Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 917/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2883/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Sozialgericht Heilbronn (SG) die Beklagte zu Recht dazu verurteilt hat, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 30. November 2015 zu gewähren.
Der 1964 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Glasers und Fensterbauers, ferner hat er eine Umschulung zum Medieninformatiker absolviert. Zuletzt war er als Sonnenschutzanlagenmonteur beschäftigt.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. Oktober 2008. Grundlage hierfür war neben dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. (leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich) das Gutachten des Dr. Na., der den Kläger aufgrund bestehender LWS-Beschwerden nur zu einem drei- bis unter sechs-stündigen Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage sah.
Den Weitergewährungsantrag vom 23. Juni 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2008 ab. Grundlage dieser Entscheidung war das Gutachten des Chirurgen Dr. Re., der den Kläger für fähig ansah, leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Die hiergegen erhobene Klage (Az.: S 14 R 4190/08) wies das SG mit Urteil vom 1. April 2011 ab, nachdem es die behandelnden Ärzte gehört sowie ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. Du. (unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche auszuüben) sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Orthopäden Dr. W. (der Kläger könne keine regelmäßige vollschichtige Tätigkeit ausüben) eingeholt hatte. Das nachfolgende Berufungsverfahren (L 4 R 2141/11) endete mit Vergleich, wonach der Kläger die Berufung zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, dem Kläger eine Leistung der medizinischen Rehabilitation in einer schmerztherapeutisch/psychosomatischen Klinik zu gewähren.
Am 2. April 2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2013 ab. Grundlage der Entscheidung der Beklagten war der Entlassungsbericht über die stationäre psychosomatische Behandlung in der Schl. Ba. (Diagnosen: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, mittelgradige depressive Episode, ängstlich - selbstunsicher akzentuierte Persönlichkeit, Zustand nach cervicalem Bandscheibenvorfall, relative lumbalspinale Enge. Der Kläger könne den zuletzt ausgeübten Beruf eines Sonnenschutzanlagenmonteurs unter drei Stunden arbeitstäglich verrichten. Er könne nur leichte Tätigkeiten, zeitweise stehend, zeitweise gehend, überwiegend sitzend, unter Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule und unteren Extremitäten, ohne Hocken oder Knien, ohne Überkopfarbeiten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 14 kg, ohne Tätigkeiten bei Nässe, Kälte und Zugluft, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten bzw. Tätigkeiten die Standsicherheit erforderten, ausüben. In Anbetracht der Dauer der Situation, sei davon auszugehen, dass der Kläger "derzeit nicht leistungsfähig" sei). Weitere Entscheidungsgrundlage war das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten der Dr. El. (Diagnosen: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dysthymie, Angabe eines cervicalen Bandscheibenvorfalls im Jahr 2000, der konservativ behandelt wurde, vorbeschriebene Spinalkanalstenose L3/5 ohne Wurzelreizzeichen, ohne Funktionseinschränkungen. Möglich seien noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr ohne Zwangshaltung oder Überkopfarbeiten. In der letzten beruflichen Tätigkeit als Markisenmonteur sei der Kläger unter drei Stunden täglich einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung möglich).
Wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat der Kläger am 20. März 2013 Klage beim SG erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der behandelnde Arzt Dr. Ma. hat mitgeteilt, der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig. Wegen der Chronizität der Schmerzen und der Notwendigkeit, regelmäßig ein starkes Schmerzmittel (Tilidin) einzunehmen, das deutliche Müdigkeit zur Folge habe, könne der Kläger keine regelmäßigen Arbeiten mehr verrichten. Die Orthopädin Dr. Schm. hat ausgeführt, das verbliebene Restleistungsvermögen des Klägers liege sowohl bezüglich des zuletzt ausgeübten Berufs als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter drei Stunden pro Tag. Die Dipl.-Psych. H. hat in ihrer Auskunft dargelegt, die depressive Störung und die Schmerzstörung hinderten den Kläger daran, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als zwei Stunden täglich auszuüben. Der behandelnde Nervenarzt Dr. Ma. hat in seiner Auskunft dargelegt, der Kläger leide unter einer Polyneuropathie. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Besondere Anforderungen an die Koordination sowie längeres Gehen und Stehen sei nicht mehr möglich.
