L 7 AS 160/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 45 AS 5845/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 160/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 22/18 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei dem Hochschulstudium Lehramt Deutsch Englisch handelt es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, nicht um eine Weiterbildung, denn das Lehramtsstudium der Klägerin war nach Zuschnitt, Struktur, Inhalt und Vermittlung als (Erst-)Ausbildung und nicht etwa als Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang ausgestaltet (Anschluss an BSG, Urteill vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 R; Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 28/07 R).
2. Dass die Klägerin bereits über ein Magisterstudium Deutsch als Fremdsprache und Englisch verfügt hat, steht der Einordnung des Lehramtsstudiums als Ausbildung nicht entgegen.
3. Die Klägerin war auch während des Urlaubssemesters von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, weil sie organisationsrechtlich der Hochschule angehörte und ihr Studium auch tatsächlich betrieb (Anschluss an BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 197/11 R; 22.03.2012 - B 4 AS 102/11 R).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012.

Die 1982 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrem 1979 geborenen Lebensgefährten L. Dieser war von 2005 bis zum 06.08.2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts und vom 28.10.2009 bis 31.03.2010 arbeitslos. Er erhielt Arbeitslosengeld in Höhe von 41,39 EUR täglich. Am 01.04.2010 nahm er ein Studium der Fachrichtung Maschinenbau an der Technischen Universität (TU) Bergakademie Y ... auf. Er nahm dafür einen Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Höhe von 100,00 EUR monatlich in Anspruch.

Die Klägerin schloss ein Erststudium mit dem Abschluss Magister Deutsch als Fremdsprache und Englisch erfolgreich ab. Ab September 2003 arbeitete sie als selbständige Honorarkraft für die Volkshochschule. Zum Wintersemester 2008/2009 nahm sie ein Studium für das Lehramt Gymnasium Deutsch und Englisch an der TU B ... auf. Ab dem 01.09.2009 (Wintersemester 2009/2010) befand sich die Klägerin durchgehend bis zum Ende des streitigen Leistungszeitraums im Urlaubssemester wegen Mutterschutzes bzw. Erziehungsurlaubes. Am 15.02.2010 wurde der gemeinsame Sohn T geboren. Das Lehramtsstudium schloss die Klägerin nicht ab.

Ausweislich des Schreibens der Leiterin des Immatrikulationsamtes der TU B ... vom 30.09.2008 wurden für das Zweitstudium keine Studiengebühren erhoben, da das Studium eine sinnvolle Ergänzung, Vertiefung oder Erweiterung des Erststudiums darstelle.

Mit Bescheid vom 28.10.2008 lehnte das Amt für Ausbildungsförderung den Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ab, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht erfüllt seien, die Klägerin insbesondere keinen Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang absolviere. Vom 01.08.2010 bis 30.04.2011 erhielt L Wohngeld. Mit Bescheid vom 15.04.2010 erhielt die Klägerin Elterngeld in Höhe von 342,56 EUR monatlich vom 01.02.2010 bis 14.04.2010, vom 15.04.2010 bis 14.04.2011 der Lebensgefährte der Klägerin in Höhe von 660,67 EUR monatlich.

Die Klägerin erhielt mit Bescheiden vom 16.03.2010 und 10.02.2011 Leistungen bei Schwangerschaft bzw. Geburt. Auf ihre Fortzahlungsanträge bewilligte ihr der Beklagte Leistungen für sich und ihren Sohn für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 und vom 01.10.2010 bis 31.03.2011.

Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 02.03.2011 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 26.04.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05.09.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2011 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 lediglich an T in Höhe 129,35 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolgte vorläufig, weil Einnahmen und Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit nicht feststünden.

Seit 01.05.2011 war der Lebensgefährte der Klägerin als Aushilfe bei der UTF GmbH beschäftigt. Vom 01.05.2011 bis 31.07.2011 erhielt er Wohngeld (Bescheid vom 01.07.2011) in Höhe von 111,00 EUR. Seit dem 01.09.2011 hatte der Sohn der Klägerin einen Platz bei einer Tagesmutter.

