Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 378/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 349/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 13/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Erstattung verauslagter Kosten für Cannabis als Schmerzmittel vor Inkrafttreten der Neufassung des § 31 Abs. 6 SGB V
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch die Erstattung der Kosten für eine Schmerztherapie mit Medizinal-Cannabisblüten der Sorten Bedrocan und Bedica als Inhalation für die Zeit vor dem 10. März 2017.
Der 1983 geborene Kläger und Berufungskläger beantragte am 12. Mai 2014 unter Vorlage eines Arztberichts der Internistin Dr. K. vom 16. April 2014 die Kostenübernahme für eine Schmerztherapie mit Cannabis. Er leide an der seltenen Erkrankung einer hereditären Neigung zu Druckparesen. Diese Krankheit führe zu erheblichen Schmerzen, insbesondere in den unteren Extremitäten. Wegen der Seltenheit der Erkrankung gebe es wenig gesicherte schulmedizinische Therapieansätze. Aktuell kämen beim Kläger Buprenorphin und Pregabalin zum Einsatz. Eine Tilidinmedikation habe der Kläger nicht vertragen. Von der Cannabistherapie sei eine verbesserte Schmerzbehandlung mit günstigeren Nebenwirkungen zu erwarten sowie ein Rückgang der Krampfleiden und eine Besserung der Lebensqualität. Der Kläger gab an, dass die aktuelle Schmerztherapie mit Buprenorphin und Pregabalin aufgrund der Nebenwirkungen nicht mehr zumutbar sei und alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht bekannt seien. Die Schmerztherapie mit Cannabis würde in seinem Fall zu einer deutlichen Verbesserung der gesamten Lebenssituation führen, da aufgrund des Verzichts auf die genannten Arzneimittel die Nebenwirkungen wie Erbrechen, Blasenschwäche und Kreislaufzusammenbrüche sowie lethargische Anfälle wegfallen würden. Eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle für den Erwerb von Cannabis in der Apotheke lag vor. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 19. Mai 2014 ein. Es bestehe keine Zulassung der beantragten Therapie bei dem beschriebenen Krankheitsbild, vielmehr liege ein off-label-use vor. Die gängigen schmerztherapeutischen Maßnahmen seien vordergründig medikamentös wie konservativ vorzuziehen. Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenübernahme ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 25. Juli 2014 ein. Danach sei eine ursächliche Behandlung der Erkrankung des Klägers - einer hereditären Neuropathie mit erhöhter Neigung zu Druckläsionen bzw. rezidivierenden Drucklähmungen peripherer Nerven - nicht möglich. Bei Medizinal-Cannabisblüten (in dem Fall Bedrocan und Bedica) handele es sich gemäß Anlage 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) um verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel. Ein nicht verschreibungsfähiges Mittel könne nicht rezeptiert werden. Damit entfalle die Grundlage für eine Leistung der Krankenversicherung. Gemäß § 34 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen, abgesehen von durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien festgelegten Ausnahmen für solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten und zur Anwendung bei diesen Erkrankung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Bei jedem Arzneimittel sei demnach eine vertragsärztliche Verordnung Voraussetzung für eine Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung. Beim Kläger liege auch keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsgemäß vergleichbare Erkrankung vor. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen, wie sie hier gegeben seien, würden vier systemisch verabreichte Substanzgruppen empfohlen. Vorliegend sei nicht erkennbar, ob auch andere als die genannten Medikamente bisher zur Anwendung gekommen seien - in ausreichend hoher Dosierung und über ausreichend lange Zeit hinweg. Unter der Behandlung mit Opiaten könne es zu Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen kommen. Die Gefahren und Nebenwirkungen von Cannabis seien bisher nicht ausreichend untersucht worden. Es sei noch nicht abschließend geklärt, inwieweit Cannabis tatsächlich ein relativ günstiges Nebenwirkungsprofil aufweise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen würden vier systemisch verabreichte Substanzen empfohlen: Antidepressiva, Antikonvulsiva mit Wirkung am Calciumkanal, Antikonvulsiva mit Wirkung am Natriumkanal und Opioide. Zur Behandlung mit Cannabis lägen bisher keine evidenzbasierten Studien vor. Eine Heilung oder ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf sei nicht zu erwarten. Zudem seien die Gefahren und Nebenwirkungen von Cannabis bisher nicht ausreichend untersucht worden. Kürzlich seien Hinweise auf die potentielle kardiovaskuläre Toxizität der Substanz publiziert worden. Die Voraussetzungen für einen off-label-use seien somit insgesamt nicht gegeben.
Dagegen hat der Bevollmächtigte am 29. September 2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er hat ein weiteres Attest von Dr. K. vom 2. September 2014 vorgelegt, die sich mit den vom MDK empfohlenen alternativen Behandlungsmöglichkeiten auseinandergesetzt und darauf hingewiesen hat, dass es für die Erkrankung des Klägers keinerlei evidenzbasierte Therapie gebe. Durch die eingeleitete Therapie sei die Wirkung belegt, er habe an Gewicht zugelegt, die körperliche und psychische Belastbarkeit habe sich deutlich verbessert und die Nebenwirkungen von Opiaten und Pregabalin seien abgebaut worden. Die behandelnde Internistin Dr. K. hat ihrem Befundbericht für das Sozialgericht auch frühere Arztbriefe sowie ein im Rentenverfahren (Sozialgericht Augsburg, Az.: S 13 R 1090/10) erstelltes Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. M., vom 16. Mai 2011 beigefügt.
Die Beklagte hat erneut darauf hingewiesen, dass ein verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nicht rezeptiert werden könne und daher auch keine Kostenübernahme durch die Beklagte erfolgen könne. Sie hat sich dabei auf ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 2. April 2015 berufen, mit dem die bisherige Beurteilung bestätigt würde.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. Juli 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem begehrten Cannabis um ein verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel handele, da der Kläger dieses nicht in Form eines Fertigarzneimittels verwende. Es bestehe aber auch kein Anspruch des Klägers auf der Grundlage des sog. Nikolausbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 6. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98), da die vom Kläger geschilderten Beschwerden nicht mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung gleichgesetzt werden könnten. Im Übrigen bestehe auch keine evidenzbasierte Studie, die eine Heilung oder einen positiven Einfluss auf das Krankheitsbild bestätige oder für sehr wahrscheinlich einschätze, so dass die Voraussetzung für eine Therapie mit Cannabis im Wege des off-label-use nicht vorliege.
