Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 33 KR 300/13
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 11/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ist einem früheren Terminsverlegungsantrag aus beruflich bedingtem Verhinderungsgrund bereits einmal stattgegeben und der Kläger rechtzeitig über einen neuen Verhandlungstermin informiert worden, muss das Gericht über einen erneuten Verlegungsantrag einen Tag vor dem neuen Verhandlungstermin wegen beruflicher Verhinderung nicht vorab entscheiden oder dem Betroffenen einen Hinweis geben, dass der Verhandlungstermin stattfinden werde.
2. Die Erhebung der Verjährungseinrede nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV bedarf der Ermessensbetätigung durch den Sozialleistungsträger.
2. Die Erhebung der Verjährungseinrede nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV bedarf der Ermessensbetätigung durch den Sozialleistungsträger.
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Dezember 2015 sowie der Be- scheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsescheides vom 23. Mai 2012 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechts- auffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt 1/2 der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Beitragseinstufung und die Erstattung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008.
Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 2. Juni 2011 als Selbstständiger freiwillig versichert. Ab dem 1. Januar 2002 wurden die Beiträge nach den im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 ausgewiesenen monatlichen Einnahmen in Höhe der gesetzlich festgelegten Mindesteinnahme für hauptberuflich Selbstständige (1.758,75 EUR monatlich im Jahr 2002) bemessen. In den darauf folgenden Einnahmeerklärungen gab der Kläger an, dass er einen neuen Einkommensteuerbescheid einreichen werde, sobald dieser ihm vorliege. Nachdem die Beklagte im Rahmen der weiteren Einkommensbefragung keinerlei Auskünfte vom Kläger erhalten hatte, wurden seine Beiträge mit Bescheid vom 18. Mai 2009 rückwirkend vom 1. Oktober 2008 an auf der Grundlage beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (3.600,00 EUR monatlich im Jahr 2008) festgesetzt. Dies geschah mit dem Hinweis, dass die Beitragseinstufung rückwirkend korrigiert werde, wenn binnen eines Monats die erforderlichen Einkommensnachweise erbracht würden.
Im März 2010 legte der Kläger der Beklagten die Bestätigung des Finanzamtes S vom 22. März 2010 vor, nach der er in den Jahren 2006 bis 2008 keine Einnahmen/Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt habe. Für die Zeit ab 1. Oktober 2008 korrigierte die Beklagte daraufhin die Beitragseinstufung zugunsten des Klägers und legte die gesetzlich festgelegte Mindesteinnahme für hauptberuflich Selbstständige (1.863,75 EUR monatlich) fest. Die Beklagte teilte dem Kläger einen Beitragsrückstand in Höhe von 1.382,88 EUR mit und fügte einen Kontoauszug hinsichtlich der Buchungen von Oktober 2008 bis April 2010 bei. Den Beitragsrückstand glich der Kläger in der Folgezeit teilweise aus, so dass im Juni 2010 nur noch ein Betrag von 494,33 EUR für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2010 verblieb. Ab August 2010 wurden die Versicherungsbeiträge vom Kläger nur teilweise oder gar nicht entrichtet, so dass die Beklage bezüglich rückständiger Beiträge in Höhe von 5.701,87 EUR die Zwangsvollstreckung einleitete.
Mit Schreiben vom 2. April 2012 bat der Kläger um Überprüfung der den Beitragsrückständen zu Grunde liegenden Bescheide. Er legte einen Bericht des Finanzamtes S über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei ihm vor, nach der er in den Jahren 2006 bis 2008 kein Unternehmen betrieben habe. Die Beklagte stufte den Kläger daraufhin mit Bescheid vom 13. Juli 2012 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 2. Juni 2011 als nebenberuflich selbstständig Tätigen ein, setzte die Beiträge nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für freiwillige Mitglieder fest und verrechnete das dadurch entstandene Guthaben mit dem Beitragsrückstand für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. Mai 2012 in Höhe von 1.233,50 EUR, so dass sich kein zu erstattendes weiteres Guthaben nach ihrer Berechnung ergab.
Unter Vorlage eigener Berechnungen sowie Kopien der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 forderte der Kläger die Erstattung von Beiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008. Mit Bescheid vom 17. September 2012 erließ die Beklagte dem Kläger die Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 938,98 EUR, die sie ihm auch erstattete. Eine weitergehende Erstattung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008 lehnte sie ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe Beitragszahlungen in Höhe von monatlich 340,00 EUR geleistet, obwohl von ihm nur 140,00 EUR monatlich zu zahlen gewesen wären. Darüber hinaus gab er an, in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und keinerlei Einnahmen erzielt zu haben. Mit Bescheid vom 21. November 2012 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie ihn auch für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 als nebenberuflich Selbstständigen einstufte und die Beiträge für diese Zeit nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für freiwillige Mitglieder neu festsetzte. Das Beitragsguthaben für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 30. September 2008 in Höhe von 1.596,98 EUR verrechnete sie mit einem Beitragsrückstand in Höhe von 520,96 EUR für die Zeit vom 16. August 2012 bis 30. November 2012. Das Restguthaben in Höhe von 1.076,02 EUR zahlte sie aus. Eine Erstattung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung führte sie aus, die Beiträge seien bereits verjährt, so dass kein Guthaben erstattet werden könne. Ansprüche auf Beiträge würden nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden seien.