Mit Bescheid vom 05.09.2011 gewährte der Beklagte an T ... vorläufig Leistungen in Höhe von 132,68 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch der Klägerin. Sie wandte sich zunächst gegen die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens ihres Partners L ohne Anrechnung von Fahrtkosten. Mit Bescheid vom 30.11.2011 änderte der Beklagte den Bescheid vom 05.09.2011 ab und gewährte T Leistungen in Höhe von 210,49 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 und in Höhe von 214,49 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 unter Berücksichtigung von Fahrtkosten in Höhe von 138,20 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich bei dem Studium der Klägerin um eine förderfähige Ausbildung nach dem BAföG, nicht um eine Weiterbildung. Diese führe zu einem berufsqualifizierten Abschluss. Mit ihrem Magisterabschluss verfüge die Klägerin bereits über einen Berufsabschluss. Dass sich durch das Erststudium die Dauer des Zweistudiums verkürze, sei demgegenüber unerheblich. Maßgeblich sei nicht die Dauer der Ausbildung. Dass die Klägerin kein BAföG erhalte, liege an personenbezogenen Gründen. Es greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II ein. Dies gelte auch, wenn ein Urlaubssemester vorliege, in dem das Studium weiterbetrieben werde. Zudem habe der Sohn der Klägerin zu Beginn des Leistungszeitraumes sein erstes Lebensjahr bereits vollendet gehabt, so dass die Klägerin gemäß § 2 SGB II darauf zu verweisen sei, alle Möglichkeiten zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit in Anspruch zu nehmen.

Am 24.10.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 05.09.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.11.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011, da keine Ausbildung und damit auch kein Leistungsausschluss vorliege. Der Begriff der Ausbildung sei von Weiter- und Fortbildungen abzugrenzen. Bei dem Studium handele es sich um eine Weiterbildungsmaßnahme. Der Abschluss werde in kürzerer Zeit erreicht. Selbst wenn es sich um eine Ausbildung handeln würde, wäre ein Leistungsausschluss nicht gegeben, da sie sich erziehungsbedingt im Urlaubssemester befinde. Mit Bescheid vom 06.01.2012 änderte der Beklagte den Bescheid vom 30.11.2012 wegen Wegfalls der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung rückwirkend zum 01.04.2010 bzw. für die Klägerin zum 01.04.2011 ab. Da kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehe, könne auch keine Versicherung erfolgen. Am 24.11.2011 floss der Klägerin eine Steuerrückerstattung von 3.769,07 EUR zu. Mit Bescheiden vom 17.01.2012 änderte der Beklagte daraufhin den Bescheid vom 06.01.2012 ab, gewährte Leistungen für T vom 01.11.2011 bis 31.12.2011 nur noch in Höhe von 1,10 EUR monatlich und vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe 5,10 EUR monatlich und forderte von der Klägerin Leistungen für T in Höhe von 628,17 EUR zurück.

Der Beklagte lehnte mit Überprüfungsbescheid vom 13.11.2012 die Rücknahme des Bescheides vom 05.09.2011 ab. Dieser sei nicht zu beanstanden. Das durch die Klägerin betriebene Studium mit dem Abschluss Staatsexamen Lehramt für Gymnasien sei eine eigenständige, dem Grunde nach durch das BAföG förderfähige Ausbildung. Es handele sich nicht um eine Weiterbildung, da für den angestrebten Abschluss die vorhandene akademische Ausbildung zum Magister nicht erforderlich sei. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2013 zurück.

Mit ihrer am 29.08.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Vom 01.10.2011 bis 10.02.2012 habe sie ein Blockpraktikum B absolviert. Dabei sei sie zwischen drei und fünf Tagen in der Woche an der Schule gewesen, vom zeitlichen Umfang her ca. drei bis sechs Stunden am Tag. Zudem habe sie ein Germanistikseminar "Kanonisierungstechnik" und ein Psychologieseminar "Lehrer-Schüler-Interaktion" belegt. Am Ende des Studiums habe sie sich im streitigen Zeitraum nicht befunden.

