Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 1850/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Gewährung von Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 aufgrund eines Überprüfungsantrages.
Die am 00.00.1964 geborene Klägerin lebte mit ihren Töchtern O, geboren am 00.00.1994 und D, geboren am 00.00.1997, in einem Haushalt. Seit dem Jahr 2007 bezog die klägerische Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 27.10.2008 bewilligte der Beklagte der klägerischen Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 21.11.2008 Leistungen für die Zeit von Dezember 2008 bis Mai 2009. Die Bewilligung erfolgte aufgrund der ungeklärten Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorläufig. Bedarfe für Unterkunft wurden nur in Höhe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Kosten übernommen. Mit dem hiergegen am 19.12.2008 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Kürzung der Bedarfe für Unterkunft nicht gerechtfertigt gewesen sei, da sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, einen Umzug durchzuführen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2009 als unbegründet zurück, da der angefochtene Bescheid den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Eine endgültige Festsetzung ist bislang nicht erfolgt.
Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 25.02.2010 wurde der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 31.03.2011 bewilligt. Die befristete Erwerbsminderungsrente wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 03.02.2011 in eine Dauerrente umgewandelt.
Am 25.10.2013 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 21.11.2008 bezüglich des Zeitraumes vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009. Ihr werde seit dem 01.04.2008 von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. In einem sozialgerichtlichen Verfahren habe geklärt werden müssen, wer in welchen Zeiträumen anspruchsberechtigt gewesen sei. Erst mit Bescheiden vom 02.09.2013 habe der Landkreis Mittelsachsen anerkannt, dass sie in der Zeit vom 01.04.2008 bis zum 16.01.2009 einen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt habe. Da ihre Tochter am 17.01.2009 15 Jahre alt geworden sei, sei jene von diesem Zeitpunkt an Kopf der Bedarfsgemeinschaft und leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen. Die Kürzung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung erscheine nicht als gerechtfertigt, da es ihr aufgrund der erheblichen gesundheitlichen Beschwerden nicht zumutbar gewesen sei, umzuziehen.
Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 29.10.2013 ohne Sach- und Rechtsprüfung ab, da eine Rücknahme und Nachzahlung nur für einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen könne. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Überprüfungsantrag gestellt würde. Der zu überprüfende Zeitraum liege außerhalb dieser Frist.
Mit dem hiergegen am 15.11.2013 erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass der Überprüfungsantrag nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts unbefristet sei. Die Regelungen des § 44 Abs. 4 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II betreffe nicht eine Frist zur Antragstellung, sondern zur Nachzahlung einer Leistung.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2014 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 sei bindend geworden, da nicht fristgerecht Klage erhoben worden sei. Der Antrag der Klägerin sei am 25.10.2013 bei dem Beklagten eingegangen, so dass Leistungen für Zeiten bis zum 31.12.2011 nicht mehr zu erbringen seien. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Aufhebung. Die Ablehnung der Überprüfung sei daher nicht zu beanstanden. Zudem sei die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag im streitigen Zeitraum gesundheitlich wieder in der Lage gewesen, einen Umzug durchzuführen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 31.01.2014 zur Post gegeben. Auf eine Sachstandsanfrage der Klägerin vom 26.09.2014 übersandte der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 30.09.2014 erneut.