Den vom Kläger aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Einstufung vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 sei zu Recht erfolgt. Nach § 240 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung werde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt. Ab dem 1. Januar 2009 werde für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes berücksichtige. Dieser Vorgabe folgend würden als beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel gelten, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 12 Abs. 2 Satzung der Beklagten in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung, § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008 in der ab dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung). Des Weiteren sei die Krankenkasse nach dem Willen des Gesetzgebers verpflichtet, Beiträge nach einer Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von ein Drittel der Bezugsgröße zu erheben (§ 240 Abs. 4 S. 1 SGB V). Die Bezugsgröße sei ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Verordnungswege jährlich festgesetzter Wert, der den durchschnittlichen monatlichen Einnahmen der gesetzlich Rentenversicherten im vorvergangenen Kalenderjahr entspreche (§ 17 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 18 SGB IV). Für die Jahre 2006 und 2007 sei die Bezugsgröße auf monatlich 2.450,00 EUR (im Jahr 2008 monatlich 2.485,00 EUR) festgelegt worden. Hieraus ergebe sich für freiwillig Versicherte eine monatliche Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 816,67 EUR (im Jahr 2008 monatlich 828,33 EUR). Die Beiträge seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung selbst dann nach der Mindesteinnahme zu bemessen, wenn tatsächlich geringere oder überhaupt keine Einkünfte erzielt würden. Eine Härtefallregelung habe der Gesetzgeber weder vorgesehen, noch den Satzungsregelungen der Krankenkassen überlassen. Für den Personenkreis der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen sehe der Gesetzgeber außerdem vor, dass der Beitragsbemessung grundsätzlich monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (3.562,50 EUR monatlich im Jahr 2006 und 2007, 3.600,00 EUR monatlich im Jahre 2008) zugrunde zu legen seien (§ 240 Abs. 4 SGB V). Bei Nachweis niedrigerer Einnahmen würden diese, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von drei Viertel der monatlichen Bezugsgröße (1.837,50 EUR monatlich im Jahr 2006 und 2007, 1.863,75 EUR monatlich im Jahr 2008), zu Grunde gelegt. Bei der Bezugsgröße handele es sich um einen von der Bundesregierung jährlich festgesetzten Wert, der dem monatlichen Durchschnittsentgelt der gesetzlich Rentenversicherten im vorvergangenen Kalenderjahr entspreche. Die einnahmenorientierte Einstufung werde ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft, mit Beginn des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats, wirksam. Dies gelte analog auch für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 4 S. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XI - in Verbindung mit § 11 Abs. 2 der Satzung der Beklagten Pflegeversicherung in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung bzw. ab dem 1. Januar 2009 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008). Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – entschieden, dass der Nachweis eines geänderten Einkommens unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze nur durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides geführt werden könne. Es stünden den Krankenkassen für die Ermittlung des Arbeitseinkommens als beitragspflichtige Einnahme keine anderen aussagekräftigen Unterlagen neben den Einkommensteuerbescheiden zur Verfügung. Andere Unterlagen seien von den Krankenkassen nicht mit zumutbarem Arbeitsaufwand überprüfbar. Sie ermöglichten den Krankenkassen somit nur die vorläufige Beitragsfestsetzung. Die Beitragsbemessung habe aber grundsätzlich endgültig zu erfolgen, wobei für die Beitragsbemessung an das bisherige Arbeitseinkommen, so wie es nachgewiesen sei, anzuknüpfen sei. Der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien (§ 27 Abs. 2 SGB IV). Entsprechend diesen Grundsätzen habe der Kläger in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 als freiwilliges Mitglied Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträge auf der Basis der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 816,67 EUR in den Jahren 2006 und 2007, im Jahr 2008 monatlich 828,33 EUR, zu entrichten. Eine beitragsgünstigere Versicherung sei leider nicht möglich. Somit komme eine weitergehende Korrektur und Erstattung von Beiträgen über die mit Bescheid vom 21. November 2012 bereits erfolgte Abhilfe hinaus nicht in Betracht.
Der Kläger hat am 20. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Er hat seine Klage trotz mehrfacher Aufforderung durch das Gericht nicht begründet. Er hat schriftsätzlich wörtlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm überzahlte Beiträge zu erstatten und für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008 eine richtige Beitragseinstufung vorzunehmen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 17. September 2012 in Form des Änderungsbescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder Anspruch auf eine für ihn günstigere Beitragseinstufung noch auf Erstattung weitergehender Beiträge.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht § 240 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Hiernach ist der Kläger als freiwilliges Mitglied der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, deren Höhe im Hinblick darauf, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum über Einnahmen aus Selbständigkeit nicht verfügt und kein Unternehmen in der Zeit geführt hat, nach der in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V geregelten Mindestbemessungsgrundlage zu bestimmen ist.
Denn als beitragspflichtige Einnahmen in diesem Sinne gilt bei freiwilligen Mitgliedern nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Diese gesetzliche Fiktionsregelung greift entgegen der Auffassung des Klägers auch dann ein, wenn Einnahmen aus Selbständigkeit nicht erzielt werden. Denn alle Gruppen von freiwillig Versicherten, die – wenn sie über Einnahmen nicht oder nicht in dieser Höhe verfügen – haben Beiträge stets in der sich nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V ergebenden Mindesthöhe zu entrichten. Diese gesetzliche Vorschrift ist zwingend.