Das SG hat mit Urteil vom 09.10.2014 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im streitgegenständlichen Zeitraum, da ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II bestehe. Die Klägerin sei im Wintersemester 2007/2008 an der TU B ... im Studiengang Lehramt Gymnasium Deutsch und Englisch immatrikuliert gewesen. Bei diesem Hochschulstudium handele es sich gemäß § 2 Abs. 1 BAföG (vgl. auch Ausbildungsstättenverzeichnis des Freistaates Sachsen, Teil II), um eine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung. Dass die Klägerin bereits über einen Magisterabschluss Deutsch als Fremdsprache und Englisch verfügt habe, stehe der Einordnung des Studiums als Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II nicht entgegen. Es handele sich dabei insbesondere nicht um eine Maßnahme der Weiterbildung. Die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung richte sich ausschließlich nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme. Entscheidend sei insoweit der Weg, auf dem das Ziel erreicht werden solle (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 R und vom 29.01.2008 – B 7/7a AL 68/06 R). Weiterbildungsangebote sollten grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Im Falle der Klägerin habe das Studium nicht insoweit an die Kenntnisse aus dem zuvor absolvierten Magisterstudiengang angeschlossen, als das im weiteren Studiengang Lehramt für Gymnasien Deutsch und Englisch vermittelte Wissen auf ihnen aufgebaut habe. Das zuvor absolvierte Magisterstudium sei keine Voraussetzung für die Aufnahme des Zweitstudiums gewesen. Das Lehramtsstudium habe nicht auf dem Magisterstudium aufgebaut. Allenfalls hätten sich in den sprachlichen Anteilen Überschneidungen ergeben, die ohne die Urlaubssemester gegebenenfalls auch zu einer Verkürzung des Lehramtsstudiums geführt hätten. Dennoch sei das Lehramtsstudium keine Weiterbildung für Magisterabsolventen, sondern habe eine andere Ausrichtung und zwangsläufig auch zu einem großen Teil andere, nämlich pädagogische Inhalte. Dementsprechend habe das Amt für Ausbildungsförderung die Leistung von BAföG auch abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht erfüllt seien, die Klägerin insbesondere keinen Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang absolviert habe. Das Schreiben der Leiterin des Immatrikulationsamtes vom 30.09.2008, wonach das Zweitstudium eine "sinnvolle Ergänzung, Vertiefung oder Erweiterung des Erststudiums" sei, sei zur Frage der Erhebung von Studiengebühren ergangen und ändere hieran nichts. Grund der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 SGB II sei, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) die Kosten des Lebensunterhaltes umfasse und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen solle, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhaltes das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im SGB II solle die nachrangige Grundsicherung davon befreien, eine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R; Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R, Rn. 14). Maßgeblich sei dabei allein die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung, nicht ob der Betroffene konkret einen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG habe. Die Frage, ob ein Anspruch auf BAföG dem Grunde nach bestehe, sei allein anhand der sachlichen Förderungskriterien des BAföG zu entscheiden (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R). Diese Prüfung richte sich abschließend nach § 2 BAföG. In der Person des Auszubildenden liegende Gründe, die ihn von den Förderleistungen ausschlössen, hätten bei der Beantwortung der Frage, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beansprucht werden könnten, außer Betracht zu bleiben (BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R, Rn. 13). § 2 BAföG regele den Begriff der dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung für den gesamten Bereich des BAföG einheitlich. Die entsprechenden Grundsätze seien auch im SGB II maßgeblich (BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 4 AS 24/09 R). Leistungen nach dem BAföG seien mit Bescheid vom 28.10.2008 aus einem individuellen, in der Person der Klägerin liegenden Grund abgelehnt worden. Maßgeblich sei gewesen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht erfüllt seien, die Klägerin insbesondere keinen Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang absolviert habe. Bis zum Beginn ihres Urlaubssemesters habe bei der Klägerin mit der Hochschulausbildung an der TU B ... in jedem Fall eine abstrakt förderfähige Ausbildung nach dem BAföG vorgelegen. Maßgeblich für den hier streitigen Zeitraum sei, ob die Klägerin auch während ihres Urlaubssemesters im Wintersemester 2011/12 eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 BAföG besucht habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) besuche ein Auszubildender eine Ausbildungsstätte, sobald er dieser organisationsrechtlich angehöre und die Ausbildung an der Ausbildungsstätte tatsächlich betreibe. Bei einer Hochschule begründe der Auszubildende seine Zugehörigkeit durch die Immatrikulation, die ihrerseits die Einschreibung in eine bestimmte Fachrichtung notwendig mache. Die Klägerin habe auch während des Urlaubssemesters der Hochschule organisationsrechtlich angehört. Sie habe ihr Studium auch tatsächlich weiterbetrieben. Da es nach dem Sächsischen Hochschulgesetz i.V.m. der Immatrikulationsordnung der TU B ... dem Studierenden möglich sei, während der Phase der Beurlaubung gleichwohl Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen (§ 20 Abs. 3 Sächsisches Hochschulgesetz, SächsGVBl. 2008 Nr. 19 S. 900 in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung i.V.m. § 12 Abs. 1 der Immatrikulationsordnung) sei die Klägerin auch im Wintersemester 2011/12, für das sie beurlaubt gewesen sei, der TU B ... organisationsrechtlich zugeordnet gewesen. Die Klägerin habe in dem streitgegenständlichen Zeitraum ihr Studium auch tatsächlich betrieben. Denn sie habe im Wintersemester 2011/12 u.a. ein Blockpraktikum B absolviert. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang allein, dass studienrelevante Leistungen erbracht worden seien. Auf den konkreten Umfang der Leistungen komme es hingegen nicht an. Zwar werde nach § 2 Abs. 5 BAföG Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nehme. Voll in Anspruch nehme die Arbeitskraft des Auszubildenden eine Ausbildung im Allgemeinen dann, wenn sie nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammen genommen) erfordere. Dies sei regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Unterrichtszeit mindestens 20 Wochenstunden betrage. Bei dem Besuch von Hochschulen werde in der Praxis der Ausbildungsämter unterstellt, dass die Ausbildung 40 Wochenstunden erfordere (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 2 Rn. 106). Durch die Worte "im Allgemeinen" solle dabei klargestellt werden, dass etwa Ferienzeiten die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung nicht ausschlössen. Entscheidend sei, dass die Ausbildung als Vollzeitausbildung ausgestaltet sei. Auf die individuellen Verhältnisse des Auszubildenden komme es gerade nicht an (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., Rn. 107; BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R, Rn. 14). Der Studiengang der Klägerin sei als Vollzeitausbildung ausgestaltet gewesen. Die Klägerin hätte ihr Studium allenfalls dann nicht mehr tatsächlich betrieben, wenn sie im Wintersemester 2011/12 keinerlei Studienleistungen erbracht oder Studienveranstaltungen besucht hätte und dies auch nicht einer gewachsenen Übung in ihrem Fach, etwa in der Phase der häuslichen Prüfungsvorbereitung, entsprochen hätte (BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R). Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum Studienleistungen erbracht. Die Klägerin erfülle weder die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II noch könne sie darlehensweise Leistungen beanspruchen, denn ein besonderer Härtefall liege nicht vor.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.01.2015 zugestellte Urteil hat diese am 26.02.2015 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt. Das SG habe die Abgrenzung von Ausbildung zur Weiterbildung verkannt. Zudem habe es verkannt, dass ein Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nur bei einem Studium in Vollzeit erfolge. Er hat zur Begründung auf das Urteil des BSG vom 30.08.2010 – B 4 AS 97/09 R, den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04.04.2007 – L 7 AL 755/07 ER-B, den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.11.2006 – L 6 B 388/06 AL ER verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Dresden vom 09.10.2014 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 13.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 05.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.11.2011 und der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011 und der Bescheide vom 06.01.2012 und vom 17.01.2012 abzuändern und der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 09.10.2014 die Klage abgewiesen. Ebenfalls zu Recht hat es der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 abgelehnt, den Bescheid vom 05.09.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011 und des Änderungsbescheides vom 06.01.2012 und des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 zurückzunehmen und der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 zu gewähren.

