L 9 AL 167/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 56/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 167/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sowohl das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme der Tätigkeit" als auch das Tatbestandsmerkmal "Tragfähigkeit" ist zukunftsbezogen. Es bedarf einer prognostischen Beurteilung seitens der Agentur für Arbeit.
2. Für deren Richtigkeit kommt es auf die objektiv vorliegenden Tatsachen zum Zeitpunkt der Entscheidung an.
3. Ob der Antragsteller "Maßnahmen mit Außenwirkung" vornimmt, ist nach dem Gesamtbild der Geschäftstätigkeit zu beurteilen!
4. Die Bewilligung von Gründungszuschuss gilt nur für die der Behörde mit dem Antrag unterbreiteten Tätigkeit.
5. Die Tatbestandsvoraussetzung "Tragfähigkeit" ist materiell.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses (GZ) sowie die Anordnung zur Erstattung der auf die Bewilligung ausgezahlten Leistungen.

Der 1953 geborene Kläger arbeitete im Lauf seines Berufslebens viel in herausgehobenen Positionen im Einzelhandel. So war er vom 01.09.1994 bis 30.06.2000 als Verkaufsleiter bei der G. mbH und vom 01.07.2000 bis 31.12.2001 als Districtmanager bei W. tätig. Danach fungierte er bis Ende 2003 als selbständiger Unternehmensberater. Das ganze Jahr 2004 arbeitete er als Marktleiter bei der D. Handelsgruppe, dann vom 01.06.2005 bis 31.07.2008 in der gleichen Funktion bei der N. GmbH. Es folgte eine Beschäftigung als Geschäftsleiter bei der Firma M. GmbH vom 01.09.2008 bis 31.10.2009.

Im Zuge des letzten Arbeitsplatzverlusts meldete sich der Kläger am 08.10.2009 mit Wirkung zum 01.11.2009 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALG). Mit Bescheid vom 02.11.2009 wurde dem Kläger ALG für eine Dauer von 540 Kalendertagen ab 01.11.2009 bewilligt. Mit Wirkung ab 23.11.2009 hob die Beklagte die Bewilligungsentscheidung wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auf (Bescheid vom 23.11.2009).

Wegen dieser selbständigen Tätigkeit hatte der Kläger am 28.10.2009 einen Antrag auf Gewährung eines GZ nach § 57 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) in der damals geltenden Fassung (aF) gestellt. Eine auf den 19.10.2009 datierte Gewerbeanmeldung legte der Kläger bei. In dem Formblattantrag teilte er mit, er werde am 23.11.2009 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Kaufmann eines Feinkostgeschäfts in B-Stadt aufnehmen. Für diese selbständige Tätigkeit werde er an Arbeit künftig etwa 70 Wochenstunden aufwenden.

Der Formblattantrag enthält unter anderem folgende Erklärung: "Ich versichere die Richtigkeit meiner Angaben. Ich werde der Agentur für Arbeit unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten."

Auf dem Formblattantrag vermerkte die Beklagte die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung als für die Entscheidung über den GZ notwendig. Als fachkundige Stelle benannte der Kläger eine so genannte sonstige Stelle.

Die besagte Stellungnahme gab die A. GmbH, eine Steuerberatungsgesellschaft, ab (auf einem Formblatt der Beklagten). Der Kläger, so die A., habe folgende Unterlagen vorgelegt: aussagefähige Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens zur Erläuterung der Geschäftsidee, Lebenslauf, Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan, Umsatz- und Rentabilitätsvorschau sowie Begründung der letzten Geschäftsaufgabe. Die A. bestätigte unter dem Datum 26.10.2009, die Voraussetzungen in fachlicher und branchenspezifischer Hinsicht, in kaufmännischer und unternehmerischer Hinsicht sowie die Zulassungsvoraussetzungen (zB Konzessionen) würden vorliegen. Das Leistungsangebot scheine - auch in absehbarer Zeit - konkurrenzfähig. Der Kläger schätze die voraussichtlichen Umsätze sowie die voraussichtlichen Betriebsergebnisse vor Steuern realistisch ein, ebenso den voraussichtlichen Kapitalbedarf. Das zu erwartende Einkommen könne dem Existenzgründer voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Mit dem Vorhaben scheine der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar.

Dieser Stellungnahme legte die A. eine eigene Rentabilitätsplanung vom 26.10.2009 bei. Die prognostizierten Umsatzerlöse in den Jahren 2010 bis 2014 wurden zwischen 640.000 und 700.000 EUR jährlich beziffert. Die Rohgewinne wurden daraus pauschal mit einem Prozentsatz von 34% errechnet. Als Endergebnis wies die A. das "steuerliche Ergebnis" aus. Des Weiteren präsentierte sie eine Liquiditätsplanung.

Nachdem die Beklagte keine Versagungsgründe hatte erkennen können, bewilligte sie mit Bescheid vom 17.11.2009 einen GZ für die Zeit vom 23.11.2009 bis 22.08.2010 in Höhe von monatlich 2.128,20 EUR (einschließlich einer Pauschale von 300 EUR zur sozialen Sicherung).

Danach nahm der Kläger an einem Gründercoaching teil (Gründercoach: D. H.). Der Coachingzeitraum erstreckte sich vom 27.11.2009 bis 30.04.2010 (Kontingent: 40 Coachingstunden). Der Abschlussbericht des Coaches enthält folgende wesentliche Aussagen: Auftragsgegenstand seien Beratung und Begleitung des Klägers während der genannten Phase, das kritische Überprüfen und Überdenken dessen Handlungen und Konzepten gewesen. Daneben habe der Kläger Unterstützung bei der Akquisition von Darlehen und allen vorbereitenden Maßnahmen gewünscht. Herr H. habe den Kläger bei verschiedenen Gesprächsterminen sowie bei einer Ortsbesichtigung begleitet. Zu den Beweggründen des Klägers schrieb Herr H., nach 35 Jahren Tätigkeit im Lebensmitteleinzelhandel in meist leitender Funktion habe sich der Kläger entschlossen, seinen lange gehegten Wunsch einer Selbständigkeit in die Tat umzusetzen. Er habe einen sehr starken Willen an den Tag gelegt, was zu Beginn des Coachingprozesses zu Spannungen geführt habe. Der Kläger sei mit sehr konkreten Vorstellungen zu Herrn H. gekommen, wie die Umsetzung seiner Pläne habe aussehen sollen. Während des Gründungsprozesses habe sich der Kläger um alle Arbeiten selbst gekümmert, da er keine Partner gehabt und aus dem privaten Umfeld wenig Unterstützung erfahren habe. Vier Hauptaufgaben hätten sich für den Coach ergeben: Bearbeiten der im Coachingvertrag vereinbarten Inhalte; Unterstützung bei der Realisierung der Finanzierung; kritisches Hinterfragen der Pläne und Handlungen; Weitergabe projektspezifischen Know-how`s. Das Ziel einer Darlehensgewährung habe bisher nicht erreicht werden können. Im Lauf des Gründungsprozesses sei klar geworden, dass hier weitere Partner oder Teilhaber zu einer deutlichen Entspannung der Situation führen würden. Dem Kläger sei es auch gelungen, zwei weitere Personen für sein Projekt zu gewinnen; beide würden sich mit Eigenkapital und Know-how an der Firma beteiligen.