Auch ist diese gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (z.B. BSG, Urteil vom 07.11.1991 – 12 RK 37/90 - ; BSG, Urteil vom 06.11.1997 – 12 RK 61/96 - ; BVerfG vom 19.12.1994 – 1 BvR 1688/94 –). Eine Gleichbehandlung mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Mitgliedern, die Beiträge nur dann zahlen müssen, wenn sie tatsächlich beitragspflichtige Einnahmen erzielen, kann der Kläger schon deshalb nicht beanspruchen, weil die hier in Rede stehende unterschiedliche Behandlung der freiwillig Versicherten und der Pflichtversicherten nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) postulierten Gleichheitssatz verstößt. Diese Entscheidung liegt vielmehr grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der sich jedoch mit der hier anzuwendenden Regelung, die freiwillig Versicherten anders als die Pflichtversicherten im Interesse der Funktionsfähigkeit der Krankenversicherung mit Beiträgen in einer gewissen Mindesthöhe zu belasten, innerhalb des ihm durch die Verfassung eröffneten Spielraums bewegt (vgl. hierzu insgesamt Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Mai 2004 – B 12 P 6/03 R – ; Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2004 – L 15 KR 48/02 – beide zitiert nach Juris).
Nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach bestehen gegen die angefochtenen Bescheide der Beklagten in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken. Denn die Beklagte hat die von dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 zu entrichtenden Beiträge zutreffend auf der Grundlage der in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V geregelten Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt, die im streitigen Zeitraum 816,67 bzw. 828,33 Euro monatlich betrug.
Hinsichtlich der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung gelten die obigen Ausführungen entsprechend, weil diese Beiträge – abgesehen von dem für sie nach § 55 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) geltenden Beitragssatz - nach §§ 20 Abs. 3, 55 Abs. 1 und 3, 57 Abs. 4 SGB XI in Verbindung mit der Satzung der beigeladenen Pflegekasse für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach denselben Kriterien festzusetzen sind wie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Beklagte kann vorliegend auch nicht auf die Beitragsforderung verzichten, denn Gründe für einen Erlass der Beitragsforderung nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden. Für die Billigkeitsentscheidung sind die gesamten Umstände eines Falles, d. h. insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Art und Höhe des Anspruchs, zu berücksichtigen. Dabei schreibt § 76 Abs. 1 SGB IV als Grundsatz fest, dass Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben sind. Nur ausnahmsweise soll unter den (engen) Voraussetzungen des Abs. 2 hiervon abgesehen werden können im Sinne einer Stundung, Niederschlagung oder eines Erlasses der Beitragsforderung. Hierbei ist zu beachten, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft und der Beitragspflichtigen der Erlass einer Beitragsforderung Einzelne begünstigt. Dies führt mithin zu einem Abwägungsprozess zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft und der diesen dienenden Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 SGB IV zur Beitragszahlung einerseits und den Individualinteressen des Zahlungspflichtigen andererseits. Aus dem Grundsatz der Beitragspflichtigkeit folgt somit, dass Zahlungspflichten zunächst selbst dann nicht unbillig sind, wenn sie den Zahlungspflichtigen erheblich wirtschaftlich belasten. Nur soweit sich ausnahmsweise im Einzelfall die Unbilligkeit einer Beitragserhebung ergibt, kann von der Pflicht zur Beitragszahlung dem Kläger jedoch nichts vorgetragen worden oder sonst für die Kammer ersichtlich.
Auch die Erstattung weiterer als mit Änderung vom 21. November 2012 festgestellter Beiträge kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat sich hierbei zu Recht auf Verjährung berufen. Die anzuwendende Rechtsgrundlage ist jedoch nicht wie im Bescheid vom 21. November 2012 noch angegeben § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sondern wie im Widerspruchsbescheid benannt § 27 Abs. Satz 2 SGB IV. Danach verjährt ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem die Beiträge entrichtet worden sind. Gründe seitens des Klägers, welche die Beklagte vorliegend verpflichten würden, von der Erhebung der Einrede der Verjährung abzusehen, sind für das Gericht nicht ersichtlich."
Gegen den ihm am 24. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 24. Januar 2016 beim Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht eingegangen ist. Trotz mehrfacher Aufforderung des Senats, die Berufung zu begründen, bringt der Kläger keine inhaltlichen Einwände gegen die angefochtenen Bescheide der Beklagten und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vor.
Nachdem der Senat den Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. September 2017, 13:00 Uhr, aufgrund der Mitteilung des Klägers, dass er den Termin aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen könne, aufgehoben hatte, teilte der Senat dem Kläger mit Schreiben vom 11. September 2017 mit, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung nunmehr auf den 14. Dezember 2017 anzuberaumen. Er habe somit ausreichend Zeit, diesen Termin einzuplanen. Eine nochmalige Verlegung aus beruflichen oder privaten Gründen könne daher zukünftig nur bei unvorhergesehenen Ereignissen wie zum Beispiel einer plötzlichen oder dauerhaften Erkrankung in Betracht kommen, die zur Verhandlungsunfähigkeit führe. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 (eingegangen am selben Tag beim Schleswig-Holsteini¬schen Landessozialgericht) beantragte der Kläger die Verlegung des auf den 14. Dezember 2017 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung und führte zur Begründung aus, dass er erst heute die Ladung plötzlich gefunden habe. Für ihn sei es unmöglich den anberaumten Termin wahrzunehmen. Er habe kein Geld und keine Zeit. Er habe von gestern bis heute 17.30 Uhr gearbeitet und müsse am Verhandlungstag ab 14.00 Uhr bis zum darauffolgenden Tag um 9.00 Uhr arbeiten.