I.

Streitgegenstand des Verfahrens sind lediglich die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weil nur sie in ihrem eigenen Namen Klage erhoben hat. Sie hat ausweislich der von ihrem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten verfassten Klageschrift nicht auch Ansprüche ihres minderjährigen Sohnes geltend gemacht. Daher ist nicht streitig, ob er Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat.

II.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Klägerin begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt daher mehr als 750,00 EUR.

III.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 13.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 zu. Der Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 05.09.2011 in der Fassung der o.g. Änderungsbescheide und der Fassung des Widerspruchsbescheides das Recht nicht unrichtig angewandt. Er ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II in der vom 01.04.2011 bis 31.03.2012 geltenden Fassung erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin.

Sie ist jedoch nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Nach der genannten Norm haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig ist, über Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

1. Bei dem von der Klägerin im streitigen Zeitraum absolvierten Lehramtsstudium handelt es sich um eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II. Die Klägerin ist seit dem Wintersemester 2008/2009 an der TU B ... im Studiengang Lehramt Gymnasium Deutsch und Englisch immatrikuliert. Bei diesem Hochschulstudium handelt es sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2, Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 und 3 BAföG um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung. Dass die Klägerin bereits über ein Magisterstudium Deutsch als Fremdsprache und Englisch verfügt, steht der Einordnung des Lehramtsstudiums als Ausbildung nicht entgegen. Es handelt sich dabei insbesondere nicht um eine Maßnahme der Weiterbildung. Das BSG hat zur Abgrenzung von Aus- und Weiterbildung im Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 R, Rn. 19 ff. entschieden:

Tenor:

"Nach den Feststellungen des LSG absolvierte der Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums eine Ausbildung in der Form eines Studiums iS des § 7 Abs 5 S 1 SGB II aF iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 BAföG an der Universität H ..., die im konkreten Fall auch durch Leistungen nach dem BAföG gefördert worden ist. Dass der Kläger bereits über einen Berufsabschluss verfügt hat, steht der Einordnung des Studiums als Ausbildung iS des § 7 Abs 5 S 1 SGB II aF nicht entgegen. Es handelte sich dabei insbesondere nicht um eine Maßnahme der Weiterbildung iS von § 77 SGB III aF (idF des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4607), die keinen Ausschluss von SGB II-Leistungen begründet (BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 97/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 19 RdNr 18 ff, unter Bezugnahme auf stRspr BVerwG, etwa BVerwG Urteil vom 7.6.1989 - 5 C 3/86 - BVerwGE 82, 125).

Die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme. Entscheidend ist insoweit der Weg, auf dem das Ziel erreicht werden soll (BSG Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R - BSGE 100, 6 = SozR 4-4300 § 60 Nr 1, RdNr 10). Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss, das deswegen vielfach - wenn auch nicht zwingend - mit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht (vgl § 85 Abs 2 SGB III aF; BSG Urteil vom 30.8.2010, aaO, RdNr 23 mwN auf die stRspr des BSG).

Nach den Feststellungen des LSG war die abgeschlossene Berufsausbildung ausschließlich Zugangsvoraussetzung für den gewählten Studiengang, sowohl zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife, als auch eines Bachelors of Arts in Sozialökonomie. Das Studium schloss nicht insofern an die Kenntnisse aus der Berufsausbildung an, als das an der Universität vermittelte Wissen auf ihnen aufbaute oder einen unmittelbaren Bezug zu diesen Kenntnissen hatte. Der formale Ausbildungsabschluss war vielmehr nur erforderlich, um zur Aufnahmeprüfung und nach deren Bestehen zum Studium zugelassen zu werden, vergleichbar der allgemeinen Hochschulreife, erworben durch das Abitur."

Im Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R, Rn. 16 hat das BSG ausgeführt: "Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei der Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten auch mit Rücksicht auf die von ihr bereits durchlaufene Berufsausbildung zur Bürokauffrau begrifflich nicht um eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Denn die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ist ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl BSG, Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in BSG und SozR vorgesehen). Maßgebend ist deshalb allein die objektive Ausgestaltung der Maßnahme, nicht jedoch die Sicht des Teilnehmers. Eine der in § 7 Abs 6 SGB II geregelten Ausnahmen ist für die Klägerin nicht einschlägig. Hieraus folgt für die Klägerin ein Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts."

Nach dem vom Klägervertreter zitierten Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04.04.2007 – L 7 AL 755/07 ER-B, Rn. 14 ff. gilt zur Abgrenzung von Aus- und Weiterbildung Folgendes: "Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Ausbildung und Weiterbildung ist der Weg zur Erreichung dieses Zieles. Wie sich aus der in § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB III gegenüber einer Ausbildungsmaßnahme verkürzten Dauer der Weiterbildungsmaßnahme ergibt, müssen die Inhalte und ihre Vermittlung bei einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung anders gestaltet sein als bei einer üblichen Erstausbildung. Hier müssen die Angebote also den Charakter einer Weiterbildung wahren und an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen, die aus einer vorangegangenen Ausbildung oder sonstigen beruflichen Tätigkeit resultieren (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2006 - L 6 B 388/06 AL ER - ; ebenso Schmidt in Eicher/Schlegel, a.a.O., Vor §§ 77 - 96, RdNrn. 2a und 2 b).