Im hiergegen gerichteten Berufungsverfahren hat der Kläger weiter die Erstattung und Übernahme der Kosten geltend gemacht. Eine andere Therapie stehe nicht zur Verfügung. Wegen der Seltenheit der Krankheit gebe es keine gesicherten schulmedizinischen Therapieansätze. Die Behandlung mit Cannabis bedeute für den Kläger nicht nur eine Schmerzbehandlung mit günstigeren Nebenwirkungen, sondern auch eine Besserung der Lebensqualität und einen Rückgang der Krampfleiden. Auf die Bestätigungen der Dr. K. ist verwiesen worden. Die Ärztin gehe in ihrer Äußerung vom 2. September 2014 sogar soweit, dass nach ihrer Einschätzung die Erkrankung wertungsgleich einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei. Etwas anderes könne sie bei zunehmendem Untergewicht und Abnahme der Kräfte nicht konstatieren. Im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 sei davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bei weiterer Cannabis-Therapie bestehen würde. Bei dem Untergewicht des Klägers sei nicht von der Hand zu weisen, dass bei weiterer kontinuierlicher Gewichtsabnahme dies auch auf durchaus absehbare Zeit zum Tod führen würde. Beigefügt waren auch Arztbriefe der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. vom 8. Juli und 11. August 2015.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10. April 2017 mitgeteilt, dass nach dem Inkrafttreten des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) am 7. März 2017 dem Kläger die Versorgung mit Cannabis der Sorte "Bedrocan" genehmigt wurde. Für die Zeit davor hat die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 8. Dezember 2015 in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verwiesen, in dem sie ausführlich zur bisher ergangenen Rechtsprechung im Rahmen des off-label-use und zur Verordnung von Cannabis Stellung genommen habe.
Der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 aufrecht erhalten; er hat die Erstattung der verauslagten Kosten bis März 2017 begehrt. Bereits zur damaligen Zeit sei eine Kostenübernahme möglich gewesen, da die Beklagte schon vor der Gesetzesänderung bei ADHS die Kosten übernommen habe. Es sei bei ihm ein off-label-use möglich gewesen. Er hat auf verschiedene Notarzteinsätze verwiesen. Seine gesundheitliche Lage sei damals noch deutlich schlechter gewesen als jetzt. Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, dass ein Betrag in Höhe von 40.845.- EUR für die Zeit vom 14. Mai 2014 bis 27. März 2017 begehrt werde; er hat die Kosten aufgelistet. Sofern auf die Zeit bis 9. März 2017 abzustellen sei, wären 840.- EUR abzuziehen. Zur Frage des Vorliegens einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine erste Ablehnung des Antrags vom 12. Mai 2014 nach Beratung durch den MDK fernmündlich bereits am 23. Mai 2014 erfolgt sei. Ein Bescheid könne auch mündlich erlassen werden, § 33 Abs. 2 S. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Im Übrigen handele es sich um eine Leistung, die ganz eindeutig nicht in den Leistungskatalog der GKV gehöre.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27. September 2017 bestritten, eine telefonische Absage erhalten zu haben. Demgegenüber hat die Beklagte auf ein Schreiben des Klägers vom 26. Mai 2014 - also drei Tage nach der behaupteten telefonischen Ablehnung - hingewiesen. Im Übrigen gelte die 5-Wochen-Frist, da der Kläger in seinem Antragsschreiben ausdrücklich ausgeführt habe, dass er Unterlagen "zur Prüfung durch den medizinischen Dienst" einreiche. Er habe also schon bereits bei der Antragstellung gewusst, dass sein Antrag dem MDK vorgelegt werden würde.
In dem parallel zum Berufungsverfahren laufenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Antrag, die Kosten bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu übernehmen, hat der Senat den Antrag mit Beschluss vom 18. März 2016 abgelehnt (Az.: L 4 KR 549/15 ER).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2017 wurden vor allem die Fragen der Genehmigungsfiktion, eines off-label-use sowie des Vorliegens einer lebensbedrohlichen (insbesondere im August 2015) bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2014 zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum vom 12. Mai 2014 bis 9. März 2017 verauslagten Kosten für Cannabis als Schmerztherapie in Höhe von 40.005.- EUR zu erstatten.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Landessozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der klägerische Antrag betrifft nach Inkrafttreten der Neufassung des § 31 Abs. 6 SGB V und der Bewilligung durch die Beklagte nur noch den Zeitraum vom 12. Mai 2014 bis 9. März 2017. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 27. März 2017 ersetzt insoweit gemäß § 96 Abs. 1 SGG den streitigen Bescheid vom 4. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2014. Nachgewiesen sind in diesem Zeitraum verauslagte Kosten vom 14. Mai 2014 bis 3. März 2017 in Höhe von 40.005. EUR (überwiegend Bedrocan, aber auch Argyle (1.120.- EUR), Pedanio 22/1 (280.- EUR), Princeton MCT K007 (210.- EUR), Benica (750.- EUR) und Bediol (750.- EUR). Es handelt sich um Cannabisblüten des niederländischen Herstellers Bedrocan.
Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a SGB V, eingefügt mit Gesetz vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 277), greift vorliegend nicht. Dabei kann offen bleiben, ob am 23. Mai 2014 fernmündlich ein wirksamer ablehnender Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger ergangen ist, da aufgrund der Einschaltung des MDK von einer fünfwöchigen Frist gemäß § 13 Abs. 3 a S. 1 SGB V auszugehen ist. Zwar ist nach Antragstellung keine schriftliche Unterrichtung gemäß § 13 Abs. 3 a S. 2 SGB V an den Kläger ergangen. Diese konnte jedoch unterbleiben, da dem Kläger bereits bei Antragstellung bewusst war, dass die Beklagte den MDK zur Prüfung einschaltet. So hat sich der Kläger in seinem Antragschreiben, das bei der Beklagten am 12. Mai 2014 eingegangen ist, auf ein vorangegangenes Telefongespräch bezogen und mitgeteilt: "Wie bereits telefonisch mit Ihnen besprochen sende ich zur Prüfung durch den medizinischen Dienst folgende Unterlagen: ( ...)". Damit war dem Kläger der Verfahrensablauf bereits bekannt, so dass es einer erneuten Mitteilung durch die Beklagte nach Eingang des Antrags nicht mehr bedurfte. Ein Berufen auf das Erfordernis der schriftlichen Mitteilung nach § 13 Abs. 3 a S. 2 SGB V stellt in diesem Fall einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) dar.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 6 SGB V. § 31 Abs. 6 SGB V wurde eingefügt durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 10. März 2017. Strittig ist vorliegend die Rechtslage vor dem 10. März 2017. Für den abgelaufenen Zeitraum kann lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V zur Geltung gebracht werden - hier in Form der 2. Fallvariante "zu Unrecht abgelehnt". Die Höhe der geltend gemachten Kosten bis zum 10. März 2017 ist mit 40.005.- EUR ausreichend glaubhaft gemacht und nicht bestritten. Aus dem Wortlaut des § 31 Abs. 6 SGB V ergibt sich nämlich keine Rückwirkung für die Zeit vor dem Inkrafttreten am 10. März 2017. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber nur eine Klarstellung beabsichtigt hat, finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8965, S. 23 ff) nicht. Vielmehr wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 31 Abs. 6 SGB V eine "Neuregelung" (S. 25) treffen wollte bzw. von einem "Ausnahmecharakter der Regelung" (S. 25) ausging.