In der Sache selbst beantragt der Kläger nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Dezember 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 abzuändern sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 eine richtige Beitragseinstufung vorzunehmen und ihm überzahlte Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.
Der Senat konnte eine mündliche Verhandlung durchführen, obwohl die Beteiligten nicht zum Termin erschienen sind und die Voraussetzungen des § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorlagen. Danach kann das Gericht, sofern - wie hier - in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen. Das Gericht kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 126 SGG vorliegen, eine "einseitige mündliche Verhandlung" durchführen und aufgrund dieser ein Urteil verkünden (Keller in Meyer-Ladeweg/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 126 Rn. 4 m. w. N).
Insbesondere war der Senat nicht aufgrund des am 13. Dezember 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Terminsverlegungsantrages des Klägers vom selben Tag gehindert, den Termin durchzuführen. Die Aufhebung eines Termins und die Verlegung auf einen anderen Zeitpunkt ist nur aus erheblichen Gründen möglich (§ 202 S. 1 SGG i. V. m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Ausschließlich das Vorliegen eines erheblichen Grundes im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO begründet die Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung, um den Anspruch auf rechtliches Gehör und den Prozessgrundsatz auf ein faires Verfahren zu wahren (vgl. BSG SozR 3 - 1750 § 227 Nr. 1; SozR 3 - 1500 § 160 Nr. 3). Die erheblichen Gründe sind beim Verlegungsantrag auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 202 S. 1 SGG i. V. m. §§ 227 Abs. 2, 294 ZPO). Allerdings ist das Gericht unter Umständen bei einem erst einen Tag vor der anberaumten Verhandlung gestellten Verlegungsantrag nicht zu Hinweisen und zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2013 – B 21 R 38/12 B –, juris). Wird eine Terminsaufhebung bzw. Verlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und damit begründet, dass die Ladungsmitteilung plötzlich gefunden worden sei und am Terminstag gearbeitet werden müsse, ist das Gericht weder gehalten, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, dass dem Terminsverlegungsantrag nicht stattgegeben werde, noch muss es vor der mündlichen Verhandlung über den Terminsverlegungsantrag entscheiden, wenn – wie hier – einem früheren Terminsverlegungsantrag des Klägers aus beruflich bedingten Verhinderungsgrund bereits einmal stattgegeben worden war und der Kläger rechtzeitig den Hinweis erhalten hat, auf welchen Tag der Termin verlegt wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger ist mit gerichtlichem Schreiben vom 11. September 2017 darauf hingewiesen worden ist, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 14. Dezember 2017 anzuberaumen und eine nochmalige Verlegung aus beruflichen oder privaten Gründen daher zukünftig nur bei unvorhergesehenen Ereignissen, wie zum Beispiel einer plötzlichen oder dauerhaften Erkrankung, in Betracht komme, die zur Verhandlungsunfähigkeit führe. Die vom Kläger vorgebrachten Verhinderungsgründe fallen nicht in diese Kategorie und hätten bei sorgfältiger und ihm zumutbarer Planung vermieden werden können. Deshalb hatte der Kläger keinen Anspruch auf erneute Terminsverlegung.
Die Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Denn die Beklagte war zur Ablehnung der Beitragserstattung in den angefochtenen Bescheiden unter dem Gesichtspunkt bereits eingetretener Verjährung nicht berechtigt, weil sie die Einrede der Verjährung – die hier unstreitig vorgelegen hat -rechtsfehlerhaft erhoben hat.
Den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vom 17. September 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2012 ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte erkannt hat, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede treffen zu müssen und dass sie eine solche Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X auch tatsächlich getroffen hat (vgl. dazu allgemein auch BSGE 115, 1; BSG SozR4 - 2400 § 27 Nr. 1 Rn. 15 m. w. N.). Steht einem Sozialleistungsträger die Verjährungseinrede zu, so liegt deren Erhebung regelmäßig in seinem Ermessen (BSG SozR4 – 2400 § 27 Nr. 6; Udsching in Hauck/Noftz, SGB VI, § 27 Rn. 9 m. w. N.). Ein Fall der Ermessensschrumpfung auf Null kann hier nicht angenommen werden. Zur Begründung der Ermessensentscheidung hätte die Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte mitteilen müssen, von denen sie bei Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB X). Dies ist den Begründungen der angefochtenen Bescheide nicht zu entnehmen. Hierin hat die Beklagte lediglich unter Hinweis auf die Vorschrift des § 27 Abs. 2 SGB IV ausgeführt, dass der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähre, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Im Abhilfebescheid vom 21. November 2012 findet sich zudem die ausdrückliche Formulierung, dass die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 bereits verjährt seien, so dass kein Guthaben erstattet werden könne. Daraus geht deutlich hervor, dass die Beklagte von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist und nicht von einer Ermessensbetätigung, die hier jedoch gefordert war. Das hat auch das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2015 zu Unrecht nicht berücksichtigt, so dass die Entscheidung aufzuheben war, obwohl der Senat im Übrigen die Rechtsauffassung des Sozialgerichts teilt, dass gegen die in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vorgenommene Beitragseinstufung rechtlich keine Einwände zu erheben sind. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Höhe des dem Kläger zustehenden Erstattungsbetrages nicht zutreffend ermittelt hat. Substantiierte Einwände sind vom Kläger insoweit im Gerichtsverfahren nicht vorgebracht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Beitragseinstufung und die Erstattung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008.
Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 2. Juni 2011 als Selbstständiger freiwillig versichert. Ab dem 1. Januar 2002 wurden die Beiträge nach den im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 ausgewiesenen monatlichen Einnahmen in Höhe der gesetzlich festgelegten Mindesteinnahme für hauptberuflich Selbstständige (1.758,75 EUR monatlich im Jahr 2002) bemessen. In den darauf folgenden Einnahmeerklärungen gab der Kläger an, dass er einen neuen Einkommensteuerbescheid einreichen werde, sobald dieser ihm vorliege. Nachdem die Beklagte im Rahmen der weiteren Einkommensbefragung keinerlei Auskünfte vom Kläger erhalten hatte, wurden seine Beiträge mit Bescheid vom 18. Mai 2009 rückwirkend vom 1. Oktober 2008 an auf der Grundlage beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (3.600,00 EUR monatlich im Jahr 2008) festgesetzt. Dies geschah mit dem Hinweis, dass die Beitragseinstufung rückwirkend korrigiert werde, wenn binnen eines Monats die erforderlichen Einkommensnachweise erbracht würden.
Im März 2010 legte der Kläger der Beklagten die Bestätigung des Finanzamtes S vom 22. März 2010 vor, nach der er in den Jahren 2006 bis 2008 keine Einnahmen/Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt habe. Für die Zeit ab 1. Oktober 2008 korrigierte die Beklagte daraufhin die Beitragseinstufung zugunsten des Klägers und legte die gesetzlich festgelegte Mindesteinnahme für hauptberuflich Selbstständige (1.863,75 EUR monatlich) fest. Die Beklagte teilte dem Kläger einen Beitragsrückstand in Höhe von 1.382,88 EUR mit und fügte einen Kontoauszug hinsichtlich der Buchungen von Oktober 2008 bis April 2010 bei. Den Beitragsrückstand glich der Kläger in der Folgezeit teilweise aus, so dass im Juni 2010 nur noch ein Betrag von 494,33 EUR für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2010 verblieb. Ab August 2010 wurden die Versicherungsbeiträge vom Kläger nur teilweise oder gar nicht entrichtet, so dass die Beklage bezüglich rückständiger Beiträge in Höhe von 5.701,87 EUR die Zwangsvollstreckung einleitete.
Mit Schreiben vom 2. April 2012 bat der Kläger um Überprüfung der den Beitragsrückständen zu Grunde liegenden Bescheide. Er legte einen Bericht des Finanzamtes S über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei ihm vor, nach der er in den Jahren 2006 bis 2008 kein Unternehmen betrieben habe. Die Beklagte stufte den Kläger daraufhin mit Bescheid vom 13. Juli 2012 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 2. Juni 2011 als nebenberuflich selbstständig Tätigen ein, setzte die Beiträge nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für freiwillige Mitglieder fest und verrechnete das dadurch entstandene Guthaben mit dem Beitragsrückstand für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. Mai 2012 in Höhe von 1.233,50 EUR, so dass sich kein zu erstattendes weiteres Guthaben nach ihrer Berechnung ergab.
Unter Vorlage eigener Berechnungen sowie Kopien der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 forderte der Kläger die Erstattung von Beiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008. Mit Bescheid vom 17. September 2012 erließ die Beklagte dem Kläger die Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 938,98 EUR, die sie ihm auch erstattete. Eine weitergehende Erstattung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008 lehnte sie ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe Beitragszahlungen in Höhe von monatlich 340,00 EUR geleistet, obwohl von ihm nur 140,00 EUR monatlich zu zahlen gewesen wären. Darüber hinaus gab er an, in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und keinerlei Einnahmen erzielt zu haben. Mit Bescheid vom 21. November 2012 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie ihn auch für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 als nebenberuflich Selbstständigen einstufte und die Beiträge für diese Zeit nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für freiwillige Mitglieder neu festsetzte. Das Beitragsguthaben für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 30. September 2008 in Höhe von 1.596,98 EUR verrechnete sie mit einem Beitragsrückstand in Höhe von 520,96 EUR für die Zeit vom 16. August 2012 bis 30. November 2012. Das Restguthaben in Höhe von 1.076,02 EUR zahlte sie aus. Eine Erstattung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung führte sie aus, die Beiträge seien bereits verjährt, so dass kein Guthaben erstattet werden könne. Ansprüche auf Beiträge würden nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden seien.