Ob es sich bei einer Maßnahme um eine solche der Berufsausbildung (vgl. §§ 59 ff SGB III) oder der beruflichen Weiterbildung handelt (vgl. §§ 77 ff. SGB III) handelt, ist allgemein unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl. Bundessozialgericht , Urteile vom 17. November 2005 - B 11a AL 23/05 R -, veröffentlicht in Juris und vom 27. Januar 2005 - B 7a/7 AL 20/04 R -, SozR 4-4300 § 77 Nr. 2; jeweils m.w.N.). Danach ist weder der erste Besuch einer Bildungsmaßnahme arbeitsförderungsrechtlich in jedem Fall eine Ausbildung, noch stellt jeder zweite Besuch einer Bildungsmaßnahme bei Vorliegen eines Berufsabschlusses eine Weiterbildung dar (so schon zu §§ 40, 41 und 42 Arbeitsförderungsgesetz; vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1999 - B 7 AL 12/98 R -, SozR-4100 § 42 Nr. 4). Maßgeblich ist nicht die Perspektive des Teilnehmers der Maßnahme, sondern vielmehr die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebots selbst (objektive Umstände). Nach seinem Zuschnitt, seiner Struktur und seinen Inhalten ist zu entscheiden, ob es sich um eine schulische oder berufliche Ausbildung oder um eine berufliche Weiterbildung handelt (vgl. Schmidt, a.a.O., Rdnrn. 2a und 2b). Es sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, etwa welche Vorkenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme erforderlich sind, welche Unterrichtsformen geplant sind und welcher Abschluss angestrebt wird. Während die berufliche Weiterbildung nach § 77 Abs. 2 SGB III erkennbar auf eine angemessene Berufserfahrung als Grundlage einer berufliche Weiterbildung abstellt (BSG, a.a.O.), baut eine Ausbildungsmaßnahme nicht auf bereits erworbenen beruflichen Kenntnissen auf."

Zwar spricht unter Berücksichtigung dieser Maßgaben für eine Weiterbildung, dass das Lehramtsstudium Deutsch/Englisch verkürzt werden hätte können, wenn die Klägerin keine Urlaubssemester eingelegt hätte, weil Vorkenntnisse aus dem Magisterstudium Deutsch und Englisch hierfür verwertbar waren, und das Schreiben der Leiterin des Immatrikulationsamtes vom 30.09.2008, nach dem das Zweitstudium eine "sinnvolle Ergänzung, Vertiefung oder Erweiterung des Erststudiums" war.

Jedoch überwiegen die gegen die Annahme einer Weiterbildung und für eine Ausbildung sprechenden Argumente. Es handelte sich beim Lehramtsstudium nicht um eine Fortsetzung des organisierten Lernens nach dem Abschluss einer ersten Ausbildungsphase (Magisterstudium Deutsch/Englisch), denn das Magisterstudium stellt nicht die erste Ausbildungsphase für das Lehramtsstudium dar. Das Amt für Ausbildungsförderung hat Leistungen nach dem BAföG für das Lehramtsstudium daher zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht vorlagen und die Klägerin insbesondere keinen Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang absolviert hat. Das Lehramtsstudium hat nicht den typischen Charakter einer Weiterbildung, sondern den einer (Erst)Ausbildung. Die Ausgestaltung des Bildungsangebotes Lehramtsstudium ist ausweislich der Studienordnungen für das vertiefte Studium in den Fächern Deutsch und Englisch im Studiengang Höheres Lehramt an Gymnasien der TU B ... nach Zuschnitt, Struktur, Inhalt und Vermittlung eine Aus- und keine Weiterbildung. Berufliche Vorkenntnisse oder angemessene Berufserfahrung sind ebenso wie der Magisterstudienabschluss nach den Studienordnungen für die Aufnahme des Lehramtsstudiums nicht erforderlich. Lehramt hätte die Klägerin vielmehr auch ohne das Magisterstudium studieren können. Die Unterrichtsform ist ausweislich der Studienordnungen typisch für eine Ausbildung.