Mit der am 29.10.2014 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Nachzahlung von Bedarfen für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009. Sie habe einen Rechtsstreit am Sozialgericht Chemnitz gegen den Beklagten geführt. Es sei um die gesenkten Kosten der Unterkunft gestritten worden, da ihre Wohnung zu groß gewesen sei. Der Rechtsstreit sei nach richterlichen Hinweis nach 1 ½-jähriger Dauer beendet worden, da zum 01.04.2008 ein Rechtskreiswechsel stattgefunden habe. Denn sie habe von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine volle Erwerbsminderungsrente erstritten. Aufgrund dieses Ergebnisses sei nachfolgend ein Rechtstreit gegen das Landratsamt Mittelsachsen auf Leistungen nach dem SGB XII am Sozialgericht Chemnitz geführt worden. Innerhalb dieses Verfahrens sei festgestellt worden, dass ihre älteste Tochter am 17.01.2009 15 Jahre alt geworden sei. Damit sei diese Kopf der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II geworden und ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe ab jenem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen. Der Rechtsstreit habe dann mit einem Vergleich dahingehend geendet, dass das Landratsamt Mittelsachsen für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 16.01.2009 und vom 01.04.2011 und bis zum 31.07.2011 Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen habe. Der Antrag nach § 44 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei unbefristet. Bei der Auslegung des Beklagten würde man Leistungsempfängern nach dem SGB II Rechte abschneiden. Wenn ein Fehler der Behörde erst später festgestellt werde, habe der Leistungsempfänger keine Möglichkeiten mehr, dagegen vorzugehen, wenn die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II verstrichen sei. Damit würden Leistungsempfänger nach dem SGB II schlechter gestellt als Empfänger anderer Sozialleistungen. Die lange Dauer der vorangegangenen Rechtstreite sowie der Rechtskreiswechsel aufgrund der rückwirkenden Gewährung von Erwerbsminderungsrente könne nicht zu ihren Lasten gehen. Schließlich habe die Deutsche Rentenversicherung Bund eine fehlerhafte Entscheidung getroffen. Erst hierdurch seien die nachfolgenden Rechtsstreite ausgelöst worden. Erst im letzten Rechtsstreit, als klargeworden sei, in welchen Zeiträumen sie welchem Rechtskreis - SGB II oder SGB XII - zugehörig gewesen sei, habe der Überprüfungsantrag gestellt werden können. Da der Beklagte selbst an den vorangegangenen Rechtsstreiten zumindest mittelbar beteiligt gewesen sei und diese auch in unzulässiger Weise verzögert habe, erscheine es rechtsmissbräuchlich, sich nun auf die Unzulässigkeit zu berufen. Zudem sei ihr ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund ihrer Situation als alleinerziehende Mutter mit zwei minderjährigen Kindern ohne Hilfe von Verwandten und Bekannten (da sie nicht aus Sachsen stamme) unzumutbar gewesen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2014 zu verurteilen, den Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 teilweise zurückzunehmen und ihr für die Zeit vom 17.01.2009 bis 31.01.2009 weitere Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Es bestehe keine Möglichkeit, von der zu beachtenden Jahresfrist abzuweichen. Selbst bei Anwendung der Vier-Jahres-Frist sei diese im Zeitpunkt der Antragstellung verstrichen gewesen. Die zeitliche Begrenzung von Nachzahlungen sei unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft als verfassungsmäßig anzusehen. Auf ein Verschulden der Behörde komme es grundsätzlich nicht an.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich zuvor mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klagefrist ist durch die Klageerhebung am 29.10.2014 gewahrt.
Die Klage ist gem. § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, § 87 Abs. 2 SGG. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Zwar ist der Widerspruchsbescheid vom 31.01.2014 ausweislich des auf ihm befindlichen Absendevermerks am 31.01.2014 abgesandt worden, allerdings hat die Klägerin durch ihre Sachstandsanfrage vom 26.09.2014 zum Ausdruck gebracht, dass ihr dieser nicht zugegangen sei. Der Beklagte hat keinen Nachweis für einen Zugang bzw. dessen Zeitpunkt erbracht, sondern den Widerspruchsbescheid unter dem 30.09.2014 erneut übersandt. Die Klägerin hat sodann innerhalb der Klagefrist am 29.10.2014 Klage erhoben.
