Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 9 P 40/10 SG
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 2/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. November 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Einstufung des Pflegebedarfs der Klägerin nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Dabei geht es um die Frage, ob sich der Pflegebedarf wesentlich geändert hat.
Die Klägerin ist 1944 geboren. Sie leidet an einer schweren Osteoporose der Brust- und Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Arm. Es wurde eine paranoide Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, die Klägerin leidet unter Beschuldigungswahn. Es ist eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt.
Mit Bescheid vom 31. März 2004 hatte die Beklagte bei der Klägerin die Pflegestufe 1 nach dem SGB XI anerkannt und entsprechende Leistungen gewährt. Einen Höherstufungsantrag vom 14. November 2005 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 und Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 abgelehnt. Ein Gutachten vom 16. Dezember 2005 hatte einen täglichen Pflegebedarf in der Grundpflege von 52 Minuten ergeben (Waschen: 20 Minuten, Zahnpflege: 2 Minuten, Darm-/Blasenentleerung: 20 Minuten). Ein weiteres Pflegegutachten vom 8. Februar 2006 hatte einen täglichen Pflegebedarf von 67 Minuten ausgewiesen.
Am 18. Juli 2006 und 27. Dezember 2006 beantragte die Klägerin erneut die Einstufung in die Pflegestufe 2. Die Beklagte holte ein Gutachten der Sachverständigen Frau B.-V. vom 14. Mai 2007 (Untersuchung am 8. Mai 2007) ein. Die Sachverständige ermittelte einen täglichen Grundpflegebedarf der Klägerin von 123 Minuten, und zwar 91 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 32 Minuten für die Mobilität. Sie legte dabei zu Grunde, dass die Klägerin völlig immobil im Bett lag und die Blasen- und Darmentleerung über ein Steckbecken erfolgte, das der Klägerin angereicht werden musste. Auch die Körperwäsche erfolgte im Bett. Für die Blasenentleerung legte die Sachverständige täglich 20 Minuten, für den Stuhlgang 5 Minuten, für das Richten der Bekleidung 20 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 20 Minuten zu Grunde. Mit Bescheid vom 16. Mai 2007 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. April 2007 und mit weiterem Bescheid vom 7. Juni 2007 bereits ab 9. November 2006 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2.
Im Rahmen einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung erstellte die Sachverständige Frau W ein Gutachten vom 28. Januar 2009. Das Gutachten erging nach Befragung der Pflegepersonen und im Übrigen nach Aktenlage, da die Klägerin die Untersuchung verweigert hatte. Die Sachverständige kam zu einem täglichen erforderlichen Grundpflegebedarf von 62 Minuten, und zwar 58 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 4 Minuten für die Mobilität. Sie ging davon aus, dass die Klägerin beim Waschen des Rückens und der Haare Hilfe benötige und dass ihr das Steckbecken gereicht und entleert werden müsse, dass sie die übrigen Verrichtungen aber selbst vornehme. Bei der Körperpflege schätzte die Sachverständige für die Ganzkörperwäsche einen Bedarf von 15 Minuten, für die Oberkörper- und Unterkörperwäsche 6 beziehungsweise 5 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 32 Minuten. Mit Bescheid vom 3. Februar 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. Februar 2009 Pflegegeld nach der Stufe 1.
Mit ihrem Widerspruch vom 19. Mai 2009 stellte die Klägerin zugleich einen Antrag auf eine höhere Pflegestufe. Die Beklagte holte ein Gutachten der Sachverständigen Frau D vom 14. August 2009 ein (Untersuchung am 13. August 2009). Die Sachverständige kam darin zu einem täglichen Pflegebedarf von 51 Minuten, und zwar 45 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 6 Minuten für die Mobilität. Sie legte dieselben Pflegebedingungen wie Frau W zu Grunde, nahm für die Entleerung des Steckbeckens jedoch lediglich einen Hilfebedarf von 20 Minuten an. Mit Bescheid vom 16. September 2009 wies die Beklagte den Antrag auf Leistungen nach einer höheren Pflegestufe ab. Dem widersprach die Klägerin am 21. September 2009.
Die Beklagte holte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ein weiteres Gutachten von Frau S vom 20. Januar 2010 ein, die einen täglichen Pflegebedarf von 65 Minuten ermittelte, und zwar 35 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 30 Minuten für die Mobilität. Die Sachverständige ging davon aus, dass die Klägerin nur im Bett liege, wo auch die Körperpflege stattfinde. Allerdings veranschlagte sie lediglich für die Entleerung des Steckbeckens 16 Minuten sowie für die Ganzkörperwäsche 10 und für eine abendliche Unterkörperwäsche 4 Minuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2010 gab die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. Februar 2009 teilweise statt und gewährte die Leistungen der Pflegestufe 2 bis zum 30. April 2010, im Übrigen wies sie die Widersprüche zurück. Sie bezog sich auf den Inhalt der eingeholten Gutachten und führte aus, dass seit der Begutachtung vom 14. Mai 2007 eine wesentliche Änderung eingetreten sei und die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 nicht mehr vorlägen. Die Herabstufung auf die Pflegestufe 1 und auch die Ablehnung der höheren Pflegestufe seien daher rechtmäßig. Sie gewähre die Leistungen nach der Pflegestufe 2 jedoch bis zum Widerspruchsbescheid weiter, da sie im Bescheid vom 3. Februar 2009 in fehlerhafter Weise eine rückwirkende Entscheidung getroffen habe.
Am 5. Mai 2010 hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben.
Am 7. Mai 2010 stellte sie einen erneuten Antrag auf eine höhere Pflegestufe. Im Auftrag des MdK Niedersachsen-Bremen erstellte die Sachverständige Frau N ein Gutachten vom 29. August 2010 (Untersuchung am 25. August 2010). Die Sachverständige ermittelte einen täglichen Pflegebedarf von 53 Minuten, und zwar 49 Minuten bei der Körperpflege, 0 Minuten bei der Ernährung und 4 Minuten bei der Mobilität. Dabei legte sie denselben Pflegeaufwand wie Frau S zu Grunde, veranschlagte jedoch bei der Körperpflege für die Ganzkörperwäsche 15 Minuten, für die Wäsche des Ober- und des Unterkörpers jeweils 5 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 24 Minuten täglich. Mit Bescheid vom 13. September 2010 lehnte die Beklagte daraufhin die höhere Einstufung der Pflegeleistungen ab. Von Amts wegen erfolgte eine Nachbegutachtung durch die Sachverständige Frau M vom 22. Dezember 2010 (Untersuchung am 20. Dezember 2010). Diese ermittelte einen täglichen Pflegebedarf in der Grundpflege von 70 Minuten, und zwar in der Körperpflege von 62 Minuten, der Ernährung von 3 Minuten und in der Mobilität von 5 Minuten. Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 führte die Beklagte aus, der Pflegegrad entspreche weiterhin der Pflegestufe 1; das Pflegegeld werde jedoch zum 31. Januar 2011 eingestellt, da die Pflege der Klägerin nicht sichergestellt sei. Auf den Nachweis der durchgeführten Pflege hin nahm die Beklagte mit Schreiben vom 4. März 2011 die Pflegegeldzahlung rückwirkend wieder auf.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Gutachten stuften den Pflegebedarf uneinheitlich ein. Dies müsse durch ein ärztliches Gutachten überprüft werden. Nachdem die Beklagte die Pflegestufe 2 entzogen habe, hätten die Pflegekräfte die Leistungen reduziert. Ihre eigenen Versorgungswünsche seien demgegenüber in den späteren Gutachten erwähnt worden. Die späteren Gutachten schilderten keine wesentlichen gesundheitlichen Veränderungen, die auf eine Herabsetzung des täglichen Pflegebedarfs hindeuteten und eine Absenkung der Pflegestufe rechtfertigten. Dabei müsse der Pflegebedarf umfassend einschließlich der Mobilisation gewürdigt werden. Die Klägerin hat ausführlich den ihrer Auffassung nach erforderlichen Pflegebedarf geschildert. Zugleich hat sie geltend gemacht, es sei fraglich, ob der Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2007 von einem zu hohen Hilfebedarf ausgegangen sei und daher nicht wegen geänderter Verhältnisse aufgehoben, sondern wegen der Rechtswidrigkeit hätte zurückgenommen werden müssen. Die Gutachten kämen alle zu unterschiedlichen Einschätzungen. Der Beklagten obliege die Beweislast dafür, dass sich die Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Die vom Gericht gehörte Sachverständige Frau P habe die wesentliche Änderung in der gesteigerten Mobilität gesehen und hierfür einen Minderbedarf von 8 Minuten angenommen. Angesichts des gesamten Pflegebedarfs sei fraglich, ob ein Minderbedarf von 8 Minuten wesentlich sei. Es sei auch fraglich, ob die von Frau B.