Das Lehramtsstudium ist im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG förderungsfähig. Leistungen nach dem BAföG sind mit Bescheid vom 28.10.2008 aus einem individuellen, in der Person der Klägerin liegenden Grund abgelehnt worden. Maßgeblich war, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht erfüllt sind, die Klägerin insbesondere keinen Ergänzungs- oder Aufbaustudiengang absolviert hat.

2. Die Klägerin hat auch während ihres Urlaubssemesters vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II betrieben.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Studierender während eines Urlaubssemesters dann nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen, wenn er in dieser Zeit aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt (BSG, Urteil 22.08.2012 – B 14 AS 197/11 R). Hierzu hat das BSG im Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 197/11 R, a.a.O., Rn. 18 bis 20 Folgendes entschieden:

Tenor:

"Damit ist ein Studierender während eines Urlaubssemesters dann nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen, wenn er in dieser Zeit aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt (vgl bereits BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 27 mit zustimmender Anmerkung Reichel jurisPR-SozR 12/2012 Anm 2).

Es kommt damit neben der vom LSG allein geprüften Einschreibung/Immatrikulation wegen der organisatorischen Zugehörigkeit zu einer Hochschule darauf an, ob es nach Sächsischem Hochschulrecht dem Studierenden ermöglicht ist, während der Phase der Beurlaubung gleichwohl an Veranstaltungen teilzunehmen sowie Prüfungen abzulegen. Dies wird das LSG nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu überprüfen haben (dazu im Einzelnen BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 27 RdNr 19).

Die Beurlaubung führt aber auch dann zum Wegfall der Förderfähigkeit dem Grunde nach, wenn - was hier näher liegt - die Klägerin sich tatsächlich nicht entsprechend betätigt hat (dazu BSG aaO, RdNr 20 mwN zur Rechtsprechung des BVerwG). Gehört der Studierende der Hochschule organisationsrechtlich auch im Urlaubssemester an, greift der Ausschluss von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II immer dann, wenn er die Ausbildung auch tatsächlich betreibt. Ist dies nicht der Fall, entfällt auch der Ausschlussgedanke des § 7 Abs 5 SGB II, mit Leistungen nach dem SGB II das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung nicht zu ermöglichen. Hilfebedürftigkeit hat der Leistungsberechtigte dann ggf durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (vgl § 10 SGB II) abzuwenden. Auch die Frage, ob etwa ein Praktikum zugunsten einer Arbeitsaufnahme abgebrochen werden muss, entscheidet sich nach den hier aufgeführten Kriterien."

Das BSG fordert mithin im zitierten Urteil ausschließlich ein tatsächliches Betreiben des Studiums, um den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auszuschließen. Ein Betreiben in Vollzeit wird nicht gefordert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem früheren Urteil des BSG vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R. Ungeachtet dessen wird beim Besuch von Hochschulen in der Praxis der BAföG-Ämter unterstellt, dass die Ausbildung in Vollzeit erfolgt (Pesch in Ramsauer/Stallbaum, BaföG, 5. Auflage, § 2, Rn. 111). Darauf hat zutreffend bereits das SG hingewiesen.

Organisationsrechtlich gehörte die Klägerin im streitigen Zeitraum der TU B ... an, denn sie war auch während des Urlaubssemesters immatrikuliert. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Hochschulgesetz (SächsHSG) wird der Studienbewerber mit der Immatrikulation Mitglied der Hochschule und diese Mitgliedschaft endet erst mit der Exmatrikulation (§ 21 Abs. 1 Satz 2 SächsHSG). Zur Beurlaubung regelt § 20 Abs. 2 und 3 SächsHSG: "(2) Auf Antrag können Studenten aus wichtigem Grund vom Studium beurlaubt werden. Für eine Beurlaubung wegen Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub und Elternzeit gelten die Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 10 des Gesetzes vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748, 2756), in der jeweils geltenden Fassung, und des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748), geändert durch Artikel 6 Abs. 8 des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 2008), in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend. Die Zeiten der Beurlaubung werden nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet. Ein Student kann zur Betreuung eigener Kinder bis zu 4 Semester beurlaubt werden, wenn er nicht bereits nach Satz 3 beurlaubt ist. Das Nähere können die Hochschulen durch Ordnung regeln.