Die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der angefochtene Bescheid vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2014 rechtmäßig ist. Denn die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 und Gewährung weiterer Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der streitgegenständliche Zeitraum war aufgrund der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X einer Überprüfung und Nachbewilligung von Leistungen nicht mehr zugänglich.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann lediglich der kopfteilige Anspruch der Klägerin auf Bewilligung höherer Bedarfe für Unterkunft sein, nicht also die gesamte Differenz zwischen den tatsächlichen und den aus Sicht des Beklagten angemessenen Bedarfen. Über Ansprüche der Töchter der Klägerin ist nicht zu entscheiden, da diese nicht Klage erhoben haben. Da Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II Individualansprüche sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7 b AS 8/06 R), können Bedarfsgemeinschaften das Ziel der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur erreichen, wenn jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft im eigenen Namen Klage erhebt. Gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das Gericht allerdings an die Fassung des Antrags nicht gebunden. Der Antrag ist vielmehr nach dem Meistbegünstigungsprinzip unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens auszulegen (BSG, a.a.O.). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die inhaltliche Ausgestaltung eines Klageantrags einer Person; er muss vielmehr im Hinblick auf die vorliegenden rechtlichen Besonderheiten einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II und die daraus resultierenden tatsächlichen Ungereimtheiten des Verwaltungs- und des prozessualen Verfahrens auch für die Auslegung herangezogen werden, welche Personen überhaupt Klage erhoben haben. Für eine Übergangszeit (bis zum 30. Juni 2007) waren dabei Klageanträge wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten und daraus resultierenden Zweifel in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistung zu erhalten, es sei denn, einer solchen Auslegung wurde durch die betroffenen Personen widersprochen bzw. eine Bedarfsgemeinschaft bestritten oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft waren offensichtlich vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (vgl. BSG, a.a.O.). Abgesehen davon, dass die vom BSG eingeräumte Übergangszeit bei Stellung des Klageantrags seit mehreren Jahren abgelaufen war, lässt sich der Klageschrift in keiner Weise entnehmen, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben wurde. Diese leben offenbar mit der Klägerin gar nicht mehr zusammen. Auch aus den Gesamtumständen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben werden sollte. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis käme, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben wurde, so ist diese auch insoweit zwar zulässig, aber unbegründet.
Denn eine Nachzahlung der begehrten Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum ist - unabhängig davon, ob sie der klägerischen Bedarfsgemeinschaft materiell-rechtlich zugestanden hätte - nicht mehr möglich. Einer Entscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X darüber, ob der Klägerin in der Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und die insoweit ergangenen Bescheide rechtswidrig waren, bedarf es nicht.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Nach Satz 2 der Vorschrift wird dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X anstelle der Rücknahme der Antrag.
Zwar ist nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme möglich. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt aber im Bereich des SGB II nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Dies gilt nach § 77 Abs. 13 SGB II für Anträge die - wie hier - ab dem 01.04.2011 gestellt worden sind. Da nach § 44 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB X der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet wird, in dem der Antrag gestellt wurde, ist ausgehend von der Antragstellung am 25.10.2013 die Rücknahme und Nachbewilligung von SGB II-Leistungen hier nur für einen Zeitraum ab dem 01.01.2012 möglich.
Dem steht auch nicht - wie die Klägerin aber meint - die Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) entgegen. So führt jenes in der von der Klägerin zitierten Entscheidung zum Az. L 3 AS 228/12 zwar richtigerweise aus, dass sich eine Frist, innerhalb derer ein Antrag auf Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu stellen ist, weder aus § 44 SGB X noch aus § 40 SGB II ergebe. Auch nach der Auffassung des Sächsischen LSG betrifft dies aber lediglich die unbefristet mögliche Antragstellung. Eine Rücknahme und Nachzahlung von Sozialleistungen ist hingegen längstens für einen Zeitraum bis zu vier (§ 44 SGB X) bzw. im Grundsicherungsrecht bis zu einem Jahr (§ 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II) vor der Rücknahme möglich. Der Überprüfungsantrag ist danach nicht fristgebunden, befristet ist jedoch der Anspruch auf Nachzahlung von Sozialleistungen (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 28.03.2013, Az. L 3 AS 228/12, Rn. 38-40, zitiert nach juris).