-V. veranschlagte tägliche Körperpflege von 91 Minuten erforderlich gewesen sei. Hierzu hat sie im Einzelnen ausgeführt, die Feststellungen der Sachverständigen seien teilweise nicht schlüssig, insbesondere hinsichtlich des Gebrauchs des Steckbeckens und des Richtens der Kleidung. Die Klägerin hat einen Befundbericht ihres Hausarztes Dr. H vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30.04.2010 hinaus Pflegegeld für Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 weiter zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht ein Gutachten nach Aktenlage von der Sachverständigen Frau P vom 28. Juni 2011 eingeholt. Die Gutachterin schätzte den täglichen Bedarf der Klägerin in der Grundpflege über den 31. Januar 2009 hinaus mit 100 Minuten ein, und zwar mit 81 Minuten für die Körperpflege, 5 Minuten für die Ernährung und 14 Minuten für die Mobilität. Zu der Frage einer Änderung des Pflegebedarfs gegenüber dem Gutachten vom 14. Mai 2007 führte die Sachverständige aus, im Gutachten vom 28. Januar 2009 sei die Klägerin bezüglich ihrer Lagerung als selbstständig geschildert worden, dadurch habe sich der Hilfebedarf um 8 Minuten auf 115 Minuten verringert. Ferner hat das Sozialgericht eine Stellungnahme der Sachverständigen Frau B.-V. eingeholt, die ausgeführt hat, bei der Klägerin sei ein 10-maliger täglicher Hilfebedarf beim Wasserlassen erforderlich gewesen und sie sei nicht in der Lage gewesen, das Steckbecken selbst zu benutzen. Hierbei habe ihr wegen der Schmerzsymptomatik umfänglich geholfen und die Kleidung habe gerichtet werden müssen. Die Pflegeleistungen seien aufwendig gewesen, da die Klägerin nicht kooperativ gewesen sei und die Verrichtungen abgewehrt habe. Wegen ihrer Adipositas und zur Vermeidung von Hautdefekten sei auch achtmal täglich Hilfe beim Umlagern erforderlich gewesen. Ihre – der Sachverständigen - Feststellungen hätten sich auf die Angaben der Pflegedienstleitung und der Versicherten gestützt.
Mit Urteil vom 30. November 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage beschränke sich auf den Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010. Für eine Anfechtung des Bescheides vom 16. September 2009 fehle es dagegen an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte die Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 bis zum 30. April 2010 weitergezahlt und die Klägerin selbst mit ihrem Höherstufungsantrag vom 7. Mai 2010, der den Zeitraum ab 1. Mai 2010 betreffe, eine Zäsur gesetzt habe. Der Ablehnungsbescheid vom 16. September 2009 enthalte daher für die Klägerin keine zusätzliche Beschwer, die gegen ihn gerichtete Klage sei unzulässig. Der auf den Antrag vom 7. Mai 2010 ergangene Ablehnungsbescheid vom 13. September 2010 sei nicht Verfahrensgegenstand, weil er den Abänderungsbescheid vom 3. Februar 2009 nicht ersetze. Im Übrigen würde es auch hier am Rechtsschutzbedürfnis neben der Anfechtung des Bescheides vom 3. Februar 2009 fehlen. Die Klägerin habe keinen verspäteten Widerspruch eingelegt, da der Bescheid vom 3. Februar 2009 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Die Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 3. Februar 2009 sei zwar formell fehlerhaft, da der Klägerin vor seinem Erlass nicht die Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Die Verletzung der Anhörungspflicht sei jedoch unerheblich, weil die Anhörung der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden sei. In materieller Hinsicht sei der Bescheid vom 3. Februar 2009 rechtmäßig. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit dem Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2007 geändert, da der tägliche Grundpflegebedarf der Klägerin unter 120 Minuten abgesunken sei. Hierzu hat das Sozialgericht auf die Aussage der Sachverständigen B.-V. abgestellt, nach der im Mai 2007 der Aufwand für die notwendige Grundpflege der Klägerin 123 Minuten betragen habe. Es sei davon auszugehen, dass die Sachverständige den Pflegeaufwand zutreffend eingeschätzt habe. Sie habe die Grundlagen der Ermittlungen in ihrer schriftlichen Erklärung im Einzelnen dargelegt. Die Einlassung der Klägerin, die Sachverständige habe den Grundpflegebedarf zu hoch eingeschätzt, könne nicht überzeugen, denn sie stehe im Widerspruch zu deren eigenen Einschätzungen ihres Pflegebedarfes. Nach diesem Vortrag müsse eher von einem noch größeren Pflegeaufwand 2007 ausgegangen werden. Dagegen spreche auch nicht die Aussage der Gutachterin P , die Sachverständige B.-V. habe den Aufwand für die Entleerung des Steckbeckens zu hoch eingeschätzt. Anders als die Gutachterin P habe die Sachverständige B.-V. hierfür nicht 10 bis 15 mal tägliche Hilfe veranschlagt, sondern lediglich 10 mal. Es sei auch nachvollziehbar, dass seit der Begutachtung im Mai 2007 der tägliche Hilfebedarf abgesunken sei. Dies ergebe sich nachvollziehbar aus dem Gutachten von Frau P , die sich wiederum auf die Feststellungen der Vorgutachterinnen stütze. Die Ausführungen seien schlüssig; es sei regelmäßig davon auszugehen, dass bei einem Pflegebedürftigen nach mehrjährig erfolgter Anleitung zur Durchführung bestimmter Handlungen eine Einsicht dahingehend entstehe, dass die pflegerischen Handlungen notwendig seien und selbst ausgeführt werden könnten. Inzwischen gehe die Klägerin offensichtlich selbst davon aus, dass der tägliche Grundpflegebedarf unter 120 Minuten abgesunken sei.
Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Januar 2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 6. Februar 2013 beim Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin macht geltend, dass im Gutachten vom 14. Mai 2007 der Pflegebedarf zu großzügig eingeschätzt worden und dass dabei insbesondere der Bedarf für das Richten der Bekleidung mit 20 Minuten täglich fehlerhaft eingeschätzt worden sei. Es sei auffällig, dass sich der Hilfebedarf für die Körperpflege im Gutachten vom 20. Januar 2010 gegenüber dem Gutachten vom 14. Mai 2007 um 46 Minuten reduziert habe, während der Hilfebedarf für die Mobilität nahezu gleich geblieben sei. Allerdings sei der Hilfebedarf beim Umlagern weggefallen und der Hilfebedarf beim An- und Auskleiden habe sich halbiert, während sich der Hilfebedarf beim Stehen und Gehen verdoppelt habe. Es frage sich, welche Änderungen in den persönlichen Verhältnissen diese abweichenden Bewertungen rechtfertigten. Die Gutachterin P habe das Gutachten vom 20. Januar 2010 nicht zur Kenntnis genommen. Es sei fraglich, warum sie beim Stehen und Gehen einen täglichen Hilfebedarf von 2 Minuten, das Gutachten vom 20. Januar 2010 dagegen von 24 Minuten täglich zu Grunde gelegt habe. Gegenüber dem Gutachten vom 16. Mai 2007 habe die Gutachterin P einen zusätzlichen täglichen Hilfebedarf von 5 Minuten im Bereich der Ernährung gesehen. Es sei nicht erkennbar, worin die Gutachterin P die wesentliche Änderung der Verhältnisse sehe. Die unterschiedlichen Bewertungen des Bedarfs in der Körperpflege seien in den Gutachten erheblich. Dies führt die Klägerin im Einzelnen aus. Angesichts der vielen Abweichungen in den Gutachten sei es schwer, sich ein objektives Bild über den Pflegebedarf in der Vergangenheit zu verschaffen. Die Beweislast für die Änderung der Verhältnisse liege bei der Beklagten. Diese habe die Änderung zunächst nur aufgrund einer Begutachtung nach Aktenlage (Gutachterin W ) festgestellt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Gutachten vom 14. Mai 2007 die Grenze zur Pflegestufe 2 nur sehr knapp überschritten worden sei. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse würde eine Besserung des Gesundheitszustandes voraussetzen, die aber nicht erkennbar sei. Im Gegenteil habe die Adipositas in dem gesamten Zeitraum um 10 kg zugenommen. Ihre Forderungen nach vermehrter Pflege gegenüber den Pflegepersonen und ihre Verweigerungshaltung seien demgegenüber unmaßgeblich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. November 2012 und den Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010 aufzuheben.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich weiterhin auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und legt die Gutachten vom 29. März 2004 (Gutachterin B-, Pflegebedarf 39 + 0 + 8 = 47 Minuten), 16. Dezember 2005 (Gutachterin W , Pflegebedarf 49 + 9 + 9 = 67 Minuten) und 8. Februar 2006 (Gutachterin N , Pflegebedarf 42 + 0 + 10 = 52 Minuten) vor.
