Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2528/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wenn über vier von fünf Widersprüchen vom selben Tag innerhalb eines Monats entschieden wird und zum fünften Widerspruch keinerlei Rückmeldung des Beklagten erfolgt, müssen sich der oder die Widerspruchsführer die Frage stellen, ob hinsichtlich des fünften Widerspruchs irgendetwas schief gelaufen ist. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet bei einer solchen Einzelfallkonstellation zur Nachfrage.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach Erledigung einer Untätigkeitsklage um die Erstattung außergerichtlicher Kosten.
Die Kläger stehen im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Am 23.06.2017 erging für alle Kläger der an den Kläger Nr. 1 adressierte Änderungsbescheid betreffend die Leistungsgewährung für Juli und August 2017 (Bl. 1836 VA). Am 26.06.2017 erließ der Beklagte vier an alle Kläger einzeln gerichtete Erstattungsbescheide bei endgültiger Leistungsfestsetzung betreffend die Leistungszeiträume September 2016 bis Februar 2017, beim Kläger Nr. 4 nur Februar 2017 (Bl. 1855, 1857, 1859 und 1862 VA).
Am 17.07.2017 verfasste der Bevollmächtigte der Kläger fünf Widerspruchsschreiben. Vier davon betrafen die vier Erstattungsbescheide vom 26.06.2017 (Bl. 1869, 1873, 1875 und 1877 VA). Ein Widerspruch betraf den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 (Bl. 7 Gerichtsakte). Alle fünf Widersprüche wurden vom Bevollmächtigten der Kläger per Fax an den Beklagten gesandt. Nur die vier gegen die Bescheid vom 26.06.2017 gerichteten Widersprüche gelangten in die laufende Bearbeitung beim Beklagten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2017 (Bl. 1909 VA) entschied der Beklagte (unter Einbeziehung früherer Widersprüche gegen Bescheide vom April 2017) über die Widersprüche gegen die vier Bescheide vom 26.06.2017.
Am 18.10.2017 haben die Kläger wegen des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 beim Sozialgericht Reutlingen Untätigkeitsklage erhoben.
Der Beklagte hat den Zugang dieses Widerspruchs vor dem Zugang der Untätigkeitsklage bestritten und mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2017 (Bl. 2184 VA) den Widerspruch wegen Fristversäumung und fehlender Regelung zum geltend gemachten Mehrbedarf bei dezentraler Wasserversorgung als unzulässig verworfen. Ergänzend hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Mehrbedarf nicht bestehe, da eine Trennung zwischen Heiz- und Haushaltsstrom nicht möglich sei.
Die Kläger haben daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und eine Kostengrundentscheidung beantragt. Sie haben den Sendebericht zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.06.2017 vorgelegt (Bl. 18 Gerichtsakte), der folgenden Inhalt hat:
Empfänger Startzeit Zeit Drucke Ergebnis Hinweis ( ) ( ) 17-07 13:43 17-07 13:52 00:05:03 00:02:06 001/004 003/004 Cont OK
Daraus sei ersichtlich, dass die erste Seite erfolgreich übermittelt worden und das Fax dann mit den Seiten 2 bis 4 in einem neuen Zustellversuch fortgesetzt worden sei (Cont im Faxbericht). Sodann seien die Seiten 2 bis 4 erfolgreich übermittelt worden. Nicht erfolgreich übermittelte Seiten würden mit dem Hinweis NG, NO Ans, Busy o.ä. Vermerkt. Zuerst habe der Beklagte den Eingang des Widerspruchs in vollem Umfang bestritten, nunmehr einzelne Seiten des Widerspruchs. Diese Schutzbehauptungen seien nicht zielführend und realitätsfern.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
zu entscheiden, dass keine außergerichtliche Kosten zu erstatten sind.
Der Beklagte trägt vor, auf das von den Klägern vorgelegte Sendeprotokoll sei nunmehr der Eingang eines unvollständigen Telefaxes der Gegenseite vom 17.07.2017, bestehend aus Seiten 2 bis 4 des streitgegenständlichen Widerspruchsschreibens festgestellt worden. Die erste Seite des Widerspruchsschreibens sei dagegen per Telefax nie eingegangen. Dies decke sich mit dem Sendeprotokoll, das hinsichtlich der nicht übermittelten Seite 1 des Widerspruchsschreibens eine Fehlermeldung ausweise. Die fehlerfreie Übermittlung des vollständigen Widerspruchs per Telefax liege im Verantwortungsbereich der Kläger, dies insbesondere dann, wenn bereits aus dem Sendeprotokoll heraus Anlass zu Zweifeln an einer fehlerfreien Übermittlung bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
Dabei entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach sachgemäßem Ermessen. Insbesondere sind die Gründe für die Einlegung des Rechtsmittels und die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Keller/Leither-er/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 13).
Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG gilt: Ist die Klage vor Ablauf der Sperrfrist erhoben worden und ergeht der maßgebliche Verwaltungsakt bzw. der Widerspruchsbescheid vor deren Ablauf, wird der Kläger in der Regel keinen Kostenersatz erhalten. Ist die Klage nach Sperrfristablauf erhoben, muss der Beklagte in der Regel die außergerichtlichen Kosten des Klägers erstatten, weil dieser mit dem Bescheid bzw. dem Widerspruchsbescheid vor Fristablauf rechnen durfte. Etwas anderes gilt, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder er ihm bekannt war (Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O. § 193 Rn. 13c).
Bei Sachverhalten, in denen keine besonderen Umstände vorliegen, die für den Kläger eine länger andauernde Ermittlung der Behörde oder eine sonstige Verzögerung der Bearbeitung nahelegen, besteht kein Anlass, über die gesetzlichen Anforderungen des § 88 SGG hinausgehend von dem Kläger zu verlangen, bei der Behörde vor Erhebung einer Untätigkeitsklage nach dem Verfahrensstand nachzufragen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.2004, L 10 LW 4563/04 AK-B in juris Rn. 32). Zu beachten ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Die Untätigkeitsklage dient der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und darf nicht missbraucht werden (jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 193 Rn. 50).
Unter Beachtung dieser Kriterien hat der Beklagte den Klägern deren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Kläger hatten keine Veranlassung zur Untätigkeitsklage, da sie im vorliegenden Einzelfall vor deren Erhebung beim Beklagten hätten nachfragen müssen. Dann hätte sich herausgestellt, dass der Widerspruch vom 17.07.2017 gegen den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 aus welchen Gründen auch immer nicht in die laufende Bearbeitung gelangt war. Die Bearbeitung hätte, wie nun nach Erhebung der Untätigkeitsklage erfolgt, nachgeholt werden können. Es wäre den Klägern zuzumuten gewesen, diese Nachholung als zureichenden Grund für eine Überschreitung der Sperrfrist abzuwarten.
Die Verpflichtung der Kläger zur Nachfrage ergibt sich aus folgendem Gesichtspunkt: die Kläger haben am 17.07.2017 insgesamt fünf Widersprüche per Fax an den Beklagten gesandt. Über vier dieser Widersprüche entschied der Beklagte innerhalb von einem Monat. Die für die Kläger erkennbare Diskrepanz zwischen der zügigen Bearbeitung der vier Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.06.2017 und der gleichzeitigen "Funkstille" hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.06.2017 hätte die Kläger stutzig machen müssen. Wenn über vier von fünf Widersprüchen vom selben Tag innerhalb eines Monats entschieden wird und zum fünften Widerspruch keinerlei Rückmeldung des Beklagten erfolgt, müssen sich der oder die Widerspruchsführer die Frage stellen, ob hinsichtlich des fünften Widerspruchs irgendetwas schief gelaufen ist. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet bei einer solchen Einzelfallkonstellation zur Nachfrage. Dies gilt selbst dann, wenn der Zugang des "fünften" Widerspruchs beim Beklagten klar belegt und nachgewiesen wäre, dass die Nichtbearbeitung allein daran lag, dass der Beklagte einen vollständig eingegangenen Widerspruch übersah.
Als weiteres - aber letztlich nicht entscheidendes - Argument gegen eine Kostentragungspflicht des Beklagten kommt hier hinzu, dass zwischen den Beteiligten Streit über den vollständigen Zugang des Widerspruchs besteht und für die Kläger Hinweise auf Probleme bei dessen Übersendung erkennbar waren. Die Kammer verkennt nicht die unterschiedlichen Interpretationen des maßgeblichen Sendeprotokolls durch die Beteiligten und auch nicht, dass der Beklagte im Nachhinein einräumte, einzelne Seiten des Widerspruchs tatsächlich erhalten zu haben. Fest steht für die Kammer allerdings, dass das Sendeprotokoll nicht zu 100% unauffällig war. Davon hätte nur bei einer vollständigen Übersendung von vier Seiten in einem Zug und dem Ergebnis "OK" ausgegangen werden können. Hier erfolgten jedoch zwei Sendeeinheiten und nur eine davon hatte das Ergebnis "OK". Dies hätte die Kläger zusätzlich zur Nachfrage veranlassen müssen.