Mit Schreiben von 02.08.2010 beantragte der Kläger die Weitergewährung des GZ. In diesem Zusammenhang teilte er seine "unternehmerischen Aktivitäten" der letzten Monate mit: In den letzten Monaten habe er mit seinem Coach H. seinen Geschäftsauftritt inclusive Business-Plan erarbeitet. Außerdem seien mögliche Räumlichkeiten eruiert und Geschäftsbeziehungen mit potentiellen Lieferanten geknüpft worden. Innerhalb der Planungen, so der Kläger weiter, seien neben der geplanten Gründung auch Möglichkeiten einer Geschäftsgründung mit kleinerem Budget festgelegt worden. Des Weiteren habe er von Januar 2010 bis jetzt diverse Gespräche bezüglich der Finanzierung geführt. Die Bankgespräche seien bisher wegen der zu geringen Eigenkapitalquote gescheitert; mittlerweile sei es ihm gelungen, zwei stille Teilhaberinnen für sein Vorhaben zu gewinnen. Die Sparkasse wolle jetzt noch 50.000 EUR durch eine Bürgschaft abgesichert haben. Um diese 50.000 EUR einzusparen, habe er sich entschlossen, ab dem 15.08.2010 eine kleinere Version seines Feinkostgeschäfts umzusetzen (anderer Standort, weniger Miete, keine Kaution). Dass sein neues Konzept tragfähig und erfolgreich sein werde, hätten diverse Personen, die der Kläger in dem Weiterbewilligungsantrag namentlich benannte, bestätigt.

Der Kläger legte mit dem Weiterbewilligungsantrag eine "Verifizierung des Business-Plans" durch den Landesverband des Bayerischen Einzelhandels e.V. vor (Datum 09.02.2010). Der Kläger, so das Dokument, habe den Landesverband gebeten, zu seinem Business-Plan Stellung zu beziehen, insbesondere die Verifizierung der finanzwirtschaftlichen Planung vorzunehmen und eine betriebswirtschaftliche Beurteilung des Vorhabens abzugeben. Das Fazit des Landesverbandes ist, aufgrund des guten Standorts in Verbindung mit der hervorragenden Qualifikation des Klägers und dem Sortiment sei eine tragfähige Vollexistenz zu erwarten.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30.08.2010 mit, aus den eingereichten Unterlagen und den darin getroffenen Aussagen sei nicht ersichtlich, ob dieser innerhalb der letzten neun Monate tatsächlich die Tätigkeit in Form des Verkaufs im Feinkostladen ausgeübt habe bzw. ob und gegebenenfalls wann das Geschäft eröffnet worden sei oder ob er in der Zeit vom 23.11.2009 bis 22.08.2010 lediglich mit der Planung und Vorbereitung der Geschäftseröffnung beschäftigt gewesen sei. Der Kläger möge darüber noch genauere Angaben machen.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 20.09.2010, bis jetzt sei es ihm nicht gelungen, sein Feinkostgeschäft finanziert und eröffnet zu erhalten. So habe er sich entschlossen, ab 01.11.2010 eine Handelsagentur zu gründen und als freier selbständiger Handelsvertreter zu arbeiten. Sein erster Geschäftspartner sei die Firma E ... Er bitte um Genehmigung dieses Antrags.

Mit Schreiben vom 04.10.2010 hörte die Beklagte den Kläger gemäß § 24 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) an. Nach ihren Erkenntnissen, so die Beklagte, sei dem Kläger ab 23.11.2009 ein GZ in Höhe von 19.153,80 EUR zu Unrecht gezahlt worden.

Unter dem Datum 03.11.2010 schrieb Herr H. an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, am 16.11.2009 habe ihn der Kläger zum ersten Mal besucht. Er habe ihn gebeten, seine Gründungsaktivitäten zu unterstützen. Ihm, so Herr H., sei der enorme Tatendrang des Klägers aufgefallen. Dieser habe sich darin gezeigt, dass in kurzer Zeit ein passendes Ladenlokal akquiriert worden sei und der Kläger kurz darauf bereits Kostenvoranschläge von potenziellen Lieferanten und Ausstattern für die Ladeneinrichtung parat gehabt hätte. Er habe den Kläger immer wieder auf das Problem der Finanzierung hingewiesen und habe diesem von vorschnellen Zusagen abgeraten. Im weiteren Verlauf habe der Kläger Kontakt zu verschiedenen Banken und anderen Investoren aufgenommen, um die Finanzierung darstellen zu können. Nachdem wiederholt keine Zusage für das nötige Kapital habe erreicht werden können, habe der Kläger nach privaten Investoren gesucht. Er habe zwei Personen gefunden, die bereit gewesen seien, sich als stille Gesellschafter zu beteiligen. Während des gesamten Zeitraums habe der Kläger andere Geschäftsinhaber bezüglich möglicher Kooperationen kontaktiert und sei stets auf der Suche nach Ideen für die Ausgestaltung des Geschäfts gewesen. Außerdem sei er auch mit anderen Projekten während der beschriebenen Zeit aktiv gewesen.