Der Senat hat Stellungnahmen des Pflegeheims Haus H vom 24. Juli und 30. September 2013 sowie 8. Februar 2016 eingeholt, ferner einen Behandlungsbericht des die Klägerin behandelnden Arztes Sa vom 30. April 2016.
In der mündlichen Verhandlung lagen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakte vor. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010, der die Herabsetzung der Pflegeleistungen von der Pflegestufe 2 die Pflegestufe 1 zum Gegenstand hatte und über den allein das Sozialgericht entschieden hat. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die weiteren Bescheide, die die Anträge der Klägerin auf Leistungen nach einer erhöhten Pflegestufe zum Inhalt haben, nicht Verfahrensgegenstand sind. Nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt. Die Vorschrift ist eng auszulegen. Die Bescheide über einen Erhöhungsantrag sind zukunftsgerichtet, haben aber nicht zum Inhalt, ob wegen einer Änderung im Februar 2009 eine Herabsetzung der Pflegestufe gerechtfertigt war. Im Übrigen fehlt es für eine Anfechtung dieser weiteren Bescheide an einem Rechtsschutzbedürfnis, denn eine Stattgabe der Klage gegen den Herabsetzungsbescheid vom 3. Februar 2009 hätte zur Folge, dass Leistungen nach der Pflegestufe 2 weiterhin zu gewähren wären.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 3. Februar 2009 zwar einen formellen Fehler enthielt, da die Klägerin vor seinem Erlass nicht angehört worden ist. Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ist gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die unterlassene Anhörung ist jedoch unerheblich. Denn der Verfahrensfehler ist nach § 41 Abs. 1 Ziffer 3 SGB X geheilt. Sofern ein Verwaltungsakt nicht nichtig ist – dafür ist hier nichts ersichtlich – ist ein Verfahrensfehler in der Form einer unterbliebenen Anhörung unbeachtlich, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Dies ist hier im Verlauf des Widerspruchsverfahrens geschehen, in dem die Klägerin sich zu dem Inhalt des Bescheides vom 3. Februar 2009 äußern konnte und die Beklagte unter Beachtung des Vorbringens der Klägerin den Widerspruch sachlich beschieden hat.
Der Bescheid vom 3. Februar 2009 ist jedoch in der Sache materiell rechtmäßig, denn nach § 48 SGB X war die Beklagte berechtigt, die Pflegestufe herabzusetzen, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 nach den Bestimmungen des SGB XI nicht mehr gegeben waren. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck ist daher rechtlich zutreffend.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dies war der Fall, da der Pflegebedarf der Klägerin im Februar 2009 gegenüber den Verhältnissen im Mai 2007 abgesunken war und nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 erfüllte.
Gemäß § 14 Abs. 1 SGB XI (in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) sind Personen pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Verlauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens 2 Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen, § 15 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 SGB XI. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt – d. h. täglich durchschnittlich – in der Pflegestufe 1 mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. In der Pflegestufe 2 muss der gesamte Pflegebedarf mindestens 180 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens 120 Minuten entfallen (§ 15 Absatz 3Nr. 1 und 2 SGB XI).
Zur Grundpflege zählen: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Käm- men, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Ausklei- den, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Woh- nung.
Der Senat geht aufgrund des Gutachtens von Frau B.-V. davon aus, dass der tägliche Grundpflegebedarf der Klägerin in diesem Sinne im Mai 2007 über 120 Minuten gelegen hat und dass damit die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 damals erfüllt waren. Ferner geht der Senat aufgrund der weiteren in der Folgezeit erstellten Gutachten davon aus, dass spätestens ab Januar 2009 der Pflegebedarf der Klägerin unter 120 Minuten abgesunken ist und daher die Voraussetzungen der Pflegestufe nicht mehr erfüllt waren.
Der Pflegebedarf der Klägerin ist hervorgerufen durch die Osteoporose, die sehr weite Teile ihres Körpers erfasst hat, überlagert durch die paranoide Persönlichkeitsstruktur, die dazu führt, dass die Klägerin ein noch bestehendes körperliches Restleistungsvermögen nicht immer in hinreichender Weise einsetzt. In allen Gutachten ist ausgeführt, dass die Klägerin den Pflegeleistungen eine aggressive Abwehrhaltung entgegensetze, so dass die Durchführung der Grundpflege erheblich erschwert war. Außerdem differieren die Berichte über die von der Klägerin entgegengebrachte Mithilfe. Die wechselnde psychische Grundsituation der Klägerin ist belegt in der Dokumentation, die der Psychiater Dr. Rutetzki über den Verlauf von November 2006 bis Januar 2009 erstellt hat. Darin ist dargelegt, dass es dem Arzt zeitweise gelang, Zugang zu der Klägerin zu erhalten, zeitweise war ihm dies jedoch nicht möglich. Diese medizinische Grundsituation der Klägerin, die für ihren Pflegebedarf bestimmend ist, hat zur Folge, dass sich der Bedarf an Pflege ändern kann, ohne dass sich das in den Diagnosen oder Befunden niederschlägt. Die Klägerin rügt daher zu Unrecht, dass sich eine Änderung des Pflegebedarfs sich aus den medizinischen Befunden nicht ableiten lasse. Aus dieser wechselnden psychischen Überlagerung der körperlichen Einschränkungen der Klägerin leiten sich sehr unterschiedliche Einschätzungen des täglichen Pflegebedarfs der Klägerin durch die verschiedenen Gutachterinnen ab. In der Folge der Gutachten B.-V. – W – D – S – P – N – M ergeben sich folgende erforderliche Pflegezeiten:
Körperpflege Ganzkörperwäsche 15 – 15 – 19 – 10 – 11 – 15 – 12 Teilwäsche Hände/Gesicht 0 – 0 – 0 – 0 – 7 – 0 – 12 Oberkörperwäsche 5 – 6 – 0 – 4 – 5 – 5 – 8 Unterkörperwäsche 0 – 5 – 0 – 0 – 5 – 5 – 6 Zahnpflege 4 – 0 – 4 – 0 – 2 – 0 – 0 Duschen 0 – 0 – 0 – 3 – 0 – 0 Baden 0 – 0 – 0 – 0 – 3 – 0 – 0 Kämmen 2 – 0 – 2 – 2 – 2 – 0 – 0 Wasserlassen 20 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 Stuhlgang 5 – 0 – 0 – 3 – 8 – 0 – 0 Bekleidung richten 20 – 0 – 0 – 0 – 5 – 0 – 0 Steckbecken wechseln 20 – 32 – 20 – 16 – 30 – 24 – 24
Ernährung: Bei der Nahrungsaufnahme sahen allein Frau P einen Pflegebedarf von 5 Minuten und Frau M von 3 Minuten als gegeben an.