Ein Anspruch des Klägers auf Behandlung mit Cannabis ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist jedoch das vom Kläger begehrte Cannabis der Anlage 2 zum BtMG als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel zuzuordnen, da der Kläger dieses nicht in Form eines Fertigarzneimittels verwendet. Damit kann das beantragte Cannabis nicht verordnet werden, so dass eine Kostenübernahme durch die Beklagte gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht in Betracht kommt. Mangels der Eigenschaft als Fertigarzneimittel ist auch keine Verordnungsfähigkeit als Rezepturarzneimittel entsprechend der Anlage 3 zum BtMG gegeben, da es sich insoweit um eine Zubereitung handeln muss, die als Fertigarzneimittel zugelassen ist.
Insoweit verweist der Senat auch auf den Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem bereits ausgeführt wurde: "Cannabisblüten sind, sofern sie zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt sind, in Anlage II des BTMG gelistet und damit zwar verkehrsfähig, aber betäubungsmittelrechtlich nicht verschreibungsfähig. Der Senat geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass damit auch sozialversicherungsrechtlich (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) eine Verordnungsfähigkeit nicht gegeben ist, weil das Betäubungsmittelrecht bereits eine auch sozialrechtlich bindende Schranke für die Leistungspflicht der GKV bildet. Auf eine ordnungsgemäße Verschreibung (= Verordnung) kann auch nicht verzichtet werden, da es sich bei der begehrten Cannabistherapie zu Lasten der GKV um eine ärztliche Behandlung im Sinne des § 15 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB V handeln muss, d.h. eine Selbsttherapie, wie sie von der erteilten Erlaubnis der Bundesopiumstelle umfasst ist, nicht ausreicht. Die erteilte Erlaubnis bedingt lediglich die straffreie Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr, demzufolge kann auch die von der behandelnden Ärztin Dr. K. abgegebene Erklärung vom 16.4.2014 keine den Vorschriften des SGB V (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) entsprechende ärztliche Verordnung darstellen (vgl. Beschluss des Senats vom 7.01.2014, L 4 KR 420/13 B ER). ( ...)" (Bayer. Landessozialgericht, Beschl. v. 18. März 2016, a.a.O., S. 6/7).
Auch fehlte es für eine Schmerztherapie mit Cannabisblüten an einer nach § 135 SGB V erforderlichen entsprechenden Anwendungsempfehlung des G-BA (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25. August 2016, Az.: L 1 KR 340/16 B ER - juris Rn. 6).
Ein Anspruch besteht auch nicht nach § 35 c SGB V bzw. den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des off-label-use (z.B. BSG, Urt. v. 13. Dezember 2016, Az.: B 1 KR 1/16 R). Die Anwendung von § 35 c SGB V scheidet bereits deshalb aus, weil es sich bei den begehrten Cannabisblüten um kein Fertigarzneimittel handelt, das nach dem Arzneimittelgesetz einer Zulassung bedürfte. Ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel, das lediglich Medizinal-Cannabisblüten enthält, gab es nicht.
Ein off-label-use kommt auch darüber hinaus nicht in Betracht. Dieser kommt nach der Rechtsprechung (vgl. BSGE 97, 112; 109, 211; BSG, Urt. v. 13. Dezember 2016, Az.: B 1 KR 1/16 R - juris) nur dann in Betracht, wenn es - um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, - keine andere Therapie verfügbar ist und - aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Dabei ist auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse abzustellen (BSGE 95, 132). Es müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Das BSG stellt hierbei auf Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III ab (BSG v. 13. Dezember 2016, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N.). Vorliegend liegen jedoch unstreitig, wie auch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergeben hat, keine aussagekräftigen Studien bezogen auf das Krankheitsbild des Klägers vor. Auch der MDK hat ausgeführt, dass zur Behandlung mit Cannabis bisher keine evidenzbasierten Studien vorliegen. Er weist darauf hin, dass im Gegenteil kürzlich Hinweise auf die potentielle kardiovaskuläre Toxizität der Substanz publiziert wurden (Thomas, Kloner, Rezkalle, Adverse cardiovascular, cerebrovascular and peripheral vascular effects of Marijuana inhalation: "What Cardiologists need to know", in: AM J. Kardiol 2014, 113 (1: 187 - 190); Hartung, Kauferstein u.a., Sudden unexpected death under acute influence of Cannabis, in: Forensic SCI INT 2014, 237: e. 11 - 13). Schließlich weist auch die behandelnde Internistin Dr. K. darauf hin, dass zu Cannabis keine evidenzbasierten Studien vorlagen.
Der Kläger hat sich daher im Berufungsverfahren vor allem auf eine lebensbedrohliche bzw. vergleichbare Erkrankung bezogen und sich dabei auf den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (BVerfG, a.a.O.) gestützt. Ein Anspruch besteht allerdings auch nicht im Hinblick auf diesen sog. Nikolausbeschluss des BVerfG bzw. nach § 2 Abs. 1 a SGB V (eingefügt mit Gesetz vom 22. Dezember 2011, BGBl. I S. 2983). Nach § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine nach Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine für die Bejahung des Leistungsanspruchs unter diesem Gesichtspunkt erforderliche notstandsähnliche Situation liegt nur dann vor, wenn ohne die streitige Behandlung sich ein tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird oder ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktionen akut droht (z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 - juris). Diese Voraussetzungen wurden von der Rechtsprechung z.B. bereits im Falle einer multiplen Sklerose (BSG, vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R) sowie für eine infantile Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 19/10 R) verneint.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V liegen im Falle des Klägers nach Überzeugung des Senats nicht vor. Dies gilt zunächst im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers in Form hereditärer und idiopathischer Neuropathien. Hierbei kommt es durch rezidivierende Drucklähmungen peripherer Nerven zu erheblichen Schmerzen. Grundsätzlich sind Schmerzzustände nicht lebensbedrohend (so z.B. auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris - Rn. 3 u. 6). Die behandelnde Ärztin Dr. K. hat zwar in ihrer Äußerung vom 2. September 2014 die Ansicht vertreten, dass nach ihrer Einschätzung die Erkrankung wertungsgleich einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei. Sie hat dies mit einem zunehmenden Untergewicht und einer Abnahme der Kräfte begründet. Bei dem Untergewicht des Klägers sei nicht von der Hand zu weisen, dass bei weiterer kontinuierlicher Gewichtsabnahme dies auch auf durchaus absehbare Zeit zum Tod führen würde.
