Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 KR 754/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung der Bescheide vom 18.03.2015 und vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 über den 14.02.2015 hinaus Krankengeld zu gewähren, solange die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld vorliegen, längstens bis 23.03.2015. II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus.
Der 1954 geborene Kläger war ab 22.12.2014 arbeitsunfähig erkrankt, seit 24.05.2013 war er arbeitslos und bezog Leistungen der Agentur für Arbeit (Arbeitslosengeld I). Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld I mit Bescheid vom 02.02.2015 ab 02.02.2015 aufgehoben.
Die Orthopädische Gemeinschaftspraxis T., Dres. C., D. und E. bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers am 22.12.2014 bis zum 22.01.2015.
Eine weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wurde am 19.01.2015 bis 14.02.2015 von oben genannten Orthopäden unterzeichnet.
Die Folgebescheinigung wurde am 16.02.2015 ausgestellt und Arbeitsunfähigkeit bis 16.03.2015 bescheinigt.
Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 23.01.2015 aufgefordert, die Beklagte bis 30.01.2015 anzurufen, da er telefonisch nicht erreichbar sei.
Mit Schreiben vom 23.02.2015 hat die Beklagte vom Kläger diverse Unterlagen für die Erlangung des Krankengelds angefordert, diesem Schreiben war ein Informationsschreiben zum Krankengeld, u.a. zum Nachweis einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit beigefügt.
Die Beklagte hat dem Kläger vom 02.02.2015 bis 14.02.2015 Krankengeld gewährt.
Mit Bescheid der Beklagten vom 18.03.2015 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass seine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld zum 14.02.2015 ende, ab 16.02.2015 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld mehr, es könne daher kein Krankengeld ausgezahlt werden. Es bestehe noch die Möglichkeit im Rahmen des "nachgehenden Leistungsanspruchs" Krankengeld zu erhalten, wenn die Unterbrechung der Mitgliedschaft nicht länger als einen Monat betrage. Der Monatszeitraum verlaufe vom 15.02.2015 bis 14.03.2015.
Mit weiterem Bescheid vom 18.03.2015 wurde ausgeführt, der Kläger beziehe seit 02.02.2015 Krankengeld, so dass seine Mitgliedschaft über den Bezug von Krankengeld fortgeführt werde, diese ende aber zum 14.02.2015, da die Folge-Arbeitsunfähigkeit erst am 16.02.2015 bescheinigt worden sei. Für den Nachweis der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit hätte die weitere Arbeitsunfähigkeit spätestens am 14.02.2015 ärztlich festgestellt werden müssen. Es müsse nun geprüft werden, welcher Versicherungsschutz für den Kläger ab 15.02.2015 in Frage komme.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 23.03.2015 Widerspruch gegen die Bescheide vom 18.03.2015. Als Begründung wurde vorgetragen, der Kläger habe nicht wissen können, dass er sich vor dem 14.02.2015 um einen Prolongation der Arbeitsunfähigkeit hätte kümmern sollen, da ihm die notwendigen Antrags -und Aufklärungsunterlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegangen waren, obwohl er diese telefonisch angefordert hatte. Aus einem Attest der orthopädischen Gemeinschaftspraxis vom 08.04.2015 geht hervor, dass der Kläger vom 22.12.2014 bis 22.03.2015 durchgehend krankgeschrieben war.
Der Kläger hatte sich erneut am 23.03.2015 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte erließ am 20.04.2015 einen weiteren Bescheid, mit dem die Gewährung von Krankengeld abgelehnt wurde. Die Mitgliedschaft des Klägers sei in der Zeit vom 15.02.2015 bis 14.03.2015 unterbrochen. Voraussetzung für einen nachgehenden Leistungsanspruch sei eine Versicherungslücke von nicht größer als einem Monat. Da der erneute Pflichtversicherung als Arbeitsloser erst am 23.03.2015 beginne, sei die Versicherungslücke größer als einen Monat.