Unter dem Datum 23.11.2010 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung: Er, der Kläger, habe eine Gewerbeanmeldung vorgelegt. Damit sei die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nachgewiesen. Zudem hat er auf die Stellungnahme des Herrn H. vom 03.11.2010 verwiesen. "Exemplarisch" hat der Kläger ein Angebot der Firma R. (Ladeneinrichtung) vom 23.11.2009 (offenbar hatte er bei der Firma R. am 20.11.2009 vorgesprochen und ein Angebot erbeten) beigefügt. Er wies zudem darauf hin, er sei während der streitgegenständlichen Zeit auch bei einem weiteren Projekt aktiv gewesen. Auf die Leistungsgewährung habe er vertraut. Sein Vertrauen sei schutzwürdig.

Gleichwohl nahm die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2010 die Bewilligung des GZ "ab dem 23. November 2010" zurück. Als Rechtsgrundlage nannte sie § 45 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Kläger habe die Selbständigkeit nie ausgeübt und dies mit Schreiben vom 20.09.2010 selbst mitgeteilt. Die Finanzierung sei bis zum Ende des Bewilligungszeitraums nicht geklärt gewesen. Zudem ordnete die Beklagte die Erstattung von 19.153,80 EUR an.

Am 27.12.2010 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe zusätzlich zu den im Schreiben vom 23.11.2010 genannten Aktivitäten den Landesverband des Bayerischen Einzelhandels um eine Beurteilung des Vorhabens gebeten. Als weitere Nachweise übersandte er zwei E-Mails (vom 25.05. und 10.08.2010), aus denen jeweils deutlich wird, dass er sich bemüht hatte, Kooperationspartner zu finden. Zudem legte der Kläger eine Rechnung der Firma M. vom 18.11.2009 über den Verkauf von Mobiliar sowie eine Anzeige in einem Wochenblatt betreffend den ersten K. Weihnachts- und Silvestermarkt vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2011 als unbegründet zurück. Sie begründete dies damit, die vom Kläger im Zusammenhang mit dem ersten Förderantrag eingereichten Unterlagen seien erkennbar auf die Eröffnung eines Ladenlokals gerichtet gewesen, die allerdings niemals stattgefunden habe. Die vom Kläger geschilderten Verhandlungen mit Banken, möglichen Investoren und dem Landesverband des Bayerischen Einzelhandels seien nicht im Stande, die ausgebliebene Ladeneröffnung zu ersetzen. Denn sie hätten keine Außenwirkung entfaltet. Die Rentabilitätsplanung der A. habe gerade einen erfolgreich abgeschlossenen Finanzierungsprozess unterstellt. Die Finanzierung sei aber keineswegs gesichert gewesen, nicht einmal für eine Ladeneröffnung. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung sei damit nicht nachgewiesen gewesen, so dass die Bewilligungsvoraussetzungen für einen GZ nicht vorgelegen hätten. Der Kläger hätte in seinem Bewilligungsantrag auf die nicht gesicherte Finanzierung hinweisen müssen.

Die am 22.03.2011 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19.04.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden keine Zweifel, dass der Kläger im Antrag vom 23.10.2009 grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Bei der fehlenden Finanzierung habe ihm klar sein müssen, dass er seine Tätigkeit zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht werde aufnehmen können. Laufende Verhandlungen, die sich über neun Monate hinzögen, um eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, könnten beim besten Willen nicht als Vorbereitungshandlung für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gewertet werden. Auch und gerade einem juristischen Laien müsse klar sein, dass die im Antrag getroffene Aussage "Ich werde eine selbständige Tätigkeit als Kaufmann für Feinkosthandel aufnehmen" nur bedeuten könne, dass die Tätigkeit des Einzelhandelskaufmanns in einem Feinkostgeschäft tatsächlich erfolge.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2012 hat der Kläger Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung wird betont, die Gewerbeanmeldung mache deutlich, dass er eine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Der Kläger habe mehrere Gespräche mit der IHK N. geführt. Des Weiteren habe er mit Herrn H. Kontakt aufgenommen. Bei der Firma R. (Ladeneinrichtung) habe er ein Angebot eingeholt. Bei der Firma M. habe er Mobiliar zu einem Preis von 800 EUR erworben. Weiter seien mehrere Gespräche erfolgt, um die Einzelheiten der Kältetechnik und der Thekengestaltung abzuklären. Schließlich habe der Kläger drei bis vier Anzeigen in einem Wochenblatt aufgegeben. Gespräche seien mit Banken wegen der Finanzierung sowie mit dem potentiellen Vermieter (wegen Ladengeschäft in der T-Straße) geführt worden. Bei der Stadt B. habe der Kläger eine Erlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft mit Imbiss beantragt. Weiter habe er eine Emailadresse für das Geschäft erworben. Auch aus einer E-Mail der Stadt B. - Straßenverkehrsamt - vom 01.12.2009 gehe hervor, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet habe (dabei war es um die Zulässigkeit von Ladetätigkeiten in der T-Straße gegangen). Er habe mit Lieferanten sowie mit Handwerkern gesprochen. Ferner sei eine Kooperationsanfrage gegenüber der Firma T. Warenhandelsgesellschaft ergangen. Auch ein Firmenlogo sei erstellt worden. Das Gesetz umschreibe nicht näher, was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen sei. Zugunsten des Klägers müsse berücksichtigt werden, dass dieser der Beklagten die angeforderten Unterlagen vorgelegt habe. Die Beklagte habe nicht wegen der Finanzierung rückgefragt. Sie wäre jedoch verpflichtet gewesen zu prüfen, ob Ablehnungsgründe existierten; dazu gehöre auch die Finanzierung. Zu berücksichtigen sei, dass Antragsteller allgemein nicht die erforderlichen Fachkenntnisse besäßen. Außerdem hätte die Beklagte den Kläger umfassend beraten müssen. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger einen ALG-Restanspruch gehabt hätte.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.12.2012 erwidert, die vom Klägerbevollmächtigten angeführten Vorbereitungshandlungen stellten keine Aufnahme und Ausübung einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit dar. Dies wäre nur dann ausnahmsweise der Fall, wenn diese Handlungen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet hätten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet gewesen wären. Eine nennenswerte Außenwirkung im Geschäftsverkehr sei allerdings nicht erkennbar. Bei den vom Kläger angegebenen Gesprächen habe es sich um Interna gehandelt. Eine Gewerbeanmeldung, die Einrichtung einer Emailadresse, eine Antragstellung auf eine Schankerlaubnis, eine straßenverkehrsrechtliche Anfrage bezüglich der Ladetätigkeit sowie die Erstellung eines Firmenlogos verkörperten lediglich vorbereitende Nebenhandlungen im Verhältnis zur Haupttätigkeit, nämlich dem Verkauf von Obst und Gemüse. Allein das Bemühen, eine Finanzierung des Vorhabens zu erreichen, könne nicht zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausreichen. Die vom Kläger monierte fehlerhafte Datumsangabe "23.11.2010" werde gemäß § 38 SGB X in "23.11.2009" korrigiert.