Der Senat hält wie bereits in der Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes daran fest, dass das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild zwar sehr beeinträchtigende Zustände mit sich gebracht hat, von einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder einer diesem Zustand gleichzusetzenden, zum Beispiel mit dem Verlust eines Sinnesorgans einhergehenden Erkrankung aber nicht auszugehen ist. Eine existenziell bedeutsame Leistung der Krankenversicherung steht daher nach Auffassung des Senats nicht im Raum (BVerfG vom 29. November 2007, 1 BvR 2496/07, Rn. 16).
Auch nach den Feststellungen des MDK vom Juli 2014 im Widerspruchsverfahren lag keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor. Eine derartige Erkrankung wird auch nicht von der Internistin in dem dem Antrag beigefügten Arztbericht vom 16. April 2014 benannt. Dieser wird darauf gestützt, dass ein seltenes Krankheitsbild mit Neigung zu Druckparesen vorliegt. Im Vordergrund standen ganz offensichtlich die erheblichen Schmerzen, die der Kläger hatte. Die Ärztin beschreibt zwar, dass "generalisiert auch eine erhebliche Kraftminderung" gegeben sei, beschreibt das Krankheitsbild aber damals deutlich weniger dramatisch als im September 2014. Das Gewicht war bis April 2014 zwar von 83 kg auf 62 kg zurückgegangen, als Gründe für die Cannabistherapie wurden jedoch angegeben: (1) Verbesserte Schmerzbehandlung mit günstigerem Nebenwirkungsprofil (2) Rückgang der Krampfneigung an der Extremitätenmuskulatur (3) Besserung der Lebensqualität und Stabilisierung des Körpergewichts und damit der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Ein Erkrankungszustand vergleichbar einer lebensbedrohlichen Situation wurde nicht beschrieben und lässt sich aus dem Antrag auch nicht konstatieren. Die Begründung erscheint im Hinblick auf den Prozessverlauf nachgeschoben, zumal sich auch aus den Arztbriefen der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. über kurzfristige stationäre Aufenthalte keine lebensbedrohliche Situation oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ergibt. Die Behandlung erfolgte dort wegen funktioneller Magenentleerungsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, die bereits am nächsten Tag nicht mehr vorhanden waren, so dass der Kläger wieder entlassen werden konnte. Als Empfehlungen wurden (lediglich) eine Vorstellung in einer Schmerzambulanz bzw. eine Optimierung der Medikation abgegeben. Der Senat teilt auch nicht die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Ansicht, dass im August 2015 bereits eine lebensbedrohliche Situation vorgelegen habe, die zur mehrmaligen notfallmäßigen Aufnahme in ein Krankenhaus geführt habe. Zum einen wurde bereits oben ausgeführt, dass sich aus den Arztbriefen der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. vom 8. Juli 2015 und 11. August 2015 über kurzfristige stationäre Aufenthalte keine lebensbedrohliche Situation oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ergibt. Zum anderen waren die Krankenhausaufenthalte trotz laufender Cannabistherapie notwendig geworden. Dies ergibt sich einerseits aus der Epikrise der Arztbriefe, nach der der Kläger unter einer Cannabis- und einer Buprenorphintherapie stand. Andererseits ergibt sich aus der Auflistung der Rathaus-Apotheke P., dass der Kläger sowohl im Juli 2015 als auch im August 2015 regelmäßig die nach seinen Ausführungen seinen Bedarf deckenden Mengen (110 g/Monat) an Bedrocan bezogen hat.
Schließlich ist auch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V auszugehen, falls der Kläger weder Cannabis als Schmerzmittel genommen hätte noch - aufgrund der Nebenwirkungen - eine Therapie mit Buprenorphin, Pregabalin oder Tilidin fortgeführt hätte. Nach Ansicht des MDK ist nicht belegt, dass sonstige Schmerztherapien bisher überhaupt bzw. in ausreichend hoher Dosis und über ausreichend lange Zeit zur Anwendung gekommen waren. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen sind nach Darstellung des MDK in seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2014 vier systemisch verabreichte Substanzgruppen empfohlen, nämlich Antidepressiva, Antikonvulsiva mit Wirkung am Calciumkanal, Antikonvulsiva mit Wirkung am Natriumkanal und Opioide. Soweit die behandelnde Ärztin Dr. K. hiergegen Einwendungen erhebt, kann der Senat dies offen lassen, da zu berücksichtigen ist, dass der Kläger, wie sich aus den Arztbriefen des Krankenhauses vom Juli und August 2015 ergibt, tatsächlich neben Cannabis auch weiterhin unter "Dauertherapie mit ... Buprenorphin" stand, somit also auch diese Therapie fortführte. Dies spricht im Übrigen auch dafür, dass es sich bei den von Dr. K. im Rahmen der Antragstellung bescheinigten Nebenwirkungen der Therapie mit Buprenorphin wie Müdigkeit, Trägheit, Appetitmangel, Obstipation, Übelkeit und Störungen im Temperaturempfinden, gelegentlichen Entzugserscheinungen und bei Erhöhung der Dosierung im Rahmen von Schmerzspitzen Lethargie und unkontrolliertem Zucken der Augen bzw. bei der Therapie mit Pregabalin in Form von Übelkeit, Schwindel und Benommenheit nur um - wenn auch zum Teil beträchtliche - Unannehmlichkeiten und Beeinträchtigungen handelt.
Ein Anspruch auf die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten aufgrund eines Ausnahmefalls eines sogenannten Seltenheitsfalls oder sog. Systemversagens liegt nicht vor. Ein Seltenheitsfall ist gegeben bei einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 1/09 R und 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R zitiert nach juris). Zwar handelt es sich bei der Erkrankung des Klägers um ein relativ seltenes Krankheitsbild. Es ist aber ausgeschlossen, für die Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (BSGE 111, 168; BSG v. 13. Dezember 2016, a.a.O., juris Rn. 22).
Die Erkrankung wird durch die Gabe der Cannabisblüten nicht geheilt. Es wird auch nicht vorgetragen, dass die Cannabisblüten auf die Grunderkrankung heilend einwirken sollen, behandelt werden sollen vielmehr die vorhandenen Schmerzzustände. Für Schmerzzustände stehen aber zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, so dass also eine systemische Behandlung zwar nicht möglich ist, aber eine systematische Behandlung in Form einer Schmerztherapie durchaus denkbar ist, wie auch der MDK mehrfach ausgeführt hat (so der Senat auch bereits in dem Beschluss vom 18. März 2016, a.a.O.). Hinzukommen die o.g. wissenschaftlichen Bedenken beim Einsatz von Cannabis.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Zwar bewilligte die Beklagte während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 27. März 2017 eine Kostenübernahme für die Cannabistherapie für die Zukunft, eine kostenmäßige Belastung der Beklagten ist diesbezüglich jedoch nicht angezeigt, da dies auf einer Neufassung des § 31 Abs. 6 SGB V beruhte und die Beklagte unverzüglich ihre Leistungspflicht anerkannt hat. Eine Kostenbeteiligung der Beklagten ist daher nicht sachgerecht (s.a. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 12 c und 12 d m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch die Erstattung der Kosten für eine Schmerztherapie mit Medizinal-Cannabisblüten der Sorten Bedrocan und Bedica als Inhalation für die Zeit vor dem 10. März 2017.