Kann die Klägerin aufgrund der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht (mehr) erhalten, kann sie auch kein rechtliches Interesse an einer Rücknahme gem. § 44 Abs. 1 SGB X haben. Denn § 44 Abs. 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen eine (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 Abs. 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X zugebilligt werden. Die Anwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, Az. B 7 AY 6/12 R). Wenn Leistungen rückwirkend nicht zu erbringen sind, ist also auch kein Raum für eine isolierte Rücknahme, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist (vgl. BSG, a.a.O.). Zwar wird nach dem Wortlaut allein auf die Frist zur rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen verwiesen und keine Rücknahmefrist geregelt. Die Klägerin hat nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aber auch keinen Anspruch auf isolierte Rücknahme. Ein durch tatsächliches Leisten zu vollziehender Verwaltungsakt ist nicht mehr zu erlassen, wenn er nicht ausgeführt werden darf. Er wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden, die hier auch die - mitunter recht schwierige und aufwändige - Prüfung der Unrichtigkeit einbezöge (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 15.01.2013, Az. L 6 AS 364/12 B; Eicher/Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 40, Rn. 26 m.w.N.; Aubel in: jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 40, Rn. 26).
Die Kammer hat - auch vor dem Hintergrund einer Schlechterstellung der Leistungsempfänger nach dem SGB II gegenüber Empfängern anderer Sozialleistungen - keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift nicht in Freiheitsgrundrechte, insbesondere nicht in Art. 14 Abs. 1 GG, ein, denn die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II sind nicht vom Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes (GG) umfasst. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verlangt nur die Gewährung von Leistungen, die zur gegenwärtigen Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Die rückwirkende Gewährung (höherer) existenzsichernder Leistungen ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, da hierdurch lediglich eine nachträgliche Entschädigung, nicht jedoch eine gegenwärtige Existenzsicherung erreicht werden kann. Dies gilt erst recht, wenn die Leistungsgewährung, wie es im Rahmen der Anwendung des § 44 SGB X der Regelfall ist, zunächst bestandskräftig abgelehnt wurde. In diesem Fall ist eine vollständige Wiederherstellung des Zustandes, der bestanden hätte, wenn die Leistungen nicht rechtswidrigerweise abgelehnt worden wären, auch nicht aufgrund von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 oder Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geboten. Dem Grundgesetz ist keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 15.01.2013, Az. L 6 AS 364/12; Aubel a.a.O., Rn. 24 m.w.N.). Dies hat das Bundessozialgericht im Hinblick auf die einschränkende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bereits mit seiner Entscheidung vom 23.07.1986 (Az. 1 RA 31/85) klargestellt. Danach stellt die Beschränkung eines rückwirkenden Rentenanspruchs durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger auf einen Zeitraum von nur vier Jahren - unter Beachtung der die Versichertengemeinschaft berührenden Interessen - eine zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums dar. Das Bundessozialgericht verweist insoweit insbesondere darauf, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt. Das gilt insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und Anwartschaften zu beschränken. Sofern dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten. Diese Rechtsprechung lässt sich erst recht auf die Leistungen nach dem SGB II übertragen, die – wie oben bereits ausgeführt – als steuerfinanzierte Leistungen gerade nicht vom Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes umfasst sind. Sofern der Gesetzgeber Sozialleistungen aus Steuermitteln gewährt, ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung und auch der Einschränkung derselben zuzubilligen. Dementsprechend wendet das Bundessozialgericht die Parallelvorschrift zu § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Bereich der Sozialhilfe, § 116 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), analog im Asylbewerberleistungsrecht an, ohne die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in Frage zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, Az.: B 7 AY 6/12 R). Das BSG nimmt insoweit insbesondere Bezug auf den Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung der Regelungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II und des § 116 a SGB XII. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X für die Leistungen, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhaltes dienten und dabei in besonderem Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten (sog. Aktualitätsgrundsatz) zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht (BT-Drucks.17/3404, S.114, 129). Die seitens der Klägerin monierte Schlechterstellung von Leistungsempfängern nach dem SGB II gegenüber Empfängern anderer Sozialleistungen rechtfertigt sich demgemäß daraus, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II (wie auch bei jenen nach dem SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz) um steuerfinanzierte Leistungen zur Deckung aktueller Bedarfe handelt, im Gegensatz zu Leistungen z. B. nach dem SGB III (Arbeitslosenversicherung) oder SGB VI (Rentenversicherung), die bedarfsunabhängige Versicherungsleistungen darstellen.
