitalquote abgefangen werden konnten. In 2015 erwirtschaftete die Antragstellerin insgesamt einen Verlust in Höhe von rund EUR 13,71 Millionen. Im selben Zeitraum betrugen die abgeführten Herstellerrabatte insgesamt rund EUR 14,519 Millionen.

Mit Antrag vom 19. Oktober 2015 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin bzw. dem nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V mit dieser Aufgabe betrauten Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gemäß § 130a Abs. 4 SGB V eine Reduzierung der von ihr zu zahlenden Herstellerabschläge nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 SGB V für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 auf 0 %. Diese Befreiung wurde ihr von der Antragsgegnerin bzw. dem für diese handelnden BAFA für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 mit Bescheid vom 11. Februar 2016 vorläufig und mit Bescheid vom 28. Oktober 2016 endgültig gewährt (hinsichtlich des Inhalts der Bescheide im Einzelnen wird auf Bl. 57 ff. bzw. 60 ff. der GA verwiesen). Aufgrund der rückwirkenden Befreiung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2015 kam der Antragstellerin damit ein Rückerstattungsanspruch für geleistete Herstellerrabatte in Höhe von insgesamt rund EUR 10,7 Millionen netto zu. Die durch den GKV-Spitzenverband abzuwickelnde Rückzahlung begann im Mai 2016 und erfolgte durch mehr als 50 einzelne, unregelmäßige Zahlungen über die Jahre 2016 und 2017 hinweg; sie ist noch nicht vollständig abgeschlossen.

Im ersten Halbjahr 2016 erwirtschaftete die Antragstellerin entgegen der noch im Herbst 2015 prognostizierten günstigeren Entwicklung einen Verlust von rund EUR 3,543 Millionen. Im gleichen Zeitraum zahlte sie Herstellerrabatte in Höhe von insgesamt rund EUR 5,8 Millionen brutto. Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 30. Juni 2016 eine Reduzierung der Herstellerabschläge auch für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 30. Juni 2016. Zur Darlegung der besonderen Gründe gemäß § 130a Abs. 4 Satz 3 SGBV legte sie ihre Jahresabschlüsse für die letzten drei Geschäftsjahre vor Antragstellung vor und wies die Auswirkungen der geltenden Rabatte auf ihre wirtschaftliche Situation unter anderem mittels eines Gutachtens der F. GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, aus dem Juni 2016 nach.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Oktober 2016 (dort: Ziffer 2) gewährte das BAFA der Antragstellerin gemäß § 130a Abs. 4 SGB V eine vorläufige Reduzierung der Herstellerrabatte nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 SGB V von 7 % bzw. 6 % auf 0 % für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. April 2016. Gleichzeitig lehnte es eine Befreiung vom Herstellerrabatt für die Zeiträume 1. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015 (Ziffer 1) sowie 1. Mai 2016 bis 30.Juni 2016 (Ziffer 3 des Bescheides) ab (im Einzelnen vgl. den Bescheid, Bl. 64 ff. d. GA). Durch die bereits erfolgte Befreiung für die ersten neun Monate in 2015 habe ein sehr starkes Abschmelzen des Eigenkapitals verhindert und Spielraum für die erforderlichen Umstrukturierungen geschaffen werden können, so dass eine weitere rückwirkende Befreiung für 2015 darüber hinaus nicht erforderlich sei. Im ersten Halbjahr 2016 habe sich das Geschäftsergebnis der Antragstellerin demgegenüber weniger gut entwickelt als erwartet. Die eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen hätten ihre Wirkung (noch) nicht in dem Maße entfaltet, wie dies erwartet worden sei. Außerdem führe die angespannte Liquiditätssituation der Antragstellerin dazu, dass nicht in dem Maße Vorräte hätten eingekauft werden können wie geplant, was zu weiteren Umsatzeinbußen und einer Verschlechterung des Ergebnisses geführt habe. Aufgrund der im ersten Halbjahr 2016 erwirtschafteten Verluste habe das Unternehmen Probleme, die notwendige Liquidität für ihr Geschäft aufrecht zu erhalten. Um den Verlust teilweise auszugleichen und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Verbindung mit den ergriffenen Maßnahmen aufrecht zu erhalten, werde für den benannten Teilzeitraum eine vollständige Befreiung von den Herstellerrabatten erteilt. Da der Verlust im 1. Halbjahr 2016 EUR 3,543 Millionen betragen habe, während die Herstellerrabatte sich in diesem Zeitraum auf ca. EUR 5,8 Millionen beliefen, führte eine vollständige Befreiung über den gesamten Zeitraum zu einem Gewinn bei der Antragstellerin. Die Antragstellerin habe Anfang 2016 zudem noch über ein bilanzielles Eigenkapital von EUR 19.993 Millionen verfügt, was einer Eigenkapitalquote von 38,3 % entsprochen habe. Sie sei daher weiterhin in der Lage Verluste abzufangen. Die vorläufige Befreiung für die Monate Januar bis April 2016 führe dazu, dass sich die Liquiditätssituation verbessere und dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben werde, seine Restrukturierungsmaßnahmen weiter voranzutreiben.

Die Antragstellerin hat dem BAFA in der Folge ihren geprüften Jahresabschluss für 2016, so wie im Bescheid vom 28. Oktober 2016 vorgegeben, fristgerecht übermittelt. Eine endgültige Entscheidung über die Befreiung steht noch aus.

Unter dem 25. November 2016 legte die zum Verfahren beigeladene C. GmbH, ihres Zeichens größter deutscher Arzneimittelimporteur mit einem eigenen Marktanteil von zuletzt 24 % (Insight Health, Bl. 69 d. GA), gegen beide Bescheide vom 28. Oktober 2016 zunächst Drittwiderspruch und nach Erlass des den streitgegenständlichen Bescheid betreffenden Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 am 21. April 2017 Drittanfechtungsklage zum Sozialgericht Wiesbaden ein (Az. S 17 KR 177/17; anhängig). Die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragstellerin nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V i. V. m. Art. 4 der Transparenz-RL lägen nicht vor. Zielsetzung der Regelung sei es zu verhindern, dass Pharmaunternehmen aufgrund der Herstellerabschläge vom Markt verdrängt würden. Dies heiße, dass Unternehmen, die auf Grund ihres Sortiments eine schmale Gewinnspanne hätten, durch die Befreiung geholfen werden solle, falls der Herstellerrabatt ihre Existenz bedrohe. Der Befreiungstatbestand diene indes nicht dazu, Unternehmen, die an anderer Stelle fehlgewirtschaftet hätten, durch die Befreiung von den Herstellerabschlägen zu subventionieren. Die wirtschaftliche Schieflage der Antragstellerin sei jedoch auf eine Vielzahl selbstverschuldeter Gründe jenseits der Belastung durch die Herstellerabschläge zurückzuführen: So sei das Unternehmen in besonderem Maße von den in 2014 aufgedeckten Medikamentendiebstählen in G. und die daraufhin durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veranlassten Rückrufaktionen betroffen gewesen, da es seine Produkte günstig aus nicht ausreichend überprüften Quellen bezogen habe (unter Verweis auf den Jahresabschluss der Antragstellerin für 2015, in dem von Abschreibungen in Höhe eines mehrstelligen Millionenbetrages "aufgrund schlecht eingekaufter Ware aus dem Vorjahr" die Rede ist, vgl. Bl. 236 f. d. GA). Im selben Zuge hätten sich auch Apotheken von der Antragstellerin ab- und anderen Lieferanten zugewandt, die weniger stark in die Probleme verwickelt gewesen seien. Ein weiterer Grund für die Verluste der Antragstellerin liege darin, dass diese in der Zeit von 2010 bis 2013 ihr Sortiment praktisch verdreifacht habe, was sich an der Anzahl der PZN’s (Pharmazentralnummern) der von ihr in Verkehr gebrachten Parallelimportpräparate ersehen lasse. Die Steigerung der PZN-Anzahl sei mit einer erheblichen Kostensteigerung einhergegangen, da für jede Zulassung Zulassungsgebühren bezahlt werden müssten. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass von den von der Antragstellerin vertriebenen PZN 316 PZN mit einer Absatzauswertung von "0" ausgewiesen seien, bei weiteren 686 PZN würden weniger als 120 Packungen im Jahr verkauft. Mit Blick auf die Kosten für die Erlangung der Zulassung und den Vertrieb ergebe sich zwangsläufig, dass sich der Vertrieb dieser 1.002 Produkte nicht rechnen könne. Schließlich habe die Antragstellerin einen erheblichen Teil ihres Umsatzes mit Präparaten gemacht, die im Erstattungspreis teurer gewesen seien als die Originalpräparate. Von den Krankenkassen seien dann zumeist zeitversetzt um etwa zwei Jahre so genannte Retaxierungen durchgeführt worden, die sich ebenfalls negativ auf den Gewinn ausgewirkt hätten. Bei den Befreiungsbescheiden handele es sich mithin um eine unzulässige Subventionierung der Antragstellerin, die die Wettbewerbssituation verzerre und die Beigeladene, die mit der Antragstellerin aufgrund einer in Teilen übereinstimmenden Produktpalette sowie des Imports von Produkten für vergleichbare Indikationen im unmittelbaren Wettbewerb stehe, damit mittelbar nachteilig betreffe.

Der für die Rückabwicklung zuständige GKV-Spitzenverband verweigerte in der Folge unter Verweis auf die aufschiebende Wirkung des Drittanfechtungswiderspruchs bzw. der Drittanfechtungsklage die Einleitung der (vorläufigen) Rückabwicklung der im Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2016 angefallenen Rabatte bis zum Eintritt der Bestandskraft des (vorläufigen) Befreiungsbescheides.

In der Folge ersuchte die Antragstellerin das BAFA erfolglos um den Erlass einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das BAFA stellte sich hierzu auf den Standpunkt, dass eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht in Betracht komme, da das Entfallen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage bereits durch § 86a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gesetzlich angeordnet sei. Das BAFA habe den GKV-Spitzenverband unter Verweis hierauf – erfolglos – ersucht das Rückabwicklungsverfahren einzuleiten. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem GKV-Spitzenverband bestehe jedoch weder seitens des BAFA noch des ihm übergeordneten Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Im Weiteren ersuchte die Antragstellerin ihrerseits das Bundesministerium für Gesundheit erfolglos um Weisung gegenüber dem GKV-Spitzenverband (Schreiben vom 11. Mai 2017, Bl. 128 ff. d. GA). Das Bundesministerium für Gesundheit lehnte die Erteilung einer Weisung mit Schreiben vom 21. Juli 2017 ab. Der GKV-Spitzenverband unterliege gemäß §§ 217d Satz 3 (in seiner bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung; seit dem 01. März 2017 verweist § 217d Abs. 2 Satz 2 direkt auf § 87 SGB IV), 208 Abs. 2 Satz 1 SGB V i. V. m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nur seiner Rechts-, nicht aber seiner Fachaufsicht. Die Ansicht des GKV-Spitzenverbandes, nach der ein Fall des § 86 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht gegeben sei, sei nicht rechtlich unvertretbar, eine Weisung komme von daher nicht in Betracht.