Der 1983 geborene Kläger und Berufungskläger beantragte am 12. Mai 2014 unter Vorlage eines Arztberichts der Internistin Dr. K. vom 16. April 2014 die Kostenübernahme für eine Schmerztherapie mit Cannabis. Er leide an der seltenen Erkrankung einer hereditären Neigung zu Druckparesen. Diese Krankheit führe zu erheblichen Schmerzen, insbesondere in den unteren Extremitäten. Wegen der Seltenheit der Erkrankung gebe es wenig gesicherte schulmedizinische Therapieansätze. Aktuell kämen beim Kläger Buprenorphin und Pregabalin zum Einsatz. Eine Tilidinmedikation habe der Kläger nicht vertragen. Von der Cannabistherapie sei eine verbesserte Schmerzbehandlung mit günstigeren Nebenwirkungen zu erwarten sowie ein Rückgang der Krampfleiden und eine Besserung der Lebensqualität. Der Kläger gab an, dass die aktuelle Schmerztherapie mit Buprenorphin und Pregabalin aufgrund der Nebenwirkungen nicht mehr zumutbar sei und alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht bekannt seien. Die Schmerztherapie mit Cannabis würde in seinem Fall zu einer deutlichen Verbesserung der gesamten Lebenssituation führen, da aufgrund des Verzichts auf die genannten Arzneimittel die Nebenwirkungen wie Erbrechen, Blasenschwäche und Kreislaufzusammenbrüche sowie lethargische Anfälle wegfallen würden. Eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle für den Erwerb von Cannabis in der Apotheke lag vor. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 19. Mai 2014 ein. Es bestehe keine Zulassung der beantragten Therapie bei dem beschriebenen Krankheitsbild, vielmehr liege ein off-label-use vor. Die gängigen schmerztherapeutischen Maßnahmen seien vordergründig medikamentös wie konservativ vorzuziehen. Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenübernahme ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 25. Juli 2014 ein. Danach sei eine ursächliche Behandlung der Erkrankung des Klägers - einer hereditären Neuropathie mit erhöhter Neigung zu Druckläsionen bzw. rezidivierenden Drucklähmungen peripherer Nerven - nicht möglich. Bei Medizinal-Cannabisblüten (in dem Fall Bedrocan und Bedica) handele es sich gemäß Anlage 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) um verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel. Ein nicht verschreibungsfähiges Mittel könne nicht rezeptiert werden. Damit entfalle die Grundlage für eine Leistung der Krankenversicherung. Gemäß § 34 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen, abgesehen von durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien festgelegten Ausnahmen für solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten und zur Anwendung bei diesen Erkrankung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Bei jedem Arzneimittel sei demnach eine vertragsärztliche Verordnung Voraussetzung für eine Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung. Beim Kläger liege auch keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsgemäß vergleichbare Erkrankung vor. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen, wie sie hier gegeben seien, würden vier systemisch verabreichte Substanzgruppen empfohlen. Vorliegend sei nicht erkennbar, ob auch andere als die genannten Medikamente bisher zur Anwendung gekommen seien - in ausreichend hoher Dosierung und über ausreichend lange Zeit hinweg. Unter der Behandlung mit Opiaten könne es zu Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen kommen. Die Gefahren und Nebenwirkungen von Cannabis seien bisher nicht ausreichend untersucht worden. Es sei noch nicht abschließend geklärt, inwieweit Cannabis tatsächlich ein relativ günstiges Nebenwirkungsprofil aufweise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen würden vier systemisch verabreichte Substanzen empfohlen: Antidepressiva, Antikonvulsiva mit Wirkung am Calciumkanal, Antikonvulsiva mit Wirkung am Natriumkanal und Opioide. Zur Behandlung mit Cannabis lägen bisher keine evidenzbasierten Studien vor. Eine Heilung oder ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf sei nicht zu erwarten. Zudem seien die Gefahren und Nebenwirkungen von Cannabis bisher nicht ausreichend untersucht worden. Kürzlich seien Hinweise auf die potentielle kardiovaskuläre Toxizität der Substanz publiziert worden. Die Voraussetzungen für einen off-label-use seien somit insgesamt nicht gegeben.
Dagegen hat der Bevollmächtigte am 29. September 2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er hat ein weiteres Attest von Dr. K. vom 2. September 2014 vorgelegt, die sich mit den vom MDK empfohlenen alternativen Behandlungsmöglichkeiten auseinandergesetzt und darauf hingewiesen hat, dass es für die Erkrankung des Klägers keinerlei evidenzbasierte Therapie gebe. Durch die eingeleitete Therapie sei die Wirkung belegt, er habe an Gewicht zugelegt, die körperliche und psychische Belastbarkeit habe sich deutlich verbessert und die Nebenwirkungen von Opiaten und Pregabalin seien abgebaut worden. Die behandelnde Internistin Dr. K. hat ihrem Befundbericht für das Sozialgericht auch frühere Arztbriefe sowie ein im Rentenverfahren (Sozialgericht Augsburg, Az.: S 13 R 1090/10) erstelltes Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. M., vom 16. Mai 2011 beigefügt.
Die Beklagte hat erneut darauf hingewiesen, dass ein verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nicht rezeptiert werden könne und daher auch keine Kostenübernahme durch die Beklagte erfolgen könne. Sie hat sich dabei auf ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 2. April 2015 berufen, mit dem die bisherige Beurteilung bestätigt würde.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. Juli 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem begehrten Cannabis um ein verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel handele, da der Kläger dieses nicht in Form eines Fertigarzneimittels verwende. Es bestehe aber auch kein Anspruch des Klägers auf der Grundlage des sog. Nikolausbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 6. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98), da die vom Kläger geschilderten Beschwerden nicht mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung gleichgesetzt werden könnten. Im Übrigen bestehe auch keine evidenzbasierte Studie, die eine Heilung oder einen positiven Einfluss auf das Krankheitsbild bestätige oder für sehr wahrscheinlich einschätze, so dass die Voraussetzung für eine Therapie mit Cannabis im Wege des off-label-use nicht vorliege.