Den vom Kläger aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Einstufung vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 sei zu Recht erfolgt. Nach § 240 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung werde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt. Ab dem 1. Januar 2009 werde für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes berücksichtige. Dieser Vorgabe folgend würden als beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel gelten, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 12 Abs. 2 Satzung der Beklagten in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung, § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008 in der ab dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung). Des Weiteren sei die Krankenkasse nach dem Willen des Gesetzgebers verpflichtet, Beiträge nach einer Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von ein Drittel der Bezugsgröße zu erheben (§ 240 Abs. 4 S. 1 SGB V). Die Bezugsgröße sei ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Verordnungswege jährlich festgesetzter Wert, der den durchschnittlichen monatlichen Einnahmen der gesetzlich Rentenversicherten im vorvergangenen Kalenderjahr entspreche (§ 17 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 18 SGB IV). Für die Jahre 2006 und 2007 sei die Bezugsgröße auf monatlich 2.450,00 EUR (im Jahr 2008 monatlich 2.485,00 EUR) festgelegt worden. Hieraus ergebe sich für freiwillig Versicherte eine monatliche Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 816,67 EUR (im Jahr 2008 monatlich 828,33 EUR). Die Beiträge seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung selbst dann nach der Mindesteinnahme zu bemessen, wenn tatsächlich geringere oder überhaupt keine Einkünfte erzielt würden. Eine Härtefallregelung habe der Gesetzgeber weder vorgesehen, noch den Satzungsregelungen der Krankenkassen überlassen. Für den Personenkreis der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen sehe der Gesetzgeber außerdem vor, dass der Beitragsbemessung grundsätzlich monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (3.562,50 EUR monatlich im Jahr 2006 und 2007, 3.600,00 EUR monatlich im Jahre 2008) zugrunde zu legen seien (§ 240 Abs. 4 SGB V). Bei Nachweis niedrigerer Einnahmen würden diese, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von drei Viertel der monatlichen Bezugsgröße (1.837,50 EUR monatlich im Jahr 2006 und 2007, 1.863,75 EUR monatlich im Jahr 2008), zu Grunde gelegt. Bei der Bezugsgröße handele es sich um einen von der Bundesregierung jährlich festgesetzten Wert, der dem monatlichen Durchschnittsentgelt der gesetzlich Rentenversicherten im vorvergangenen Kalenderjahr entspreche. Die einnahmenorientierte Einstufung werde ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft, mit Beginn des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats, wirksam. Dies gelte analog auch für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 4 S. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XI - in Verbindung mit § 11 Abs. 2 der Satzung der Beklagten Pflegeversicherung in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung bzw. ab dem 1. Januar 2009 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008). Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – entschieden, dass der Nachweis eines geänderten Einkommens unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze nur durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides geführt werden könne. Es stünden den Krankenkassen für die Ermittlung des Arbeitseinkommens als beitragspflichtige Einnahme keine anderen aussagekräftigen Unterlagen neben den Einkommensteuerbescheiden zur Verfügung. Andere Unterlagen seien von den Krankenkassen nicht mit zumutbarem Arbeitsaufwand überprüfbar. Sie ermöglichten den Krankenkassen somit nur die vorläufige Beitragsfestsetzung. Die Beitragsbemessung habe aber grundsätzlich endgültig zu erfolgen, wobei für die Beitragsbemessung an das bisherige Arbeitseinkommen, so wie es nachgewiesen sei, anzuknüpfen sei. Der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien (§ 27 Abs. 2 SGB IV). Entsprechend diesen Grundsätzen habe der Kläger in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 als freiwilliges Mitglied Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträge auf der Basis der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 816,67 EUR in den Jahren 2006 und 2007, im Jahr 2008 monatlich 828,33 EUR, zu entrichten. Eine beitragsgünstigere Versicherung sei leider nicht möglich. Somit komme eine weitergehende Korrektur und Erstattung von Beiträgen über die mit Bescheid vom 21. November 2012 bereits erfolgte Abhilfe hinaus nicht in Betracht.
Der Kläger hat am 20. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Er hat seine Klage trotz mehrfacher Aufforderung durch das Gericht nicht begründet. Er hat schriftsätzlich wörtlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm überzahlte Beiträge zu erstatten und für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2008 eine richtige Beitragseinstufung vorzunehmen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 17. September 2012 in Form des Änderungsbescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder Anspruch auf eine für ihn günstigere Beitragseinstufung noch auf Erstattung weitergehender Beiträge.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht § 240 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Hiernach ist der Kläger als freiwilliges Mitglied der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, deren Höhe im Hinblick darauf, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum über Einnahmen aus Selbständigkeit nicht verfügt und kein Unternehmen in der Zeit geführt hat, nach der in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V geregelten Mindestbemessungsgrundlage zu bestimmen ist.
Denn als beitragspflichtige Einnahmen in diesem Sinne gilt bei freiwilligen Mitgliedern nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Diese gesetzliche Fiktionsregelung greift entgegen der Auffassung des Klägers auch dann ein, wenn Einnahmen aus Selbständigkeit nicht erzielt werden. Denn alle Gruppen von freiwillig Versicherten, die – wenn sie über Einnahmen nicht oder nicht in dieser Höhe verfügen – haben Beiträge stets in der sich nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V ergebenden Mindesthöhe zu entrichten. Diese gesetzliche Vorschrift ist zwingend.