Vor diesem Hintergrund begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II im konkreten Fall keinen Bedenken. Soweit die Klägerin vorträgt, die Berufung des Beklagten auf die Vorschrift sei rechtsmissbräuchlich, ist dem entgegen zu halten, dass der Beklagte § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II als (verschuldensunabhängige) Vorschrift zwingenden Rechts bei der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes zu beachten hat. Dem Beklagten kommt insoweit kein Ermessen zu (vgl. insoweit zur Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X BSG, Urteil vom 23.07.1986, Az. 1 RA 31/85). Abgesehen davon ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen, dass der Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 bestandskräftig geworden ist bzw. dass die Klägerin den Überprüfungsantrag nicht früher gestellt hat. So war es der Klägerin (gerade da die Frage, welchem Rechtskreis sie im streitigen Zeitraum zugehörig war, noch nicht abschließend geklärt war) unbenommen, gegen die streitgegenständlichen Bescheide rechtzeitig Klage zu erheben bzw. den Antrag nach § 44 SGB X rechtzeitig zu stellen. Ggf. hätten entsprechende Verfahren bis zur Klärung der Vorfragen ruhend gestellt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 84,03 Euro und erreicht nicht die Berufungssumme. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Fragen der Anwendung und Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X anhand des Gesetzes sowie der zitierten Rechtsprechung ohne weiteres beantwortet werden können. Soweit die Anwendung der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X im konkreten Fall von Seiten der Klägerin bemängelt wird, kann dieser Frage eine grundsätzliche Bedeutung nicht zukommen. Auch die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGG sind nicht erfüllt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Gewährung von Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 aufgrund eines Überprüfungsantrages.
Die am 00.00.1964 geborene Klägerin lebte mit ihren Töchtern O, geboren am 00.00.1994 und D, geboren am 00.00.1997, in einem Haushalt. Seit dem Jahr 2007 bezog die klägerische Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 27.10.2008 bewilligte der Beklagte der klägerischen Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 21.11.2008 Leistungen für die Zeit von Dezember 2008 bis Mai 2009. Die Bewilligung erfolgte aufgrund der ungeklärten Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorläufig. Bedarfe für Unterkunft wurden nur in Höhe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Kosten übernommen. Mit dem hiergegen am 19.12.2008 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Kürzung der Bedarfe für Unterkunft nicht gerechtfertigt gewesen sei, da sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, einen Umzug durchzuführen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2009 als unbegründet zurück, da der angefochtene Bescheid den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Eine endgültige Festsetzung ist bislang nicht erfolgt.
Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 25.02.2010 wurde der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 31.03.2011 bewilligt. Die befristete Erwerbsminderungsrente wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 03.02.2011 in eine Dauerrente umgewandelt.
Am 25.10.2013 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 21.11.2008 bezüglich des Zeitraumes vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009. Ihr werde seit dem 01.04.2008 von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. In einem sozialgerichtlichen Verfahren habe geklärt werden müssen, wer in welchen Zeiträumen anspruchsberechtigt gewesen sei. Erst mit Bescheiden vom 02.09.2013 habe der Landkreis Mittelsachsen anerkannt, dass sie in der Zeit vom 01.04.2008 bis zum 16.01.2009 einen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt habe. Da ihre Tochter am 17.01.2009 15 Jahre alt geworden sei, sei jene von diesem Zeitpunkt an Kopf der Bedarfsgemeinschaft und leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen. Die Kürzung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung erscheine nicht als gerechtfertigt, da es ihr aufgrund der erheblichen gesundheitlichen Beschwerden nicht zumutbar gewesen sei, umzuziehen.
Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 29.10.2013 ohne Sach- und Rechtsprüfung ab, da eine Rücknahme und Nachzahlung nur für einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen könne. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Überprüfungsantrag gestellt würde. Der zu überprüfende Zeitraum liege außerhalb dieser Frist.