Der Kläger ließ zur Begründung des Widerspruch durch seinen Prozessbevollmächtigten weiter ausführen, dass er Ende Januar bei der Beklagten nachgefragt und um Aufklärung und Beratung sowie um Zusendung der Antragsunterlagen für das Krankengeld gebeten habe, was nicht erfolgt sei. Als die "alte" Folgebescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 14.02.2015 ausgelaufen sei, waren die von der Beklagten zuvor zugesagten Informationen immer noch nicht zugegangen. Erst mit Schreiben vom 23.02.2015 habe den Kläger ein Hinweis erreicht, dass die weitere Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit (AU) spätestens am Tag des Ablaufs des vorangegangenen Zeitraums ärztlich attestiert werden müsse und er anderenfalls den Verlust seines Krankengeldanspruchs riskiere. Er beantrage daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs den Zustand, der bei rechtzeitiger Beratung/Aufklärung eingetreten wäre, ihm also in seinen Stand als Versicherter wiedereinzusetzen und ihm über den 14.02.2015 hinaus Krankengeld zu gewähren. Er erhob gegen den weiteren Bescheid vom 20.04.2015 Widerspruch.
Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 18.03.2015 und 20.04.2015 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2015 zurückgewiesen. Gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange der Anspruch auf Krankenngeld besehe. Es wurde auf die Vorschrift des § 47 b Abs. 1 Satz 2 SGB V hingewiesen, wonach das Krankengeld bei Beziehern von Arbeitslosengeld vom ersten Tag der AU an gewährt werde, so dass die AU des Klägers spätestens am 15.02.2015 hätte festgestellt werden müssen. Damit liege eine Obliegenheitsverletzung vor, die zu zum Verlust des Krankengelds führe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedürfe es keiner weiteren Informationen durch die Krankenkasse. Darüber hinaus sei § 19 Abs. 2 SGB V nicht anwendbar, da die Versicherungslücke mehr als einen Monat betrage.
Hiergegen richtet sich die am 02.07.2015 erhobene Klage mit dem Antrag, den Kläger über den 14.02.2015 hinaus als versicherungspflichtiges Mitglied zu führen und Krankengeld weiter zu gewähren, solange der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben war sowie Krankengeld seit dem 15.02.2015 und Prozesszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Klage wurde im Wesentlichen mit den bereits im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumenten begründet. Die AU-Bescheinigung des Klägers sei am Samstag, den 14.02.2015 ausgelaufen, an diesem Tag habe der Kläger eine Folgebescheinigung nicht einholen können. Im Übrigen sei der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätt die Beklagte ihren Obliegenheiten zur Aufklärung und Beratung rechtzeitig genügt, da der Kläger in diesem Fall rechtzeitig eine AU-Bescheinigung eingeholt hätte. Nach einem gerichtlichen Hinweis wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesszinsen zurückgenommen und im Übrigen auf die zum 23.07.2015 geänderte Rechtslage hingewiesen, wonach eine ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nötig sei.
Die Kläger beantragt zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016,
die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, unter Aufhebung der Bescheide vom 18.03.2015 und 20.04.2015 in Form des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 den Kläger über den 14.02.2015 hinaus als versicherungspflichtiges Mitglied zu führen und Krankengeld weiter zu gewähren bis zum 23.03.2015.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisher geäußerten Rechtsauffassung fest und weist ergänzend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von der Krankenkasse nicht veranlasste, unzutreffenden rechtliche Ratschläge von Vertragsärzten keine Krankengeldanspruch auslösen. Darüber hinaus sei keine Pflichtverletzung durch die Beklagte ersichtlich, der Kläger sei mehrfach auf das Erfordernis der lückenlosen Feststellung der AU hingewiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 erläutert der Kläger, er habe mehrfach, erstmals in der Woche vom 19.01.2015 bei der Beklagten angerufen und gebeten, die Antragsunterlagen für Krankengeld zuzusenden. Dies sei ihm zugesagt worden. Er habe am 26.01.2015 und am 16.02.2015 erneut bei der Beklagten angerufen und die Unterlagen angefordert. Er habe die Unterlagen mit einem Informationsblatt aber erst mit Schreiben vom 23.02.2015 bekommen. Hätte er die Unterlagen von der Krankenkasse mit den entsprechenden Hinweisen rechtzeitig vor Ablauf der AU am 14.02.2015 bekommen, wäre er rechtzeitig vor Ablauf der AU-Bescheinigung zum Arzt gegangen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.05.2016 hingewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Bescheide vom 18.03.2015 und vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge -oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Voraussetzung ist, dass eine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung besteht (BSG vom 14.12.2006, B 1 KR 6/06 R). Ob Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich also nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (BSG vom 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R). Dabei ist für den geltend gemachten Krankengeldanspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestand anzuknüpfen, das ist hier in der Krankenversicherung der Arbeitslosen § 47 b Abs. 1 S. 2 SGB V (BSG vom 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R). Nach dieser Vorschrift ist bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 das Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen. Auf den Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung kommt es also nicht an. Durch diese Regelung soll ein lückenloser Anschluss des Krankengelds an den Leistungsbezug nach dem SGB III für kranke Arbeitslose gesichert werden (Bohlken in juris-PK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 47 b SGB V).
Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur auf Grundlage einer Kette von lückenlos festgestellten AU-Bescheinigungen aufrecht erhalten werden (BSG vom 05.05.2009, B 1 KR 20/08, BSG vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R und bestätigt durch Urteilsserie des BSG vom 16.12.2014, vgl. B 1 KR 25/14 R oder B 1 KR 37/14 R). Mit jeder Krankengeld-Bewilligung wird zunächst auch über das vorläufige Ende des Krankengeldbezugs entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren AU-Bescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des zuletzt bescheinigten AU-Zeitraums, eines Aufhebungsbescheids nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf es nicht.
Vorliegend endete die Mitgliedschaft des Klägers mit Krankengeldanspruch gemäß § 190 Abs. 12 SGB V am 01.02.2015 mit Ablauf des letzten Tages, für den Arbeitslosengeld bezogen wird. Die Mitgliedschaft des Klägers mit Krankengeldanspruch wurde durch den Krankengeldbezug nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zunächst bis 14.02.2015 aufrecht erhalten.
Anspruch auf Krankengeld nach § 47 b Abs. 1 Satz 2 SGB V schon vom ersten Tag der AU -hier ab 16.02.2015 - setzt eine Versicherung in der KVdA voraus, die beim Kläger jedoch am 14.02.2015 geendet hatte.
Der 14.02.2015 fiel auf einen Samstag. Normale, alltägliche Erschwernisse, eine ärztliche Feststellung zu erlangen (zum Beispiel Wochenende) rechtfertigen aber keine Ausnahme (BSG vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R "Sonntagsfälle"). Die Obliegenheit Versicherter, zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs ihre Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen, entfällt weder deshalb, weil der letzte Tag der bescheinigten AU auf einen Sonntag fällt, noch weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten hat BSG, a.a.O.) Der Versicherte muss alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan haben, um seine Ansprüche zu wahren, mithin rechtzeitig eine ärztliche Feststellung der AU rechtzeitig herbeizuführen. Das bedeutet vorliegend, dass der Kläger bereits am Freitag, den 13.02.2015 seinen Arzt hätte aufsuchen oder den hausärztlichen Notfalldienst hätte in Anspruch nehmen müssen (BSG vom 04.03.2014, a.a.O., Rn. 20).
Auch ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft nach § 19 Abs. 2 SGB V kommt nicht in Betracht, da dieser nur dann die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V verdrängt, wenn nach prognostischer Betrachtung am letzten Tag der Mitgliedschaft (14.02.2015) davon auszugehen war, dass der Kläger spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werde (BSG vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R). Dafür fehlen vorliegend Anhaltspunkte.
Ein Ausnahmefall kann u.a. vorliegen, wenn die ärztliche Feststellung der AU ausschließlich aus Gründen unterbleibt, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine verspätete Meldung auf Organisationsmängel der Krankenkasse zurückzuführen ist und der Versicherte hiervon keine Kenntnis hatte (BSG vom 28.10.1981, 3 RK 59/80). Ein Organisationmangel der Krankenkasse anzunehmen ist, weil diese dem Kläger die Antrags- und Informationsunterlagen verspätet übersandt hat, obwohl der Kläger - wie er glaubhaft versicherte - diese mehrfach telefonisch angefordert hatte, kann dahingestellt bleiben.
Die Kammer ist im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger seinen Anspruch auf Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigen ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Grundsätzlich ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 16.12.2014, B 1 KR 25/14 R, Rn. 16 in juris) zwar nicht Sache der Krankenkasse, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten AU-Zeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. Die Krankenkassen sind grundsätzlich nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf. erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSG a.a.O. und BSG vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R).
Allerdings darf die Krankenkasse den Versicherten nicht durch eine unzutreffende Beratung hiervon abhalten und damit vereiteln, dass der Versicherte rechtzeitig seine AU feststellen lässt (BSG vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R).