Diese Entscheidung ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach Erledigung einer Untätigkeitsklage um die Erstattung außergerichtlicher Kosten.
Die Kläger stehen im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Am 23.06.2017 erging für alle Kläger der an den Kläger Nr. 1 adressierte Änderungsbescheid betreffend die Leistungsgewährung für Juli und August 2017 (Bl. 1836 VA). Am 26.06.2017 erließ der Beklagte vier an alle Kläger einzeln gerichtete Erstattungsbescheide bei endgültiger Leistungsfestsetzung betreffend die Leistungszeiträume September 2016 bis Februar 2017, beim Kläger Nr. 4 nur Februar 2017 (Bl. 1855, 1857, 1859 und 1862 VA).
Am 17.07.2017 verfasste der Bevollmächtigte der Kläger fünf Widerspruchsschreiben. Vier davon betrafen die vier Erstattungsbescheide vom 26.06.2017 (Bl. 1869, 1873, 1875 und 1877 VA). Ein Widerspruch betraf den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 (Bl. 7 Gerichtsakte). Alle fünf Widersprüche wurden vom Bevollmächtigten der Kläger per Fax an den Beklagten gesandt. Nur die vier gegen die Bescheid vom 26.06.2017 gerichteten Widersprüche gelangten in die laufende Bearbeitung beim Beklagten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2017 (Bl. 1909 VA) entschied der Beklagte (unter Einbeziehung früherer Widersprüche gegen Bescheide vom April 2017) über die Widersprüche gegen die vier Bescheide vom 26.06.2017.
Am 18.10.2017 haben die Kläger wegen des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 beim Sozialgericht Reutlingen Untätigkeitsklage erhoben.
Der Beklagte hat den Zugang dieses Widerspruchs vor dem Zugang der Untätigkeitsklage bestritten und mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2017 (Bl. 2184 VA) den Widerspruch wegen Fristversäumung und fehlender Regelung zum geltend gemachten Mehrbedarf bei dezentraler Wasserversorgung als unzulässig verworfen. Ergänzend hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Mehrbedarf nicht bestehe, da eine Trennung zwischen Heiz- und Haushaltsstrom nicht möglich sei.
Die Kläger haben daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und eine Kostengrundentscheidung beantragt. Sie haben den Sendebericht zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.06.2017 vorgelegt (Bl. 18 Gerichtsakte), der folgenden Inhalt hat:
Empfänger Startzeit Zeit Drucke Ergebnis Hinweis ( ) ( ) 17-07 13:43 17-07 13:52 00:05:03 00:02:06 001/004 003/004 Cont OK
Daraus sei ersichtlich, dass die erste Seite erfolgreich übermittelt worden und das Fax dann mit den Seiten 2 bis 4 in einem neuen Zustellversuch fortgesetzt worden sei (Cont im Faxbericht). Sodann seien die Seiten 2 bis 4 erfolgreich übermittelt worden. Nicht erfolgreich übermittelte Seiten würden mit dem Hinweis NG, NO Ans, Busy o.ä. Vermerkt. Zuerst habe der Beklagte den Eingang des Widerspruchs in vollem Umfang bestritten, nunmehr einzelne Seiten des Widerspruchs. Diese Schutzbehauptungen seien nicht zielführend und realitätsfern.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
zu entscheiden, dass keine außergerichtliche Kosten zu erstatten sind.
Der Beklagte trägt vor, auf das von den Klägern vorgelegte Sendeprotokoll sei nunmehr der Eingang eines unvollständigen Telefaxes der Gegenseite vom 17.07.2017, bestehend aus Seiten 2 bis 4 des streitgegenständlichen Widerspruchsschreibens festgestellt worden. Die erste Seite des Widerspruchsschreibens sei dagegen per Telefax nie eingegangen. Dies decke sich mit dem Sendeprotokoll, das hinsichtlich der nicht übermittelten Seite 1 des Widerspruchsschreibens eine Fehlermeldung ausweise. Die fehlerfreie Übermittlung des vollständigen Widerspruchs per Telefax liege im Verantwortungsbereich der Kläger, dies insbesondere dann, wenn bereits aus dem Sendeprotokoll heraus Anlass zu Zweifeln an einer fehlerfreien Übermittlung bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
Dabei entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach sachgemäßem Ermessen. Insbesondere sind die Gründe für die Einlegung des Rechtsmittels und die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Keller/Leither-er/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 13).
Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG gilt: Ist die Klage vor Ablauf der Sperrfrist erhoben worden und ergeht der maßgebliche Verwaltungsakt bzw. der Widerspruchsbescheid vor deren Ablauf, wird der Kläger in der Regel keinen Kostenersatz erhalten. Ist die Klage nach Sperrfristablauf erhoben, muss der Beklagte in der Regel die außergerichtlichen Kosten des Klägers erstatten, weil dieser mit dem Bescheid bzw. dem Widerspruchsbescheid vor Fristablauf rechnen durfte. Etwas anderes gilt, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder er ihm bekannt war (Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O. § 193 Rn. 13c).
Bei Sachverhalten, in denen keine besonderen Umstände vorliegen, die für den Kläger eine länger andauernde Ermittlung der Behörde oder eine sonstige Verzögerung der Bearbeitung nahelegen, besteht kein Anlass, über die gesetzlichen Anforderungen des § 88 SGG hinausgehend von dem Kläger zu verlangen, bei der Behörde vor Erhebung einer Untätigkeitsklage nach dem Verfahrensstand nachzufragen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.2004, L 10 LW 4563/04 AK-B in juris Rn. 32). Zu beachten ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Die Untätigkeitsklage dient der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und darf nicht missbraucht werden (jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 193 Rn. 50).
Unter Beachtung dieser Kriterien hat der Beklagte den Klägern deren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Kläger hatten keine Veranlassung zur Untätigkeitsklage, da sie im vorliegenden Einzelfall vor deren Erhebung beim Beklagten hätten nachfragen müssen. Dann hätte sich herausgestellt, dass der Widerspruch vom 17.07.2017 gegen den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 aus welchen Gründen auch immer nicht in die laufende Bearbeitung gelangt war. Die Bearbeitung hätte, wie nun nach Erhebung der Untätigkeitsklage erfolgt, nachgeholt werden können. Es wäre den Klägern zuzumuten gewesen, diese Nachholung als zureichenden Grund für eine Überschreitung der Sperrfrist abzuwarten.
Die Verpflichtung der Kläger zur Nachfrage ergibt sich aus folgendem Gesichtspunkt: die Kläger haben am 17.07.2017 insgesamt fünf Widersprüche per Fax an den Beklagten gesandt. Über vier dieser Widersprüche entschied der Beklagte innerhalb von einem Monat. Die für die Kläger erkennbare Diskrepanz zwischen der zügigen Bearbeitung der vier Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.06.2017 und der gleichzeitigen "Funkstille" hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.06.2017 hätte die Kläger stutzig machen müssen. Wenn über vier von fünf Widersprüchen vom selben Tag innerhalb eines Monats entschieden wird und zum fünften Widerspruch keinerlei Rückmeldung des Beklagten erfolgt, müssen sich der oder die Widerspruchsführer die Frage stellen, ob hinsichtlich des fünften Widerspruchs irgendetwas schief gelaufen ist. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet bei einer solchen Einzelfallkonstellation zur Nachfrage. Dies gilt selbst dann, wenn der Zugang des "fünften" Widerspruchs beim Beklagten klar belegt und nachgewiesen wäre, dass die Nichtbearbeitung allein daran lag, dass der Beklagte einen vollständig eingegangenen Widerspruch übersah.
Als weiteres - aber letztlich nicht entscheidendes - Argument gegen eine Kostentragungspflicht des Beklagten kommt hier hinzu, dass zwischen den Beteiligten Streit über den vollständigen Zugang des Widerspruchs besteht und für die Kläger Hinweise auf Probleme bei dessen Übersendung erkennbar waren. Die Kammer verkennt nicht die unterschiedlichen Interpretationen des maßgeblichen Sendeprotokolls durch die Beteiligten und auch nicht, dass der Beklagte im Nachhinein einräumte, einzelne Seiten des Widerspruchs tatsächlich erhalten zu haben. Fest steht für die Kammer allerdings, dass das Sendeprotokoll nicht zu 100% unauffällig war. Davon hätte nur bei einer vollständigen Übersendung von vier Seiten in einem Zug und dem Ergebnis "OK" ausgegangen werden können. Hier erfolgten jedoch zwei Sendeeinheiten und nur eine davon hatte das Ergebnis "OK". Dies hätte die Kläger zusätzlich zur Nachfrage veranlassen müssen.
Diese Entscheidung ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.
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