Am 30.01.2014 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass er der A. keine bestimmten Kreditgeber und auch keine Zahlen mitgeteilt hat, eine namentlich benannte Mitarbeiterin der A. als Zeugin zu vernehmen.

Der Kläger beantragt zuletzt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.04.2012 sowie den Bescheid vom 17.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2011 aufzuheben, hilfsweise, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu entsprechen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Beklagtenakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Rücknahme der Bewilligung des GZ findet ihre rechtliche Grundlage in § 45 SGB X, die im gleichen Bescheid ausgesprochene Erstattung des überzahlten Betrags in § 50 SGB X.

Formell sind beide Verwaltungsakte rechtmäßig. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Anhörung (§ 24 SGB X) erfolgt. Das Beklagtenschreiben vom 04.10.2010 genügt den Anforderungen insoweit. Die Beklagte hat darin zum Ausdruck gebracht, sie beabsichtige, einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zu erlassen. Dies ist dem Kläger zwar an vergleichsweise versteckter Stelle vermittelt worden. Gleichwohl hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der damals zu der Anhörung Stellung genommen hat, die gesamte Tragweite des von der Beklagten beabsichtigten Vorgehens erfasst, wie seine ausführliche Gegenäußerung vom 23.11.2010 zeigt. Damit ist das Anhörungsschreiben seinem Zweck in vollem Umfang gerecht geworden.

Auch in materieller Hinsicht verstoßen die beiden im Bescheid vom 17.12.2010 zusammengefassten Verwaltungsakte nicht gegen geltendes Recht.

A. Rücknahme der GZ-Bewilligung

Die Beklagte hat die Rücknahme zutreffend auf § 45 SGB X gestützt. Die in dieser Norm statuierten Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsakts sind erfüllt. Hinsichtlich der Rechtsfolge hat für die Beklagte kein Ermessen bestanden.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X in seiner aktuellen Fassung, die hier maßgebend ist, darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist; das gilt allerdings nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4. § 45 Abs. 2 SGB X trifft zum Schutz des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts folgende Regelungen:

1Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. 2Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbR.t oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. 3Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vor- sätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Die angefochtene Regelung der Beklagten besteht darin, die Bewilligung des GZ von Anfang an, also ab dem 23.11.2009, aufzuheben. Zwar hat die Beklagte im Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2010 geschrieben, die Rücknahme erfolge ab dem "23. November 2010". Dabei handelte es sich aber um einen offenkundigen Schreibfehler, den die Beklagte inzwischen wirksam nach § 38 SGB X berichtigt hat. Aber auch ohne die Berichtigung wäre die Regelung keine andere. Denn nach dem objektiven Empfängerhorizont war von Anfang an völlig klar, dass die Rücknahme gerade mit Wirkung vom 23.11.2009 erfolgen sollte und dass die Angabe "23. November 2010" auf einem bloßen Flüchtigkeitsfehler beruhte. Die Beklagte hat trotz dieses "Zahlendrehers" das Gewollte mit Bestimmtheit zum Ausdruck gebracht. So war der Kläger bereits im Anhörungsschreiben an exponierter Stelle darauf hingewiesen worden, der GZ sei ab 23.11.2009 zu Unrecht zuerkannt worden. Hinzu kommt, dass am 23.11.2010 die Bewilligung bereits "verbR.t" war - GZ-Leistungen waren nur bis 22.08.2010 zuerkannt worden. Auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 07.03.2011 keine ausdrückliche Berichtigung erfolgte, so war diesem doch eindeutig zu entnehmen, dass eine Rücknahme der GZ-Bewilligung ab 23.11.2009 geregelt worden war.

1. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X für eine Rücknahme der GZ-Bewilligung ab 23.11.2009 liegen vor.

Die mit Bescheid vom 17.11.2009 ausgesprochene Bewilligung des GZ stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar (" ... der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat ...").

Diese Bewilligung war von Anfang an - wie es § 45 Abs. 1 SGB X verlangt - rechtswidrig. Ein Fall des § 48 SGB X, der das nachträgliche "Rechtswidrigwerden" erfasst, ist nicht gegeben. Dass im vorliegenden Fall die Bewilligung des GZ von Anfang an rechtswidrig war, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Rechtsgrundlage für die Bewilligung des GZ im Jahr 2009 ist § 57 SGB III aF, dessen Absätze 1 und 2 wie folgt lauten (Absätze 3 bis 5 sind für den hier vorliegenden Fall nicht relevant):

(1) Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, haben zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. (2) 1Ein Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungs- maßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen An- spruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Absatz 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. 3Bestehen begründete Zweifel an den Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit, kann die Agentur für Arbeit vom Arbeitnehmer die Teilnahme an Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder zur Vorbereitung der Existenzgründung verlangen.

Im Hinblick auf ihre Prüfungs- und Entscheidungsstruktur weist die Bewilligung eines GZ Besonderheiten auf: Einige Tatbestandsmerkmale von § 57 Abs. 1, 2 SGB III aF sind zukunftsbezogen. Insoweit enthält die Entscheidung zwangsläufig Prognoseelemente (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11, RdNr. 43). Das bestätigt der hier vorliegende Fall: Der Tag der Entscheidung über den Antrag, der 17.11.2009, lag vor der avisierten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 23.11.2009. In Bezug auf manche Leistungsvoraussetzungen musste die Beklagte eine Vorausschau bis zum Tag der Aufnahme bzw. - soweit es sich um Leistungsvoraussetzungen handelt, die während der gesamten Dauer des Leistungsbezugs permanent vorliegen müssen - für die gesamte Leistungsbezugsperiode anstellen.