Vorliegend hat die Beklagte den Kläger zwar nicht unzutreffend beraten, sie hat es aber versäumt, ihn rechtzeitig über seine Obliegenheiten zu informieren. Das Schreiben der Beklagten vom 23.02.2015 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf das Erfordernis der weiteren AU-Feststellung spätestens am Tag des Ablaufs des vorangegangenen Zeitraums und darüber hinaus wurde ein ausführliches Informationsblatt über den Nachweis der durchgehenden AU beigefügt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass er rechtzeitig zum Arzt gegangen wäre und die weitere AU rechtzeitig hätte feststellen lassen, wenn ihm diese Unterlagen vor Ablauf der AU am 14.02.2015 zugegangen wären. Darüber hinaus hat er überzeugend dargelegt, dass er trotz mehrfacher Anrufe bereits ab der am Montag, den 19.01.2015 beginnenden Woche die Unterlagen und Informationen über die Erlangung von Krankengeld erst mit Schreiben vom 23.02.2016 erhalten habe. Dies ist für die Kammer auch aufgrund der Verwaltungsakte der Beklagten nachvollziehbar, da sich vorab lediglich ein Schreiben vom 23.01.2015 in der Akte befindet, mit dem der Kläger aufgefordert wurde, bei der Beklagten anzurufen. Offenbar waren diesem Schreiben auch keine Unterlagen beigefügt. Zur Überzeugung der Kammer liegt die Pflichtverletzung der Beklagten hier nicht in der fehlenden Aufklärung, sondern in der verspäteten Aufklärung, die einer unzutreffenden Beratung gleichzusetzen ist. Durch die verspätete Aufklärung hat die Beklagte den Kläger davon abgehalten bzw. hat es vereitelt, dass der Kläger seine AU rechtzeitig feststellen ließ.
Der Kläger muss also aufgrund der Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als wäre seine Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig am 14.02.2015 bescheinigt worden.
Dem Gericht liegen die AU-Bescheinigungen des Klägers nur bis 16.03.2015 vor, so dass über diesen Zeitraum hinaus die Gewährung von Krankengeld von der Vorlage der lückenlosen AU-Folgebescheinigung abhängt. Die Gewährung war entsprechend dem Antrag des Klägers bis längstens 23.03.2015 zu begrenzen.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG stattzugeben.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus.
Der 1954 geborene Kläger war ab 22.12.2014 arbeitsunfähig erkrankt, seit 24.05.2013 war er arbeitslos und bezog Leistungen der Agentur für Arbeit (Arbeitslosengeld I). Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld I mit Bescheid vom 02.02.2015 ab 02.02.2015 aufgehoben.
Die Orthopädische Gemeinschaftspraxis T., Dres. C., D. und E. bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers am 22.12.2014 bis zum 22.01.2015.
Eine weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wurde am 19.01.2015 bis 14.02.2015 von oben genannten Orthopäden unterzeichnet.
Die Folgebescheinigung wurde am 16.02.2015 ausgestellt und Arbeitsunfähigkeit bis 16.03.2015 bescheinigt.
Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 23.01.2015 aufgefordert, die Beklagte bis 30.01.2015 anzurufen, da er telefonisch nicht erreichbar sei.
Mit Schreiben vom 23.02.2015 hat die Beklagte vom Kläger diverse Unterlagen für die Erlangung des Krankengelds angefordert, diesem Schreiben war ein Informationsschreiben zum Krankengeld, u.a. zum Nachweis einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit beigefügt.
Die Beklagte hat dem Kläger vom 02.02.2015 bis 14.02.2015 Krankengeld gewährt.
Mit Bescheid der Beklagten vom 18.03.2015 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass seine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld zum 14.02.2015 ende, ab 16.02.2015 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld mehr, es könne daher kein Krankengeld ausgezahlt werden. Es bestehe noch die Möglichkeit im Rahmen des "nachgehenden Leistungsanspruchs" Krankengeld zu erhalten, wenn die Unterbrechung der Mitgliedschaft nicht länger als einen Monat betrage. Der Monatszeitraum verlaufe vom 15.02.2015 bis 14.03.2015.