Sowohl das BAFA als auch das Bundesministerium für Gesundheit erklärten sich ausdrücklich für nicht in der Lage, eine Rückabwicklung der Herstellerrabatte praktisch zu bewirken, und rieten der Antragstellerin an, gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Am 18. Juli 2017 hat die Antragstellerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie trägt vor, dass ihr erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohten, wenn eine Erstattung der von ihr im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2016 geleisteten Rabatte erst nach rechtskräftigem Abschluss der Hauptsache erfolge. Aufgrund des vorläufigen Befreiungsbescheides stehe ihr ein Anspruch auf Rückerstattung der den Krankenkassen gewährten Abschläge in Höhe von ca. EUR 3,44 Millionen netto zu. Bei einem Vergleich ihrer im Jahr 2015 erwirtschafteten Verluste (rund EUR 13 Millionen), der ihr im gleichen Jahr auferlegten Abschläge (rund EUR 14,5 Millionen) und der ihr aufgrund der Befreiung von den Abschlägen nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 i. V. m. Abs. 3b Satz 1 SGB V (nicht aber § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V) für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2015 zustehenden Rabatterstattung (EUR 10,6 Millionen netto) sei ihr ein Verlust in Höhe von rund EUR 3 Millionen verblieben. Im gesamten Jahr 2016 sei von der Antragstellerin insgesamt ein Verlust von EUR 3,54 Millionen (bei Berücksichtigung des Anspruchs auf Erstattung der Herstellerrabatte in Höhe von EUR 3,44 Millionen als Forderung) bzw. (bei Nichtberücksichtigung) von insgesamt fast EUR 7 Millionen erwirtschaftet worden (Bilanz zum 31. Dezember 2016, Bl. 70 ff. d. GA). Im laufenden Geschäftsjahr habe bis April 2017 ein vorläufiges positives Ergebnis erzielt werden können. Nach der gegenwärtigen Prognose, die von einer zeitnahen Rückerstattung der Herstellerrabatte ausgehe, sei in 2017 insgesamt mit einem positiven Geschäftsabschluss zu rechnen. Damit sei der Fortbestand des Unternehmens gesichert. Die Antragstellerin habe zur Verbesserung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bereits umfassende Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet, insbesondere Personal abgebaut, die Produktpalette bereinigt und die Restrukturierung der Unternehmensprozesse begonnen. Weitere Restrukturierungsmaßnahmen seien aber erforderlich, für die finanzielle Mittel benötigt würden. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Rückabwicklung der Herstellerrabatte aus 2015 habe sie damit gerechnet, dass die Rückabwicklung der für das Jahr 2016 gewährten Rabatte etwa ein Jahr, also bis in den Herbst 2017 hinein, dauern würde. Deshalb habe sie im Dezember 2016 mit einem privaten Finanzinvestor eine Investmentvereinbarung abgeschlossen, um die Verzögerung in der Rabattrückzahlung zu überbrücken. Im Rahmen dieser Vereinbarung würden der Antragstellerin finanzielle Mittel für ihr "Working Capital" im Wege der Ausgabe und Übernahme von Schuldverschreibungen zur Verfügung gestellt. Eine Rückzahlung der Schuldverschreibungen zuzüglich aufgelaufener Zinsen habe jedenfalls bis zum 31. Dezember 2018 zu erfolgen. Die Antragstellerin habe jedoch die Möglichkeit, die aufgrund des vereinbarten hohen Zinssatzes erhebliche Zinslast für das Jahr 2018 zu vermeiden, indem sie sämtliche Schuldverschreibungen in Höhe von 103 % des ausstehenden Nennbetrages zzgl. aufgelaufener Zinsen zum 31. Dezember 2017 zurückzahle. Dies bedeutete im Rahmen des bestehenden Kreditvertrages eine Ersparnis in sechsstelliger Höhe, müsse aber mit einer Frist von 60 Kalendertagen angezeigt werden (zu den Kreditbedingungen im Einzelnen Bl. 82 ff. d. GA). Da mit Rückerstattung der streitgegenständlichen Herstellerabschläge bis Ende 2017 selbst bei einer sofortigen Einleitung des Rückerstattungsverfahrens nicht gerechnet werden könne, sei die Ablösung des bestehenden Kredites im Wege einer aufzunehmenden günstigeren Finanzierung geplant; Der Erhalt einer solchen günstigeren Finanzierung sei wiederum nur denkbar, wenn die Antragstellerin einem neuen Finanzierer die Ansprüche aus einem sofort vollziehbaren Bescheid als Sicherheit zur Verfügung stellen könne. Jedenfalls würden die finanziellen Mittel aus der Rabatterstattung aber zur Rückzahlung der Schuldverschreibungen bis zum 31. Dezember 2018 benötigt. Sollte das Rückabwicklungsverfahren nicht zeitnah eingeleitet werden, könne die Antragstellerin diese Rückzahlung nicht aus den erstatteten Rabatten leisten, weil für die Rückabwicklung mit einer Dauer von ca. einem Jahr zu rechnen sei. Müsse die Rückzahlung aus eigenen Mitteln erfolgen, müssten eine weitere beachtliche Zahl an Mitarbeitern entlassen werden, um so zu versuchen die erforderliche Liquidität zu generieren; dies führte wiederum zu einem erheblichen Umsatzrückgang, was die realistische Existenzgrundlage der Antragstellerin zerstören könne.

Die vom Gericht im Rahmen des Eilrechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung spreche im Übrigen zugunsten einer Anordnung der sofortigen Vollziehung, da die Klage der Beigeladenen in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Beigeladenen fehle bereits die Klagebefugnis, da weder § 130a Abs. 4 SGB V in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 89/105/EWG entsprechende drittschützende Wirkung entfalte noch die Antragstellerin eine Klagebefugnis aus Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG ableiten könne. Insbesondere die vorliegend zur Anwendung gekommene Härtefallregelung des § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 89/105/EWG diene dazu, Unternehmen zu schützen, die durch die gesetzlich vorgesehenen Rabatte in finanzielle Leistungsschwierigkeiten geraten seien, und somit der Verhinderung der Verdrängung dieser Unternehmen vom Markt, nicht aber dem Schutz bzw. dem beruflichen (Erwerbs-)Interesse der übrigen Wettbewerber. Die Annahme, dass die gesetzliche Befreiungsmöglichkeit nur rechtmäßig sein könne, wenn gleichzeitig den Wettbewerbern der Begünstigten eingeräumt sei, die Rechtmäßigkeit der konkret ausgesprochenen Befreiungen gerichtlich überprüfen zu lassen, so dass § 130a Abs. 4 SGB V darum auch drittschützende Wirkung zukommen müsse, stelle einen unzulässigen Zirkelschluss dar. Die Begünstigung führe auch nicht zu schweren und unzumutbaren Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Rechtsgüter (hier: der Berufsfreiheit) in Form einer entsprechend qualifizierten Betroffenheit der Wettbewerbssituation der Beigeladenen. Im Gegenteil seien die Marktanteile der Antragstellerin von Mai 2016 bis April 2017 mit 6,4 % geringer als im vorangehenden Zeitraum August 2015 bis April 2016 (7,8 %) gewesen, während der Marktanteil der Beigeladenen in derselben Zeit von 23,7 % auf 24,4 % gestiegen sei. Die Befreiung aus 2015 habe der Antragstellerin damit jedenfalls offenbar keine dominante oder auch nur starke Machtposition verschafft. Inwiefern es durch die Befreiungen sonst zu einer "intensiven Wettbewerbsverzerrung" gekommen sein sollte oder noch kommen solle sei nicht erkennbar.

Eine Klagebefugnis der Beigeladenen in der Hauptsache folge auch nicht aus Art. 108 Abs. 3 AEUV und dem unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile. Eine Klagebefugnis komme danach nur bei einer Verletzung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV normierten so genannten Durchführungsverbots in Betracht. Dieses habe vorliegend aber nur bis zu dem so genannten Positivbeschluss (vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) 659/1999 bzw. jetzt: Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 3 der Verordnung [EU] 2015/1589) der Kommission vom 27. März 2015 im Verfahren SA.34881 (2013/C) gegolten. Auch liege kein Fall der (unterbliebenen) Einzelanmeldung einer Beihilfe vor. Im Übrigen gehe die Kommission in ihrer Bekanntmachung vom 9. April 2009 (Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, 2009/C 85/01 [im Weiteren auch: Beihilfe-Bekanntmachung], Rn. 73 ff., insb. Rn. 75) davon aus, dass im Falle von Beihilfen in Form von Abgabenbefreiungen – wie sie vorliegend gegeben seien – keine Klagebefugnis Dritter bestehe. Dem entspreche auch die Rechtsprechung des EuGH, nach der Dritte sich nicht auf die rechtswidrige Beihilfengewährung in Form einer Abgabenbefreiung eines anderen Unternehmens berufen könnten, um sich selbst der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen, es sei denn, es bestehe ein zwingender Verwendungszusammenhang zwischen der Abgabe und der Beihilfe (ausgeführt unter Verweis auf EuGH, verb. Rs. C-393/04 und C-41/05 [Air liquide] sowie verb. Rs. C266/04 bis C-270/04, C-276/04 und C-321/04 [Casino France u. a.]), was vorliegend indes zu verneinen sei.