Von einer anfänglichen Rechtswidrigkeit, wie sie § 45 SGB X voraussetzt, kann im Zusammenhang mit diesen zukunftsbezogenen Leistungsvoraussetzungen nur dann gesprochen werden, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung damit zu rechnen ist, dass diese Leistungsvoraussetzungen nicht oder nicht dauerhaft erfüllt werden können. Sollte sich jedoch aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen erweisen, dass die ursprüngliche Prognose nicht realisierbar ist, macht dies die Prognoseentscheidung als solche nicht rechtswidrig im Sinn von § 45 SGB X. Vielmehr ist ab dem Zeitpunkt der veränderten Tatsachen nach § 48 SGB X vorzugehen. Ein Fall des § 48 SGB X liegt somit vor, wenn eine positive Prognose zum Zeitpunkt der Entscheidung zutrifft, die (zutreffende prognostizierte) zukunftsbezogene Tatbestandsvoraussetzung dann aber wider Erwarten ausbleibt oder nachträglich wegfällt.

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte korrekt § 45 SGB X als Rechtsgrundlage herangezogen. Denn bereits zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung war nicht nur absehbar, sondern stand außer Zweifel, dass der Kläger erstens die selbständige Tätigkeit nicht zum 23.11.2009 und auch nicht zu einem späteren, jedoch absehbaren Zeitpunkt würde aufnehmen (im Sinn von § 57 Abs. 1 SGB III aF) können, und dass es zweitens auf nicht absehbare Zeit an der Tragfähigkeit der Existenzgründung fehlen würde. Die mit der Entscheidung vom 17.11.2009 getroffene Prognose im Hinblick auf die zukunftsbezogenen Tatbestandsmerkmale "Aufnahme der Tätigkeit" und "Tragfähigkeit" war daher von Anfang an falsch. In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, dass die Prognose nicht schon dann rechtmäßig ist, wenn die Behörde aus den ihr bekannten Tatsachen die richtigen Schlüsse ableitet (subjektive Betrachtung). Vielmehr muss darauf abgestellt werden, ob die zum Zeitpunkt der Entscheidung objektiv vorliegenden Tatsachen - egal ob der Behörde bekannt oder nicht - die Prognose rechtfertigen.

a) Prognose bezüglich der Aufnahme der Tätigkeit

Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt während des Bewilligungszeitraums die der Bewilligung zugrunde liegende selbständige Tätigkeit im Sinn von § 57 Abs. 1 SGB III aF aufgenommen. Dabei definiert der Senat das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme" mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weit. Danach kann eine Aufnahme schon dann vorliegen, wenn noch nicht mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen worden ist. Vielmehr bewirken auch vorbereitende Maßnahmen die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 5).

Der Senat braucht sich nicht festzulegen, ob der Kläger hinreichende Maßnahmen unternommen hat, die Außenwirkung im Sinn der BSG-Rechtsprechung aufweisen. Allgemein erscheint das Kriterium der Außenwirkung nicht eindeutig und wirft Fragen zur rechtlichen Handhabung auf: Soll die Aufnahme schon dann vorliegen, nachdem das erste unternehmensbezogene Geschäft mit Außenwirkung abgeschlossen worden ist? Das wäre im vorliegenden Fall schon im November 2009 geschehen (mit dem Kauf des Mobiliars und der Konsultation des Herrn H.). Oder müssen die Tätigkeiten mit Außenwirkung laufend einen bestimmten quantitativen Anteil ausmachen? Bejaht man Letzteres, stellen sich weitere Fragen: Muss das zeitliche Kontingent von 15 Stunden selbständiger Tätigkeit wöchentlich - dieses zeitliche Quantum ist notwendig, um die Arbeitslosigkeit im Sinn von § 57 Abs. 1 SGB III aF zu beenden - allein mit außenbezogenen Tätigkeiten erfüllt werden oder reicht es, dass die außenbezogenen Tätigkeiten einen wesentlichen Anteil daran verkörpern? Die entsprechende Frage stellt sich auch für das Tatbestandsmerkmal "Hauptberuflichkeit". Eine praktikable Lösung, die "Außenwirkung" zu bestimmen, könnte sein, auf das Gesamtbild der Geschäftstätigkeit abzustellen. So böte sich an, die Abgrenzung wertend danach vornehmen, ob nach dem Gesamtbild die Geschäftstätigkeit bereits angelaufen ist; dann würde es auch nicht schaden, wenn vorübergehend keine konkrete Außentätigkeit festzustellen ist - allein das generelle Anlaufen wäre entscheidend. Dieses generelle Anlaufen wiederum ließe sich in der Regel dann bejahen, wenn die fraglichen Vorbereitungshandlungen bei wertender Betrachtung die Phase der Planung und Konzepterstellung hinter sich gelassen haben und der Phase der Planungsrealisierung zugehören. Das heißt: Jedenfalls solange ein Betroffener noch ohne schlüssiges Gesamtkonzept agiert, ist die Phase der Außenwirkung noch nicht erreicht (auch wenn dies zu einer gewissen Überschneidung mit dem Kriterium der "Unmittelbarkeit" im Sinn der genannten BSG-Rechtsprechung führen würde).

Würde man diesen Maßstab hier anlegen, bliebe festzustellen, dass vom Vorliegen eines Gesamtkonzepts nicht im Ansatz gesprochen werden kann. Denn wenn die Finanzierung noch in keiner Weise gesichert ist - ja nicht einmal wahrscheinlich anmutet -, liegt keinesfalls ein fertiges Konzept vor, das nur noch der Umsetzung bedürfte.

Da die Rechtslage insoweit aber nicht als gesichert betrachtet werden kann, vermeidet es der Senat, die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit der Begründung der fehlenden Außenwirkung zu negieren. Eine "Aufnahme" im Sinn der BSG-Rechtsprechung scheitert auf jeden Fall daran, dass keinerlei Gesamtkonzept vorlag, welches unmittelbar in die spätere Geschäftstätigkeit durch entsprechende Vorbereitungshandlungen hätte überführt werden können. Denn hinsichtlich der Finanzierung des Projekts war der Kläger nicht nur im November 2009, sondern auch danach ohne rechte Orientierung. Das ergibt sich auch aus den Äußerungen des Herrn H., der den Kläger offenbar wiederholt darauf hinweisen hat müssen, dass das Projekt nicht finanziert sei. Zwar hatte der Kläger vermutlich eine gute Geschäftsidee, im Hinblick auf die Finanzierung fehlte ihm aber offensichtlich das Gespür; auch Herrn H. gelang es augenscheinlich nicht, ihm dieses zu vermitteln. Ohne konkrete Aussicht auf die Aufbringung der erforderlichen Mittel verkörpert aber jegliche Planung einer selbständigen Tätigkeit allenfalls "Planung im Vorstadium". Von einer unmittelbaren Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit kann keine Rede sein.