Mobilität: Aufstehen/Zubettgehen 0 – 0 – 0 – 0 – 4 – 0 – 0 Umlagern 8 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 Ankleiden Gesamt 8 – 4 – 4 – 5 – 4 – 4 Entkleiden Gesamt 4 – 0 – 2 – 2 – 3 – 0 – 1 Gehen 6 – 0 – 0 – 16 – 1 – 0 – 0 Stehen/Transfer 6 – 0 – 0 – 8 – 1 – 0 – 0
Alle Gutachterinnen fanden die Klägerin in ihrem Bett vor, indem sie den ganzen Tag verbringt und aus dem sie sich nicht oder nur in sehr geringem Maße heraus begibt. Sie hat sich dort wohnlich eingerichtet. Der Senat sieht es als nachvollziehbar an, dass Frau B.-V. anders als die anderen Gutachterinnen den täglichen Pflegebedarf über 120 Minuten einschätzte. Aufgrund der ihr vorliegenden Informationen musste Frau B.-V. davon ausgehen, dass die Klägerin die Grundversorgung sehr weitgehend den Pflegekräften überließ. Lediglich die Oberkörperwäsche führte sie im Bett größtenteils selbst durch. Hilfe musste ihr insbesondere bei der Benutzung des Steckbeckens geleistet werden. In ihrer Antwort auf die Nachfragen des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Juli 2012 führte die Gutachterin hierzu im Einzelnen aus, dass die Pflegekräfte insbesondere bei dem Wasserlassen das Steckbecken unter das Gesäß schieben mussten, nachdem sie den Unterkörper der Klägerin zuvor entkleidet hatten, und dass sie im Anschluss die Intimhygiene vornehmen und die Bekleidung wieder zurecht rücken mussten. Dieser Vorgang fiel zehnmal täglich an. Es ist für den Senat daher insbesondere nachvollziehbar, dass Frau B.-V. allein für das Richten der Bekleidung täglich zehn mal zwei Minuten veranschlagt hat. Dies gestaltete sich zur Zeit der Begutachtung durch Frau W bereits gänzlich anders, denn dort benutzte die Klägerin das Steckbecken selbstständig, während die Pflegekräfte dieses lediglich entsorgen mussten. Die Körperpflege führte die Klägerin nach Aussage der Sachverständigen bis auf Teilbereiche selbstständig durch. Frau W war der Auffassung, dass die meiste Zeit der Pflege auf die psychosoziale Versorgung der Klägerin in Anspruch genommen wurde, die jedoch nicht pflegerelevant ist. Dies macht deutlich, dass die Klägerin bei der Vornahme der Grundpflege im Sinne des § 14 SGB XI sehr viel größere Selbstständigkeit gewonnen hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Ermittlung des Pflegebedarfs nicht nur das körperliche Leistungsvermögen zu berücksichtigen, sondern er leitet sich gemäß Abschnitt D 4.0 III 8 a der auf der Grundlage des § 17 SGB XI erstellten Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches auch aus dem psychischen Befund ab. Zu Recht haben daher alle Gutachterinnen die in unterschiedlicher Ausprägung von der Klägerin gezeigte Verweigerungshaltung, die Krankheitscharakter hat, in die Beurteilung des Pflegebedarfs einbezogen.
Ein Pflegeumfang, wie ihn Frau B.-V. zu Grunde legte, der sich nahezu auf alle pflegerischen Bereiche erstreckte, ist zu späteren Zeiten nicht mehr geschildert worden. Die Verwaltung des Pflegeheims H , in dem die Klägerin vom November 2006 bis April 2009 lebte, teilte auf die Frage des Senats am 8. Februar 2016 mit, dass in der rückblickenden Erinnerung die Klägerin die grundpflegerischen Tätigkeiten nach Anreichung der Utensilien weitgehend selbstständig durchgeführt habe. Die Gutachterin N kam im August 2010 zu der Aussage, dass die Klägerin das Steckbecken selbstständig benutze. Die Gutachterin M berichtete im Dezember 2010, dass seit dem Oktober 2010 der Pflegedienst lediglich einmal täglich zur Grundpflege komme und dass weitere Pflegepersonen nicht vorhanden seien. Diese Schilderungen weichen sehr erheblich von den Darstellungen im Gutachten von Frau B.-V. ab, die insbesondere den erheblichen zeitlichen Pflegeaufwand für die Verrichtung der Notdurft und das Wasserlassens berücksichtigen musste. Dass in der Folgezeit die Befähigung der Klägerin zu eigenen grundpflegerischen Leistungen gewachsen war, ergibt sich auch aus einem Gespräch mit Frau O- vom Pflegedienst des paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 6. Januar 2011, das in der Verwaltungsakte niedergelegt ist. Frau O- teilte darin mit, dass der Wohlfahrtsverband keine Grundpflege erbringe, sondern die Klägerin diese selbst ausführe. Lediglich ein bis zweimal wöchentlich reinige eine Bekannte der Klägerin die Wohnung, der Pflegedienst solle nur die hauswirtschaftliche Versorgung übernehmen. Die Klägerin begehre einen Rollstuhl, um ihre Mobilität innerhalb der Wohnung zu verbessern. Insgesamt kommt der Senat aufgrund dieser verschiedenen unterschiedlichen Aussagen zu dem Ergebnis, dass sich der erforderliche Pflegebedarf, den Frau B.-V. geschildert hat, erheblich von dem Bedarf der übrigen Schilderungen abhebt. Diese Annahme geht mit der Aussage von Frau P einher, die eine Verringerung des Aufwandes bestätigt und allein aus der zunehmenden Selbstständigkeit der Klägerin beim Umlagern im Umfang von acht Minuten eingeschätzt hat.
Ferner ist davon auszugehen, dass dieser Pflegebedarf wenigstens 6 Monate andauerte. Die Klägerin verweigerte eine gutachterliche Untersuchung durch Frau Bernd-Vieth, so dass die Gutachterin auf die Angaben der Klägerin und des Pflegepersonals angewiesen war. Dadurch ist ausgeschlossen, dass sie in einer eigenen Untersuchung lediglich eine "Momentaufnahme" erstellt hat, denn es ist davon auszugehen, dass gerade das Pflegepersonal des Pflegeheims H der Gutachterin nicht tagesaktuelle Angaben gemacht, sondern ein Querschnittsbild dargestellt hat.
Zwar weist die Klägerin darauf hin, dass die Begutachtung vom 14. Mai 2007 einen erforderlichen Grundpflegebedarf von 123 Minuten ergeben habe. Ein geringfügig um 4 Minuten zu hoch eingeschätzter Pflegebedarf könnte folglich dazu geführt haben, dass die Gewährung der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 in dem Bescheid vom 16. Mai 2007 fehlerhaft gewesen ist und damit die Voraussetzungen des § 48 SGB 10 nicht vorlagen. Diesen Schluss vermag der Senat jedoch nicht zu ziehen. Das System der Zuordnung der Versicherten zu den einzelnen Pflegestufen erfolgt nicht im Wege der Berechnung, sondern der Einschätzung. Denn der Pflegebegriff des § 14 Abs. 1 SGB XI ist ein komplexer Rechtsbegriff, der unter Beachtung vieler Faktoren ausgefüllt werden muss. Dies ergibt sich aus der Vielzahl von pflegerelevanten Faktoren, die in Abschnitt D 3 der o. a. Pflegerichtlinien niedergelegt sind und die gegeneinander abgewogen werden müssen. Dies erfordert es, auch in der Rückschau gutachterliche Feststellungen als gegeben zu Grunde zu legen, sofern nicht Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Feststellungen oder Einschätzungen fehlerhaft sind. Das Gutachten von Frau B.-V. bietet derartige Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Einschätzung nicht. Wie ausgeführt, fand sie eine andere pflegerische Grundsituation bei der Klägerin vor als die nachfolgenden Gutachterinnen. Zwar konnte sich Frau B.-V. auf Nachfrage des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Juli 2012 an die Begutachtungssituation bei der Klägerin nicht mehr erinnern, sie bestätigte jedoch im Einzelnen ihre in dem Gutachten gemachten Äußerungen, die einen erheblich höheren Pflegebedarf widerspiegeln. Zwar obliegt der Beklagten bei der Entscheidung gemäß § 48 SGB X die Beweislast dafür, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, der Senat hält die Änderung jedoch nach dem Ergebnis des gesamten Akteninhalts für nachgewiesen. Dabei konnte er sich auf die Auswertung der vorhandenen Gutachten beschränken, ohne eine weitere Begutachtung durchführen zu lassen, denn die Fragestellung betraf ausschließlich Vorgänge der Vergangenheit, aus der bereits eine Vielzahl gutachterliche Äußerungen vorhanden sind. Eine ärztliche gutachterliche Untersuchung war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durchzuführen, denn die pflegerelevanten Diagnosen sind bekannt und nicht umstritten und die Frage des sich daraus ableitenden Pflegebedarfs ist eine pflegerische, nicht aber eine medizinische Fragestellung.
Der Senat kommt daher zu der Überzeugung, dass die pflegerelevanten Verhältnisse der Klägerin sich seit der Begutachtung durch Frau B.-V. wesentlich geändert haben und dass die Beklagte daher berechtigt war, die Pflegestufe abzusenken. Die Beklagte hat dies innerhalb der gesetzlichen Fristen vorgenommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Einstufung des Pflegebedarfs der Klägerin nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Dabei geht es um die Frage, ob sich der Pflegebedarf wesentlich geändert hat.