(3) Beurlaubten Studenten soll ermöglicht werden, an der Hochschule, von der die Beurlaubung ausgesprochen wurde, Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen."

Die Klägerin gehörte während des Urlaubssemester der Hochschule an. Darüber hinaus hatte die Klägerin die Möglichkeit, auch während des Urlaubssemesters an Veranstaltungen der Hochschule teilzunehmen. Das ist praktisch auch geschehen. Die Klägerin hat im Wintersemester 2011/12 ein Blockpraktikum B absolviert. Dabei ist sie an drei bis fünf Tagen der Woche jeweils drei bis sechs Stunden in der Schule gewesen. Nach der Studienordnung für das "vertieft studierte Fach Deutsch" im Studiengang Höheres Lehramt an Gymnasien vom 29.03.2007 ist die erfolgreiche Teilnahme am Blockpraktikum B Voraussetzung für die Zulassung zur Ersten Staatsprüfung. Zudem hat sie ein Germanistikseminar "Kanonisierungstechnik" und ein Psychologieseminar "Lehrer-Schüler-Interaktion" belegt.

3. Die Klägerin erfüllt auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, wonach § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende findet, die aufgrund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs. 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben (Nr. 1) oder deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB III oder nach § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bemisst (Nr. 2) oder die eine Abendschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben (Nr. 3).

Die Voraussetzungen der Nr. 3 liegen ersichtlich nicht vor. Gleiches gilt für die Voraussetzungen der Nr. 2, da sich der Bedarf der Klägerin nicht nach § 12 BAföG bemisst (Leistungen an Schüler). Auch Nr. 1 ist nicht gegeben, denn die Klägerin hatte nicht aufgrund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung. Gemäß § 2 Abs. 1a BAföG wird für den Besuch der in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten BAföG nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist (Nr. 1), einen eigenen Haushalt führt und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft verbunden ist oder war (Nr. 2), einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt (Nr. 3). Die Klägerin wohnte nicht bei ihren Eltern. Sie führte einen eigenen Haushalt und war in einer Lebensgemeinschaft mit L (Nr. 2) und lebte mit ihrem 2010 geborenen Sohn T zusammen (Nr. 3).

4. Die Klägerin kann Leistungen auch nicht darlehensweise beanspruchen, denn ein besonderer Härtefall liegt nicht vor. Nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der vom 01.04.2011 bis 31.03.2012 geltenden Fassung können in besonderen Härtefällen Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden. Bei dem Begriff der "besonderen Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt.

Eine besondere Härte liegt nur dann vor, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgingen, das regelmäßig mit der Versagung von Leistungen zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Welche Faktoren die Ausnahmesituation im SGB II bedingen, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R, Rn. 23) nach dem systematischen Zusammenhang des § 7 Abs. 5 SGB II und seinem Sinn und Zweck. Hintergrund des Leistungsausschlusses für Auszubildende nach dem SGB II ist die Herstellung eines Gleichklangs der Regelungen zwischen SGB II und SGB XII. SGB II und SGB XII zusammen sollen von Leistungen zur Ausbildungsförderung freigehalten werden, soweit der Hilfebedarf im Hinblick auf den Lebensunterhalt durch die Ausbildung entsteht. Zum Härtefall an sich müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, das heißt als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen.

Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 27 Abs. 4 SGB II ist dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit einer weiter bestehenden Hilfebedürftigkeit. Es muss dabei eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind, die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung der bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (BSG, a.a.O., Rn. 24; Urteil vom 06.09.2009 – B 14/11b AS 28/06 R).

Eine derartige Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Das Studium der Klägerin stand im streitigen Zeitraum nicht kurz vor dem Abschluss oder war weit fortgeschritten. Die Unterbrechung erfolgte auch nicht wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Auch war es im Hinblick auf den erfolgreichen Abschluss als Magister nicht die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt.

5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II. Nach der genannten Norm erhalten Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem BAföG oder erhalten sie diese nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht, und bemisst sich deren Bedarf nach § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 3, § 101 Abs. 3, § 105 Abs. 1 Nr. 1 und 4, § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB III oder nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BAföG, erhalten sie einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II ungedeckt ist. Die Klägerin erhält keine Leistungen nach dem BAföG. Sie erhält diese auch nicht nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen nicht.

Nach alledem ist Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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