Im hiergegen gerichteten Berufungsverfahren hat der Kläger weiter die Erstattung und Übernahme der Kosten geltend gemacht. Eine andere Therapie stehe nicht zur Verfügung. Wegen der Seltenheit der Krankheit gebe es keine gesicherten schulmedizinischen Therapieansätze. Die Behandlung mit Cannabis bedeute für den Kläger nicht nur eine Schmerzbehandlung mit günstigeren Nebenwirkungen, sondern auch eine Besserung der Lebensqualität und einen Rückgang der Krampfleiden. Auf die Bestätigungen der Dr. K. ist verwiesen worden. Die Ärztin gehe in ihrer Äußerung vom 2. September 2014 sogar soweit, dass nach ihrer Einschätzung die Erkrankung wertungsgleich einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei. Etwas anderes könne sie bei zunehmendem Untergewicht und Abnahme der Kräfte nicht konstatieren. Im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 sei davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bei weiterer Cannabis-Therapie bestehen würde. Bei dem Untergewicht des Klägers sei nicht von der Hand zu weisen, dass bei weiterer kontinuierlicher Gewichtsabnahme dies auch auf durchaus absehbare Zeit zum Tod führen würde. Beigefügt waren auch Arztbriefe der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. vom 8. Juli und 11. August 2015.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10. April 2017 mitgeteilt, dass nach dem Inkrafttreten des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) am 7. März 2017 dem Kläger die Versorgung mit Cannabis der Sorte "Bedrocan" genehmigt wurde. Für die Zeit davor hat die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 8. Dezember 2015 in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verwiesen, in dem sie ausführlich zur bisher ergangenen Rechtsprechung im Rahmen des off-label-use und zur Verordnung von Cannabis Stellung genommen habe.
Der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 aufrecht erhalten; er hat die Erstattung der verauslagten Kosten bis März 2017 begehrt. Bereits zur damaligen Zeit sei eine Kostenübernahme möglich gewesen, da die Beklagte schon vor der Gesetzesänderung bei ADHS die Kosten übernommen habe. Es sei bei ihm ein off-label-use möglich gewesen. Er hat auf verschiedene Notarzteinsätze verwiesen. Seine gesundheitliche Lage sei damals noch deutlich schlechter gewesen als jetzt. Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, dass ein Betrag in Höhe von 40.845.- EUR für die Zeit vom 14. Mai 2014 bis 27. März 2017 begehrt werde; er hat die Kosten aufgelistet. Sofern auf die Zeit bis 9. März 2017 abzustellen sei, wären 840.- EUR abzuziehen. Zur Frage des Vorliegens einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine erste Ablehnung des Antrags vom 12. Mai 2014 nach Beratung durch den MDK fernmündlich bereits am 23. Mai 2014 erfolgt sei. Ein Bescheid könne auch mündlich erlassen werden, § 33 Abs. 2 S. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Im Übrigen handele es sich um eine Leistung, die ganz eindeutig nicht in den Leistungskatalog der GKV gehöre.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27. September 2017 bestritten, eine telefonische Absage erhalten zu haben. Demgegenüber hat die Beklagte auf ein Schreiben des Klägers vom 26. Mai 2014 - also drei Tage nach der behaupteten telefonischen Ablehnung - hingewiesen. Im Übrigen gelte die 5-Wochen-Frist, da der Kläger in seinem Antragsschreiben ausdrücklich ausgeführt habe, dass er Unterlagen "zur Prüfung durch den medizinischen Dienst" einreiche. Er habe also schon bereits bei der Antragstellung gewusst, dass sein Antrag dem MDK vorgelegt werden würde.
In dem parallel zum Berufungsverfahren laufenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Antrag, die Kosten bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu übernehmen, hat der Senat den Antrag mit Beschluss vom 18. März 2016 abgelehnt (Az.: L 4 KR 549/15 ER).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2017 wurden vor allem die Fragen der Genehmigungsfiktion, eines off-label-use sowie des Vorliegens einer lebensbedrohlichen (insbesondere im August 2015) bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2014 zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum vom 12. Mai 2014 bis 9. März 2017 verauslagten Kosten für Cannabis als Schmerztherapie in Höhe von 40.005.- EUR zu erstatten.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Landessozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der klägerische Antrag betrifft nach Inkrafttreten der Neufassung des § 31 Abs. 6 SGB V und der Bewilligung durch die Beklagte nur noch den Zeitraum vom 12. Mai 2014 bis 9. März 2017. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 27. März 2017 ersetzt insoweit gemäß § 96 Abs. 1 SGG den streitigen Bescheid vom 4. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2014. Nachgewiesen sind in diesem Zeitraum verauslagte Kosten vom 14. Mai 2014 bis 3. März 2017 in Höhe von 40.005. EUR (überwiegend Bedrocan, aber auch Argyle (1.120.- EUR), Pedanio 22/1 (280.- EUR), Princeton MCT K007 (210.- EUR), Benica (750.- EUR) und Bediol (750.- EUR). Es handelt sich um Cannabisblüten des niederländischen Herstellers Bedrocan.
Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a SGB V, eingefügt mit Gesetz vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 277), greift vorliegend nicht. Dabei kann offen bleiben, ob am 23. Mai 2014 fernmündlich ein wirksamer ablehnender Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger ergangen ist, da aufgrund der Einschaltung des MDK von einer fünfwöchigen Frist gemäß § 13 Abs. 3 a S. 1 SGB V auszugehen ist. Zwar ist nach Antragstellung keine schriftliche Unterrichtung gemäß § 13 Abs. 3 a S. 2 SGB V an den Kläger ergangen. Diese konnte jedoch unterbleiben, da dem Kläger bereits bei Antragstellung bewusst war, dass die Beklagte den MDK zur Prüfung einschaltet. So hat sich der Kläger in seinem Antragschreiben, das bei der Beklagten am 12. Mai 2014 eingegangen ist, auf ein vorangegangenes Telefongespräch bezogen und mitgeteilt: "Wie bereits telefonisch mit Ihnen besprochen sende ich zur Prüfung durch den medizinischen Dienst folgende Unterlagen: ( ...)". Damit war dem Kläger der Verfahrensablauf bereits bekannt, so dass es einer erneuten Mitteilung durch die Beklagte nach Eingang des Antrags nicht mehr bedurfte. Ein Berufen auf das Erfordernis der schriftlichen Mitteilung nach § 13 Abs. 3 a S. 2 SGB V stellt in diesem Fall einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) dar.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 6 SGB V. § 31 Abs. 6 SGB V wurde eingefügt durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 10. März 2017. Strittig ist vorliegend die Rechtslage vor dem 10. März 2017. Für den abgelaufenen Zeitraum kann lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V zur Geltung gebracht werden - hier in Form der 2. Fallvariante "zu Unrecht abgelehnt". Die Höhe der geltend gemachten Kosten bis zum 10. März 2017 ist mit 40.005.- EUR ausreichend glaubhaft gemacht und nicht bestritten. Aus dem Wortlaut des § 31 Abs. 6 SGB V ergibt sich nämlich keine Rückwirkung für die Zeit vor dem Inkrafttreten am 10. März 2017. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber nur eine Klarstellung beabsichtigt hat, finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8965, S. 23 ff) nicht. Vielmehr wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 31 Abs. 6 SGB V eine "Neuregelung" (S. 25) treffen wollte bzw. von einem "Ausnahmecharakter der Regelung" (S. 25) ausging.