Mit weiterem Bescheid vom 18.03.2015 wurde ausgeführt, der Kläger beziehe seit 02.02.2015 Krankengeld, so dass seine Mitgliedschaft über den Bezug von Krankengeld fortgeführt werde, diese ende aber zum 14.02.2015, da die Folge-Arbeitsunfähigkeit erst am 16.02.2015 bescheinigt worden sei. Für den Nachweis der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit hätte die weitere Arbeitsunfähigkeit spätestens am 14.02.2015 ärztlich festgestellt werden müssen. Es müsse nun geprüft werden, welcher Versicherungsschutz für den Kläger ab 15.02.2015 in Frage komme.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 23.03.2015 Widerspruch gegen die Bescheide vom 18.03.2015. Als Begründung wurde vorgetragen, der Kläger habe nicht wissen können, dass er sich vor dem 14.02.2015 um einen Prolongation der Arbeitsunfähigkeit hätte kümmern sollen, da ihm die notwendigen Antrags -und Aufklärungsunterlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegangen waren, obwohl er diese telefonisch angefordert hatte. Aus einem Attest der orthopädischen Gemeinschaftspraxis vom 08.04.2015 geht hervor, dass der Kläger vom 22.12.2014 bis 22.03.2015 durchgehend krankgeschrieben war.
Der Kläger hatte sich erneut am 23.03.2015 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte erließ am 20.04.2015 einen weiteren Bescheid, mit dem die Gewährung von Krankengeld abgelehnt wurde. Die Mitgliedschaft des Klägers sei in der Zeit vom 15.02.2015 bis 14.03.2015 unterbrochen. Voraussetzung für einen nachgehenden Leistungsanspruch sei eine Versicherungslücke von nicht größer als einem Monat. Da der erneute Pflichtversicherung als Arbeitsloser erst am 23.03.2015 beginne, sei die Versicherungslücke größer als einen Monat.
Der Kläger ließ zur Begründung des Widerspruch durch seinen Prozessbevollmächtigten weiter ausführen, dass er Ende Januar bei der Beklagten nachgefragt und um Aufklärung und Beratung sowie um Zusendung der Antragsunterlagen für das Krankengeld gebeten habe, was nicht erfolgt sei. Als die "alte" Folgebescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 14.02.2015 ausgelaufen sei, waren die von der Beklagten zuvor zugesagten Informationen immer noch nicht zugegangen. Erst mit Schreiben vom 23.02.2015 habe den Kläger ein Hinweis erreicht, dass die weitere Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit (AU) spätestens am Tag des Ablaufs des vorangegangenen Zeitraums ärztlich attestiert werden müsse und er anderenfalls den Verlust seines Krankengeldanspruchs riskiere. Er beantrage daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs den Zustand, der bei rechtzeitiger Beratung/Aufklärung eingetreten wäre, ihm also in seinen Stand als Versicherter wiedereinzusetzen und ihm über den 14.02.2015 hinaus Krankengeld zu gewähren. Er erhob gegen den weiteren Bescheid vom 20.04.2015 Widerspruch.
Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 18.03.2015 und 20.04.2015 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2015 zurückgewiesen. Gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange der Anspruch auf Krankenngeld besehe. Es wurde auf die Vorschrift des § 47 b Abs. 1 Satz 2 SGB V hingewiesen, wonach das Krankengeld bei Beziehern von Arbeitslosengeld vom ersten Tag der AU an gewährt werde, so dass die AU des Klägers spätestens am 15.02.2015 hätte festgestellt werden müssen. Damit liege eine Obliegenheitsverletzung vor, die zu zum Verlust des Krankengelds führe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedürfe es keiner weiteren Informationen durch die Krankenkasse. Darüber hinaus sei § 19 Abs. 2 SGB V nicht anwendbar, da die Versicherungslücke mehr als einen Monat betrage.
Hiergegen richtet sich die am 02.07.2015 erhobene Klage mit dem Antrag, den Kläger über den 14.02.2015 hinaus als versicherungspflichtiges Mitglied zu führen und Krankengeld weiter zu gewähren, solange der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben war sowie Krankengeld seit dem 15.02.2015 und Prozesszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Klage wurde im Wesentlichen mit den bereits im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumenten begründet. Die AU-Bescheinigung des Klägers sei am Samstag, den 14.02.2015 ausgelaufen, an diesem Tag habe der Kläger eine Folgebescheinigung nicht einholen können. Im Übrigen sei der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätt die Beklagte ihren Obliegenheiten zur Aufklärung und Beratung rechtzeitig genügt, da der Kläger in diesem Fall rechtzeitig eine AU-Bescheinigung eingeholt hätte. Nach einem gerichtlichen Hinweis wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesszinsen zurückgenommen und im Übrigen auf die zum 23.07.2015 geänderte Rechtslage hingewiesen, wonach eine ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nötig sei.