Die Hauptsache sei zudem unbegründet. Sowohl der Bescheid für 2015 als auch der streitgegenständliche Bescheid für 2016 seien rechtmäßig. Die Voraussetzungen der (vorläufigen) Befreiung lägen jeweils vor. Der Antragstellerin drohe die Insolvenz, für deren Abwendung die beantragte Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich sei. Ursächlich für die fehlende Leistungsfähigkeit der Antragstellerin in den Jahren 2015 und 2016 sei die Verpflichtung zur Entrichtung der Herstellerabschläge. Denn ohne diese Rabattgewährung wären in 2015 (bei EUR 13 Millionen Verlust und Rabattgewährungen in Höhe von EUR 14 Millionen) wie auch im ersten Halbjahr 2016 (bei EUR 3,543 Millionen Verlust und rund EUR 5,8 Millionen gewährten Rabatten) Gewinne in Höhe von ca. EUR 1 Millionen (2015) bzw. rund EUR 2,3 Millionen (erstes Halbjahr 2016) erwirtschaftet worden. Die finanzielle Bedrängnis der Antragstellerin sei auch im Übrigen nicht auf unternehmerische Fehlentscheidungen zurückzuführen. Ihre Situation unterscheide sich von der anderer Arzneimittelimporteure, da ihre Bruttorendite aufgrund der Hochpreisigkeit ihres Sortiments lediglich ca. 16 % betrage, so dass ihr nach Abzug der Herstellerrabatte von 7 % eine Restrendite von 9 % verbleibe. Anderen Arzneimittelimporteuren verblieben demgegenüber Renditen zwischen 13 % und 16 %. Die Herstellerrabatte belasteten die Antragstellerin damit aufgrund ihrer besonderen Marktsituation in außergewöhnlichem Maße. Pharmazentralnummern, deren Absatzauswertung mit "0" ausgewiesen seien, beträfen überwiegend Produkte, die in den Jahren 2000 bis 2010 zugelassen worden seien und sich aufgrund von Preissenkungen oder durch die Auswirkungen des Preismoratoriums nicht mehr rechneten; diese Produkte würden allenfalls noch in Restbeständen abverkauft, einen Kostenfaktor stellten sie hingegen nicht mehr dar.

Der Anordnung des Sofortvollzugs stehe auch nicht das Durchführungsverbot entgegen. In Hinblick auf die von der Kommission überprüfte Beihilferegelung des § 130a Abs. 4 SGB V habe das Verbot nur bis zum Abschluss des Prüfverfahrens durch Kommissionsbeschluss vom 27. März 2015 gegolten. Soweit das Durchführungsverbot damit begründet werde, dass die konkret streitgegenständliche Befreiungsentscheidung nicht den Voraussetzungen des § 130a Abs. 4 SGB V bzw. des Kommissionsbeschlusses vom 27. März 2015 entspreche, werde dem widersprochen. Die Frage, ob die konkrete Beihilfe den Voraussetzungen der durch die Kommission genehmigten Beihilferegelung entspreche, sei im Übrigen durch die nationalen Gerichte, nicht durch die Kommission zu entscheiden, so dass es der Annahme eines Durchführungsverbotes zur Sicherung der Kompetenzen der Kommission nicht bedürfe.

Schließlich sei in Hinblick auf eine über die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hinausgehende Interessenabwägung festzustellen, dass der Beigeladenen kein Aussetzungsinteresse zukomme, da die Befreiung keine Auswirkungen auf deren Wettbewerbsposition habe, und zudem die Hauptsache nicht vorweggenommen werde. Die Antragstellerin habe demgegenüber ein erhebliches Vollzugsinteresse aufgrund der dargestellten privaten Kreditsituation. Im Übrigen bestehe ein öffentliches Vollzugsinteresse, weil ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zweck der Ausnahmeregelung des § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V als Härtefallregelung leerliefe; die Erhebung der Herstellerrabatte ohne Ermöglichung einer Ausnahmeerteilung würden aber einen unverhältnismäßigen und damit rechtswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen.

Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 28. Oktober 2016, Az. 416 – Herst.PH A4-2/2015, betreffend den Antrag vom 30. Juni 2016 anzuordnen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Klage der Beigeladenen gegen die Antragsgegnerin, rechtshängig beim Sozialgericht Wiesbaden unter dem Az. S 17 KR 177/17, keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin,
vertreten durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), beantragt,
dem Hilfsantrag stattzugeben.

Sie vertritt die Auffassung, dass eine Anordnung der sofortigen Vollziehung weder erforderlich noch ihr selbst überhaupt möglich sei, da es sich bei den nach § 130a Abs. 4 SGB V erteilten Befreiungsbescheiden um Bescheide handele, gegen die Widerspruch und Anfechtungsklage bereits gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung entfalteten. Denn der Befreiungsbescheid nach § 130a Abs. 4 SGB V stelle einen actus contrarius zur staatlichen "Aufforderung der Herstellerrabattabgabe" dar, welche wiederum unter den Begriff der Abgabe im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG falle. Dem BAFA seien damit sowohl in Bezug auf den Erlass einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung, die angesichts der schon kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Drittanfechtung nicht möglich sei, als auch in Bezug auf den GKV-Spitzenverband, dem gegenüber weder das BAFA noch das ihm übergeordnete Ministerium weisungsbefugt seien, die Hände gebunden.

Im Übrigen komme der Klage der Beigeladenen in der Hauptsache auch deswegen keine aufschiebende Wirkung zu, weil sie bereits unzulässig sei. Die Beigeladene könne sich weder auf drittschützende Normen berufen noch habe sie vorgetragen, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit der Antragstellerin zu stehen. Insbesondere folge ein die Klagebefugnis begründender Drittschutz nicht aus Art. 108 Abs. 3 AEUV. Diesem komme zwar grundsätzlich drittschützende Wirkung zu. Im vorliegenden Fall lägen jedoch die Voraussetzungen der Norm nicht vor, sei das Durchführungsverbot doch mit der Entscheidung der Kommission vom 27. März 2015 entfallen. Hieran ändere auch die zwischenzeitlich anhängige Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss nichts.

In der Sache sei der Bescheid vom 28. Oktober 2016 nicht zu beanstanden. Der Antrag auf (vorläufige) Freistellung vom Herstellerabschlag könne laut Gesetzesbegründung gestellt werden, "wenn ansonsten die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährdet wäre". "Besondere Gründe", die Voraussetzung für die Stattgabe seien, "könn[t]en etwa vorliegen, wenn der erhöhte Abschlag aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde" (unter Verweis auf BTDrs. 17/2170, S. 31, 37). Davon sei im Falle der Antragstellerin auszugehen gewesen. Die Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit spreche im Übrigen für das Erfordernis der sofortigen Vollziehbarkeit.

Mit Beschluss vom 2. August 2017 hat das Gericht gemäß § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG die C. GmbH zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass ihrer (Dritt-)Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2016 nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung zukomme. Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung liege weder im öffentlichen Interesse, noch bestehe ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung, das sowohl die entgegenstehenden öffentlichen Interessen als auch die Interessen der Beigeladenen überwiegen könne. In der Hauptsache werde die Klage der Beigeladenen Erfolg haben. Die vorläufige Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerrabatten im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2016 sei rechtsfehlerhaft. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor. Dem Beschluss der Kommission vom 27. März 2015 liege der Gedanke zugrunde, dass der gesetzliche Herstellerabschlag allein ursächlich für das Eintreten der Umstände sein müsse, auf die der Antragsteller seinen Befreiungsantrag stütze. Wie im Hauptsacheverfahren dargelegt sei die wirtschaftliche Schieflage der Antragstellerin aber nicht auf die Heranziehung zu den Herstellerrabatten zurückzuführen. Ergänzend werde auf ein im Auftrag einer weiteren Mitwettbewerberin in Auftrag gegebenes Gutachten der H. GmbH zur wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin verwiesen, das diese auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen (insbesondere den Jahresabschlüssen der Antragstellerin im Vergleich zu den Jahresabschlüssen anderer Parallelimporteure für die Geschäftsjahre 2010 bis 2015) sowie verschiedenen Angaben der Auftraggeberin erstellt habe (Bl. 300, 304 ff. d. GA). Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Antragstellerin seien danach auf Ergebnisbelastungen durch die Kursentwicklung des britischen Pfund gegenüber dem Euro, im Übrigen auf strukturelle Probleme im Unternehmen und dessen Geschäftsführung, nicht jedoch auf die Herstellerrabatte zurückzuführen. Im Ergebnis handele es sich damit bei den angegriffenen Befreiungsbescheiden um eine unzulässige Subventionierung der Antragstellerin.

Die Beigeladene sei in der Hauptsache klagebefugt bereits aus § 130a Abs. 4 SGB V, der bei verfassungskonformer Lesart drittschützende Wirkung entfalte, im Übrigen aber auch aus europäischem Recht, schütze das in Art. 108 Abs. 3 AEUV normierte Durchführungsverbot doch auch die Abwehrrechte Dritter. Der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts sei insofern in Randziffer 72 zu entnehmen, dass der Grundsatz des effet utile sich unmittelbar auf die Befugnis der Geschädigten auswirke, nach Art. 108 Abs. 3 AEUV Klage bei den einzelstaatlichen Gerichten zu erheben, sowie dass einzelstaatliche Vorschriften über die Klagebefugnis dieses Recht auf einen effektiven Rechtsschutz nicht beeinträchtigten dürften. Die Beigeladene sei als Wettbewerberin der Antragstellerin mit erheblichen Überschneidungen im Angebotssortiment unmittelbar von deren Befreiung betroffen und damit klagebefugt. Die insofern in der Bekanntmachung der Kommission (Randziffer 75) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (konkret die Rs. C-174/02 [Streekgewest] sowie die verb. Rs. C-393/04 und C-41/05 [Air liquide]) angesprochene Ausnahme für allgemeine "Abgaben" sei vorliegend nicht einschlägig, weil es dort letztlich nicht um die Abwehr durch Beihilfemaßnahmen hervorgerufener Wettbewerbsverzerrungen gegangen sei (wird ausgeführt). Darauf, ob die Beigeladene als Wettbewerberin durch die der Antragstellerin gewährte Beihilfe selber in finanzielle Schwierigkeiten gerate komme es vorliegend nicht an; es genüge, dass die Beihilfe geeignet sei, eine Wettbewerbsverzerrung herbeizuführen. Unter dem Gesichtspunkt des effet utile gelte im Übrigen auch, dass Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beihilfe im Hauptsacheverfahren zu klären seien und die Entscheidung nicht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Gunsten der Beihilfeempfängerin vorweggenommen werden dürfe.

Schließlich sei die jetzige Antragsgegnerin offensichtlich die falsche Antragsgegnerin, nachdem sie keine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit sei und lediglich mit der Durchführung des Befreiungsverfahrens nach § 130a Abs. 4 Satz 4 SGB V beauftragt sei.

Auf das Vorbringen im Hauptsacheverfahren S 17 KR 177/17 werde ergänzend verwiesen.

Die Beigeladene beantragt,
sowohl den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag der Antragstellerin abzulehnen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte zum hiesigen Verfahren sowie der Akte zum Verfahren S 17 KR 177/17 und der vom Gericht beigezogenen Leistungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2016 betreffend die vorläufige Befreiung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2016 ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung (Hauptantrag) ist zulässig.

a) Der Antrag ist insbesondere vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Zuständig für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG ist das Gericht der Hauptsache. Die Hauptsache zum hiesigen Eilverfahren bildet das Verfahren S 17 KR 177/17, denn die Antragstellerin streitet um die Anordnung der sofortigen Vollziehung eben jenes Bescheides, der mit der dort erhobenen Drittanfechtungsklage zur gerichtlichen Überprüfung gestellt ist.