Das SG hat daraufhin die Untersuchung und Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hei. veranlasst. In seinem Gutachten vom 20. November 2013 hat Dr. Hei. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden arbeiten. Zu vermeiden seien längere Gehstrecken, Arbeiten auf schwankendem Arbeitsgerät, Arbeiten auf unebenem Boden und mit erhöhter Absturzgefahr. Vermieden werden müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeit unter vermehrtem Zeitdruck, hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration oder hohe Verantwortung und hohe geistige Belastung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. Kn. das psychosomatische Sachverständigengutachten vom 27. August 2014 erstattet. Auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierte dieser eine depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Neben den orthopädisch begründeten Einschränkungen spiele die aktuell vorhandene depressive Symptomatik eine wesentliche Rolle, die das Leistungsvermögen weiter einschränke. Derzeit seien keine Tätigkeiten vorstellbar, die der Kläger drei Stunden und mehr täglich ausführen könne. Von dem Gutachten des Dr. Hei. unterscheide er sich dadurch, dass er die depressive Symptomatik stärker bewerte als dieser es in seinem Gutachten getan habe. Möglicherweise sei es auch im Verlauf seither zu einer weiteren Verschlechterung gekommen.
Auf Nachfrage des SG hat der behandelnde Nervenarzt Dr. Ma. noch mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 12. Februar 2013 nicht mehr dort behandelt werde. Die Dipl.-Psych. H. hat mitgeteilt, dass die Therapie seit Juni 2013 beendet sei.
Mit Urteil vom 29. April 2015 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall im April 2012 befristet bis einschließlich November 2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, dem Kläger seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten zumutbar. Insbesondere sei nach dem Gutachten des Dr. Kn. zu berücksichtigen, dass sich die vorliegenden Gesundheitsstörungen gegenseitig beeinflussten und verstärkten. Dies habe auch der persönliche Eindruck in der mündlichen Verhandlung gezeigt, wobei sich hier ein deutlich schmerzgeplagter und gebückter Kläger, der im Rahmen der einstündigen mündlichen Verhandlung zur Schmerzlinderung mehrfach seine körperliche Position wechseln habe müssen, gezeigt habe. Aufgrund der Besserungsmöglichkeiten des Gesundheitszustandes des Klägers, sei die Rente zeitlich zu befristen. Gehe man von einem Leistungsfall im April 2012 (Antragstellung) aus, liege der Beginn der befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Falle des Klägers bei November 2012. Bei einer Befristung der Rente für längstens drei Jahre liege das Ende der befristeten Rentenleistung dementsprechend bei November 2015.
Gegen das der Beklagten am 18. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Juli 2015 eingelegte Berufung der Beklagten. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass das SG gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die Zeitrente längstens bis zum 31. Oktober 2015 hätte bewilligen dürfen. Im Übrigen lägen aber die medizinischen Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht vor. Entgegen der Auffassung des SG sei das Gutachten des Dr. Kn. nicht ausreichend nachvollziehbar und daher nicht schlüssig. Dr. Kn. habe selbst ausgeführt, dass Störungen des Bewusstseins und der Orientierung nicht vorgelegen hätten. Die kognitiven Fähigkeiten erschienen nicht wesentlich beeinträchtigt. Im Übrigen vermische der Sachverständige eigene Eindrücke mit den Angaben des Klägers. Die vom Sachverständigen festgestellte reduzierte Lebensfreude könne nicht nachvollzogen werden. So sei der Kläger hinsichtlich des vom Sachverständigen beschriebenen Tagesablaufs und bezüglich seines weiterhin ausgeübten Hobbys des Fotografierens nicht eingeschränkt. Dies zeige eine erhaltene Lebensfreude und künstlerische Schaffenskraft (der Kläger habe im Internet Bilder zum Herunterladen zur Verfügung gestellt). Dem Vorliegen einer mittelgradigen Depression sei daher zu widersprechen. Der Sachverständige selbst habe beschrieben, dass die durchgeführte Psychotherapie im Juni 2013 nicht weitergeführt worden sei. Ebenso sei es nie zu einem pharmakologischen Behandlungsversuch gekommen, was bei einer mittelgradigen Depression angezeigt gewesen wäre. Die Behandlungsmöglichkeiten seien daher nicht ausgeschöpft. Insgesamt sei dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Hei. zu folgen, wonach keine gravierenden, rentenrelevanten Auswirkungen gegeben seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Sachverständige Dr. Kn. habe seine Situation zutreffend dargelegt. Er versuche mit seiner gesundheitlichen Situation irgendwie klar zukommen. Die im Internet veröffentlichten Bilder habe er zwischen 2007 und 2010 eingestellt und keine weiteren Einträge mehr gemacht. Ebenso habe er bei allen Untersuchungen mitgewirkt.