Dass der Kläger Ende 2009 als Organisator des K. Weihnachts- und Silvestermarkts aktiv war, stellt nicht die erforderliche "Aufnahme" dar. Zwar nahm er damit tatsächlich eine selbständige Tätigkeit auf, jedoch nicht die, für die der GZ bewilligt war. Der GZ ist tätigkeitsbezogen. Die aufzunehmende selbständige Tätigkeit muss im Antrag konkretisiert werden. Das Ausmaß der notwendigen Konkretisierung und Individualisierung wird durch die materiellen Voraussetzungen der Anspruchsnorm - vor allem die Tragfähigkeit des Projekts - bestimmt. Lässt sich also bei einer Änderung der Art der selbständigen Tätigkeit nicht ohne weiteres sagen, dass die bereits vorgenommene materielle Prüfung den neuen Sachverhalt mitumfasst, fehlt es an der Identität der Tätigkeit. Die Identität der behörderlicherseits geprüften und letztlich ausgeübten Tätigkeit ist aber unabdingbare Voraussetzung. Dass die GZ-Bewilligung nur für die der Behörde unterbreitete Tätigkeit gilt, ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2014 - L 29 AL 88/14, RdNr. 70; ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11, RdNr. 46). Legt man diese Maßstäbe hier an, lässt sich die Durchführung des Weihnachts- und Silvestermarkts beim besten Willen nicht mehr der der Beklagten unterbreiteten und von ihr geprüften Geschäftsidee zuordnen. Es handelte sich nicht einmal um eine wesensähnliche Aktivität, sondern um ein Aliud.

Dass die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit komplett ausgeblieben ist, führt nicht dazu, dass - wie das Sozialgericht angedeutet hat - die Rechtswidrigkeit erst mit dem 23.11.2009, also nachträglich im Sinn von § 48 SGB X - eingetreten ist. Denn das eklatante Finanzierungsdefizit war zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits ohne weiteres objektiv absehbar. Die Prognose der Beklagten war rechtswidrig, weil sie die ungesicherte Finanzierung des Projekts nicht berücksichtigt hatte, aber hätte berücksichtigen müssen. Wäre sie berücksichtigt worden, hätte das Prognoseergebnis nur negativ ausfallen können. Zu einem lediglich nachträglichen "Rechtswidrigwerden" gelangt man auch nicht über die Rechtsprechung des BSG, wonach eine hinreichende Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch dann noch vorliegt, wenn sich diese zwar nicht unmittelbar an die Phase des ALG-Bezugs anschließt, sie jedoch später innerhalb einer zulässigen Karenzfrist (vgl. dazu BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 6: "enger zeitlicher Zusammenhang" - etwa ein Monat [vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 2 RdNr. 11, 15]) aufgenommen wird. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung war nämlich eindeutig zu erkennen, dass der Kläger eine "Aufnahme" auch nicht innerhalb dieser Karenzfrist würde realisieren können.

Es darf keine zeitliche Aufspaltung der Bewilligung in eine frühere Phase erfolgen, für die die Prognose rechtswidrig, und eine spätere, für die sie rechtmäßig war. Diese zeitlich differenzierte Vorgehensweise könnte deswegen in Betracht gezogen werden denken, weil zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung möglicherweise zu erwarten war, dass dem Kläger die Finanzierung zwar noch nicht in der Anfangsphase, jedoch noch später während des Bewilligungszeitraums gelingen würde. Mit einer solchen Konstellation hat man es hier aber nicht zu tun. Von Anfang an war vielmehr für den gesamten Bewilligungszeitraum keine positive Prognose möglich. Zudem würde es bei dieser zeitlich gestaffelten Herangehensweise am Tatbestandsmerkmal "Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit" fehlen. Denn selbst wenn sich für irgendeine Phase Mitte 2010 hätte vorhersagen lassen, dass die Finanzierung dann wohl gesichert wäre, hätte die fiktiv daraufhin folgende selbständige Tätigkeit nicht mehr die Arbeitslosigkeit beenden können; diese wäre schon lange vorher beendet gewesen. Gleiches gilt übrigens für die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III aF, wonach ein Vorbezug von Entgeltersatzleistungen notwendig ist.

b) Prognose bezüglich der Tragfähigkeit

Überdies war die Existenzgründung zu keiner Zeit tragfähig. Das Erfordernis der Tragfähigkeit bringt nicht lediglich eine formelle Obliegenheit des Existenzgründers zum Ausdruck, die er damit erfüllen kann, dass er schlicht eine positive Stellungnahme einer fachkundigen Stelle beschafft und einreicht. Eine GZ-Bewilligung ist nicht schon dann rechtmäßig, wenn die notwendigen Unterlagen vorgelegt worden sind. Vielmehr ist dies nur dann der Fall, wenn die materiellen Voraussetzungen auch objektiv erfüllt sind; die Tragfähigkeit der Existenzgründung muss tatsächlich vorliegen. Ein Bewilligungsbescheid ist somit rechtswidrig, wenn der Nachweis zwar die Tragfähigkeit ausweist, diese aber tatsächlich nicht gegeben ist. § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III aF erlegt dem Existenzgründer lediglich eine erhöhte Mitwirkungspflicht auf und relativiert aus Sicht der Behörde die Pflicht zur Amtsermittlung. Letztlich muss es aber gleichwohl darauf ankommen, ob die Tragfähigkeit ex ante betrachtet, also prognostisch, objektiv vorliegt oder fehlt. Damit lässt sich die sozialgerichtliche Rechtsprechung vereinbaren, wonach der Behörde eine Prüfungskompetenz dahin zusteht, ob der Nachweis über die Tragfähigkeit der Existenzgründung gelungen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.03.2014 - L 29 AL 257/11, RdNr. 55; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11, RdNr. 43). Gemessen daran ließ sich zum Zeitpunkt der Entscheidung die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht prognostisch bejahen. Denn bei völlig ungesicherter Finanzierung war eine positive Prognose per se ausgeschlossen. Wäre dieser Umstand berücksichtigt worden, hätte das Prognoseergebnis wiederum nur negativ ausfallen können. Das gilt nicht nur hinsichtlich einer Zeitspanne, die unmittelbar und kurz nach der Bewilligungsentscheidung lag, sondern für den gesamten Bewilligungszeitraum vom 23.11.2009 bis 22.08.2010.

2. Auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X liegen vor. Zwar mag es sein, dass der Kläger tatsächlich auf den Bestand der GZ-Bewilligung vertraut und im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X die erbrachten Leistungen verbraucht hat. Jedoch kann sich der Kläger gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauen berufen. Denn die Bewilligung des GZ beruht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und zugleich auch unvollständig gemacht hat.

a) Eine unrichtige Angabe liegt darin, dass der Kläger auf der ersten Seite seines GZ-Antrags angegeben hat, er werde am 23.11.2009 die Tätigkeit im Einzelhandel in B-Stadt "aufnehmen". Dass dies falsch war, ist oben ausgeführt worden.

Diese Falschangabe hat der Kläger auch im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zu vertreten ("vorsätzlich oder grob fahrlässig"). Bei unbefangener Betrachtung des Geschehensablaufs erscheinen im Hinblick auf die beim Kläger vorliegenden subjektiven Umstände drei Alternativen realistisch: Erstens könnte der Kläger mit der Aussage, er werde zum 23.11.2009 die selbständige Tätigkeit aufnehmen, ganz bewusst eine Falschinformation lanciert haben. Vorstellbar wäre zweitens, dass er zwar in der Laiensphäre über die Frage der Aufnahme reflektiert hat, dass er aber dem Irrtum unterlag, seine - de facto völlig unzureichenden - Aktivitäten würden das Tatbestandsmerkmal erfüllen. Bei dieser Lesart läge ein Subsumtionsirrtum des Klägers vor. Angesichts des Bildes aber, das sich der Senat vom Kläger anhand der Akten und in der mündlichen Verhandlung hat machen können, hält er es für die wahrscheinlichste Alternative, dass der Kläger überhaupt nicht reflektiert hat, sondern die Aussage, er werde zum 23.11.2009 die selbständige Tätigkeit aufnehmen, auf das Geratewohl getroffen hat.

Wie die Bewusstseinslage beim Kläger auch immer ausgesehen haben mag, so hat er die falsche Angabe, wenn nicht vorsätzlich, so doch gröbst fahrlässig gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wird. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maß, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG v 11.06.1987 - 7 RAr 105, 85 = E 62, 32; BSG v 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R). Erforderlich ist ein Sorgfaltsverstoß in ungewöhnlich hohem Ausmaß (BSG v 06.03.1997 - 7 RAr 40/96). Dies setzt, soweit der Leistungsträger die Rechtslage nicht durch fallbezogene Subsumtion, sondern durch abstrakte Rechtsbelehrungen (Schema; Merkblatt) voraus, dass das Defizit für den Begünstigten augenfällig ist. Diese strengen Voraussetzungen liegen beim Kläger vor.

Für den Senat ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich vor der Formulierung des Antrags nicht bei der Beklagten oder wenigstens bei Herrn H. erkundigt hat, ob seine sporadischen und dürftigen Bemühungen, die sich weit im Vorfeld eines wirklichen Geschäftsbetriebs bewegten, eine hinreichende "Aufnahme" darstellen würden. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade rechtliche Laien das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme" doch eher im Sinn des tatsächlichen Geschäftsbetriebs interpretieren dürfte. Umso mehr hätten Erkundigungen nahegelegen. Zudem war dem Kläger die prekäre Finanzierungssituation bewusst; Herr H. hatte sie ihm deutlich vor Augen geführt. Angesichts dessen konnte er absehen, dass er von einem wirklichen Geschäftsbetrieb zeitlich und qualitativ noch weit entfernt war. Dass er trotzdem ohne Nachfrage bei der Beklagten oder Herrn H. die Dinge hat laufen lassen, erscheint unbegreiflich. Obwohl der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung schon in Kontakt mit dem Coach stand, hat er es nicht für nötig befunden, wenigstens mit diesem darüber zu reden. Den Kläger hätte seine eigene Aussage, er werde zum 23.11.2009 das Geschäft aufnehmen, unbedingt zum Nachdenken anregen und in Konsequenz davon zu Erkundigungen animieren müssen. Er hat sich dem Problem aber schlichtweg verschlossen.

Der geltende subjektive Fahrlässigkeitsbegriff wirkt sich eher zu Lasten denn zu Gunsten des Klägers aus. Denn dieser besitzt große Erfahrung im Lebensmitteleinzelhandel in leitender Position. Er hatte schon einmal Prokura und war auch selbständig. Er war mithin geschäftlich versiert. Dass der Kläger womöglich nicht darüber reflektiert hat, ob bei ihm überhaupt eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorliegt, dokumentiert keinesfalls Naivität. Vielmehr drückt dieses Verhalten nach Einschätzung des Senats eher eine außerordentliche Hartnäckigkeit aus, die sich darin äußert, dass der Kläger die selbst gesteckten Ziele sehr beharrlich und einigermaßen kompromisslos verfolgt; so ist auch Herrn H. der "enorme Tatendrang" des Klägers aufgefallen. Dieser Wesenszug ist offenbar Teil der Persönlichkeit des Klägers, verkörpert aber kein intellektuelles oder mentales Defizit; er ist nicht geeignet, sich bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit zu Gunsten des Klägers auszuwirken.

b) Unvollständig im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X waren die Angaben des Klägers deswegen, weil dieser die Beklagte im Zuge der Antragstellung unbedingt auf die komplett ungesicherte Finanzierung hätte hinweisen müssen. Dem Kläger musste bewusst sein, dass die fehlende Finanzierung die Tragfähigkeit ausschließen und damit für die Bewilligung von entscheidender Bedeutung sein würde. Einen entsprechenden Hinweis hätte er der Beklagten vor allem deswegen geben müssen, weil die von ihm veranlasste Stellungnahme der A. dieses Problem vollständig ausklammerte. Diese Stellungnahme hat die Beklagte restlos in die Irre geleitet: Die Rentabilitätsplanung, die die A. vorgelegt hat, hat sich ausgiebig mit der Finanzierung auseinandergesetzt. So entstand bei der Beklagten der Eindruck, die A. habe sich mit der Finanzierungsfrage besonders eingehend befasst. Die in der Rentabilitätsplanung enthaltenen Darstellungen haben der Beklagten allerdings einen Sachverhalt vorgespiegelt, der mit der Realität nichts zu tun hatte: Die A. hat einen Fremdkapitalbedarf von 125.000 EUR ausgewiesen und unverständlicher Weise im Detail Kreditgeber und auch Kreditkonditionen (mit Zins- und Tilgungsplänen für jeden einzelnen Kredit!) mitgeteilt. So musste bei der Beklagten zwangsläufig der Eindruck entstehen, die Finanzierung sei gesichert.

