Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
46
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AS 2940/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 18.11.2013, B 1 KR 1/02 S) im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird. Die Angabe einer E-Mail-Adresse oder Mobilfunk-Telefonnummer sind nicht ausreichend.
Die Nennung der Wohnanschrift ist (in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende) ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung.
Die Nennung der Wohnanschrift ist (in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende) ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1967 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 14.12.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München und beantragte,
1. den Beklagten verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren
2. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt und die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Lebenshaltung zu bewilligen
3. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger die Kosten für die Anschaffung einer Kühl- und Gefrierkombination bis 250 EUR zu erstatten, hilfsweise ein zinsloses Darlehen über diesen Betrag zu gewähren
4. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt zu bewilligen sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen und das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2014, zu der weder der Kläger noch sein früherer Prozessbevollmächtigter erschienen sind, beantragte die Beklagtenvertreterin, die Klage abzuweisen.
Die vom Kläger in seiner Klageschrift angegebene Anschrift "S-Straße, A-Stadt" erwies sich als nicht zutreffend. Nach mehreren vergeblichen Zustellungsversuchen in anderen weiteren Parallelverfahren des Klägers gegen den Beklagten wurde dem Kläger am 22.05.2014 die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.07.2014 öffentlich zugestellt und die Ladung zusätzlich formlos an die vom Kläger angegebene Postfachadresse gesandt. Der damalige Prozessbevollmächtigte, dem das Sozialgericht München mit Beschluss vom 20.05.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, war außerdem vom Gericht aufgefordert worden, dem Gericht den derzeitigen Wohnsitz des Klägers mitzuteilen, worauf dieser dem Gericht am 26.06.2014 erklärte, dass er den Kläger nicht mehr vertrete und um Aufhebung seiner Beiordnung bat; die Anschrift des Klägers könne nicht mitgeteilt werden.
Daraufhin wurde die Prozesskostenbewilligung des Klägers und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 26.06.2014 aufgehoben und sowohl dem Kläger unter seiner von ihm angegebenen Postfachadresse als auch seinem damaligen Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass nach der BSG-Rechtsprechung die Nennung der Wohnanschrift ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung sei. Zur weiteren Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vorliegende Klage ist unzulässig.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 18.11.2003, B1 KR 1/02 S), dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird. Die bloße Angabe einer E-Mail-Anschrift und/oder einer Mobilfunk-Telefonnummer genügt nicht.
Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, dass aus mehreren Gründen die einwandfreie Identifizierung des Klägers für die wirksame Klageerhebung erforderlich sei. So sei zum einen die Angabe der Anschrift des Rechtssuchenden bereits für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts von wesentlicher Bedeutung, zum anderen sei die Angabe der Anschrift unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können. Dem stehe die öffentliche Zustellung nicht entgegen, da diese Zustellungsart nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht komme. Als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt sei sie nicht vorgesehen.
Gleichermaßen erfordere der Schutz des Rechtssuchenden die Offenlegung der Anschrift zu einer einwandfreien Identifizierung. Um den Anforderungen des Sozialdatenschutzes entsprechen zu können, seien handhabbare und sichere Kommunikationswege mit einer zustellungsfähigen Anschrift des Betroffenen unverzichtbar. Der nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz garantierte Rechtsschutz diene keinem Selbstzweck, sondern solle sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden Ansprüche durchsetzen bzw. rechtswidrige Eingriffe abwehren könne. Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begebe sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordere; dies sei ohne sichere auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeit mit ihm nicht gewährleistet. Schließlich würden auch Gründe des Kostenrechts für das Erfordernis, dem Gericht eine Anschrift zu nennen, sprechen.
Zwar sei das sozialgerichtliche Verfahren für natürliche Personen grundsätzlich kostenfrei; als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit könnten jedoch nach § 192 SGG einem uneinsichtigen Rechtssuchenden die durch das Betreiben eines aussichtslosen Rechtsstreits entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Dieses Mittel liefe leer, wenn die Vollstreckung der auf dieser Grundlage festgesetzten Kosten gefährdet wäre, nur weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte. Ausnahmen von der Pflicht, die Anschrift zu nennen, könnten sich lediglich nach den Umständen des Einzelfalls und auch nur dann anerkannt werden, wenn dem Betroffenen dies aus schwerwiegenden beachtenswerten Gründen unzumutbar sei.
Der Kläger hat von Anfang an seit seiner Klageerhebung sich geweigert, dem Gericht seine ladungsfähige Wohnanschrift zu benennen und ist lediglich bereit, über seine Postfachanschrift mit dem Gericht und mit Beklagten zu kommunizieren.
Auch sein früherer Prozessbevollmächtigter hatte sich zuletzt trotz seiner Beiordnung geweigert, dem Gericht die Anschrift des Klägers mitzuteilen.