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Chefarztes der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I Prof. Dr. Schw ... In seinem Sachverständigengutachten vom 24. Juni 2016 hat Prof. Dr. Schw. auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remitiert und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, auf neurologischem Fachgebiet ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sowie eine Polyneuropathie und auf orthopädischem Fachgebiet eine chronische Lumboischialgie, eine chronische Zervikalgie und Nuchalgie, ein leichtes subacromiales Schmerzsyndrom, eine Schultergelenksarthrose rechts, eine Ellenbogengelenksarthrose links und eine Gonalgie rechts diagnostiziert. Die festgestellten Gesundheitsstörungen führten zu diversen qualitativen Leistungsdefiziten. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastbarkeit. Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder Nachtarbeit kämen für den Kläger nicht mehr in Frage. Aufgrund der kognitiven Beeinträchtigungen kämen keine Tätigkeiten mehr in Frage, die überdurchschnittliche Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen stellten, etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen oder Kontrolltätigkeiten, die mit der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall einhergingen. Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die sozialen Kompetenzen seien aufgrund der chronischen Dysthymie und der affektiven Reduktionsstörung nicht mehr möglich. Auszuschließen seien insofern Tätigkeiten mit unmittelbarem Kundenkontakt und somit mit dem Risiko besonderer Anforderungen sozialer Interaktion, ebenso auch Tätigkeiten in Vorgesetztenfunktion. Aufgrund der multiplen degenerativen begründeten orthopädischen Leiden sowie der somatoformen Schmerzstörung kämen für den Kläger schwere oder anhaltend mittelschwere Tätigkeiten nicht in Frage; möglich seien jedoch körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel bis etwa 7 kg andauernd, vorübergehend seien auch mittelschwere Arbeiten (Hebe- und Trageleistung bis zu etwa 12 kg) möglich. Aufgrund der bestehenden Polyneuropathie und den diversen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und häufiges Treppensteigen oder Tätigkeiten auf unebenem Boden nicht möglich. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, berufliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.
Hierzu hat der Kläger eine Stellungnahme des "Privatarztes" K. vorgelegt, in der dieser sinngemäß zum Ausdruck bringt, dass dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Schw. nicht zu folgen sei. Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. Ne. erwidert.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Mai 2017 hat Prof. Dr. Schw. zu den Einwänden des Privatarztes K. Stellung genommen und dargelegt, dass sich eine relevante Änderung des Gutachtens daraus nicht ergebe.
Der Vorsitzende hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Termin vom 1. August 2017 erörtert. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der beigezogenen Akten der gerichtlichen Vorverfahren sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. November 2015 zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 43 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind sowie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran vermag der Senat nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass bezüglich dem Kläger zumutbarer Tätigkeiten eine rentenrechtlich relevante qualitative oder eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich vorliegt.
Nach Maßgabe der vorgenannten rechtlichen Grundlagen hat der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet hier bereits deshalb aus, weil der Kläger erst nach dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Die bei dem Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen führen zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte körperliche Arbeiten. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den Sachverständigengutachten des Dr. Hei. und des Prof. Dr. Schw ... Der Beurteilung des Dr. Kn. war nicht zu folgen. Aufgrund der auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen (chronische Lumboischialgie, chronische Cervicalgie und Nuchalgie, leichtes subacromiales Schmerzsyndrom, Schultergelenksarthrose rechts, Ellenbogengelenksarthrose links, Gonalgie rechts) und der bestehenden somatoformen Schmerzstörung ergeben sich qualitative Einschränkungen der Art, dass schwere körperliche Arbeiten und auf Dauer mittelschwere körperliche Arbeiten für den Kläger nicht möglich sind. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte körperliche Arbeiten ist daraus nicht abzuleiten. Soweit das SG seine Auffassung u.a. mit dem entgegenstehenden "Eindruck" in der mündlichen Verhandlung begründet, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte wendet zu Recht hierzu ein, dass das SG für eine Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund eines Eindrucks in der mündlichen Verhandlung eine notwendige Fachkompetenz nicht dargelegt hat. Vielmehr haben sowohl der Sachverständige Dr. Hei. bereits in erster Instanz als auch Prof. Dr. Schw. in seinem Sachverständigengutachten eine weitergehende Leistungseinschränkung (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) verneint. Auch auf nervenärztlichem Gebiet liegen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine zeitliche Leistungseinschränkung bei leichten körperlichen Arbeiten begründen könnten. Vielmehr führen diese zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastbarkeit. Prof. Dr. Schw. hat dargelegt, dass Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck oder mit unphysiologischen oder psychovegetativen Belastungen, z. B. Akkordarbeiten oder Nachtarbeiten für den Kläger nicht mehr Betracht kommen. Überdurchschnittliche Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen können nicht erwartet werden, sodass Tätigkeiten an gefährlichen Maschinen oder Kontrolltätigkeiten mit der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall, ausgeschlossen sind. Aufgrund der chronischen Dysthymie und der affektiven Reduktionsstörungen sind Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die soziale Kompetenz nicht möglich, also Tätigkeiten mit unmittelbarem Kundenkontakt oder Tätigkeiten in Vorgesetztenfunktion. Die von Dr. Kn. angenommene mittelgradige depressive Episode hat Prof. Dr. Schw. ebenso wie zuvor der Sachverständige Dr. Hei. verneint. Zu Recht weist der Sachverständige Prof. Dr. Schw. darauf hin, dass diese diagnostische Einschätzung durch den von Dr. Kn. selbst erhobenen psychischen Befund nur teilweise gestützt wird. Einerseits hat, worauf vor Prof. Dr. Schw. zu Recht hinweist, Dr. Kn. ausgeführt, der Antrieb sei herabgesetzt, es bestehe eine schnelle Erschöpfbarkeit, jedoch lediglich dargelegt, dass der Kläger am Ende der Befragung etwas erschöpft gewirkt habe. Auch die Feststellung, der Kläger habe über weite Strecken gedrückt, hoffnungslos und müde gewirkt, widerspricht der eigenen Aussage des Klägers, die ebenfalls in dem Gutachten des Dr. Kn. festgehalten ist, er könne "schon lachen, habe jedoch selten Anlass" dazu. Sowohl Prof. Dr. Schw. als auch Dr. Hei. haben lediglich einen Befund erhoben, der für eine leichtgradige Depressivität spricht. Insgesamt war das formale Denkvermögen nicht beeinträchtigt. Der Kläger war zu jedem Untersuchungszeitpunkt wach, bewusstseinsklar und uneingeschränkt orientiert. Die Auffassungsgabe und das Konzentrationsvermögen werden als altersentsprechend bezeichnet. Ebenfalls fanden sich zu keinem Zeitpunkt Zwangsstörungen oder Hinweise auf ein paranoides Erleben, keine überwertigen Ideen, keine Beziehungsideen, keine Wahndynamik. Die Stimmungslage ist laut Prof. Dr. Schw. abschnittsweise leicht herabgemindert gewesen, der Affekt wechselhaft ausgeglichen und dysphorisch bei gut ausgeprägter affektiver Dynamik. Der Antrieb wird als situationsadäquat beschrieben. Der vom Kläger beschriebene Tagesablauf spricht ebenfalls gegen eine erhebliche depressive Symptomatik. So stehe er gegen 7:30 Uhr auf, mache sich Kaffee, seine Frau sei dann schon weg zum Arbeiten, er würde dann einkaufen und erledige dann Tätigkeiten am Rechner im Rahmen seines Nebenjobs, lese Mails oder suche das Büro seiner Firma auf ("aber da bin ich fast nie"), zum Mittag esse er eine Kleinigkeit. Nachmittags erledige er die Arbeit, wenn noch was übrig sei. Gegen 17:00 Uhr käme seine Frau nach Hause. Für das Abendessen habe er meist keinen Appetit, manchmal gebe es ein gemeinsames Abendessen aber nicht immer. Er würde dann am späteren Abend meistens Fernsehen und gehe gegen 24 Uhr zu Bett. Schließlich spricht die Tatsache, dass der Kläger in der Lage ist, seinen "Mini-Job" auszuüben, nämlich das Entwickeln von Präsentationsmaterial für eine Sicherheitsfirma, gegen eine erhebliche depressive Symptomatik, die das zeitliche Leistungsvermögen für leichte Arbeiten einschränken würde. Somit ergeben sich auch auf psychiatrischem Fachgebiet keine Gründe, die eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen nach sich ziehen würden.
Damit kann der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig, d.h. sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden sind Zwangshaltungen, das Heben und Tragen von Lasten über 7 kg, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit häufigem Treppensteigen, auf unebenem Gelände, in Nässe oder Kälte, Arbeiten, die ein überdurchschnittliches Auffassungs- und Konzentrationsvermögen erfordern, Akkordarbeiten und Nachtarbeiten. Eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt somit nicht vor; dem Kläger sind beispielsweise einfache Bürotätigkeiten oder einfache Sortier-, Montier- oder Verpackungstätigkeiten mit leichten Industrie – und Handelsprodukten (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1999, B 5 RJ 30/98 R, Juris) vollschichtig möglich, sodass sich Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes beschreiben lassen, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf.
Der Senat hebt deshalb das Urteil des SG auf und weist die Klage ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass der Kläger mit seinem Begehren in vollem Umfang unterlegen ist.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Sozialgericht Heilbronn (SG) die Beklagte zu Recht dazu verurteilt hat, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 30. November 2015 zu gewähren.