Der Kläger darf sich nicht darauf zurückziehen, wenn die A. derartige Falschinformationen gebe, dann ginge ihn das nichts an und er dürfe daraus keine Nachteile haben. Das Gegenteil ist der Fall; denn nachweispflichtig ist laut Gesetz er selbst. Der Senat vermag dem Kläger nur insoweit beizutreten, als er die falsche Darstellung der A. nicht unmittelbar dem Kläger als dessen eigene Fehldarstellung zurechnet.

Der Senat unterstellt den Vortrag des Klägers als richtig, er habe der A. keine bestimmten Kreditgeber und auch keine Zahlen an die Hand gegeben. Aus diesem Grund hat der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, eine Mitarbeiterin der A. als Zeugin zu vernehmen, nicht entsprechen müssen. Die rechtliche Grundlage dafür ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 244 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessordnung (Wahrunterstellung). Aber auch bei diesem unterstellten Sacherhalt hatte der Kläger dafür zu sorgen, dass die von ihm beauftragte Stelle in ihrer "fachkundigen Stellungnahme" bei der Wahrheit bleibt. Selbstverständlich hätte der Kläger die Äußerung der A. prüfen und korrigieren müssen. Und wenn er dies schon unterlassen hat, hätte er zumindest die Beklagte unmittelbar auf die Finanzierungsproblematik hinweisen müssen. Eine entsprechende Ingerenz des Klägers steht außer Zweifel

Wenn der Kläger darauf sinngemäß erwidert, er habe gar nicht gewusst, welche "Luftschlösser" die A. entworfen hat, so kann dies nur dahin interpretiert werden, dass er sich die Stellungnahme der A. nicht angesehen hat. Das allerdings stellt ein schier unbegreifliches Versäumnis dar, das auf jeden Fall als grob fahrlässig, ja höchst leichtfertig einzustufen ist.

c) Für beide grob fahrlässigen Verletzungen der Informationsobliegenheit gilt, dass die rechtswidrige GZ-Bewilligung auch auf diesen Defiziten im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X beruht. Nach der BSG-Rechtsprechung (BSGE 67, 104) fehlt es an der damit vorausgesetzten Ursächlichkeit, wenn der zuständigen Behörde die Überprüfungsbedürftigkeit angegebener Tatsachen bekannt ist und sie bewusst das Risiko eingeht, diese Tatsachen trotz der Unsicherheit bzw. weiteren Ermittlungsbedarfs zugrunde zu legen (vgl. Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 45 RdNr. 66 (Stand: Mai 2015)). Von einer bewussten Eingehung eines Risikos kann aber keine Rede sein. Denn wenn die fachkundige Stelle die Tragfähigkeit bejaht und schon für das erste Geschäftsjahr respektable Umsätze voraussagt - und der Kläger selbst in keiner Weise dem Optimismus der fachkundigen Stelle widerspricht -, muss die Behörde nicht davon ausgehen, dass alles ganz anders kommen könnte. Die Einschaltung der fachkundigen Stelle dient gerade dazu, dem Vortrag des Existenzgründers eine hohe Richtigkeitsgewähr, wenn nicht gar eine Vermutung der Richtigkeit zu vermitteln.

Vor diesem Hintergrund helfen dem Kläger seine Vorhaltungen gegenüber der Beklagten, diese hätte ihn aufklären müssen, nicht weiter. Angesichts der immensen Fehlleistungen auf Seiten des Klägers - diese sind oben dargestellt worden - muten derartige Vorwürfe geradezu treuwidrig an.

Der Vollständigkeit halber: Selbst wenn die Beklagte Hinweis- oder Beratungspflichten verletzt hätte, könnten die Tragfähigkeit und die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden.

3. Die nach dem Gesetz zu beachtenden Fristen sind eingehalten. Die Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (Jahresfrist ab Kenntnis der die Rücknahme berechtigenden Tatsachen) hat die Beklagte ohne Zweifel gewahrt. Da die GZ-Bewilligung einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung verkörpert, ist auch die Frist nach § 45 Abs. 3 SGB X zu beachten. Jedoch gilt nicht die Zweijahresfrist des Absatz 3 Satz 1, sondern gemäß Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 3 Nummer 2 eine Zehnjahresfrist, weshalb auch insoweit keine Probleme bestehen.

4. Die Rechtsfolge ist, dass die GZ-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden muss. Behördliches Ermessen besteht nicht. Denn § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen.

Dass der Kläger noch einen ALG-Restanspruch gehabt hätte, ist nicht von Bedeutung. Erstens verleiht ihm dieser Umstand keinen besonderen Vertrauensschutz, den GZ behalten zu dürfen. Und zweitens übersieht der Kläger, dass er während des GZ-Bewilligungs-zeitraums den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr zur Verfügung stand.

B. Anordnung der Erstattung

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die formalen Anforderungen des § 50 Abs. 3 SGB X sind gewahrt. Der Anspruch ist nicht verjährt (vgl. § 50 Abs. 4 SGB X).

Die Beklagte hat den Erstattungsbetrag von 19.153,80 EUR rechnerisch zutreffend ermittelt. Geleistet wurden für die Monate Dezember 2009 bis Juli 2010 jeweils 2.128,20 EUR, insgesamt also achtmal diesen Betrag. Das ergibt 17.025,60 EUR. Für den Monat November 2009 kommen 8/30 und für den Monat August 22/30 von diesem Monatsbetrag dazu - insgesamt also 30/30; das macht einen weiteren kompletten Monatsbetrag. Daraus resultiert dann das Gesamtergebnis von 19.153,80 EUR.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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