Mit dem hiergegen am 15.11.2013 erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass der Überprüfungsantrag nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts unbefristet sei. Die Regelungen des § 44 Abs. 4 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II betreffe nicht eine Frist zur Antragstellung, sondern zur Nachzahlung einer Leistung.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2014 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 sei bindend geworden, da nicht fristgerecht Klage erhoben worden sei. Der Antrag der Klägerin sei am 25.10.2013 bei dem Beklagten eingegangen, so dass Leistungen für Zeiten bis zum 31.12.2011 nicht mehr zu erbringen seien. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Aufhebung. Die Ablehnung der Überprüfung sei daher nicht zu beanstanden. Zudem sei die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag im streitigen Zeitraum gesundheitlich wieder in der Lage gewesen, einen Umzug durchzuführen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 31.01.2014 zur Post gegeben. Auf eine Sachstandsanfrage der Klägerin vom 26.09.2014 übersandte der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 30.09.2014 erneut.
Mit der am 29.10.2014 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Nachzahlung von Bedarfen für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009. Sie habe einen Rechtsstreit am Sozialgericht Chemnitz gegen den Beklagten geführt. Es sei um die gesenkten Kosten der Unterkunft gestritten worden, da ihre Wohnung zu groß gewesen sei. Der Rechtsstreit sei nach richterlichen Hinweis nach 1 ½-jähriger Dauer beendet worden, da zum 01.04.2008 ein Rechtskreiswechsel stattgefunden habe. Denn sie habe von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine volle Erwerbsminderungsrente erstritten. Aufgrund dieses Ergebnisses sei nachfolgend ein Rechtstreit gegen das Landratsamt Mittelsachsen auf Leistungen nach dem SGB XII am Sozialgericht Chemnitz geführt worden. Innerhalb dieses Verfahrens sei festgestellt worden, dass ihre älteste Tochter am 17.01.2009 15 Jahre alt geworden sei. Damit sei diese Kopf der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II geworden und ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe ab jenem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen. Der Rechtsstreit habe dann mit einem Vergleich dahingehend geendet, dass das Landratsamt Mittelsachsen für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 16.01.2009 und vom 01.04.2011 und bis zum 31.07.2011 Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen habe. Der Antrag nach § 44 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei unbefristet. Bei der Auslegung des Beklagten würde man Leistungsempfängern nach dem SGB II Rechte abschneiden. Wenn ein Fehler der Behörde erst später festgestellt werde, habe der Leistungsempfänger keine Möglichkeiten mehr, dagegen vorzugehen, wenn die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II verstrichen sei. Damit würden Leistungsempfänger nach dem SGB II schlechter gestellt als Empfänger anderer Sozialleistungen. Die lange Dauer der vorangegangenen Rechtstreite sowie der Rechtskreiswechsel aufgrund der rückwirkenden Gewährung von Erwerbsminderungsrente könne nicht zu ihren Lasten gehen. Schließlich habe die Deutsche Rentenversicherung Bund eine fehlerhafte Entscheidung getroffen. Erst hierdurch seien die nachfolgenden Rechtsstreite ausgelöst worden. Erst im letzten Rechtsstreit, als klargeworden sei, in welchen Zeiträumen sie welchem Rechtskreis - SGB II oder SGB XII - zugehörig gewesen sei, habe der Überprüfungsantrag gestellt werden können. Da der Beklagte selbst an den vorangegangenen Rechtsstreiten zumindest mittelbar beteiligt gewesen sei und diese auch in unzulässiger Weise verzögert habe, erscheine es rechtsmissbräuchlich, sich nun auf die Unzulässigkeit zu berufen. Zudem sei ihr ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund ihrer Situation als alleinerziehende Mutter mit zwei minderjährigen Kindern ohne Hilfe von Verwandten und Bekannten (da sie nicht aus Sachsen stamme) unzumutbar gewesen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2014 zu verurteilen, den Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 teilweise zurückzunehmen und ihr für die Zeit vom 17.01.2009 bis 31.01.2009 weitere Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Es bestehe keine Möglichkeit, von der zu beachtenden Jahresfrist abzuweichen. Selbst bei Anwendung der Vier-Jahres-Frist sei diese im Zeitpunkt der Antragstellung verstrichen gewesen. Die zeitliche Begrenzung von Nachzahlungen sei unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft als verfassungsmäßig anzusehen. Auf ein Verschulden der Behörde komme es grundsätzlich nicht an.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich zuvor mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klagefrist ist durch die Klageerhebung am 29.10.2014 gewahrt.