Der 1964 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Glasers und Fensterbauers, ferner hat er eine Umschulung zum Medieninformatiker absolviert. Zuletzt war er als Sonnenschutzanlagenmonteur beschäftigt.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. Oktober 2008. Grundlage hierfür war neben dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. (leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich) das Gutachten des Dr. Na., der den Kläger aufgrund bestehender LWS-Beschwerden nur zu einem drei- bis unter sechs-stündigen Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage sah.
Den Weitergewährungsantrag vom 23. Juni 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2008 ab. Grundlage dieser Entscheidung war das Gutachten des Chirurgen Dr. Re., der den Kläger für fähig ansah, leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Die hiergegen erhobene Klage (Az.: S 14 R 4190/08) wies das SG mit Urteil vom 1. April 2011 ab, nachdem es die behandelnden Ärzte gehört sowie ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. Du. (unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche auszuüben) sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Orthopäden Dr. W. (der Kläger könne keine regelmäßige vollschichtige Tätigkeit ausüben) eingeholt hatte. Das nachfolgende Berufungsverfahren (L 4 R 2141/11) endete mit Vergleich, wonach der Kläger die Berufung zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, dem Kläger eine Leistung der medizinischen Rehabilitation in einer schmerztherapeutisch/psychosomatischen Klinik zu gewähren.
Am 2. April 2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2013 ab. Grundlage der Entscheidung der Beklagten war der Entlassungsbericht über die stationäre psychosomatische Behandlung in der Schl. Ba. (Diagnosen: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, mittelgradige depressive Episode, ängstlich - selbstunsicher akzentuierte Persönlichkeit, Zustand nach cervicalem Bandscheibenvorfall, relative lumbalspinale Enge. Der Kläger könne den zuletzt ausgeübten Beruf eines Sonnenschutzanlagenmonteurs unter drei Stunden arbeitstäglich verrichten. Er könne nur leichte Tätigkeiten, zeitweise stehend, zeitweise gehend, überwiegend sitzend, unter Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule und unteren Extremitäten, ohne Hocken oder Knien, ohne Überkopfarbeiten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 14 kg, ohne Tätigkeiten bei Nässe, Kälte und Zugluft, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten bzw. Tätigkeiten die Standsicherheit erforderten, ausüben. In Anbetracht der Dauer der Situation, sei davon auszugehen, dass der Kläger "derzeit nicht leistungsfähig" sei). Weitere Entscheidungsgrundlage war das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten der Dr. El. (Diagnosen: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dysthymie, Angabe eines cervicalen Bandscheibenvorfalls im Jahr 2000, der konservativ behandelt wurde, vorbeschriebene Spinalkanalstenose L3/5 ohne Wurzelreizzeichen, ohne Funktionseinschränkungen. Möglich seien noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr ohne Zwangshaltung oder Überkopfarbeiten. In der letzten beruflichen Tätigkeit als Markisenmonteur sei der Kläger unter drei Stunden täglich einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung möglich).
Wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat der Kläger am 20. März 2013 Klage beim SG erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der behandelnde Arzt Dr. Ma. hat mitgeteilt, der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig. Wegen der Chronizität der Schmerzen und der Notwendigkeit, regelmäßig ein starkes Schmerzmittel (Tilidin) einzunehmen, das deutliche Müdigkeit zur Folge habe, könne der Kläger keine regelmäßigen Arbeiten mehr verrichten. Die Orthopädin Dr. Schm. hat ausgeführt, das verbliebene Restleistungsvermögen des Klägers liege sowohl bezüglich des zuletzt ausgeübten Berufs als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter drei Stunden pro Tag. Die Dipl.-Psych. H. hat in ihrer Auskunft dargelegt, die depressive Störung und die Schmerzstörung hinderten den Kläger daran, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als zwei Stunden täglich auszuüben. Der behandelnde Nervenarzt Dr. Ma. hat in seiner Auskunft dargelegt, der Kläger leide unter einer Polyneuropathie. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Besondere Anforderungen an die Koordination sowie längeres Gehen und Stehen sei nicht mehr möglich.