Auch ist diese gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (z.B. BSG, Urteil vom 07.11.1991 – 12 RK 37/90 - ; BSG, Urteil vom 06.11.1997 – 12 RK 61/96 - ; BVerfG vom 19.12.1994 – 1 BvR 1688/94 –). Eine Gleichbehandlung mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Mitgliedern, die Beiträge nur dann zahlen müssen, wenn sie tatsächlich beitragspflichtige Einnahmen erzielen, kann der Kläger schon deshalb nicht beanspruchen, weil die hier in Rede stehende unterschiedliche Behandlung der freiwillig Versicherten und der Pflichtversicherten nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) postulierten Gleichheitssatz verstößt. Diese Entscheidung liegt vielmehr grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der sich jedoch mit der hier anzuwendenden Regelung, die freiwillig Versicherten anders als die Pflichtversicherten im Interesse der Funktionsfähigkeit der Krankenversicherung mit Beiträgen in einer gewissen Mindesthöhe zu belasten, innerhalb des ihm durch die Verfassung eröffneten Spielraums bewegt (vgl. hierzu insgesamt Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Mai 2004 – B 12 P 6/03 R – ; Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2004 – L 15 KR 48/02 – beide zitiert nach Juris).
Nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach bestehen gegen die angefochtenen Bescheide der Beklagten in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken. Denn die Beklagte hat die von dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 zu entrichtenden Beiträge zutreffend auf der Grundlage der in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V geregelten Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt, die im streitigen Zeitraum 816,67 bzw. 828,33 Euro monatlich betrug.
Hinsichtlich der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung gelten die obigen Ausführungen entsprechend, weil diese Beiträge – abgesehen von dem für sie nach § 55 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) geltenden Beitragssatz - nach §§ 20 Abs. 3, 55 Abs. 1 und 3, 57 Abs. 4 SGB XI in Verbindung mit der Satzung der beigeladenen Pflegekasse für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach denselben Kriterien festzusetzen sind wie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Beklagte kann vorliegend auch nicht auf die Beitragsforderung verzichten, denn Gründe für einen Erlass der Beitragsforderung nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden. Für die Billigkeitsentscheidung sind die gesamten Umstände eines Falles, d. h. insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Art und Höhe des Anspruchs, zu berücksichtigen. Dabei schreibt § 76 Abs. 1 SGB IV als Grundsatz fest, dass Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben sind. Nur ausnahmsweise soll unter den (engen) Voraussetzungen des Abs. 2 hiervon abgesehen werden können im Sinne einer Stundung, Niederschlagung oder eines Erlasses der Beitragsforderung. Hierbei ist zu beachten, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft und der Beitragspflichtigen der Erlass einer Beitragsforderung Einzelne begünstigt. Dies führt mithin zu einem Abwägungsprozess zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft und der diesen dienenden Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 SGB IV zur Beitragszahlung einerseits und den Individualinteressen des Zahlungspflichtigen andererseits. Aus dem Grundsatz der Beitragspflichtigkeit folgt somit, dass Zahlungspflichten zunächst selbst dann nicht unbillig sind, wenn sie den Zahlungspflichtigen erheblich wirtschaftlich belasten. Nur soweit sich ausnahmsweise im Einzelfall die Unbilligkeit einer Beitragserhebung ergibt, kann von der Pflicht zur Beitragszahlung dem Kläger jedoch nichts vorgetragen worden oder sonst für die Kammer ersichtlich.
Auch die Erstattung weiterer als mit Änderung vom 21. November 2012 festgestellter Beiträge kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat sich hierbei zu Recht auf Verjährung berufen. Die anzuwendende Rechtsgrundlage ist jedoch nicht wie im Bescheid vom 21. November 2012 noch angegeben § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sondern wie im Widerspruchsbescheid benannt § 27 Abs. Satz 2 SGB IV. Danach verjährt ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem die Beiträge entrichtet worden sind. Gründe seitens des Klägers, welche die Beklagte vorliegend verpflichten würden, von der Erhebung der Einrede der Verjährung abzusehen, sind für das Gericht nicht ersichtlich."
Gegen den ihm am 24. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 24. Januar 2016 beim Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht eingegangen ist. Trotz mehrfacher Aufforderung des Senats, die Berufung zu begründen, bringt der Kläger keine inhaltlichen Einwände gegen die angefochtenen Bescheide der Beklagten und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vor.
Nachdem der Senat den Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. September 2017, 13:00 Uhr, aufgrund der Mitteilung des Klägers, dass er den Termin aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen könne, aufgehoben hatte, teilte der Senat dem Kläger mit Schreiben vom 11. September 2017 mit, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung nunmehr auf den 14. Dezember 2017 anzuberaumen. Er habe somit ausreichend Zeit, diesen Termin einzuplanen. Eine nochmalige Verlegung aus beruflichen oder privaten Gründen könne daher zukünftig nur bei unvorhergesehenen Ereignissen wie zum Beispiel einer plötzlichen oder dauerhaften Erkrankung in Betracht kommen, die zur Verhandlungsunfähigkeit führe. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 (eingegangen am selben Tag beim Schleswig-Holsteini¬schen Landessozialgericht) beantragte der Kläger die Verlegung des auf den 14. Dezember 2017 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung und führte zur Begründung aus, dass er erst heute die Ladung plötzlich gefunden habe. Für ihn sei es unmöglich den anberaumten Termin wahrzunehmen. Er habe kein Geld und keine Zeit. Er habe von gestern bis heute 17.30 Uhr gearbeitet und müsse am Verhandlungstag ab 14.00 Uhr bis zum darauffolgenden Tag um 9.00 Uhr arbeiten.