Für die im Verfahren S 17 KR 177/17 erhobene Drittanfechtungsklage ist das Sozialgericht Wiesbaden örtlich zuständig. Nach § 57 Abs. 5 SGG ist in Angelegenheiten nach § 130a Abs. 4 und 9 SGB V das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat. Das Verfahren S 17 KR 177/17 betrifft eine unter § 57 Abs. 5 SGG fallende Befreiung von den in § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 SGB V vorgesehenen Preisnachlässen nach § 130a Abs. 4 SGB V. Über diese Befreiungen entscheidet zwar nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit. Nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V kann es diese Aufgabe aber auf eine Bundesoberbehörde übertragen. Davon hat das Bundesministerium für Gesundheit Gebrauch gemacht und die Aufgaben nach § 130a Abs. 4 Sätze 2 bis 7 SGB V auf das BAFA übertragen, das seinen Sitz in Eschborn hat, das wiederum im Bezirk des Sozialgerichts Wiesbaden liegt.

b) Der Antrag ist statthaft. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Vorschrift erfasst (unter anderem) die Fälle, in denen ein den Adressaten begünstigender Verwaltungsakt einen Dritten belastet, der einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung einlegt. Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Antrags nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG ist damit, dass (Dritt-)Widerspruch bzw. (Dritt-)Anfechtungsklage fristgerecht eingelegt sind und dass diesen aufschiebende Wirkung zukommt.

aa) Die Beigeladene hat als – ihrer Auffassung nach – durch den die Antragstellerin begünstigenden Befreiungsbescheid vom 28. Oktober 2016 belastete Dritte fristgerecht zunächst Widerspruch und dann Anfechtungsklage erhoben (vgl. § 84 Abs. 1, ggf. i. V. m. § 66 Abs. 2 SGG, auf den es angesichts der Einhaltung der Monatsfrist allerdings nicht ankommt, bzw. § 87 Abs. 2 SGG).

bb) Der Anfechtungsklage kommt aufschiebende Wirkung zu.

(1) Ob einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt, bestimmt sich für das sozialgerichtliche Verfahren nach § 86a SGG. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG. Das gilt auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG.

(2) Nach § 86a Abs. 2 SGG kann diese aufschiebende Wirkung ausnahmsweise entfallen. In Betracht kommt vorliegend allenfalls § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, auf den auch die Antragsgegnerin sich beruft. Nach diesem entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

(a) Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Bei den Herstellerrabatten handelt es sich weder um Beiträge oder Umlagen, noch liegt eine öffentliche Abgaben im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vor. Was unter den Begriff der "öffentlichen Abgabe" im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bzw. in der entsprechenden Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu verstehen ist, ist allerdings im Einzelnen schwierig zu bestimmen. Unstreitig ist insofern, dass hiervon – dem Zweck der Vorschrift entsprechend – Geldforderungen erfasst sind, die ein Hoheitsträger zur Deckung seines Finanzbedarfs für die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhebt (nur Keller, in: Meyer-Ladewig u. a. [Hrsg.], SGG, 12. Auflage, 2017, § 86a Rn. 13a; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte [Hrsg.], SGG, 2. Auflage, 2014, § 86a Rn. 20). Ob die Geldforderung dabei allein oder doch zumindest primär der Finanzierung dienen muss – etwa in dem Sinne, dass sie eine Stetigkeit des Mittelflusses und die darauf beruhende Gewährleistung einer geordneten Haushaltsführung verlangt – oder ob es etwa ausreichend ist, wenn sie neben anderen Funktionen – wie Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktionen – auch (ggf.: mit gleichem Stellenwert) der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs dient, ist darüber hinaus zwar umstritten (vgl. nur Wehrhahn, a. a. O.; zur Parallelvorschrift in der VwGO: Gersdorf, in: Posser/Wolff [Hrsg.], VwGO, 2. Auflage, 2014, § 80 Rn. 45 ff. m. zahlr. Nw.; Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, § 80 Rn. 26 ff.; Schenke, in: ders. [Hrsg.], VwGO, § 80 Rn. 57, 61), vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Denn mit dem Bundesverfassungsgericht geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass es sich bei den Herstellerrabatten nach § 130a SGB V lediglich um Preisinterventionen des Staates handelt, mit denen zwar unstreitig Einsparungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werden sollen, die dadurch aber nicht zu einer Abgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn werden; vielmehr wirken die Preisreglementierungen sich unmittelbar nur im Bereich privatautonom vereinbarter Leistungsbeziehungen aus; es geht mithin nicht darum, Einnahmen für öffentliche Haushalte zu erzielen. Zweck der Regelung ist vielmehr allein die – mittelbare – Erzielung eines Einspareffekts bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 ff.; juris, Rn. 242 ff.; dem vorgehend, allerdings zu § 311 Abs. 1 lit. b) SGB V, BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 20.12.1990, 1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90, SozR 3-2500 § 311 Nr 1, juris, Rn. 6 ff.). Damit liegt auch eine Abgabe im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht vor (auch Wallerath, SGb 2006, S. 505 [508]).

(b) Darüber hinaus ist die Anwendung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegend auch schon deswegen ausgeschlossen, weil die Beteiligten nicht um die Anforderung einer Geldleistung streiten, sondern um die Befreiung von einer gesetzlich vorgesehenen Rabattierungspflicht. Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bestehen darin, die finanzielle Funktionsfähigkeit der Leistungsträger zu sichern und eben darum den Rechtsbehelfen gegen Abgabenforderungen die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Damit mögen möglicherweise über die Anforderung im engeren Sinne hinaus auch sonstige Verwaltungsakte vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung betroffen sein, die der Realisierung des behördlichen Anspruchs auf die Abgabe dienen, wie etwa die Aufhebung einer Beitragsstundung (Keller, a. a. O., Rn. 13). Auch von der Rabattierungspflicht befreiende Verwaltungsakte – über den Wortlaut hinaus – unter die Norm zu fassen und damit deren sofortige Vollziehung anzuordnen besteht demgegenüber angesichts der gerade entgegengesetzten Zielrichtung des § 86 Abs. 2 Nr. 1 SGG entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kein Anlass (vgl. nur Keller, a. a. O., und Wehrhahn, a. a. O., Rn. 21, die eine solche Erweiterung nicht einmal andenken; auch Schenke, a. a. O., Rn. 56, und Gersdorf, a. a. O., Rn. 55, die für die VwGO ausdrücklich nur die "Anforderung" der Geldleistung im Sinne des engen abgaberechtlichen Begriffes gelten lassen).

(3) Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt vorliegend auch nicht deswegen, weil diese bereits unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt zulässig, mithin offensichtlich unzulässig wären. Allerdings ist streitig, ob insbesondere auch unzulässige Rechtsbehelfe – etwa, wie hier von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vorgetragen, wegen fehlender Widerspruchs- oder Klagebefugnis – aufschiebende Wirkung haben können (vgl. Keller, a. a. O., Rn. 10). Insofern mag insbesondere im Falle des erkennbaren Rechtsmissbrauchs eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs verneint werden können. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann eine solche – ungeschriebene – Ausnahme von der grundsätzlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung aber nur in Fällen angenommen werden, in denen eine (insbesondere Dritt-)Anfechtung offensichtlich unzulässig ist und die Gerichte dies auch ohne Schwierigkeiten feststellen können. Ein solcher (Ausnahme-)Fall, in dem die im Prozessrecht regelhaft angeordnete aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs zu verneinen ist, kann darum allenfalls dann angenommen werden, wenn sich die fehlende (Dritt-)Anfechtungsberechtigung bereits entweder eindeutig aus dem Gesetz oder aber mit hinreichender Deutlichkeit aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. Oktober 2015, L 3 KA 42/15 B ER, juris, Rn. 19). Von einer solchen offensichtlichen Unzulässigkeit der Hauptsacheklage kann vorliegend nicht die Rede sein. Die Frage der Berechtigung der Beigeladenen zur Einlegung von Drittwiderspruch und Drittanfechtungsklage ist in Hinblick auf die involvierte einfach- wie europarechtliche Problematik nachvollziehbarerweise zwischen den Beteiligten umstritten; Erhebliches spricht dabei für die Annahme der Klagebefugnis. Die Frage nach der Zulässigkeit der Drittanfechtungsklage ist damit zunächst eine Frage der Erfolgsaussichten der Hauptsache und also der Begründetheit des Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. insofern auch 2. c) aa)); endgültig ist sie erst im korrespondierenden Hauptsacheverfahren zu beantworten. Auf die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage und damit auf die Statthaftigkeit und also die Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung wirken sich die diesbezüglichen Zweifel vorliegend nicht aus.

c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Antragsbefugt nach § 86b Abs. 1 SGG ist grundsätzlich, wer im Hauptsacheverfahren klagebefugt ist (nur Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, 2017, § 86b Rn. 8). Im Falle der Drittanfechtung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist dies dahin zu modifizieren, dass antragsbefugt ist, wer – wie die Antragstellerin – Adressat des begünstigenden Verwaltungsaktes ist und im Hauptsacheverfahren als solcher beizuladen wäre. Denn der (vorläufigen) Durchsetzung seiner Rechte dient § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG.

d) Entgegen der Rechtsauffassung der Beigeladenen ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BAFA, das den Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung von der Antragstellerin begehrt wird, in deren Namen erlassen hat, als Beklagte des Hauptsacheverfahrens die richtige Antragsgegnerin (vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Auflage, 2017, § 86b Rn. 8).

e) Die Antragstellerin hat schließlich ein schützenswertes Rechtsschutzbedürfnis, dem nicht entgegensteht, dass – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nicht nur das Gericht nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG, sondern auch schon die Antragsgegnerin nach § 86a Abs. 3 SGG zur Anordnung der sofortigen Vollziehung des Befreiungsbescheides berechtigt ist. Denn zum einen muss ein Antragsteller sich vor dem Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht zunächst mit dem Begehren einer Entscheidung nach § 86a Abs. 3 SGG an die Verwaltung gewandt haben; eine entsprechende Regelung ist für das sozialgerichtliche Verfahren, anders als in § 80 Abs. 6 VwGO, nicht getroffen (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.10.2007, B 6 KA 4/07 R, juris, Rn. 20). Zum anderen hat die Antragsgegnerin den Erlass einer Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Verweis auf die ihrer Auffassung nach bereits kraft Gesetzes bestehende Ausnahme von der aufschiebenden Wirkung der Drittanfechtung nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ausdrücklich abgelehnt und die Antragstellerin – genauso wie im Übrigen das gegenüber dem GKV-Spitzenverband im Rahmen der Rechtsaufsicht weisungsbefugte Ministerium für Gesundheit – zur Erlangung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung auf den gerichtlichen Eilrechtsschutz verwiesen.

2. Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch begründet.

a) Dem Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung steht nicht bereits die vor dem Europäischen Gericht erhobene Nichtigkeitsklage der E. GmbH & Co. KG (T-354/15) und damit der Umstand entgegen, dass der Beschluss der Kommission vom 27. März 2015 (SA.34881 [2013/C]) noch nicht bestandskräftig ist. Soweit das so genannte Durchführungsverbot auf die fehlende Genehmigung einer Beihilferegelung – wie hier des § 130a Abs. 4 SGB V – durch die Kommission gestützt ist, endet es mit dem Abschluss des Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV durch Positiventscheidung (vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung [EG] 659/1999 bzw. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 3 der Verordnung [EU] 2015/1300) der Kommission. Denn Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bestimmt, dass ein Mitgliedstaat eine beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen darf, bevor die Kommission im Rahmen des nach Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Prüfverfahrens einen abschließenden Beschluss über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt erlassen hat. Das so bestimmte Durchführungsverbot gilt für angemeldete wie für nicht angemeldete Beihilfemaßnahmen gleichermaßen. Mit § 130a Abs. 4 SGB V lag eine so genannte nicht angemeldete Beihilfemaßnahme vor, für die die Kommission das Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV durchgeführt hat.

Nach dem Wortlaut des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist die zeitliche Geltung des während des Prüfverfahrens gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV geltenden Durchführungsverbots auf den Zeitraum beschränkt, bis die "Kommission einen abschließenden Beschluss" – hier die Positiventscheidung vom 27. März 2015 – "erlassen hat". Bestands- bzw. Rechtskraft dieses Beschlusses ist nach dem Wortlaut des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht erforderlich.

Anderes ist auch nicht nach dem Grundsatz des effet utile zu fordern. Art. 3 der zum 14. September 2015 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2015/1589 greift das Durchführungsverbot auf, liefert aber keine Anhaltspunkt dahin, dass dessen Geltung im Falle einer Klage gegen einen Positivbeschluss der Kommission fortdauern sollte. Gleiches gilt für Art. 3 der vorgehenden Verordnung (EG) 659/1999. Ebenso wenig enthält die Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts entsprechende Anhaltspunkte. Der Europäische Gerichtshof selbst spricht von der Geltung des Verbots, geplante Beihilfemaßnahmen durchzuführen, "– falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet – bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung" (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 1973, Rs. 120/73 [Lorenz]). Wie von der Antragsgegnerin vorgetragen findet sich auch in der Literatur zu Art. 108 AEUV kein Hinweis darauf, dass das Durchführungsverbot auch während der gegen die Kommissionsentscheidung geführten Nichtigkeitsklage fortgälte (vgl. nur Werner, in: Münchner Kommentar, Europäsiches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Band 3, 2011, Art. 108 AEUV Rn. 129 ff.; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz u. a., Das Recht der Europäischen Union, 61. EL April 2017, Art. 108, Rn. 79; Bartosch, EU-Beihilfenrecht, 2. Auflage 2016, K Rn. 6 ff.; Kühling, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage, 2012, Art. 108 Rn. 14; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage, 2016, Art. 108 AEUV, Rn. 11), die von der Antragstellerin zitierte und vorgelegte Literatur, Bl. 336, 377 ff. d. GA); auf die dort teilweise diskutierte Frage, ob das Durchführungsverbot im Falle einer Nichtigkeitserklärung durch das Gericht ex nunc oder, wofür Überwiegendes spricht, ex tunc wieder auflebt, kommt es am vorliegenden Punkt nicht an.

Es entspricht und genügt auch dem Zweck des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV, wenn das Durchführungsverbot für die Dauer des Prüfverfahrens durch die Kommission gilt. Zweck des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist die Wahrung der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Kommission einerseits und den nationalen Behörden und Gerichten andererseits. Insofern genügt es, die Zuständigkeit der Kommission als europäischer Wettbewerbsbehörde bis zu der durch sie zu treffenden Entscheidung zu schützen.

Nichts anderes ergibt sich aus den allgemeinen unionsrechtlichen Kompetenzverteilungsgrundsätze: So bestimmt Art. 288 Abs. 4 Satz 1 AEUV, dass Beschlüsse der Organe der Europäischen Union – wie hier die Entscheidung der Kommission – in allen ihren Teilen verbindlich sind. Sie sind grundsätzlich auch dann rechtlich existent und entfalten Geltung, wenn sie rechtsfehlerhaft erlassen worden sind. Die Rechtsanwender des EU-Rechts sind verpflichtet, auch solche Normen und Entscheidungen des EU-Rechts zu beachten und anzuwenden, die möglicherweise an einem rechtlichen Fehler leiden. Diese Pflicht erlischt erst dann, wenn der Rechtsakt aufgehoben wurde (nur Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand September 2014, Art. 288 Rn. 219 m.w.Nw.). Dem entspricht auch Art. 278 Abs. 1 AEUV, der bestimmt, dass Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union keine aufschiebende Wirkung zukommt. Gleiches gilt gemäß Art. 254 Abs. 5 AEUV im Rahmen von Verfahren vor dem Europäischen Gericht. Auch dieser Grundsatz der fehlenden aufschiebenden Wirkung spricht gegen eine Fortgeltung des Durchführungsverbots für die Dauer der gegen eine Positiventscheidung der Kommission geführten Nichtigkeitsklage.

Dass das Durchführungsverbot dagegen vorliegend deswegen gilt, weil die konkret in Frage stehende Befreiung – wie die Beigeladene ebenfalls geltend macht – den Voraussetzungen des § 130a Abs. 4 SGB V bzw. den Voraussetzungen, auf denen die Positiventscheidung der Kommission beruhte, nicht genügte, ist demgegenüber zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, da das in Art. 108 Abs. 3 AEUV normierte Durchführungsverbot jede Beihilfemaßnahme betrifft, die durchgeführt wird, ohne dass sie angezeigt ist (stRspr EuGH, vgl. nur Urteil vom 13. Januar 2005, C-174/02 [Streekgewest], Rn. 15), ist aber zunächst eine Frage der Begründetheit der in der Hauptsache erhobenen Drittanfechtungsklage und kann von daher nur im Rahmen der allgemeinen Begründetheitsanforderungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG geprüft werden.

b) Nach den vorliegend anwendbaren allgemeinen Grundsätzen gilt: Nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Die Vorschrift selbst enthält keine Vorgaben zu den hierbei anzuwendenden Maßstäben. Generell gilt im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG indes der Grundsatz der Folgenabwägung unter maßgeblicher Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Sind diese zu bejahen, d. h. im Falle der Drittanfechtung eines den Antragsteller begünstigenden Verwaltungsaktes, dass die Drittanfechtung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, wird das Gericht den Sofortvollzug anordnen. Umgekehrt besteht am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein schützenswertes Interesse, so dass im Fall der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Antrag abzulehnen ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht eindeutig beurteilen, müssen die übrigen für oder gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Zu berücksichtigen ist insofern, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG grundsätzlich die aufschiebende Wirkung angeordnet und damit den regelmäßigen Nachrang des Vollziehungsinteresses festgeschrieben hat; anderes ist darum nur anzuordnen, wenn trotz dieser Grundentscheidung im Einzelfall die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt (vgl. Keller, a. a. O., § 86b, Rn. 12d i. V. m. Rn. 12b zu § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG)

c) Vorliegend ist im Rahmen der im Eilverfahren möglichen Prüfungsdichte davon auszugehen, dass die Klage der Beigeladenen in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Denn die Klage dürfte zwar zulässig, aber nicht begründet sein. Der streitgegenständliche vorläufige Befreiungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2016 begegnet, soweit im Rahmen des Eilverfahrens erkennbar, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Die Klage der Beigeladenen in der Hauptsache ist zur Überzeugung des Gerichts zulässig. Insbesondere dürfte der Beigeladenen die erforderliche Klagebefugnis zukommen.

§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG bestimmt, dass Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zulässig sind, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert, das heißt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung nur dann der Fall, wenn der als Dritter betroffene Kläger entweder eine eigene unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit oder die Verletzung einer Norm geltend machen kann, die auch zu seinen Gunsten drittschützende Wirkung entfaltet (nur BSG, Urteil vom 07. Februar 2007, B 6 KA 8/06 R; Urteil vom 19.12.2001, B 11 AL 57/01 R, juris, Rn. 20). Die Beigeladene beruft sich insofern auf Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG, auf die ihrer Auffassung nach bei verfassungskonformer Auslegung drittschützende Wirkung des § 130a Abs. 4 SGB V sowie schließlich auf Art. 108 Abs. 3 AEUV und das in diesem enthaltene so genannte Durchführungsverbot, dem ebenfalls drittschützende Wirkung zukomme. Die abschließende Beantwortung der Frage, ob diesen Regelungen drittschützende Wirkung entnommen werden kann, ist dabei – wie gezeigt – nicht schon der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs (also des Widerspruchs bzw. der Klage) zuzuordnen, sondern erfolgt erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung (BSG, Urteil vom 7. Februar 2007, B 6 KA 8/06 R, juris, Rn. 17).