Das SG hat daraufhin die Untersuchung und Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hei. veranlasst. In seinem Gutachten vom 20. November 2013 hat Dr. Hei. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden arbeiten. Zu vermeiden seien längere Gehstrecken, Arbeiten auf schwankendem Arbeitsgerät, Arbeiten auf unebenem Boden und mit erhöhter Absturzgefahr. Vermieden werden müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeit unter vermehrtem Zeitdruck, hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration oder hohe Verantwortung und hohe geistige Belastung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. Kn. das psychosomatische Sachverständigengutachten vom 27. August 2014 erstattet. Auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierte dieser eine depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Neben den orthopädisch begründeten Einschränkungen spiele die aktuell vorhandene depressive Symptomatik eine wesentliche Rolle, die das Leistungsvermögen weiter einschränke. Derzeit seien keine Tätigkeiten vorstellbar, die der Kläger drei Stunden und mehr täglich ausführen könne. Von dem Gutachten des Dr. Hei. unterscheide er sich dadurch, dass er die depressive Symptomatik stärker bewerte als dieser es in seinem Gutachten getan habe. Möglicherweise sei es auch im Verlauf seither zu einer weiteren Verschlechterung gekommen.
Auf Nachfrage des SG hat der behandelnde Nervenarzt Dr. Ma. noch mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 12. Februar 2013 nicht mehr dort behandelt werde. Die Dipl.-Psych. H. hat mitgeteilt, dass die Therapie seit Juni 2013 beendet sei.
Mit Urteil vom 29. April 2015 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall im April 2012 befristet bis einschließlich November 2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, dem Kläger seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten zumutbar. Insbesondere sei nach dem Gutachten des Dr. Kn. zu berücksichtigen, dass sich die vorliegenden Gesundheitsstörungen gegenseitig beeinflussten und verstärkten. Dies habe auch der persönliche Eindruck in der mündlichen Verhandlung gezeigt, wobei sich hier ein deutlich schmerzgeplagter und gebückter Kläger, der im Rahmen der einstündigen mündlichen Verhandlung zur Schmerzlinderung mehrfach seine körperliche Position wechseln habe müssen, gezeigt habe. Aufgrund der Besserungsmöglichkeiten des Gesundheitszustandes des Klägers, sei die Rente zeitlich zu befristen. Gehe man von einem Leistungsfall im April 2012 (Antragstellung) aus, liege der Beginn der befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Falle des Klägers bei November 2012. Bei einer Befristung der Rente für längstens drei Jahre liege das Ende der befristeten Rentenleistung dementsprechend bei November 2015.
Gegen das der Beklagten am 18. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Juli 2015 eingelegte Berufung der Beklagten. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass das SG gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die Zeitrente längstens bis zum 31. Oktober 2015 hätte bewilligen dürfen. Im Übrigen lägen aber die medizinischen Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht vor. Entgegen der Auffassung des SG sei das Gutachten des Dr. Kn. nicht ausreichend nachvollziehbar und daher nicht schlüssig. Dr. Kn. habe selbst ausgeführt, dass Störungen des Bewusstseins und der Orientierung nicht vorgelegen hätten. Die kognitiven Fähigkeiten erschienen nicht wesentlich beeinträchtigt. Im Übrigen vermische der Sachverständige eigene Eindrücke mit den Angaben des Klägers. Die vom Sachverständigen festgestellte reduzierte Lebensfreude könne nicht nachvollzogen werden. So sei der Kläger hinsichtlich des vom Sachverständigen beschriebenen Tagesablaufs und bezüglich seines weiterhin ausgeübten Hobbys des Fotografierens nicht eingeschränkt. Dies zeige eine erhaltene Lebensfreude und künstlerische Schaffenskraft (der Kläger habe im Internet Bilder zum Herunterladen zur Verfügung gestellt). Dem Vorliegen einer mittelgradigen Depression sei daher zu widersprechen. Der Sachverständige selbst habe beschrieben, dass die durchgeführte Psychotherapie im Juni 2013 nicht weitergeführt worden sei. Ebenso sei es nie zu einem pharmakologischen Behandlungsversuch gekommen, was bei einer mittelgradigen Depression angezeigt gewesen wäre. Die Behandlungsmöglichkeiten seien daher nicht ausgeschöpft. Insgesamt sei dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Hei. zu folgen, wonach keine gravierenden, rentenrelevanten Auswirkungen gegeben seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Sachverständige Dr. Kn. habe seine Situation zutreffend dargelegt. Er versuche mit seiner gesundheitlichen Situation irgendwie klar zukommen. Die im Internet veröffentlichten Bilder habe er zwischen 2007 und 2010 eingestellt und keine weiteren Einträge mehr gemacht. Ebenso habe er bei allen Untersuchungen mitgewirkt.