Die Klage ist gem. § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, § 87 Abs. 2 SGG. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Zwar ist der Widerspruchsbescheid vom 31.01.2014 ausweislich des auf ihm befindlichen Absendevermerks am 31.01.2014 abgesandt worden, allerdings hat die Klägerin durch ihre Sachstandsanfrage vom 26.09.2014 zum Ausdruck gebracht, dass ihr dieser nicht zugegangen sei. Der Beklagte hat keinen Nachweis für einen Zugang bzw. dessen Zeitpunkt erbracht, sondern den Widerspruchsbescheid unter dem 30.09.2014 erneut übersandt. Die Klägerin hat sodann innerhalb der Klagefrist am 29.10.2014 Klage erhoben.
Die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der angefochtene Bescheid vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2014 rechtmäßig ist. Denn die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 und Gewährung weiterer Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 84,03 Euro für die Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der streitgegenständliche Zeitraum war aufgrund der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X einer Überprüfung und Nachbewilligung von Leistungen nicht mehr zugänglich.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann lediglich der kopfteilige Anspruch der Klägerin auf Bewilligung höherer Bedarfe für Unterkunft sein, nicht also die gesamte Differenz zwischen den tatsächlichen und den aus Sicht des Beklagten angemessenen Bedarfen. Über Ansprüche der Töchter der Klägerin ist nicht zu entscheiden, da diese nicht Klage erhoben haben. Da Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II Individualansprüche sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7 b AS 8/06 R), können Bedarfsgemeinschaften das Ziel der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur erreichen, wenn jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft im eigenen Namen Klage erhebt. Gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das Gericht allerdings an die Fassung des Antrags nicht gebunden. Der Antrag ist vielmehr nach dem Meistbegünstigungsprinzip unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens auszulegen (BSG, a.a.O.). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die inhaltliche Ausgestaltung eines Klageantrags einer Person; er muss vielmehr im Hinblick auf die vorliegenden rechtlichen Besonderheiten einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II und die daraus resultierenden tatsächlichen Ungereimtheiten des Verwaltungs- und des prozessualen Verfahrens auch für die Auslegung herangezogen werden, welche Personen überhaupt Klage erhoben haben. Für eine Übergangszeit (bis zum 30. Juni 2007) waren dabei Klageanträge wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten und daraus resultierenden Zweifel in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistung zu erhalten, es sei denn, einer solchen Auslegung wurde durch die betroffenen Personen widersprochen bzw. eine Bedarfsgemeinschaft bestritten oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft waren offensichtlich vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (vgl. BSG, a.a.O.). Abgesehen davon, dass die vom BSG eingeräumte Übergangszeit bei Stellung des Klageantrags seit mehreren Jahren abgelaufen war, lässt sich der Klageschrift in keiner Weise entnehmen, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben wurde. Diese leben offenbar mit der Klägerin gar nicht mehr zusammen. Auch aus den Gesamtumständen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben werden sollte. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis käme, dass die Klage auch für die Töchter der Klägerin erhoben wurde, so ist diese auch insoweit zwar zulässig, aber unbegründet.
Denn eine Nachzahlung der begehrten Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum ist - unabhängig davon, ob sie der klägerischen Bedarfsgemeinschaft materiell-rechtlich zugestanden hätte - nicht mehr möglich. Einer Entscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X darüber, ob der Klägerin in der Zeit vom 17.01.2009 bis zum 31.01.2009 Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und die insoweit ergangenen Bescheide rechtswidrig waren, bedarf es nicht.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Nach Satz 2 der Vorschrift wird dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X anstelle der Rücknahme der Antrag.
Zwar ist nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme möglich. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt aber im Bereich des SGB II nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Dies gilt nach § 77 Abs. 13 SGB II für Anträge die - wie hier - ab dem 01.04.2011 gestellt worden sind. Da nach § 44 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB X der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet wird, in dem der Antrag gestellt wurde, ist ausgehend von der Antragstellung am 25.10.2013 die Rücknahme und Nachbewilligung von SGB II-Leistungen hier nur für einen Zeitraum ab dem 01.01.2012 möglich.