Vorliegend ist die drittschützende Wirkung insbesondere des Art. 108 Abs. 3 AEUV – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt des effet utile – jedenfalls nicht auszuschließen. Der Beigeladenen dürfte insofern darin zuzustimmen sein, dass insbesondere die Ausführungen in den Randnummern 72 ff. der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts keinen anderen Schluss nahelegen. Denn anders als die Antragstellerin meint steht gerade die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Annahme der Klagebefugnis in einem Fall wie dem vorliegenden nicht entgegen. In der Bekanntmachung der Kommission heißt es insofern zwar, dass für "Beihilfen in Form einer Befreiung von Abgaben oder sonstigen finanziellen Verpflichtungen" (Randnummer 73) die für die Klagebefugnis von Wettbewerbern, denen dieselbe Befreiung nicht gewährt wurde, erforderlichen "Kriterien in der Regel nicht erfüllt" seien (Randnummer 75). Dem Zusammenhang ist indes zu entnehmen, dass es sich dabei allein um die Klagebefugnis in solchen Konstellationen handelt, in denen der Klagende eine eigene Abgabenlast (mit dem Ziel der eigenen Befreiung) mit dem Vortrag angreift, dass die einem anderen erteilte Befreiung eine rechtswidrige Beihilfe darstelle. In diesem Fall verlangt die Kommission (dem EuGH folgend), dass die angegriffene Abgabenlast "Bestandteil einer rechtswidrigen Beihilfemaßnahme" ist in dem Sinne, dass "das Abgabenaufkommen nach den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften ausschließlich für die Finanzierung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe verwendet werden darf und unmittelbar den Umfang der unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag [Art. 108 Abs. 3 AEUV] gewährten Beihilfe beeinflusst" (Randnummer 74) und also über diesen finanziellen Zusammenhang (so genannter "zwingender Verwendungszusammenhang", vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juni 2006, verb. Rs. C-393/04 und C-41/05 [Air Liquide], Rn. 46; Urteil vom 27. Oktober 2005, verb. Rs. C-266/04 bis C 270/04, C-276/04 und C-321/04 bis C-325/04 [Casino France u. a.], Rn. 48 f., 56; Urteil vom 13. Januar 2005, C-174/02 [Streekgewest], Rn. 26) nicht nur die Abgabe in den Anwendungsbereich der Vertragsvorschriften über staatliche Beihilfen fällt (EuGH, C 174/02 [Streekgewest], Rn. 25), sondern auch eine unmittelbare Betroffenheit des der Abgabenlast unterfallenden Klägers durch die dem Dritten erteilte Befreiung hergestellt ist. Die Ausführungen der Kommission an dieser Stelle betreffen damit allein Konstellationen, in denen fraglich ist, ob, solange die Durchführung einer Beihilfemaßnahme in Form der Befreiung von einer Abgabe noch nicht von der Kommission genehmigt ist, das dieser Beihilfe entgegenstehende Verbot auch für die (Erhebung der) Abgabe selbst gilt (vgl. insbesondere EuGH, C-174/02 [Streekgewest], Rn. 13, Vorlagefrage 2). Daneben kann ein Einzelner aber ein Interesse daran haben, sich vor den nationalen Gerichten auf die unmittelbare Wirkung des Durchführungsverbots des Art. 108 Abs. 3 AEUV zu berufen, um die durch die Gewährung einer rechtswidrigen Beihilfe herbeigeführten negativen Auswirkungen einer Wettbewerbsverfälschung beseitigen (oder auch schon: verhindern) zu lassen (nur EuGH, C-174/02 [Streekgewest], Rn. 19; Urteil vom 11. Juli 1996, C-39/94 [SFEI u. a.], außerdem auch die Bekanntmachung der Kommission selbst, etwa in Rn. 56, 72 ("Dritte, die [ ...] von der durch die Beihilfemaßnahme verursachten Wettbewerbsverfälschung betroffen sind").

Da auch im Übrigen keine Zulässigkeitsbedenken bestehen, ist davon auszugehen, dass die von der Beigeladenen erhobene Drittanfechtungsklage zulässig ist.

bb) Das Gericht geht jedoch davon aus, das die Klage in der Hauptsache nicht begründet ist. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die dort mit der Drittanfechtungsklage der Beigeladenen angegriffene vorläufige Befreiung der Antragstellerin nach § 130a Abs. 4 SGB V von den nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 SGB V zu entrichtenden Rabatten im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 30. April 2016 rechtmäßig ist.

(1) Den vorliegend streitentscheidenden beihilferechtlichen Fragestellungen liegt folgende Regelungssystematik zugrunde:

(a) Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV sehen Ausnahmen für mit dem Binnenmarkt zu vereinbarende Beihilfen vor. Nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV können Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

(b) Die Kommission veröffentlichte erstmals im Jahr 1994, erneut in 1999 und dann im Jahr 2004 "Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" (ABl. C 244 vom 1. Oktober 2004, S. 2, in der Wirkung zweimal verlängert bis schließlich zum 31. Juli 2014). Zum 1. August 2014 traten die neuen Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten in Kraft (ABl. C 249 vom 31. Juli 2014, S. 1; im Folgenden: "Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien").

In diesen Leitlinien erläutert die Kommission, unter welchen Voraussetzungen staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten auf der Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können (Randnummer 1 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien). Als Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien ist ein Unternehmen anzusehen, wenn es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift (Randnummer 20). Hintergrund ist die Annahme, dass, da ein Unternehmen in Schwierigkeiten in seiner Existenz bedroht sei, es nicht als geeignetes Mittel zur Verwirklichung anderer Ziele des öffentlichen Interesses dienen könne, bis seine Rentabilität (wieder) gewährleistet sei. Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten könnten deswegen nur dann zur Entwicklung von Wirtschaftszweigen beitragen, ohne den Handel so weit zu beeinträchtigen, dass dies dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe (Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV), wenn die in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien beschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien, selbst wenn die Beihilfen nach Maßgabe einer bereits genehmigten Beihilferegelung gewährt würden (Randnummer 23).

 
Im hier interessierenden Bereich, insbesondere in Hinblick auf die Definition der "Unternehmen in Schwierigkeiten" wie auch die Zielrichtung der Leitlinien, entsprechen die Leitlinien von 2014 dabei denen von 2004, die noch dem Beschluss der Kommission vom 27. März 2015 zu Grunde lagen (dazu unten unter [2]).

(c) Die Beihilferegelung des § 130a Abs. 4 lautete im streitgegenständlichen Zeitraum auszugsweise:

(4) 1Das Bundesministerium für Gesundheit hat nach einer Überprüfung der Erforderlichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 3a nach Maßgabe des Artikels 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme die Abschläge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Krankenversicherung, nicht mehr gerechtfertigt sind. 2Über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der in Satz 1 genannten Richtlinie auf Ausnahme von den nach den Absätzen 1, 1a und 3a vorgesehenen Abschlägen entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit. 3Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. 4§ 34 Absatz 6 Satz 3 bis 5 und 7 gilt entsprechend. [ ...] 8Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Aufgaben nach den Sätzen 2 bis 7 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.

Art. 4 der in § 130a Abs. 4 SG V in Bezug genommenen Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Transparenz-Richtlinie) lautet auszugsweise:

(1) [ ...]

(2) In Ausnahmefällen kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, eine Abweichung von einem Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. [ ...]

(d) Nach dem vom BAFA herausgegebenen "Merkblatt für Unternehmen, die einen Antrag auf Ausnahme von den gesetzlichen Herstellerabschlägen nach § 130a Absatz 4 und 9 SGB V stellen" (Merkblatt) ist ein für die Genehmigung einer Befreiung ausreichender besonderer Grund anzunehmen, wenn der Herstellerabschlag aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens sowie dessen Mehrheitsgesellschafter gefährden würde (unter Verweis auf BT Drs. 17/2170, S. 37). Maßgebend sei, ob der Konzern bzw. bei konzernunabhängigen Unternehmen das Unternehmen selbst durch den gesetzlichen Herstellerabschlag finanziell unzumutbar belastet werde. Eine unzumutbare finanzielle Belastung des Unternehmens sei insbesondere dann anzunehmen, wenn das Unternehmen nicht in der Lage sei, mit eigenen finanziellen Mitteln, Beiträgen der Gesellschafter oder anderweitigen Maßnahmen die Illiquidität zu vermeiden (Punkt 2.1 des Merkblatts).

In Punkt 2.3 des Merkblatts ist weiter bestimmt:

"Der gesetzliche Herstellerabschlag muss unmittelbar ursächlich für das Eintreten der besonderen Umstände sein, auf die das Unternehmen seinen Antrag stützt. Demnach dürfen insbesondere keine strukturellen Ursachen für das Eintreten der schwierigen unternehmerischen Situation verantwortlich sein. Solange betriebswirtschaftliche Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung der schwierigen finanziellen Situation noch nicht ausgeschöpft sind, sind diese primär durchzuführen. Die bisher durchgeführten betriebswirtschaftlichen Maßnahmen sind im Antrag kurz zu erläutern."

(2) Mit der Beschwerde, die zur Einleitung des Prüfverfahrens und zum Beschluss der Kommission vom 27. März 2015 führte, hatte die E. GmbH & Co. KG gerügt, dass die Möglichkeit der Befreiung von den Herstellerabschlägen als rechtswidrige Betriebsbeihilfe anzusehen sei, da sie die – ihrer Auffassung nach anwendbaren – rechtlichen Anforderungen der Rettungs- und Umstrukturierungsrichtlinien nicht erfülle. Die Kommission erklärte die Maßnahme in ihrem abschließenden Beschluss demgegenüber für mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar. Bei Anwendung der Definition der unzumutbaren finanziellen Belastung gemäß der Regelung sei es allerdings wahrscheinlich, dass Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien für eine Befreiung in Betracht kämen, was grundsätzlich eine Würdigung der gewährten Beihilfe nach diesen Leitlinien erforderlich machte (Randnummer 84 des Beschlusses). Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der Europäische Gerichtshof bereits klargestellt habe, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG dahin auszulegen sei, dass "die Mitgliedstaaten für ein Unternehmen, das von einer Maßnahme betroffen ist, die für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien einen Preisstopp oder eine Preissenkung verfügt, stets die Möglichkeit vorsehen müssen, eine Ausnahme von dem durch diese Maßnahme vorgeschriebenen Preis zu beantragen" (Randnummer 86 f. des Beschlusses; EuGH, Urteil vom 2. April 2009, Menarini u. a., C-352/07 bis C-356/07, C-365/07 bis C-367/07 und C-400/07, Rn. 58). Vorliegend sei entscheidend, dass von Beteiligten wie von der Bundesrepublik Deutschland vorgetragen worden sei, dass nur Unternehmen, die nachweisen könnten, dass ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen ihren finanziellen Schwierigkeiten und dem durch die deutschen Rechtsvorschriften eingeführten Preisstopp bestünden, für Beihilfen im Rahmen der Regelung in Betracht kämen, d. h. dass von der Regelung nur Unternehmen profitierten, die ohne den Preisstopp keine Unternehmen in Schwierigkeiten wären (Randnummer 89). Das Leitprinzip der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien bestehe darin, zu gewährleisten, dass ineffiziente Unternehmen nicht künstlich auf dem Markt gehalten würden (Randnummer 90). Im Fall des § 130a Abs. 4 SGB V und angesichts des unmittelbaren und strengen kausalen Zusammenhangs zwischen den Schwierigkeiten der Begünstigten und dem Preisstopp könnten die begünstigten Unternehmen nicht als ineffizient angesehen werden. Ihr Überleben auf dem Markt werde nicht durch ihre Unfähigkeit zur Deckung ihrer Kosten auf der Grundlage der Marktpreise gefährdet, sondern durch die staatliche Intervention in Form des Preisstopps, die es ihnen unmöglich mache, derartige Marktpreise in Rechnung zu stellen. Die Befreiung vom Preisstopp, die durch die in Rede stehende Regelung eingeführt wurde, zielten daher als solche nicht darauf ab, ineffiziente Unternehmen künstlich auf dem Markt zu halten. Folglich liefen sie den Grundprinzipien der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien nicht zuwider (Randnummer 91). Die Kommission halte es daher ausnahmsweise für angemessen, die Vereinbarkeit der Beihilfe unmittelbar auf der Grundlage des AEUV zu würdigen. Deshalb erfolge die Würdigung der Vereinbarkeit der in § 130a Abs. 4 SGB V festgeschriebenen besonderen Befreiungen mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV (und nicht der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien; Randnummer 92). Dessen Voraussetzungen seien gegeben, da die Beihilfemaßnahme ein klar definiertes Ziel von gemeinsamem Interesse verfolge und zur Erreichung dieses Ziels gut konzipiert sei und den Wettbewerb und den Handel innerhalb der Union nicht in einer Weise beeinträchtige, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe (wird ausgeführt; Randnummern 94 ff.).