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Chefarztes der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I Prof. Dr. Schw ... In seinem Sachverständigengutachten vom 24. Juni 2016 hat Prof. Dr. Schw. auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remitiert und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, auf neurologischem Fachgebiet ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sowie eine Polyneuropathie und auf orthopädischem Fachgebiet eine chronische Lumboischialgie, eine chronische Zervikalgie und Nuchalgie, ein leichtes subacromiales Schmerzsyndrom, eine Schultergelenksarthrose rechts, eine Ellenbogengelenksarthrose links und eine Gonalgie rechts diagnostiziert. Die festgestellten Gesundheitsstörungen führten zu diversen qualitativen Leistungsdefiziten. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastbarkeit. Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder Nachtarbeit kämen für den Kläger nicht mehr in Frage. Aufgrund der kognitiven Beeinträchtigungen kämen keine Tätigkeiten mehr in Frage, die überdurchschnittliche Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen stellten, etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen oder Kontrolltätigkeiten, die mit der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall einhergingen. Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die sozialen Kompetenzen seien aufgrund der chronischen Dysthymie und der affektiven Reduktionsstörung nicht mehr möglich. Auszuschließen seien insofern Tätigkeiten mit unmittelbarem Kundenkontakt und somit mit dem Risiko besonderer Anforderungen sozialer Interaktion, ebenso auch Tätigkeiten in Vorgesetztenfunktion. Aufgrund der multiplen degenerativen begründeten orthopädischen Leiden sowie der somatoformen Schmerzstörung kämen für den Kläger schwere oder anhaltend mittelschwere Tätigkeiten nicht in Frage; möglich seien jedoch körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel bis etwa 7 kg andauernd, vorübergehend seien auch mittelschwere Arbeiten (Hebe- und Trageleistung bis zu etwa 12 kg) möglich. Aufgrund der bestehenden Polyneuropathie und den diversen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und häufiges Treppensteigen oder Tätigkeiten auf unebenem Boden nicht möglich. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, berufliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.
Hierzu hat der Kläger eine Stellungnahme des "Privatarztes" K. vorgelegt, in der dieser sinngemäß zum Ausdruck bringt, dass dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Schw. nicht zu folgen sei. Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. Ne. erwidert.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Mai 2017 hat Prof. Dr. Schw. zu den Einwänden des Privatarztes K. Stellung genommen und dargelegt, dass sich eine relevante Änderung des Gutachtens daraus nicht ergebe.
Der Vorsitzende hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Termin vom 1. August 2017 erörtert. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der beigezogenen Akten der gerichtlichen Vorverfahren sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. November 2015 zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 43 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind sowie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran vermag der Senat nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass bezüglich dem Kläger zumutbarer Tätigkeiten eine rentenrechtlich relevante qualitative oder eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich vorliegt.
Nach Maßgabe der vorgenannten rechtlichen Grundlagen hat der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet hier bereits deshalb aus, weil der Kläger erst nach dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Die bei dem Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen führen zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte körperliche Arbeiten. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den Sachverständigengutachten des Dr. Hei. und des Prof. Dr. Schw ... Der Beurteilung des Dr. Kn. war nicht zu folgen. Aufgrund der auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen (chronische Lumboischialgie, chronische Cervicalgie und Nuchalgie, leichtes subacromiales Schmerzsyndrom, Schultergelenksarthrose rechts, Ellenbogengelenksarthrose links, Gonalgie rechts) und der bestehenden somatoformen Schmerzstörung ergeben sich qualitative Einschränkungen der Art, dass schwere körperliche Arbeiten und auf Dauer mittelschwere körperliche Arbeiten für den Kläger nicht möglich sind. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte körperliche Arbeiten ist daraus nicht abzuleiten. Soweit das SG seine Auffassung u.a. mit dem entgegenstehenden "Eindruck" in der mündlichen Verhandlung begründet, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte wendet zu Recht hierzu ein, dass das SG für eine Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund eines Eindrucks in der mündlichen Verhandlung eine notwendige Fachkompetenz nicht dargelegt hat. Vielmehr haben sowohl der Sachverständige Dr. Hei. bereits in erster Instanz als auch Prof. Dr. Schw. in seinem Sachverständigengutachten eine weitergehende Leistungseinschränkung (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) verneint. Auch auf nervenärztlichem Gebiet liegen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine zeitliche Leistungseinschränkung bei leichten körperlichen Arbeiten begründen könnten. Vielmehr führen diese zu einer Minderung der psychovegetativen Stressbelastbarkeit. Prof. Dr. Schw. hat dargelegt, dass Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck oder mit unphysiologischen oder psychovegetativen Belastungen, z. B. Akkordarbeiten oder Nachtarbeiten für den Kläger nicht mehr Betracht kommen. Überdurchschnittliche Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen können nicht erwartet werden, sodass Tätigkeiten an gefährlichen Maschinen oder Kontrolltätigkeiten mit der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens im Indikationsfall, ausgeschlossen sind. Aufgrund der chronischen Dysthymie und der affektiven Reduktionsstörungen sind Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die soziale Kompetenz nicht möglich, also Tätigkeiten mit unmittelbarem Kundenkontakt oder Tätigkeiten in Vorgesetztenfunktion. Die von Dr. Kn. angenommene mittelgradige depressive Episode hat Prof. Dr. Schw. ebenso wie zuvor der Sachverständige Dr. Hei. verneint. Zu Recht weist der Sachverständige Prof. Dr. Schw. darauf hin, dass diese diagnostische Einschätzung durch den von Dr. Kn. selbst erhobenen psychischen Befund nur teilweise gestützt wird. Einerseits hat, worauf vor Prof. Dr. Schw. zu Recht hinweist, Dr. Kn. ausgeführt, der Antrieb sei herabgesetzt, es bestehe eine schnelle Erschöpfbarkeit, jedoch lediglich dargelegt, dass der Kläger am Ende der Befragung etwas erschöpft gewirkt habe. Auch die Feststellung, der Kläger habe über weite Strecken gedrückt, hoffnungslos und müde gewirkt, widerspricht der eigenen Aussage des Klägers, die ebenfalls in dem Gutachten des Dr. Kn. festgehalten ist, er könne "schon lachen, habe jedoch selten Anlass" dazu. Sowohl Prof. Dr. Schw. als auch Dr. Hei. haben lediglich einen Befund erhoben, der für eine leichtgradige Depressivität spricht. Insgesamt war das formale Denkvermögen nicht beeinträchtigt. Der Kläger war zu jedem Untersuchungszeitpunkt wach, bewusstseinsklar und uneingeschränkt orientiert. Die Auffassungsgabe und das Konzentrationsvermögen werden als altersentsprechend bezeichnet. Ebenfalls fanden sich zu keinem Zeitpunkt Zwangsstörungen oder Hinweise auf ein paranoides Erleben, keine überwertigen Ideen, keine Beziehungsideen, keine Wahndynamik. Die Stimmungslage ist laut Prof. Dr. Schw. abschnittsweise leicht herabgemindert gewesen, der Affekt wechselhaft ausgeglichen und dysphorisch bei gut ausgeprägter affektiver Dynamik. Der Antrieb wird als situationsadäquat beschrieben. Der vom Kläger beschriebene Tagesablauf spricht ebenfalls gegen eine erhebliche depressive Symptomatik. So stehe er gegen 7:30 Uhr auf, mache sich Kaffee, seine Frau sei dann schon weg zum Arbeiten, er würde dann einkaufen und erledige dann Tätigkeiten am Rechner im Rahmen seines Nebenjobs, lese Mails oder suche das Büro seiner Firma auf ("aber da bin ich fast nie"), zum Mittag esse er eine Kleinigkeit. Nachmittags erledige er die Arbeit, wenn noch was übrig sei. Gegen 17:00 Uhr käme seine Frau nach Hause. Für das Abendessen habe er meist keinen Appetit, manchmal gebe es ein gemeinsames Abendessen aber nicht immer. Er würde dann am späteren Abend meistens Fernsehen und gehe gegen 24 Uhr zu Bett. Schließlich spricht die Tatsache, dass der Kläger in der Lage ist, seinen "Mini-Job" auszuüben, nämlich das Entwickeln von Präsentationsmaterial für eine Sicherheitsfirma, gegen eine erhebliche depressive Symptomatik, die das zeitliche Leistungsvermögen für leichte Arbeiten einschränken würde. Somit ergeben sich auch auf psychiatrischem Fachgebiet keine Gründe, die eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen nach sich ziehen würden.
Damit kann der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig, d.h. sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden sind Zwangshaltungen, das Heben und Tragen von Lasten über 7 kg, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit häufigem Treppensteigen, auf unebenem Gelände, in Nässe oder Kälte, Arbeiten, die ein überdurchschnittliches Auffassungs- und Konzentrationsvermögen erfordern, Akkordarbeiten und Nachtarbeiten. Eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt somit nicht vor; dem Kläger sind beispielsweise einfache Bürotätigkeiten oder einfache Sortier-, Montier- oder Verpackungstätigkeiten mit leichten Industrie – und Handelsprodukten (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1999, B 5 RJ 30/98 R, Juris) vollschichtig möglich, sodass sich Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes beschreiben lassen, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf.
Der Senat hebt deshalb das Urteil des SG auf und weist die Klage ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass der Kläger mit seinem Begehren in vollem Umfang unterlegen ist.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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