Die Kläger beantragt zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016,
die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, unter Aufhebung der Bescheide vom 18.03.2015 und 20.04.2015 in Form des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 den Kläger über den 14.02.2015 hinaus als versicherungspflichtiges Mitglied zu führen und Krankengeld weiter zu gewähren bis zum 23.03.2015.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisher geäußerten Rechtsauffassung fest und weist ergänzend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von der Krankenkasse nicht veranlasste, unzutreffenden rechtliche Ratschläge von Vertragsärzten keine Krankengeldanspruch auslösen. Darüber hinaus sei keine Pflichtverletzung durch die Beklagte ersichtlich, der Kläger sei mehrfach auf das Erfordernis der lückenlosen Feststellung der AU hingewiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 erläutert der Kläger, er habe mehrfach, erstmals in der Woche vom 19.01.2015 bei der Beklagten angerufen und gebeten, die Antragsunterlagen für Krankengeld zuzusenden. Dies sei ihm zugesagt worden. Er habe am 26.01.2015 und am 16.02.2015 erneut bei der Beklagten angerufen und die Unterlagen angefordert. Er habe die Unterlagen mit einem Informationsblatt aber erst mit Schreiben vom 23.02.2015 bekommen. Hätte er die Unterlagen von der Krankenkasse mit den entsprechenden Hinweisen rechtzeitig vor Ablauf der AU am 14.02.2015 bekommen, wäre er rechtzeitig vor Ablauf der AU-Bescheinigung zum Arzt gegangen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.05.2016 hingewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Bescheide vom 18.03.2015 und vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge -oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Voraussetzung ist, dass eine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung besteht (BSG vom 14.12.2006, B 1 KR 6/06 R). Ob Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich also nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (BSG vom 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R). Dabei ist für den geltend gemachten Krankengeldanspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestand anzuknüpfen, das ist hier in der Krankenversicherung der Arbeitslosen § 47 b Abs. 1 S. 2 SGB V (BSG vom 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R). Nach dieser Vorschrift ist bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 das Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen. Auf den Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung kommt es also nicht an. Durch diese Regelung soll ein lückenloser Anschluss des Krankengelds an den Leistungsbezug nach dem SGB III für kranke Arbeitslose gesichert werden (Bohlken in juris-PK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 47 b SGB V).
Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur auf Grundlage einer Kette von lückenlos festgestellten AU-Bescheinigungen aufrecht erhalten werden (BSG vom 05.05.2009, B 1 KR 20/08, BSG vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R und bestätigt durch Urteilsserie des BSG vom 16.12.2014, vgl. B 1 KR 25/14 R oder B 1 KR 37/14 R). Mit jeder Krankengeld-Bewilligung wird zunächst auch über das vorläufige Ende des Krankengeldbezugs entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren AU-Bescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des zuletzt bescheinigten AU-Zeitraums, eines Aufhebungsbescheids nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf es nicht.
Vorliegend endete die Mitgliedschaft des Klägers mit Krankengeldanspruch gemäß § 190 Abs. 12 SGB V am 01.02.2015 mit Ablauf des letzten Tages, für den Arbeitslosengeld bezogen wird. Die Mitgliedschaft des Klägers mit Krankengeldanspruch wurde durch den Krankengeldbezug nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zunächst bis 14.02.2015 aufrecht erhalten.
Anspruch auf Krankengeld nach § 47 b Abs. 1 Satz 2 SGB V schon vom ersten Tag der AU -hier ab 16.02.2015 - setzt eine Versicherung in der KVdA voraus, die beim Kläger jedoch am 14.02.2015 geendet hatte.
Der 14.02.2015 fiel auf einen Samstag. Normale, alltägliche Erschwernisse, eine ärztliche Feststellung zu erlangen (zum Beispiel Wochenende) rechtfertigen aber keine Ausnahme (BSG vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R "Sonntagsfälle"). Die Obliegenheit Versicherter, zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs ihre Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen, entfällt weder deshalb, weil der letzte Tag der bescheinigten AU auf einen Sonntag fällt, noch weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten hat BSG, a.a.O.) Der Versicherte muss alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan haben, um seine Ansprüche zu wahren, mithin rechtzeitig eine ärztliche Feststellung der AU rechtzeitig herbeizuführen. Das bedeutet vorliegend, dass der Kläger bereits am Freitag, den 13.02.2015 seinen Arzt hätte aufsuchen oder den hausärztlichen Notfalldienst hätte in Anspruch nehmen müssen (BSG vom 04.03.2014, a.a.O., Rn. 20).