(3) Ist, wie vorliegend, das einzelstaatliche Gericht aufgerufen darüber zu befinden, ob eine in Frage stehende staatliche Maßnahme unter eine von der Kommission genehmigte Beihilferegelung fällt, so darf es lediglich prüfen, ob alle Voraussetzungen der Entscheidung erfüllt sind, mit der die Regelung ursprünglich genehmigt wurde (Randnummer 17 der Beihilfe-Bekanntmachung); das nationale Gericht überprüft demgegenüber nicht die Rechtmäßigkeit bzw. Gültigkeit der Kommissionsentscheidung selbst.

Vorliegend wird von der Beigeladenen gerügt, dass die Antragstellerin von den Herstellerabschlägen befreit worden sei, obwohl ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht – wie das Merkblatt des BAFA es vorgebe – auf eben diesen Abschlägen beruhten, sondern auf in der Vergangenheit liegenden wirtschaftlichen Fehlentscheidungen und strukturellen Missständen im Unternehmen. Damit erfülle die konkrete Beihilfemaßnahme nicht die Voraussetzungen, unter denen die Kommission im Beschluss vom 27. März 2015 den § 130a Abs. 4 SGB V für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe. Bei der (vorläufigen) Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerabschlägen handele es sich damit um eine staatliche Beihilfe, die nicht angemeldet und nicht genehmigt sei und für die daher das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV gelte.

Das Gericht vermag sich dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen. Anders als von der Beigeladenen vertreten wird die streitgegenständliche Befreiung der Antragstellerin den Anforderungen des § 130a Abs. 4 SGB V in der Auslegung, die das BAFA ihm in seinem Merkblatt hat zukommen lassen, wie auch den Voraussetzungen, die die Kommission ihrem Beschluss vom 27. März 2015 zugrunde gelegt hat, gerecht.

Allerdings sind die in der Vergangenheit zu verzeichnenden und noch fortwirkenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Antragstellerin soweit von außen erkennbar zu erheblichem Teil auf unternehmerische Fehlentscheidungen bzw. auf Marktentwicklungen zurückzuführen, die von den Herstellerabschlägen gänzlich unabhängig sind. Die Folgen des "Medikamentenskandals" in G., der zu erheblichen Rückrufaktionen, Abschreibungen und unter Umständen auch einem Vertrauensverlust des Marktes in die Antragstellerin geführt hat, Währungsschwierigkeiten aufgrund des im Vergleich zum Englischen Pfund entwerteten Euros wie auch eine der Antragstellerin vorgeworfene verfehlte Produktpolitik, verbunden mit übermäßigen (Zulassungs-)Kosten und geringen Gewinnmargen, stehen in keinem inhaltlichen Zusammenhang zu den durch die Herstellerabschläge zusätzlich bewirkten finanziellen Belastungen. Diese Umstände und ggf. auch Fehlentscheidungen der Vergangenheit führen für sich genommen jedoch nicht dazu, dass die von der Kommission aufgestellten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Beihilfemaßnahme nicht erfüllt wären. Denn der Grundgedanke des Kommissionsbeschlusses vom 27. März 2015 ist wohl, dass entsprechend der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien aus eigener Kraft nicht überlebensfähige Unternehmen von den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht über Subventionen am Markt gehalten werden sollen, die Transparenz-Richtlinie aber eine Ausnahmemöglichkeit genau dann verlange und eröffne, wenn die besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens gerade auf die Belastung durch die Herstellerabschläge zurückzuführen sind und eben durch die Befreiung von denselben behoben werden können. Die Rechtmäßigkeit der Befreiung setzt damit aber weder voraus, dass das Unternehmen sich in der Vergangenheit keinerlei unternehmerischer Fehlentscheidung schuldig gemacht hätte, noch dass es so stabil dastünde, dass es die Herstellerabschläge als zusätzliche Belastung verkraftete. Im Gegenteil ermöglicht die Transparenz-Richtlinie und setzt die Befreiung nach § 130a Abs. 4 SGB V gerade voraus, dass das Unternehmen ökonomisch so schwach aufgestellt ist, dass es die durch die Abschläge bewirkte weitere Belastung nicht mehr verkraftete. Das heißt, dass selbst bei nachgewiesenen Schwächen oder strukturellen Fehlentscheidungen in der Vergangenheit ein Unternehmen, dessen Überlebenschancen am Markt ohne die Belastung durch die Herstellerrabatte – bei entsprechender Anstrengung und Umstrukturierung – positiv zu bewerten wären, von den Abschlägen befreit werden kann, wenn gerade diese Abschläge die für die Sanierung erforderlichen – und im Grundsatz bereiten – Mittel abschöpften und es dadurch in die Situation brächten, die Gefahr der Insolvenz nicht mehr aus eigener Kraft abwenden zu können. Denn in diesem Fall gleicht die Befreiung nicht primär die sonstigen Schwierigkeiten des Unternehmens aus, sondern sie eliminiert lediglich die zusätzliche (staatliche) Belastung, die dem Unternehmen das Überleben am Markt verunmöglichen würde. Im Kommissionsbeschluss vom 27. März 2015 argumentiert die Kommission entsprechend zum Preismoratorium (§ 130a Abs. 3a SGB V): Bei Vorliegen des zu fordernden Zusammenhangs zwischen den Schwierigkeiten der Begünstigten und dem Preisstopp werde das "Überleben" dieser Unternehmen "auf dem Markt [ ...] nicht durch ihre Unfähigkeit zur Deckung ihrer Kosten auf der Grundlage der Marktpreise gefährdet, sondern durch die staatliche Intervention in Form des Preisstopps, die es ihnen unmöglich mache, derartige Marktpreise in Rechnung zu stellen." Entsprechendes muss für die Erhebung der Herstellerrabatte nach § 130a Abs. 1, 3b SGB V gelten. Ob die Voraussetzung für die Befreiung von den Abschlägen gegeben ist, lässt sich damit (jedenfalls retrospektiv) mit relativer Sicherheit daran festmachen, ob allein diese Befreiung die Insolvenz des Unternehmens abzuwenden geeignet ist bzw. war.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Befreiung ist weiterhin, dass diese keine Subventionierung einer ansonsten nicht mit aller Anstrengung auf das Überleben des Unternehmens ausgerichteten Geschäftspolitik ist. Eine Befreiung von den Herstellerabschlägen darf also nicht zur Gegenfinanzierung von Gesellschafterentnahmen, übermäßigen Geschäftsführergehältern oder einer sonst wie gearteten fortgesetzt falschen Unternehmenspolitik erfolgen. Solange betriebswirtschaftliche Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung der schwierigen finanziellen Situation noch nicht ausgeschöpft sind, sind diese primär durchzuführen (Punkt 2.3 des BAFA-Merkblatts zur "Ursächlichkeit" des Herstellerabschlags).

Soweit für das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens erkennbar, hat die Antragstellerin in der Vergangenheit weitgehende Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen bzw. jedenfalls eingeleitet. Dass das Unternehmen auf Einsparpotentiale verzichtete oder sonst nicht alles in seiner Möglichkeit getan hätte, um zu gesunden, ist nicht erkennbar. Gegenwärtig deuten die wirtschaftlichen Kennzahlen der Antragstellerin dahin, dass das Unternehmen durch die in der Vergangenheit – nur für einzelne Zeiträume – erteilten Befreiungen in die Lage versetzt wurde, sich zukünftig eigenständig am Markt zu halten.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien der streitgegenständlichen Befreiung nicht entgegenstehen.

Die zur Überzeugung des Gerichts nach alledem überwiegend abzulehnenden Erfolgsaussichten der Drittanfechtungsklage im Verfahren S 17 KR 177/17 sprechen damit für die begehrte Anordnung der sofortigen Vollziehung.

d) Anderes folgt auch nicht aus der im Rahmen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ergänzend vorzunehmenden Folgenabwägung unter sonstigen Gesichtspunkten.

Die Höhe der von der Antragstellerin tatsächlich zu befürchtenden finanziellen Nachteile im Falle der fortgesetzten Aussetzung der Vollziehung sind allerdings für das Gericht nicht abschließend zu beurteilen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin erschließt sich eine Insolvenzgefahr angesichts der bestehenden Kreditsituation und der zudem vorgetragenen Stabilisierung des Geschäfts nicht unmittelbar bzw. jedenfalls nicht als akute Gefahr. Auch dürfte ausgeschlossen sein, dass der Antragstellerin allein durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Gericht eine Ablösung des laufenden Kredits zum 31. Dezember 2017 und damit die Realisierung der durch die Antragstellerin dargelegten Einsparmöglichkeiten möglich wären. Nicht nur ist der vorliegende Beschluss der Beschwerde einschließlich der damit verbundenen weiteren zeitlichen Verzögerungen zugänglich; angesichts der von der Antragstellerin selbst vorgetragenen Zeitabläufe bei der praktischen Rückabwicklung der Rabattgewährung kann auch sonst schon nicht mehr mit der rechtzeitigen Bereitstellung der aus der Rückabwicklung verfügbaren Mittel gerechnet werden, um aus diesen den Kredit abzulösen. Dem Gericht nachvollziehbar ist indes zum einen die vorgetragene Möglichkeit der Eröffnung einer günstigeren Kreditoption über einen dritten Investor für den Fall des in Aussicht gestellten zeitnahen Beginns der Rückabwicklung, zum anderen das – auch vom Gericht als realistisch eingestufte – Risiko, dass eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr so rechtzeitig käme, dass die Ablösung des in Anspruch genommenen Kredits jedenfalls zum 31. Dezember 2018 als dem insofern vertraglich vorgegebenen Datum ermöglicht würde. Angesichts der von der Antragstellerin im Geschäftsjahr 2016 insgesamt erwirtschafteten finanziellen Verluste spricht jedenfalls viel dafür, dass die weitere Vorenthaltung der (vorläufigen) Erstattung, die ca. EUR 3,44 Millionen betragen soll, von gravierender wirtschaftlicher Auswirkung für das weitere wirtschaftliche Schicksal der Antragstellerin wäre. Die streitgegenständliche Befreiung wurde von der Antragsgegnerin als der mit dem erforderlichen betriebswirtschaftlichen Fachwissen ausgestatteten Behörde zudem gerade in Hinblick auf die Frage der wirtschaftlichen Existenzsicherung ausgesprochen; von einem erheblichen wirtschaftlichen Interesse ist also auch von daher auszugehen.