Die Klägerin ist 1944 geboren. Sie leidet an einer schweren Osteoporose der Brust- und Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Arm. Es wurde eine paranoide Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, die Klägerin leidet unter Beschuldigungswahn. Es ist eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt.
Mit Bescheid vom 31. März 2004 hatte die Beklagte bei der Klägerin die Pflegestufe 1 nach dem SGB XI anerkannt und entsprechende Leistungen gewährt. Einen Höherstufungsantrag vom 14. November 2005 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 und Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 abgelehnt. Ein Gutachten vom 16. Dezember 2005 hatte einen täglichen Pflegebedarf in der Grundpflege von 52 Minuten ergeben (Waschen: 20 Minuten, Zahnpflege: 2 Minuten, Darm-/Blasenentleerung: 20 Minuten). Ein weiteres Pflegegutachten vom 8. Februar 2006 hatte einen täglichen Pflegebedarf von 67 Minuten ausgewiesen.
Am 18. Juli 2006 und 27. Dezember 2006 beantragte die Klägerin erneut die Einstufung in die Pflegestufe 2. Die Beklagte holte ein Gutachten der Sachverständigen Frau B.-V. vom 14. Mai 2007 (Untersuchung am 8. Mai 2007) ein. Die Sachverständige ermittelte einen täglichen Grundpflegebedarf der Klägerin von 123 Minuten, und zwar 91 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 32 Minuten für die Mobilität. Sie legte dabei zu Grunde, dass die Klägerin völlig immobil im Bett lag und die Blasen- und Darmentleerung über ein Steckbecken erfolgte, das der Klägerin angereicht werden musste. Auch die Körperwäsche erfolgte im Bett. Für die Blasenentleerung legte die Sachverständige täglich 20 Minuten, für den Stuhlgang 5 Minuten, für das Richten der Bekleidung 20 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 20 Minuten zu Grunde. Mit Bescheid vom 16. Mai 2007 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. April 2007 und mit weiterem Bescheid vom 7. Juni 2007 bereits ab 9. November 2006 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2.
Im Rahmen einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung erstellte die Sachverständige Frau W ein Gutachten vom 28. Januar 2009. Das Gutachten erging nach Befragung der Pflegepersonen und im Übrigen nach Aktenlage, da die Klägerin die Untersuchung verweigert hatte. Die Sachverständige kam zu einem täglichen erforderlichen Grundpflegebedarf von 62 Minuten, und zwar 58 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 4 Minuten für die Mobilität. Sie ging davon aus, dass die Klägerin beim Waschen des Rückens und der Haare Hilfe benötige und dass ihr das Steckbecken gereicht und entleert werden müsse, dass sie die übrigen Verrichtungen aber selbst vornehme. Bei der Körperpflege schätzte die Sachverständige für die Ganzkörperwäsche einen Bedarf von 15 Minuten, für die Oberkörper- und Unterkörperwäsche 6 beziehungsweise 5 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 32 Minuten. Mit Bescheid vom 3. Februar 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. Februar 2009 Pflegegeld nach der Stufe 1.
Mit ihrem Widerspruch vom 19. Mai 2009 stellte die Klägerin zugleich einen Antrag auf eine höhere Pflegestufe. Die Beklagte holte ein Gutachten der Sachverständigen Frau D vom 14. August 2009 ein (Untersuchung am 13. August 2009). Die Sachverständige kam darin zu einem täglichen Pflegebedarf von 51 Minuten, und zwar 45 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 6 Minuten für die Mobilität. Sie legte dieselben Pflegebedingungen wie Frau W zu Grunde, nahm für die Entleerung des Steckbeckens jedoch lediglich einen Hilfebedarf von 20 Minuten an. Mit Bescheid vom 16. September 2009 wies die Beklagte den Antrag auf Leistungen nach einer höheren Pflegestufe ab. Dem widersprach die Klägerin am 21. September 2009.
Die Beklagte holte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ein weiteres Gutachten von Frau S vom 20. Januar 2010 ein, die einen täglichen Pflegebedarf von 65 Minuten ermittelte, und zwar 35 Minuten für die Körperpflege, 0 Minuten für die Ernährung und 30 Minuten für die Mobilität. Die Sachverständige ging davon aus, dass die Klägerin nur im Bett liege, wo auch die Körperpflege stattfinde. Allerdings veranschlagte sie lediglich für die Entleerung des Steckbeckens 16 Minuten sowie für die Ganzkörperwäsche 10 und für eine abendliche Unterkörperwäsche 4 Minuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2010 gab die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. Februar 2009 teilweise statt und gewährte die Leistungen der Pflegestufe 2 bis zum 30. April 2010, im Übrigen wies sie die Widersprüche zurück. Sie bezog sich auf den Inhalt der eingeholten Gutachten und führte aus, dass seit der Begutachtung vom 14. Mai 2007 eine wesentliche Änderung eingetreten sei und die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 nicht mehr vorlägen. Die Herabstufung auf die Pflegestufe 1 und auch die Ablehnung der höheren Pflegestufe seien daher rechtmäßig. Sie gewähre die Leistungen nach der Pflegestufe 2 jedoch bis zum Widerspruchsbescheid weiter, da sie im Bescheid vom 3. Februar 2009 in fehlerhafter Weise eine rückwirkende Entscheidung getroffen habe.
Am 5. Mai 2010 hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben.
Am 7. Mai 2010 stellte sie einen erneuten Antrag auf eine höhere Pflegestufe. Im Auftrag des MdK Niedersachsen-Bremen erstellte die Sachverständige Frau N ein Gutachten vom 29. August 2010 (Untersuchung am 25. August 2010). Die Sachverständige ermittelte einen täglichen Pflegebedarf von 53 Minuten, und zwar 49 Minuten bei der Körperpflege, 0 Minuten bei der Ernährung und 4 Minuten bei der Mobilität. Dabei legte sie denselben Pflegeaufwand wie Frau S zu Grunde, veranschlagte jedoch bei der Körperpflege für die Ganzkörperwäsche 15 Minuten, für die Wäsche des Ober- und des Unterkörpers jeweils 5 Minuten und für die Entleerung des Steckbeckens 24 Minuten täglich. Mit Bescheid vom 13. September 2010 lehnte die Beklagte daraufhin die höhere Einstufung der Pflegeleistungen ab. Von Amts wegen erfolgte eine Nachbegutachtung durch die Sachverständige Frau M vom 22. Dezember 2010 (Untersuchung am 20. Dezember 2010). Diese ermittelte einen täglichen Pflegebedarf in der Grundpflege von 70 Minuten, und zwar in der Körperpflege von 62 Minuten, der Ernährung von 3 Minuten und in der Mobilität von 5 Minuten. Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 führte die Beklagte aus, der Pflegegrad entspreche weiterhin der Pflegestufe 1; das Pflegegeld werde jedoch zum 31. Januar 2011 eingestellt, da die Pflege der Klägerin nicht sichergestellt sei. Auf den Nachweis der durchgeführten Pflege hin nahm die Beklagte mit Schreiben vom 4. März 2011 die Pflegegeldzahlung rückwirkend wieder auf.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Gutachten stuften den Pflegebedarf uneinheitlich ein. Dies müsse durch ein ärztliches Gutachten überprüft werden. Nachdem die Beklagte die Pflegestufe 2 entzogen habe, hätten die Pflegekräfte die Leistungen reduziert. Ihre eigenen Versorgungswünsche seien demgegenüber in den späteren Gutachten erwähnt worden. Die späteren Gutachten schilderten keine wesentlichen gesundheitlichen Veränderungen, die auf eine Herabsetzung des täglichen Pflegebedarfs hindeuteten und eine Absenkung der Pflegestufe rechtfertigten. Dabei müsse der Pflegebedarf umfassend einschließlich der Mobilisation gewürdigt werden. Die Klägerin hat ausführlich den ihrer Auffassung nach erforderlichen Pflegebedarf geschildert. Zugleich hat sie geltend gemacht, es sei fraglich, ob der Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2007 von einem zu hohen Hilfebedarf ausgegangen sei und daher nicht wegen geänderter Verhältnisse aufgehoben, sondern wegen der Rechtswidrigkeit hätte zurückgenommen werden müssen. Die Gutachten kämen alle zu unterschiedlichen Einschätzungen. Der Beklagten obliege die Beweislast dafür, dass sich die Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Die vom Gericht gehörte Sachverständige Frau P habe die wesentliche Änderung in der gesteigerten Mobilität gesehen und hierfür einen Minderbedarf von 8 Minuten angenommen. Angesichts des gesamten Pflegebedarfs sei fraglich, ob ein Minderbedarf von 8 Minuten wesentlich sei. Es sei auch fraglich, ob die von Frau B.