Auch ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft nach § 19 Abs. 2 SGB V kommt nicht in Betracht, da dieser nur dann die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V verdrängt, wenn nach prognostischer Betrachtung am letzten Tag der Mitgliedschaft (14.02.2015) davon auszugehen war, dass der Kläger spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werde (BSG vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R). Dafür fehlen vorliegend Anhaltspunkte.
Ein Ausnahmefall kann u.a. vorliegen, wenn die ärztliche Feststellung der AU ausschließlich aus Gründen unterbleibt, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine verspätete Meldung auf Organisationsmängel der Krankenkasse zurückzuführen ist und der Versicherte hiervon keine Kenntnis hatte (BSG vom 28.10.1981, 3 RK 59/80). Ein Organisationmangel der Krankenkasse anzunehmen ist, weil diese dem Kläger die Antrags- und Informationsunterlagen verspätet übersandt hat, obwohl der Kläger - wie er glaubhaft versicherte - diese mehrfach telefonisch angefordert hatte, kann dahingestellt bleiben.
Die Kammer ist im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger seinen Anspruch auf Krankengeld über den 14.02.2015 hinaus auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigen ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Grundsätzlich ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 16.12.2014, B 1 KR 25/14 R, Rn. 16 in juris) zwar nicht Sache der Krankenkasse, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten AU-Zeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. Die Krankenkassen sind grundsätzlich nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf. erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSG a.a.O. und BSG vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R).
Allerdings darf die Krankenkasse den Versicherten nicht durch eine unzutreffende Beratung hiervon abhalten und damit vereiteln, dass der Versicherte rechtzeitig seine AU feststellen lässt (BSG vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R).
Vorliegend hat die Beklagte den Kläger zwar nicht unzutreffend beraten, sie hat es aber versäumt, ihn rechtzeitig über seine Obliegenheiten zu informieren. Das Schreiben der Beklagten vom 23.02.2015 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf das Erfordernis der weiteren AU-Feststellung spätestens am Tag des Ablaufs des vorangegangenen Zeitraums und darüber hinaus wurde ein ausführliches Informationsblatt über den Nachweis der durchgehenden AU beigefügt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass er rechtzeitig zum Arzt gegangen wäre und die weitere AU rechtzeitig hätte feststellen lassen, wenn ihm diese Unterlagen vor Ablauf der AU am 14.02.2015 zugegangen wären. Darüber hinaus hat er überzeugend dargelegt, dass er trotz mehrfacher Anrufe bereits ab der am Montag, den 19.01.2015 beginnenden Woche die Unterlagen und Informationen über die Erlangung von Krankengeld erst mit Schreiben vom 23.02.2016 erhalten habe. Dies ist für die Kammer auch aufgrund der Verwaltungsakte der Beklagten nachvollziehbar, da sich vorab lediglich ein Schreiben vom 23.01.2015 in der Akte befindet, mit dem der Kläger aufgefordert wurde, bei der Beklagten anzurufen. Offenbar waren diesem Schreiben auch keine Unterlagen beigefügt. Zur Überzeugung der Kammer liegt die Pflichtverletzung der Beklagten hier nicht in der fehlenden Aufklärung, sondern in der verspäteten Aufklärung, die einer unzutreffenden Beratung gleichzusetzen ist. Durch die verspätete Aufklärung hat die Beklagte den Kläger davon abgehalten bzw. hat es vereitelt, dass der Kläger seine AU rechtzeitig feststellen ließ.
Der Kläger muss also aufgrund der Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als wäre seine Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig am 14.02.2015 bescheinigt worden.
Dem Gericht liegen die AU-Bescheinigungen des Klägers nur bis 16.03.2015 vor, so dass über diesen Zeitraum hinaus die Gewährung von Krankengeld von der Vorlage der lückenlosen AU-Folgebescheinigung abhängt. Die Gewährung war entsprechend dem Antrag des Klägers bis längstens 23.03.2015 zu begrenzen.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG stattzugeben.
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