Damit ist die Klage nach den Grundsätzen der o.g. Entscheidung des BSG unzulässig, da Gründe für ein Absehen von der Anschriftenbenennung des Klägers nicht ersichtlich sind.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1967 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 14.12.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München und beantragte,
1. den Beklagten verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren
2. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt und die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Lebenshaltung zu bewilligen
3. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger die Kosten für die Anschaffung einer Kühl- und Gefrierkombination bis 250 EUR zu erstatten, hilfsweise ein zinsloses Darlehen über diesen Betrag zu gewähren
4. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 dem Kläger angemessene Leistungen zum Lebensunterhalt zu bewilligen sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen und das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2014, zu der weder der Kläger noch sein früherer Prozessbevollmächtigter erschienen sind, beantragte die Beklagtenvertreterin, die Klage abzuweisen.
Die vom Kläger in seiner Klageschrift angegebene Anschrift "S-Straße, A-Stadt" erwies sich als nicht zutreffend. Nach mehreren vergeblichen Zustellungsversuchen in anderen weiteren Parallelverfahren des Klägers gegen den Beklagten wurde dem Kläger am 22.05.2014 die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.07.2014 öffentlich zugestellt und die Ladung zusätzlich formlos an die vom Kläger angegebene Postfachadresse gesandt. Der damalige Prozessbevollmächtigte, dem das Sozialgericht München mit Beschluss vom 20.05.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, war außerdem vom Gericht aufgefordert worden, dem Gericht den derzeitigen Wohnsitz des Klägers mitzuteilen, worauf dieser dem Gericht am 26.06.2014 erklärte, dass er den Kläger nicht mehr vertrete und um Aufhebung seiner Beiordnung bat; die Anschrift des Klägers könne nicht mitgeteilt werden.
Daraufhin wurde die Prozesskostenbewilligung des Klägers und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 26.06.2014 aufgehoben und sowohl dem Kläger unter seiner von ihm angegebenen Postfachadresse als auch seinem damaligen Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass nach der BSG-Rechtsprechung die Nennung der Wohnanschrift ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung sei. Zur weiteren Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vorliegende Klage ist unzulässig.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 18.11.2003, B1 KR 1/02 S), dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird. Die bloße Angabe einer E-Mail-Anschrift und/oder einer Mobilfunk-Telefonnummer genügt nicht.
Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, dass aus mehreren Gründen die einwandfreie Identifizierung des Klägers für die wirksame Klageerhebung erforderlich sei. So sei zum einen die Angabe der Anschrift des Rechtssuchenden bereits für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts von wesentlicher Bedeutung, zum anderen sei die Angabe der Anschrift unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können. Dem stehe die öffentliche Zustellung nicht entgegen, da diese Zustellungsart nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht komme. Als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt sei sie nicht vorgesehen.
Gleichermaßen erfordere der Schutz des Rechtssuchenden die Offenlegung der Anschrift zu einer einwandfreien Identifizierung. Um den Anforderungen des Sozialdatenschutzes entsprechen zu können, seien handhabbare und sichere Kommunikationswege mit einer zustellungsfähigen Anschrift des Betroffenen unverzichtbar. Der nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz garantierte Rechtsschutz diene keinem Selbstzweck, sondern solle sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden Ansprüche durchsetzen bzw. rechtswidrige Eingriffe abwehren könne. Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begebe sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordere; dies sei ohne sichere auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeit mit ihm nicht gewährleistet. Schließlich würden auch Gründe des Kostenrechts für das Erfordernis, dem Gericht eine Anschrift zu nennen, sprechen.
Zwar sei das sozialgerichtliche Verfahren für natürliche Personen grundsätzlich kostenfrei; als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit könnten jedoch nach § 192 SGG einem uneinsichtigen Rechtssuchenden die durch das Betreiben eines aussichtslosen Rechtsstreits entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Dieses Mittel liefe leer, wenn die Vollstreckung der auf dieser Grundlage festgesetzten Kosten gefährdet wäre, nur weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte. Ausnahmen von der Pflicht, die Anschrift zu nennen, könnten sich lediglich nach den Umständen des Einzelfalls und auch nur dann anerkannt werden, wenn dem Betroffenen dies aus schwerwiegenden beachtenswerten Gründen unzumutbar sei.
Der Kläger hat von Anfang an seit seiner Klageerhebung sich geweigert, dem Gericht seine ladungsfähige Wohnanschrift zu benennen und ist lediglich bereit, über seine Postfachanschrift mit dem Gericht und mit Beklagten zu kommunizieren.
Auch sein früherer Prozessbevollmächtigter hatte sich zuletzt trotz seiner Beiordnung geweigert, dem Gericht die Anschrift des Klägers mitzuteilen.
Damit ist die Klage nach den Grundsätzen der o.g. Entscheidung des BSG unzulässig, da Gründe für ein Absehen von der Anschriftenbenennung des Klägers nicht ersichtlich sind.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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