-V. veranschlagte tägliche Körperpflege von 91 Minuten erforderlich gewesen sei. Hierzu hat sie im Einzelnen ausgeführt, die Feststellungen der Sachverständigen seien teilweise nicht schlüssig, insbesondere hinsichtlich des Gebrauchs des Steckbeckens und des Richtens der Kleidung. Die Klägerin hat einen Befundbericht ihres Hausarztes Dr. H vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30.04.2010 hinaus Pflegegeld für Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 weiter zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht ein Gutachten nach Aktenlage von der Sachverständigen Frau P vom 28. Juni 2011 eingeholt. Die Gutachterin schätzte den täglichen Bedarf der Klägerin in der Grundpflege über den 31. Januar 2009 hinaus mit 100 Minuten ein, und zwar mit 81 Minuten für die Körperpflege, 5 Minuten für die Ernährung und 14 Minuten für die Mobilität. Zu der Frage einer Änderung des Pflegebedarfs gegenüber dem Gutachten vom 14. Mai 2007 führte die Sachverständige aus, im Gutachten vom 28. Januar 2009 sei die Klägerin bezüglich ihrer Lagerung als selbstständig geschildert worden, dadurch habe sich der Hilfebedarf um 8 Minuten auf 115 Minuten verringert. Ferner hat das Sozialgericht eine Stellungnahme der Sachverständigen Frau B.-V. eingeholt, die ausgeführt hat, bei der Klägerin sei ein 10-maliger täglicher Hilfebedarf beim Wasserlassen erforderlich gewesen und sie sei nicht in der Lage gewesen, das Steckbecken selbst zu benutzen. Hierbei habe ihr wegen der Schmerzsymptomatik umfänglich geholfen und die Kleidung habe gerichtet werden müssen. Die Pflegeleistungen seien aufwendig gewesen, da die Klägerin nicht kooperativ gewesen sei und die Verrichtungen abgewehrt habe. Wegen ihrer Adipositas und zur Vermeidung von Hautdefekten sei auch achtmal täglich Hilfe beim Umlagern erforderlich gewesen. Ihre – der Sachverständigen - Feststellungen hätten sich auf die Angaben der Pflegedienstleitung und der Versicherten gestützt.
Mit Urteil vom 30. November 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage beschränke sich auf den Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010. Für eine Anfechtung des Bescheides vom 16. September 2009 fehle es dagegen an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte die Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 bis zum 30. April 2010 weitergezahlt und die Klägerin selbst mit ihrem Höherstufungsantrag vom 7. Mai 2010, der den Zeitraum ab 1. Mai 2010 betreffe, eine Zäsur gesetzt habe. Der Ablehnungsbescheid vom 16. September 2009 enthalte daher für die Klägerin keine zusätzliche Beschwer, die gegen ihn gerichtete Klage sei unzulässig. Der auf den Antrag vom 7. Mai 2010 ergangene Ablehnungsbescheid vom 13. September 2010 sei nicht Verfahrensgegenstand, weil er den Abänderungsbescheid vom 3. Februar 2009 nicht ersetze. Im Übrigen würde es auch hier am Rechtsschutzbedürfnis neben der Anfechtung des Bescheides vom 3. Februar 2009 fehlen. Die Klägerin habe keinen verspäteten Widerspruch eingelegt, da der Bescheid vom 3. Februar 2009 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Die Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 3. Februar 2009 sei zwar formell fehlerhaft, da der Klägerin vor seinem Erlass nicht die Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Die Verletzung der Anhörungspflicht sei jedoch unerheblich, weil die Anhörung der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden sei. In materieller Hinsicht sei der Bescheid vom 3. Februar 2009 rechtmäßig. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit dem Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2007 geändert, da der tägliche Grundpflegebedarf der Klägerin unter 120 Minuten abgesunken sei. Hierzu hat das Sozialgericht auf die Aussage der Sachverständigen B.-V. abgestellt, nach der im Mai 2007 der Aufwand für die notwendige Grundpflege der Klägerin 123 Minuten betragen habe. Es sei davon auszugehen, dass die Sachverständige den Pflegeaufwand zutreffend eingeschätzt habe. Sie habe die Grundlagen der Ermittlungen in ihrer schriftlichen Erklärung im Einzelnen dargelegt. Die Einlassung der Klägerin, die Sachverständige habe den Grundpflegebedarf zu hoch eingeschätzt, könne nicht überzeugen, denn sie stehe im Widerspruch zu deren eigenen Einschätzungen ihres Pflegebedarfes. Nach diesem Vortrag müsse eher von einem noch größeren Pflegeaufwand 2007 ausgegangen werden. Dagegen spreche auch nicht die Aussage der Gutachterin P , die Sachverständige B.-V. habe den Aufwand für die Entleerung des Steckbeckens zu hoch eingeschätzt. Anders als die Gutachterin P habe die Sachverständige B.-V. hierfür nicht 10 bis 15 mal tägliche Hilfe veranschlagt, sondern lediglich 10 mal. Es sei auch nachvollziehbar, dass seit der Begutachtung im Mai 2007 der tägliche Hilfebedarf abgesunken sei. Dies ergebe sich nachvollziehbar aus dem Gutachten von Frau P , die sich wiederum auf die Feststellungen der Vorgutachterinnen stütze. Die Ausführungen seien schlüssig; es sei regelmäßig davon auszugehen, dass bei einem Pflegebedürftigen nach mehrjährig erfolgter Anleitung zur Durchführung bestimmter Handlungen eine Einsicht dahingehend entstehe, dass die pflegerischen Handlungen notwendig seien und selbst ausgeführt werden könnten. Inzwischen gehe die Klägerin offensichtlich selbst davon aus, dass der tägliche Grundpflegebedarf unter 120 Minuten abgesunken sei.
Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Januar 2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 6. Februar 2013 beim Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin macht geltend, dass im Gutachten vom 14. Mai 2007 der Pflegebedarf zu großzügig eingeschätzt worden und dass dabei insbesondere der Bedarf für das Richten der Bekleidung mit 20 Minuten täglich fehlerhaft eingeschätzt worden sei. Es sei auffällig, dass sich der Hilfebedarf für die Körperpflege im Gutachten vom 20. Januar 2010 gegenüber dem Gutachten vom 14. Mai 2007 um 46 Minuten reduziert habe, während der Hilfebedarf für die Mobilität nahezu gleich geblieben sei. Allerdings sei der Hilfebedarf beim Umlagern weggefallen und der Hilfebedarf beim An- und Auskleiden habe sich halbiert, während sich der Hilfebedarf beim Stehen und Gehen verdoppelt habe. Es frage sich, welche Änderungen in den persönlichen Verhältnissen diese abweichenden Bewertungen rechtfertigten. Die Gutachterin P habe das Gutachten vom 20. Januar 2010 nicht zur Kenntnis genommen. Es sei fraglich, warum sie beim Stehen und Gehen einen täglichen Hilfebedarf von 2 Minuten, das Gutachten vom 20. Januar 2010 dagegen von 24 Minuten täglich zu Grunde gelegt habe. Gegenüber dem Gutachten vom 16. Mai 2007 habe die Gutachterin P einen zusätzlichen täglichen Hilfebedarf von 5 Minuten im Bereich der Ernährung gesehen. Es sei nicht erkennbar, worin die Gutachterin P die wesentliche Änderung der Verhältnisse sehe. Die unterschiedlichen Bewertungen des Bedarfs in der Körperpflege seien in den Gutachten erheblich. Dies führt die Klägerin im Einzelnen aus. Angesichts der vielen Abweichungen in den Gutachten sei es schwer, sich ein objektives Bild über den Pflegebedarf in der Vergangenheit zu verschaffen. Die Beweislast für die Änderung der Verhältnisse liege bei der Beklagten. Diese habe die Änderung zunächst nur aufgrund einer Begutachtung nach Aktenlage (Gutachterin W ) festgestellt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Gutachten vom 14. Mai 2007 die Grenze zur Pflegestufe 2 nur sehr knapp überschritten worden sei. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse würde eine Besserung des Gesundheitszustandes voraussetzen, die aber nicht erkennbar sei. Im Gegenteil habe die Adipositas in dem gesamten Zeitraum um 10 kg zugenommen. Ihre Forderungen nach vermehrter Pflege gegenüber den Pflegepersonen und ihre Verweigerungshaltung seien demgegenüber unmaßgeblich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. November 2012 und den Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010 aufzuheben.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich weiterhin auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und legt die Gutachten vom 29. März 2004 (Gutachterin B-, Pflegebedarf 39 + 0 + 8 = 47 Minuten), 16. Dezember 2005 (Gutachterin W , Pflegebedarf 49 + 9 + 9 = 67 Minuten) und 8. Februar 2006 (Gutachterin N , Pflegebedarf 42 + 0 + 10 = 52 Minuten) vor.