Ein überwiegendes Interesse an der weiteren Aussetzung der Vollziehung kommt zur Überzeugung des Gerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt des effet utile-Gedankens in Betracht. Die einzelstaatlichen Gerichte sind allerdings verpflichtet, im Rahmen des durch sie gewährten (Eil-)Rechtsschutzes der Effektivität und der unmittelbaren Wirkung von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie dem Gemeinschaftsinteresse an der Einhaltung der unionsrechtlichen Beihilfevorschriften umfassend Rechnung zu tragen (vgl. Randnummer 22 der Beihilfe-Bekanntmachung der Kommission). Soweit und solange das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV unzweifelhaft gilt insbesondere weil die Kommission sich noch im förmlichen Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV befindet – gilt das Durchführungsverbot darum umfassend und dürfen auch vor den einzelstaatlichen Gerichten vorläufige Begünstigungen nicht zugesprochen und entsprechenden gegen das Durchführungsverbot gewährten Beihilfen nicht zur vorläufigen Durchsetzung verholfen werden. Die Gerichte sind damit im Rahmen der nationalen Rechtsordnung auch zur Verhinderung der Auszahlung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet (Randziffern 27, 56 der Mitteilung). Ist aber wie vorliegend eine Beihilferegelung von der Kommission genehmigt und spricht Überwiegendes dafür, dass eine auf der Grundlage dieser Regelung ausgesprochene konkrete Beihilfe den dort normierten Voraussetzungen genügt und von daher rechtmäßig ist, verlangt auch das Unionsrecht nicht mehr die vorsorgliche Aussetzung der Vollziehung bis zu einer Entscheidung über die Beihilfe in der Hauptsache. Dies muss gerade auch dort gelten, wo wie hier europarechtliche Regelungen selbst eine Beihilfegewährung gerade zur Überbrückung akuter Engpässe und der Beseitigung existenzieller wirtschaftlicher Bedrohungen vorsehen.

In Hinblick auf bestehende wirtschaftliche Rückabwicklungsrisiken gilt im Übrigen: Sollte die Klage der Beigeladenen in der Hauptsache Erfolg haben und die Befreiung aufgehoben werden, entsteht letztlich keine andere Situation als in dem Fall, in dem die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer endgültigen behördlichen Entscheidung über den Befreiungsantrag dazu kommt, dass diese nicht auszusprechen und die vorläufig erteilte Befreiung wieder aufzuheben sei. In jedem Fall sind die bereits erstatteten Abschläge von der Antragsgegnerin zurück zu erstatten. Dabei dürfte im Falle der ohne die Befreiung fortbestehenden Insolvenzgefahr die endgültige Prüfung allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit nicht anders ausfallen als bereits die vorläufige Prüfung, so dass die Antragstellerin also die Beihilfe behalten dürfte; steht die Antragstellerin hingegen wirtschaftlich stabiler da als noch prognostiziert, dürfte auch eine angeordnete Rückerstattung der Abschläge keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten begegnen.

Fällt die Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufgrund einer abweichenden Beurteilung der sonstigen rechtlichen Voraussetzungen gegen die vorläufige Befreiung aus, wäre allerdings der in der vorläufigen Befreiung zu sehende Eingriff in den Wettbewerb nicht mehr vollumfassend rückgängig zu machen, insbesondere wenn die Antragstellerin nur durch die vorläufig gewährte Befreiung am Markt gehalten wurde. Das Gericht schätzt die Nachteile für Wettbewerber und Allgemeinheit insoweit aber als weniger gravierend ein als umgekehrt die Nachteile, die für die Antragstellerin mit der Ablehnung der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden wären. Insbesondere die Interessen der Beigeladenen an der Vermeidung ungerechtfertigter Wettbewerbsverzerrungen zugunsten einer Marktkonkurrentin sind allerdings nicht zuletzt unter europarechtlichen Gesichtspunkten schützenswert. Ein im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes schützenswertes Interesse des Drittanfechtenden an der vollständigen Verdrängung eines Wettbewerbers aus dem Markt vermag das Gericht darüber hinaus nicht zu erkennen. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Dieser schützt die Freiheit des Berufs. Staatliche Wettbewerbsbeeinflussungen können einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG darstellen (nur BVerfGE 86, 28 [37]). Die Befreiung vom Herstellerrabatt stellt einen solchen Wettbewerbseingriff zugunsten des begünstigten Unternehmers dar (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. November 2015, L 8 KR 88/12, Rn. 33). Ebenso wie Art. 12 Abs. 1 GG aber den Wettbewerber nicht vor der Zulassung weiterer Konkurrenten schützt (nur Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 34. Auflage, Stand: 15.08.2017, Art. 12, Rn. 62 m. zahlr. Nw.) oder ihm einen Anspruch auf bestimmte Marktchancen oder Marktentwicklungen vermittelt, verschafft er ihm auch nicht per se einen Anspruch darauf, dass der Staat dem – mitursächlich durch staatliche Abgaben herbeigeführten – wirtschaftlichen Untergang eines Wettbewerbs zusehen müsste, ohne regulierend einzugreifen. Im Übrigen kann zwar unterstellt werden, dass die einem Wettbewerber gewährte Beihilfe irgendwie immer auch in die Wettbewerbsposition von dessen Konkurrenten eingreift. Von einer Erheblichkeit der Beeinflussung der Wettbewerbsposition gerade der Beigeladenen kann angesichts deren marktbeherrschender Stellung, die sie trotz der in der Vergangenheit erfolgten Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerabschlägen sogar weiter ausbauen konnte, aber nicht gesprochen werden. Angesichts der angenommenen Rechtmäßigkeit der Befreiung vermag das Interesse der Beigeladenen an der aufschiebenden Wirkung ihrer Drittanfechtungsklage das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung damit letztlich nicht zu überwiegen.

3. Der Antragsgegnerin und der Beigeladenen waren in entsprechender Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin jeweils zu ein Halb aufzuerlegen. Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung vollständig obsiegt. Die geteilte Kostentragungspflicht entspricht der Billigkeit, da Beigeladene und Antragsgegnerin gemeinsam die Ursache für das Verfahren gesetzt haben. Die Antragsgegnerin hätte es in der Hand gehabt, durch eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG das gerichtliche Eilverfahren zu vermeiden. Stattdessen hat sie die Antragstellerin ausdrücklich auf den gerichtlichen Eilrechtsschutz verwiesen. Die anteilige Kostentragungspflicht der Beigeladenen war möglich, da diese im Verfahren eigene Anträge gestellt hat, § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO; sie war billig, da die Beigeladene zum einen durch ihre Drittanfechtungsklage den Anlass für das hiesige Eilverfahren geboten und zudem vollumfänglich die Ablehnung der Anträge der Antragstellerin beantragt hat und also im Verfahren vollständig unterlegen ist.

Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin – der allerdings abzulehnen gewesen wäre – kam es daneben für die Kostenentscheidung nicht mehr an.

Für eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die allein unter Billigkeitsgesichtspunkten erfolgen könnte, § 162 Abs. 3 VwGO, sieht das Gericht nach dem Vorstehenden keinen Raum.

4. Das Gericht hat den Streitwert nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen und entsprechend dem vorläufigen Streitwertbeschluss vom 3. August 2017 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -). Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2016, mit dem diese die Antragstellerin gemäß § 130a Abs. 4 SGB V für alle von ihr vertriebenen Arzneimittel rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2016 von der Preisabschlagspflicht nach § 130a Abs. 1 Satz 1, 2 in Verbindung mit Abs. 3b Satz 1 SGB V vorläufig befreit hat. Der Antragstellerin geht es damit in der Sache um die vorläufige Rückgewährung gezahlter Abschläge in Höhe von 3.440.484,80 Euro netto.

Da der im korrespondierenden Hauptsacheverfahren S 17 KR 177/17 durch die Beigeladene angegriffene Befreiungsbescheid lediglich eine vorläufige Regelung zu diesen Abschlägen trifft, dürfte bereits der dort zu Grunde zu legende Streitwert im Wege des Ermessens zu reduzieren sein. Ein weiterer Abschlag ist vorzunehmen, da der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nur auf eine vorläufige Regelung – die Anordnung der sofortigen Vollziehung – zu dieser bereits lediglich vorläufigen Befreiung gerichtet ist. Das Gericht geht in der Zusammenschau der Umstände von einer angemessenen Beschränkung des Streitwertes auf ein Sechstel des (vorläufigen) Befreiungsbetrages aus. Damit ergibt sich ein Streitwert von 573.414,13 Euro (3.440.484,80 Euro / 6).

Da der Hilfsantrag denselben Streitgegenstand betrifft und lediglich aufgrund der bei Antragseinlegung bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtslage einen anderen Zugang zu demselben Ziel – der Ermöglichung der vorläufigen Vollziehung des Befreiungsbescheides vom 28. Oktober 2016 – verfolgt, wirkt sich dieser nicht streitwerterhöhend aus.

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Berichtigungsbeschluss:

hat die 17. Kammer des Sozialgerichts Wiesbaden am 10. November 2017 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht Dr. Arndt, beschlossen:

Der Tenor des Beschlusses vom 1. November 2017 wird dahin berichtigt, dass der Satz "Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte." ersetzt wird durch den Satz "Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte." 

Gründe

Gemäß § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Die Vorschrift ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar, § 142 Abs. 1 SGG. Die Vorsitzende entscheidet über die Berichtigung durch Beschluss.

Vorliegend ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Beschlusses vom 1. November 2017 (unter Ziffer 3), dass die Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen jeweils zu ein Halb auferlegt werden sollten, die Antragstellerin aber keine Kostentragungspflicht treffen sollte. Die im Tenor unter Ziffer 3 erklärte Kostentragungspflicht war demgegenüber fehlerhaft. Sie beruhte auf einem Versehen im Zuge der Absetzung des Beschlusses.

Aufgrund dieser offenbaren Unrichtigkeit war der Beschluss im Tenor von Amts wegen zu berichtigen.
Rechtskraft
Aus
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