Ein Anspruch des Klägers auf Behandlung mit Cannabis ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist jedoch das vom Kläger begehrte Cannabis der Anlage 2 zum BtMG als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel zuzuordnen, da der Kläger dieses nicht in Form eines Fertigarzneimittels verwendet. Damit kann das beantragte Cannabis nicht verordnet werden, so dass eine Kostenübernahme durch die Beklagte gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht in Betracht kommt. Mangels der Eigenschaft als Fertigarzneimittel ist auch keine Verordnungsfähigkeit als Rezepturarzneimittel entsprechend der Anlage 3 zum BtMG gegeben, da es sich insoweit um eine Zubereitung handeln muss, die als Fertigarzneimittel zugelassen ist.
Insoweit verweist der Senat auch auf den Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem bereits ausgeführt wurde: "Cannabisblüten sind, sofern sie zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt sind, in Anlage II des BTMG gelistet und damit zwar verkehrsfähig, aber betäubungsmittelrechtlich nicht verschreibungsfähig. Der Senat geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass damit auch sozialversicherungsrechtlich (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) eine Verordnungsfähigkeit nicht gegeben ist, weil das Betäubungsmittelrecht bereits eine auch sozialrechtlich bindende Schranke für die Leistungspflicht der GKV bildet. Auf eine ordnungsgemäße Verschreibung (= Verordnung) kann auch nicht verzichtet werden, da es sich bei der begehrten Cannabistherapie zu Lasten der GKV um eine ärztliche Behandlung im Sinne des § 15 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB V handeln muss, d.h. eine Selbsttherapie, wie sie von der erteilten Erlaubnis der Bundesopiumstelle umfasst ist, nicht ausreicht. Die erteilte Erlaubnis bedingt lediglich die straffreie Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr, demzufolge kann auch die von der behandelnden Ärztin Dr. K. abgegebene Erklärung vom 16.4.2014 keine den Vorschriften des SGB V (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) entsprechende ärztliche Verordnung darstellen (vgl. Beschluss des Senats vom 7.01.2014, L 4 KR 420/13 B ER). ( ...)" (Bayer. Landessozialgericht, Beschl. v. 18. März 2016, a.a.O., S. 6/7).
Auch fehlte es für eine Schmerztherapie mit Cannabisblüten an einer nach § 135 SGB V erforderlichen entsprechenden Anwendungsempfehlung des G-BA (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25. August 2016, Az.: L 1 KR 340/16 B ER - juris Rn. 6).
Ein Anspruch besteht auch nicht nach § 35 c SGB V bzw. den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des off-label-use (z.B. BSG, Urt. v. 13. Dezember 2016, Az.: B 1 KR 1/16 R). Die Anwendung von § 35 c SGB V scheidet bereits deshalb aus, weil es sich bei den begehrten Cannabisblüten um kein Fertigarzneimittel handelt, das nach dem Arzneimittelgesetz einer Zulassung bedürfte. Ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel, das lediglich Medizinal-Cannabisblüten enthält, gab es nicht.
Ein off-label-use kommt auch darüber hinaus nicht in Betracht. Dieser kommt nach der Rechtsprechung (vgl. BSGE 97, 112; 109, 211; BSG, Urt. v. 13. Dezember 2016, Az.: B 1 KR 1/16 R - juris) nur dann in Betracht, wenn es - um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, - keine andere Therapie verfügbar ist und - aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Dabei ist auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse abzustellen (BSGE 95, 132). Es müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Das BSG stellt hierbei auf Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III ab (BSG v. 13. Dezember 2016, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N.). Vorliegend liegen jedoch unstreitig, wie auch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergeben hat, keine aussagekräftigen Studien bezogen auf das Krankheitsbild des Klägers vor. Auch der MDK hat ausgeführt, dass zur Behandlung mit Cannabis bisher keine evidenzbasierten Studien vorliegen. Er weist darauf hin, dass im Gegenteil kürzlich Hinweise auf die potentielle kardiovaskuläre Toxizität der Substanz publiziert wurden (Thomas, Kloner, Rezkalle, Adverse cardiovascular, cerebrovascular and peripheral vascular effects of Marijuana inhalation: "What Cardiologists need to know", in: AM J. Kardiol 2014, 113 (1: 187 - 190); Hartung, Kauferstein u.a., Sudden unexpected death under acute influence of Cannabis, in: Forensic SCI INT 2014, 237: e. 11 - 13). Schließlich weist auch die behandelnde Internistin Dr. K. darauf hin, dass zu Cannabis keine evidenzbasierten Studien vorlagen.
Der Kläger hat sich daher im Berufungsverfahren vor allem auf eine lebensbedrohliche bzw. vergleichbare Erkrankung bezogen und sich dabei auf den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (BVerfG, a.a.O.) gestützt. Ein Anspruch besteht allerdings auch nicht im Hinblick auf diesen sog. Nikolausbeschluss des BVerfG bzw. nach § 2 Abs. 1 a SGB V (eingefügt mit Gesetz vom 22. Dezember 2011, BGBl. I S. 2983). Nach § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine nach Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine für die Bejahung des Leistungsanspruchs unter diesem Gesichtspunkt erforderliche notstandsähnliche Situation liegt nur dann vor, wenn ohne die streitige Behandlung sich ein tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird oder ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktionen akut droht (z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 - juris). Diese Voraussetzungen wurden von der Rechtsprechung z.B. bereits im Falle einer multiplen Sklerose (BSG, vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R) sowie für eine infantile Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 19/10 R) verneint.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V liegen im Falle des Klägers nach Überzeugung des Senats nicht vor. Dies gilt zunächst im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers in Form hereditärer und idiopathischer Neuropathien. Hierbei kommt es durch rezidivierende Drucklähmungen peripherer Nerven zu erheblichen Schmerzen. Grundsätzlich sind Schmerzzustände nicht lebensbedrohend (so z.B. auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris - Rn. 3 u. 6). Die behandelnde Ärztin Dr. K. hat zwar in ihrer Äußerung vom 2. September 2014 die Ansicht vertreten, dass nach ihrer Einschätzung die Erkrankung wertungsgleich einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei. Sie hat dies mit einem zunehmenden Untergewicht und einer Abnahme der Kräfte begründet. Bei dem Untergewicht des Klägers sei nicht von der Hand zu weisen, dass bei weiterer kontinuierlicher Gewichtsabnahme dies auch auf durchaus absehbare Zeit zum Tod führen würde.
Der Senat hält wie bereits in der Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes daran fest, dass das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild zwar sehr beeinträchtigende Zustände mit sich gebracht hat, von einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder einer diesem Zustand gleichzusetzenden, zum Beispiel mit dem Verlust eines Sinnesorgans einhergehenden Erkrankung aber nicht auszugehen ist. Eine existenziell bedeutsame Leistung der Krankenversicherung steht daher nach Auffassung des Senats nicht im Raum (BVerfG vom 29. November 2007, 1 BvR 2496/07, Rn. 16).