Der Senat hat Stellungnahmen des Pflegeheims Haus H vom 24. Juli und 30. September 2013 sowie 8. Februar 2016 eingeholt, ferner einen Behandlungsbericht des die Klägerin behandelnden Arztes Sa vom 30. April 2016.
In der mündlichen Verhandlung lagen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakte vor. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2010, der die Herabsetzung der Pflegeleistungen von der Pflegestufe 2 die Pflegestufe 1 zum Gegenstand hatte und über den allein das Sozialgericht entschieden hat. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die weiteren Bescheide, die die Anträge der Klägerin auf Leistungen nach einer erhöhten Pflegestufe zum Inhalt haben, nicht Verfahrensgegenstand sind. Nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt. Die Vorschrift ist eng auszulegen. Die Bescheide über einen Erhöhungsantrag sind zukunftsgerichtet, haben aber nicht zum Inhalt, ob wegen einer Änderung im Februar 2009 eine Herabsetzung der Pflegestufe gerechtfertigt war. Im Übrigen fehlt es für eine Anfechtung dieser weiteren Bescheide an einem Rechtsschutzbedürfnis, denn eine Stattgabe der Klage gegen den Herabsetzungsbescheid vom 3. Februar 2009 hätte zur Folge, dass Leistungen nach der Pflegestufe 2 weiterhin zu gewähren wären.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 3. Februar 2009 zwar einen formellen Fehler enthielt, da die Klägerin vor seinem Erlass nicht angehört worden ist. Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ist gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die unterlassene Anhörung ist jedoch unerheblich. Denn der Verfahrensfehler ist nach § 41 Abs. 1 Ziffer 3 SGB X geheilt. Sofern ein Verwaltungsakt nicht nichtig ist – dafür ist hier nichts ersichtlich – ist ein Verfahrensfehler in der Form einer unterbliebenen Anhörung unbeachtlich, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Dies ist hier im Verlauf des Widerspruchsverfahrens geschehen, in dem die Klägerin sich zu dem Inhalt des Bescheides vom 3. Februar 2009 äußern konnte und die Beklagte unter Beachtung des Vorbringens der Klägerin den Widerspruch sachlich beschieden hat.
Der Bescheid vom 3. Februar 2009 ist jedoch in der Sache materiell rechtmäßig, denn nach § 48 SGB X war die Beklagte berechtigt, die Pflegestufe herabzusetzen, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 nach den Bestimmungen des SGB XI nicht mehr gegeben waren. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck ist daher rechtlich zutreffend.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dies war der Fall, da der Pflegebedarf der Klägerin im Februar 2009 gegenüber den Verhältnissen im Mai 2007 abgesunken war und nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 erfüllte.
Gemäß § 14 Abs. 1 SGB XI (in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) sind Personen pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Verlauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens 2 Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen, § 15 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 SGB XI. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt – d. h. täglich durchschnittlich – in der Pflegestufe 1 mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. In der Pflegestufe 2 muss der gesamte Pflegebedarf mindestens 180 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens 120 Minuten entfallen (§ 15 Absatz 3Nr. 1 und 2 SGB XI).
Zur Grundpflege zählen: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Käm- men, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Ausklei- den, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Woh- nung.
Der Senat geht aufgrund des Gutachtens von Frau B.-V. davon aus, dass der tägliche Grundpflegebedarf der Klägerin in diesem Sinne im Mai 2007 über 120 Minuten gelegen hat und dass damit die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 damals erfüllt waren. Ferner geht der Senat aufgrund der weiteren in der Folgezeit erstellten Gutachten davon aus, dass spätestens ab Januar 2009 der Pflegebedarf der Klägerin unter 120 Minuten abgesunken ist und daher die Voraussetzungen der Pflegestufe nicht mehr erfüllt waren.
Der Pflegebedarf der Klägerin ist hervorgerufen durch die Osteoporose, die sehr weite Teile ihres Körpers erfasst hat, überlagert durch die paranoide Persönlichkeitsstruktur, die dazu führt, dass die Klägerin ein noch bestehendes körperliches Restleistungsvermögen nicht immer in hinreichender Weise einsetzt. In allen Gutachten ist ausgeführt, dass die Klägerin den Pflegeleistungen eine aggressive Abwehrhaltung entgegensetze, so dass die Durchführung der Grundpflege erheblich erschwert war. Außerdem differieren die Berichte über die von der Klägerin entgegengebrachte Mithilfe. Die wechselnde psychische Grundsituation der Klägerin ist belegt in der Dokumentation, die der Psychiater Dr. Rutetzki über den Verlauf von November 2006 bis Januar 2009 erstellt hat. Darin ist dargelegt, dass es dem Arzt zeitweise gelang, Zugang zu der Klägerin zu erhalten, zeitweise war ihm dies jedoch nicht möglich. Diese medizinische Grundsituation der Klägerin, die für ihren Pflegebedarf bestimmend ist, hat zur Folge, dass sich der Bedarf an Pflege ändern kann, ohne dass sich das in den Diagnosen oder Befunden niederschlägt. Die Klägerin rügt daher zu Unrecht, dass sich eine Änderung des Pflegebedarfs sich aus den medizinischen Befunden nicht ableiten lasse. Aus dieser wechselnden psychischen Überlagerung der körperlichen Einschränkungen der Klägerin leiten sich sehr unterschiedliche Einschätzungen des täglichen Pflegebedarfs der Klägerin durch die verschiedenen Gutachterinnen ab. In der Folge der Gutachten B.-V. – W – D – S – P – N – M ergeben sich folgende erforderliche Pflegezeiten:
Körperpflege Ganzkörperwäsche 15 – 15 – 19 – 10 – 11 – 15 – 12 Teilwäsche Hände/Gesicht 0 – 0 – 0 – 0 – 7 – 0 – 12 Oberkörperwäsche 5 – 6 – 0 – 4 – 5 – 5 – 8 Unterkörperwäsche 0 – 5 – 0 – 0 – 5 – 5 – 6 Zahnpflege 4 – 0 – 4 – 0 – 2 – 0 – 0 Duschen 0 – 0 – 0 – 3 – 0 – 0 Baden 0 – 0 – 0 – 0 – 3 – 0 – 0 Kämmen 2 – 0 – 2 – 2 – 2 – 0 – 0 Wasserlassen 20 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 Stuhlgang 5 – 0 – 0 – 3 – 8 – 0 – 0 Bekleidung richten 20 – 0 – 0 – 0 – 5 – 0 – 0 Steckbecken wechseln 20 – 32 – 20 – 16 – 30 – 24 – 24
Ernährung: Bei der Nahrungsaufnahme sahen allein Frau P einen Pflegebedarf von 5 Minuten und Frau M von 3 Minuten als gegeben an.