In der Sache selbst beantragt der Kläger nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Dezember 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 abzuändern sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008 eine richtige Beitragseinstufung vorzunehmen und ihm überzahlte Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.
Der Senat konnte eine mündliche Verhandlung durchführen, obwohl die Beteiligten nicht zum Termin erschienen sind und die Voraussetzungen des § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorlagen. Danach kann das Gericht, sofern - wie hier - in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen. Das Gericht kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 126 SGG vorliegen, eine "einseitige mündliche Verhandlung" durchführen und aufgrund dieser ein Urteil verkünden (Keller in Meyer-Ladeweg/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 126 Rn. 4 m. w. N).
Insbesondere war der Senat nicht aufgrund des am 13. Dezember 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Terminsverlegungsantrages des Klägers vom selben Tag gehindert, den Termin durchzuführen. Die Aufhebung eines Termins und die Verlegung auf einen anderen Zeitpunkt ist nur aus erheblichen Gründen möglich (§ 202 S. 1 SGG i. V. m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Ausschließlich das Vorliegen eines erheblichen Grundes im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO begründet die Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung, um den Anspruch auf rechtliches Gehör und den Prozessgrundsatz auf ein faires Verfahren zu wahren (vgl. BSG SozR 3 - 1750 § 227 Nr. 1; SozR 3 - 1500 § 160 Nr. 3). Die erheblichen Gründe sind beim Verlegungsantrag auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 202 S. 1 SGG i. V. m. §§ 227 Abs. 2, 294 ZPO). Allerdings ist das Gericht unter Umständen bei einem erst einen Tag vor der anberaumten Verhandlung gestellten Verlegungsantrag nicht zu Hinweisen und zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2013 – B 21 R 38/12 B –, juris). Wird eine Terminsaufhebung bzw. Verlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und damit begründet, dass die Ladungsmitteilung plötzlich gefunden worden sei und am Terminstag gearbeitet werden müsse, ist das Gericht weder gehalten, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, dass dem Terminsverlegungsantrag nicht stattgegeben werde, noch muss es vor der mündlichen Verhandlung über den Terminsverlegungsantrag entscheiden, wenn – wie hier – einem früheren Terminsverlegungsantrag des Klägers aus beruflich bedingten Verhinderungsgrund bereits einmal stattgegeben worden war und der Kläger rechtzeitig den Hinweis erhalten hat, auf welchen Tag der Termin verlegt wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger ist mit gerichtlichem Schreiben vom 11. September 2017 darauf hingewiesen worden ist, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 14. Dezember 2017 anzuberaumen und eine nochmalige Verlegung aus beruflichen oder privaten Gründen daher zukünftig nur bei unvorhergesehenen Ereignissen, wie zum Beispiel einer plötzlichen oder dauerhaften Erkrankung, in Betracht komme, die zur Verhandlungsunfähigkeit führe. Die vom Kläger vorgebrachten Verhinderungsgründe fallen nicht in diese Kategorie und hätten bei sorgfältiger und ihm zumutbarer Planung vermieden werden können. Deshalb hatte der Kläger keinen Anspruch auf erneute Terminsverlegung.
Die Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Denn die Beklagte war zur Ablehnung der Beitragserstattung in den angefochtenen Bescheiden unter dem Gesichtspunkt bereits eingetretener Verjährung nicht berechtigt, weil sie die Einrede der Verjährung – die hier unstreitig vorgelegen hat -rechtsfehlerhaft erhoben hat.
Den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vom 17. September 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2012 ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte erkannt hat, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede treffen zu müssen und dass sie eine solche Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X auch tatsächlich getroffen hat (vgl. dazu allgemein auch BSGE 115, 1; BSG SozR4 - 2400 § 27 Nr. 1 Rn. 15 m. w. N.). Steht einem Sozialleistungsträger die Verjährungseinrede zu, so liegt deren Erhebung regelmäßig in seinem Ermessen (BSG SozR4 – 2400 § 27 Nr. 6; Udsching in Hauck/Noftz, SGB VI, § 27 Rn. 9 m. w. N.). Ein Fall der Ermessensschrumpfung auf Null kann hier nicht angenommen werden. Zur Begründung der Ermessensentscheidung hätte die Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte mitteilen müssen, von denen sie bei Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB X). Dies ist den Begründungen der angefochtenen Bescheide nicht zu entnehmen. Hierin hat die Beklagte lediglich unter Hinweis auf die Vorschrift des § 27 Abs. 2 SGB IV ausgeführt, dass der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähre, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Im Abhilfebescheid vom 21. November 2012 findet sich zudem die ausdrückliche Formulierung, dass die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 bereits verjährt seien, so dass kein Guthaben erstattet werden könne. Daraus geht deutlich hervor, dass die Beklagte von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist und nicht von einer Ermessensbetätigung, die hier jedoch gefordert war. Das hat auch das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2015 zu Unrecht nicht berücksichtigt, so dass die Entscheidung aufzuheben war, obwohl der Senat im Übrigen die Rechtsauffassung des Sozialgerichts teilt, dass gegen die in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vorgenommene Beitragseinstufung rechtlich keine Einwände zu erheben sind. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Höhe des dem Kläger zustehenden Erstattungsbetrages nicht zutreffend ermittelt hat. Substantiierte Einwände sind vom Kläger insoweit im Gerichtsverfahren nicht vorgebracht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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