Auch nach den Feststellungen des MDK vom Juli 2014 im Widerspruchsverfahren lag keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor. Eine derartige Erkrankung wird auch nicht von der Internistin in dem dem Antrag beigefügten Arztbericht vom 16. April 2014 benannt. Dieser wird darauf gestützt, dass ein seltenes Krankheitsbild mit Neigung zu Druckparesen vorliegt. Im Vordergrund standen ganz offensichtlich die erheblichen Schmerzen, die der Kläger hatte. Die Ärztin beschreibt zwar, dass "generalisiert auch eine erhebliche Kraftminderung" gegeben sei, beschreibt das Krankheitsbild aber damals deutlich weniger dramatisch als im September 2014. Das Gewicht war bis April 2014 zwar von 83 kg auf 62 kg zurückgegangen, als Gründe für die Cannabistherapie wurden jedoch angegeben: (1) Verbesserte Schmerzbehandlung mit günstigerem Nebenwirkungsprofil (2) Rückgang der Krampfneigung an der Extremitätenmuskulatur (3) Besserung der Lebensqualität und Stabilisierung des Körpergewichts und damit der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Ein Erkrankungszustand vergleichbar einer lebensbedrohlichen Situation wurde nicht beschrieben und lässt sich aus dem Antrag auch nicht konstatieren. Die Begründung erscheint im Hinblick auf den Prozessverlauf nachgeschoben, zumal sich auch aus den Arztbriefen der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. über kurzfristige stationäre Aufenthalte keine lebensbedrohliche Situation oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ergibt. Die Behandlung erfolgte dort wegen funktioneller Magenentleerungsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, die bereits am nächsten Tag nicht mehr vorhanden waren, so dass der Kläger wieder entlassen werden konnte. Als Empfehlungen wurden (lediglich) eine Vorstellung in einer Schmerzambulanz bzw. eine Optimierung der Medikation abgegeben. Der Senat teilt auch nicht die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Ansicht, dass im August 2015 bereits eine lebensbedrohliche Situation vorgelegen habe, die zur mehrmaligen notfallmäßigen Aufnahme in ein Krankenhaus geführt habe. Zum einen wurde bereits oben ausgeführt, dass sich aus den Arztbriefen der Kliniken der Kreisspitalstiftung W. vom 8. Juli 2015 und 11. August 2015 über kurzfristige stationäre Aufenthalte keine lebensbedrohliche Situation oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ergibt. Zum anderen waren die Krankenhausaufenthalte trotz laufender Cannabistherapie notwendig geworden. Dies ergibt sich einerseits aus der Epikrise der Arztbriefe, nach der der Kläger unter einer Cannabis- und einer Buprenorphintherapie stand. Andererseits ergibt sich aus der Auflistung der Rathaus-Apotheke P., dass der Kläger sowohl im Juli 2015 als auch im August 2015 regelmäßig die nach seinen Ausführungen seinen Bedarf deckenden Mengen (110 g/Monat) an Bedrocan bezogen hat.
Schließlich ist auch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB V auszugehen, falls der Kläger weder Cannabis als Schmerzmittel genommen hätte noch - aufgrund der Nebenwirkungen - eine Therapie mit Buprenorphin, Pregabalin oder Tilidin fortgeführt hätte. Nach Ansicht des MDK ist nicht belegt, dass sonstige Schmerztherapien bisher überhaupt bzw. in ausreichend hoher Dosis und über ausreichend lange Zeit zur Anwendung gekommen waren. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen sind nach Darstellung des MDK in seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2014 vier systemisch verabreichte Substanzgruppen empfohlen, nämlich Antidepressiva, Antikonvulsiva mit Wirkung am Calciumkanal, Antikonvulsiva mit Wirkung am Natriumkanal und Opioide. Soweit die behandelnde Ärztin Dr. K. hiergegen Einwendungen erhebt, kann der Senat dies offen lassen, da zu berücksichtigen ist, dass der Kläger, wie sich aus den Arztbriefen des Krankenhauses vom Juli und August 2015 ergibt, tatsächlich neben Cannabis auch weiterhin unter "Dauertherapie mit ... Buprenorphin" stand, somit also auch diese Therapie fortführte. Dies spricht im Übrigen auch dafür, dass es sich bei den von Dr. K. im Rahmen der Antragstellung bescheinigten Nebenwirkungen der Therapie mit Buprenorphin wie Müdigkeit, Trägheit, Appetitmangel, Obstipation, Übelkeit und Störungen im Temperaturempfinden, gelegentlichen Entzugserscheinungen und bei Erhöhung der Dosierung im Rahmen von Schmerzspitzen Lethargie und unkontrolliertem Zucken der Augen bzw. bei der Therapie mit Pregabalin in Form von Übelkeit, Schwindel und Benommenheit nur um - wenn auch zum Teil beträchtliche - Unannehmlichkeiten und Beeinträchtigungen handelt.
Ein Anspruch auf die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten aufgrund eines Ausnahmefalls eines sogenannten Seltenheitsfalls oder sog. Systemversagens liegt nicht vor. Ein Seltenheitsfall ist gegeben bei einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 1/09 R und 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R zitiert nach juris). Zwar handelt es sich bei der Erkrankung des Klägers um ein relativ seltenes Krankheitsbild. Es ist aber ausgeschlossen, für die Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (BSGE 111, 168; BSG v. 13. Dezember 2016, a.a.O., juris Rn. 22).
Die Erkrankung wird durch die Gabe der Cannabisblüten nicht geheilt. Es wird auch nicht vorgetragen, dass die Cannabisblüten auf die Grunderkrankung heilend einwirken sollen, behandelt werden sollen vielmehr die vorhandenen Schmerzzustände. Für Schmerzzustände stehen aber zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, so dass also eine systemische Behandlung zwar nicht möglich ist, aber eine systematische Behandlung in Form einer Schmerztherapie durchaus denkbar ist, wie auch der MDK mehrfach ausgeführt hat (so der Senat auch bereits in dem Beschluss vom 18. März 2016, a.a.O.). Hinzukommen die o.g. wissenschaftlichen Bedenken beim Einsatz von Cannabis.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Zwar bewilligte die Beklagte während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 27. März 2017 eine Kostenübernahme für die Cannabistherapie für die Zukunft, eine kostenmäßige Belastung der Beklagten ist diesbezüglich jedoch nicht angezeigt, da dies auf einer Neufassung des § 31 Abs. 6 SGB V beruhte und die Beklagte unverzüglich ihre Leistungspflicht anerkannt hat. Eine Kostenbeteiligung der Beklagten ist daher nicht sachgerecht (s.a. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 12 c und 12 d m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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