Mobilität: Aufstehen/Zubettgehen 0 – 0 – 0 – 0 – 4 – 0 – 0 Umlagern 8 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 – 0 Ankleiden Gesamt 8 – 4 – 4 – 5 – 4 – 4 Entkleiden Gesamt 4 – 0 – 2 – 2 – 3 – 0 – 1 Gehen 6 – 0 – 0 – 16 – 1 – 0 – 0 Stehen/Transfer 6 – 0 – 0 – 8 – 1 – 0 – 0
Alle Gutachterinnen fanden die Klägerin in ihrem Bett vor, indem sie den ganzen Tag verbringt und aus dem sie sich nicht oder nur in sehr geringem Maße heraus begibt. Sie hat sich dort wohnlich eingerichtet. Der Senat sieht es als nachvollziehbar an, dass Frau B.-V. anders als die anderen Gutachterinnen den täglichen Pflegebedarf über 120 Minuten einschätzte. Aufgrund der ihr vorliegenden Informationen musste Frau B.-V. davon ausgehen, dass die Klägerin die Grundversorgung sehr weitgehend den Pflegekräften überließ. Lediglich die Oberkörperwäsche führte sie im Bett größtenteils selbst durch. Hilfe musste ihr insbesondere bei der Benutzung des Steckbeckens geleistet werden. In ihrer Antwort auf die Nachfragen des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Juli 2012 führte die Gutachterin hierzu im Einzelnen aus, dass die Pflegekräfte insbesondere bei dem Wasserlassen das Steckbecken unter das Gesäß schieben mussten, nachdem sie den Unterkörper der Klägerin zuvor entkleidet hatten, und dass sie im Anschluss die Intimhygiene vornehmen und die Bekleidung wieder zurecht rücken mussten. Dieser Vorgang fiel zehnmal täglich an. Es ist für den Senat daher insbesondere nachvollziehbar, dass Frau B.-V. allein für das Richten der Bekleidung täglich zehn mal zwei Minuten veranschlagt hat. Dies gestaltete sich zur Zeit der Begutachtung durch Frau W bereits gänzlich anders, denn dort benutzte die Klägerin das Steckbecken selbstständig, während die Pflegekräfte dieses lediglich entsorgen mussten. Die Körperpflege führte die Klägerin nach Aussage der Sachverständigen bis auf Teilbereiche selbstständig durch. Frau W war der Auffassung, dass die meiste Zeit der Pflege auf die psychosoziale Versorgung der Klägerin in Anspruch genommen wurde, die jedoch nicht pflegerelevant ist. Dies macht deutlich, dass die Klägerin bei der Vornahme der Grundpflege im Sinne des § 14 SGB XI sehr viel größere Selbstständigkeit gewonnen hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Ermittlung des Pflegebedarfs nicht nur das körperliche Leistungsvermögen zu berücksichtigen, sondern er leitet sich gemäß Abschnitt D 4.0 III 8 a der auf der Grundlage des § 17 SGB XI erstellten Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches auch aus dem psychischen Befund ab. Zu Recht haben daher alle Gutachterinnen die in unterschiedlicher Ausprägung von der Klägerin gezeigte Verweigerungshaltung, die Krankheitscharakter hat, in die Beurteilung des Pflegebedarfs einbezogen.
Ein Pflegeumfang, wie ihn Frau B.-V. zu Grunde legte, der sich nahezu auf alle pflegerischen Bereiche erstreckte, ist zu späteren Zeiten nicht mehr geschildert worden. Die Verwaltung des Pflegeheims H , in dem die Klägerin vom November 2006 bis April 2009 lebte, teilte auf die Frage des Senats am 8. Februar 2016 mit, dass in der rückblickenden Erinnerung die Klägerin die grundpflegerischen Tätigkeiten nach Anreichung der Utensilien weitgehend selbstständig durchgeführt habe. Die Gutachterin N kam im August 2010 zu der Aussage, dass die Klägerin das Steckbecken selbstständig benutze. Die Gutachterin M berichtete im Dezember 2010, dass seit dem Oktober 2010 der Pflegedienst lediglich einmal täglich zur Grundpflege komme und dass weitere Pflegepersonen nicht vorhanden seien. Diese Schilderungen weichen sehr erheblich von den Darstellungen im Gutachten von Frau B.-V. ab, die insbesondere den erheblichen zeitlichen Pflegeaufwand für die Verrichtung der Notdurft und das Wasserlassens berücksichtigen musste. Dass in der Folgezeit die Befähigung der Klägerin zu eigenen grundpflegerischen Leistungen gewachsen war, ergibt sich auch aus einem Gespräch mit Frau O- vom Pflegedienst des paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 6. Januar 2011, das in der Verwaltungsakte niedergelegt ist. Frau O- teilte darin mit, dass der Wohlfahrtsverband keine Grundpflege erbringe, sondern die Klägerin diese selbst ausführe. Lediglich ein bis zweimal wöchentlich reinige eine Bekannte der Klägerin die Wohnung, der Pflegedienst solle nur die hauswirtschaftliche Versorgung übernehmen. Die Klägerin begehre einen Rollstuhl, um ihre Mobilität innerhalb der Wohnung zu verbessern. Insgesamt kommt der Senat aufgrund dieser verschiedenen unterschiedlichen Aussagen zu dem Ergebnis, dass sich der erforderliche Pflegebedarf, den Frau B.-V. geschildert hat, erheblich von dem Bedarf der übrigen Schilderungen abhebt. Diese Annahme geht mit der Aussage von Frau P einher, die eine Verringerung des Aufwandes bestätigt und allein aus der zunehmenden Selbstständigkeit der Klägerin beim Umlagern im Umfang von acht Minuten eingeschätzt hat.
Ferner ist davon auszugehen, dass dieser Pflegebedarf wenigstens 6 Monate andauerte. Die Klägerin verweigerte eine gutachterliche Untersuchung durch Frau Bernd-Vieth, so dass die Gutachterin auf die Angaben der Klägerin und des Pflegepersonals angewiesen war. Dadurch ist ausgeschlossen, dass sie in einer eigenen Untersuchung lediglich eine "Momentaufnahme" erstellt hat, denn es ist davon auszugehen, dass gerade das Pflegepersonal des Pflegeheims H der Gutachterin nicht tagesaktuelle Angaben gemacht, sondern ein Querschnittsbild dargestellt hat.
Zwar weist die Klägerin darauf hin, dass die Begutachtung vom 14. Mai 2007 einen erforderlichen Grundpflegebedarf von 123 Minuten ergeben habe. Ein geringfügig um 4 Minuten zu hoch eingeschätzter Pflegebedarf könnte folglich dazu geführt haben, dass die Gewährung der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 in dem Bescheid vom 16. Mai 2007 fehlerhaft gewesen ist und damit die Voraussetzungen des § 48 SGB 10 nicht vorlagen. Diesen Schluss vermag der Senat jedoch nicht zu ziehen. Das System der Zuordnung der Versicherten zu den einzelnen Pflegestufen erfolgt nicht im Wege der Berechnung, sondern der Einschätzung. Denn der Pflegebegriff des § 14 Abs. 1 SGB XI ist ein komplexer Rechtsbegriff, der unter Beachtung vieler Faktoren ausgefüllt werden muss. Dies ergibt sich aus der Vielzahl von pflegerelevanten Faktoren, die in Abschnitt D 3 der o. a. Pflegerichtlinien niedergelegt sind und die gegeneinander abgewogen werden müssen. Dies erfordert es, auch in der Rückschau gutachterliche Feststellungen als gegeben zu Grunde zu legen, sofern nicht Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Feststellungen oder Einschätzungen fehlerhaft sind. Das Gutachten von Frau B.-V. bietet derartige Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Einschätzung nicht. Wie ausgeführt, fand sie eine andere pflegerische Grundsituation bei der Klägerin vor als die nachfolgenden Gutachterinnen. Zwar konnte sich Frau B.-V. auf Nachfrage des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Juli 2012 an die Begutachtungssituation bei der Klägerin nicht mehr erinnern, sie bestätigte jedoch im Einzelnen ihre in dem Gutachten gemachten Äußerungen, die einen erheblich höheren Pflegebedarf widerspiegeln. Zwar obliegt der Beklagten bei der Entscheidung gemäß § 48 SGB X die Beweislast dafür, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, der Senat hält die Änderung jedoch nach dem Ergebnis des gesamten Akteninhalts für nachgewiesen. Dabei konnte er sich auf die Auswertung der vorhandenen Gutachten beschränken, ohne eine weitere Begutachtung durchführen zu lassen, denn die Fragestellung betraf ausschließlich Vorgänge der Vergangenheit, aus der bereits eine Vielzahl gutachterliche Äußerungen vorhanden sind. Eine ärztliche gutachterliche Untersuchung war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durchzuführen, denn die pflegerelevanten Diagnosen sind bekannt und nicht umstritten und die Frage des sich daraus ableitenden Pflegebedarfs ist eine pflegerische, nicht aber eine medizinische Fragestellung.
Der Senat kommt daher zu der Überzeugung, dass die pflegerelevanten Verhältnisse der Klägerin sich seit der Begutachtung durch Frau B.-V. wesentlich geändert haben und dass die Beklagte daher berechtigt war, die Pflegestufe abzusenken. Die Beklagte hat dies innerhalb der gesetzlichen Fristen vorgenommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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