Dem steht auch nicht - wie die Klägerin aber meint - die Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) entgegen. So führt jenes in der von der Klägerin zitierten Entscheidung zum Az. L 3 AS 228/12 zwar richtigerweise aus, dass sich eine Frist, innerhalb derer ein Antrag auf Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu stellen ist, weder aus § 44 SGB X noch aus § 40 SGB II ergebe. Auch nach der Auffassung des Sächsischen LSG betrifft dies aber lediglich die unbefristet mögliche Antragstellung. Eine Rücknahme und Nachzahlung von Sozialleistungen ist hingegen längstens für einen Zeitraum bis zu vier (§ 44 SGB X) bzw. im Grundsicherungsrecht bis zu einem Jahr (§ 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II) vor der Rücknahme möglich. Der Überprüfungsantrag ist danach nicht fristgebunden, befristet ist jedoch der Anspruch auf Nachzahlung von Sozialleistungen (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 28.03.2013, Az. L 3 AS 228/12, Rn. 38-40, zitiert nach juris).
Kann die Klägerin aufgrund der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht (mehr) erhalten, kann sie auch kein rechtliches Interesse an einer Rücknahme gem. § 44 Abs. 1 SGB X haben. Denn § 44 Abs. 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen eine (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 Abs. 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X zugebilligt werden. Die Anwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, Az. B 7 AY 6/12 R). Wenn Leistungen rückwirkend nicht zu erbringen sind, ist also auch kein Raum für eine isolierte Rücknahme, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist (vgl. BSG, a.a.O.). Zwar wird nach dem Wortlaut allein auf die Frist zur rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen verwiesen und keine Rücknahmefrist geregelt. Die Klägerin hat nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aber auch keinen Anspruch auf isolierte Rücknahme. Ein durch tatsächliches Leisten zu vollziehender Verwaltungsakt ist nicht mehr zu erlassen, wenn er nicht ausgeführt werden darf. Er wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden, die hier auch die - mitunter recht schwierige und aufwändige - Prüfung der Unrichtigkeit einbezöge (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 15.01.2013, Az. L 6 AS 364/12 B; Eicher/Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 40, Rn. 26 m.w.N.; Aubel in: jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 40, Rn. 26).
Die Kammer hat - auch vor dem Hintergrund einer Schlechterstellung der Leistungsempfänger nach dem SGB II gegenüber Empfängern anderer Sozialleistungen - keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift nicht in Freiheitsgrundrechte, insbesondere nicht in Art. 14 Abs. 1 GG, ein, denn die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II sind nicht vom Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes (GG) umfasst. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verlangt nur die Gewährung von Leistungen, die zur gegenwärtigen Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Die rückwirkende Gewährung (höherer) existenzsichernder Leistungen ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, da hierdurch lediglich eine nachträgliche Entschädigung, nicht jedoch eine gegenwärtige Existenzsicherung erreicht werden kann. Dies gilt erst recht, wenn die Leistungsgewährung, wie es im Rahmen der Anwendung des § 44 SGB X der Regelfall ist, zunächst bestandskräftig abgelehnt wurde. In diesem Fall ist eine vollständige Wiederherstellung des Zustandes, der bestanden hätte, wenn die Leistungen nicht rechtswidrigerweise abgelehnt worden wären, auch nicht aufgrund von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 oder Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geboten. Dem Grundgesetz ist keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 15.01.2013, Az. L 6 AS 364/12; Aubel a.a.O., Rn. 24 m.w.N.). Dies hat das Bundessozialgericht im Hinblick auf die einschränkende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bereits mit seiner Entscheidung vom 23.07.1986 (Az. 1 RA 31/85) klargestellt. Danach stellt die Beschränkung eines rückwirkenden Rentenanspruchs durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger auf einen Zeitraum von nur vier Jahren - unter Beachtung der die Versichertengemeinschaft berührenden Interessen - eine zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums dar. Das Bundessozialgericht verweist insoweit insbesondere darauf, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt. Das gilt insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und Anwartschaften zu beschränken. Sofern dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten. Diese Rechtsprechung lässt sich erst recht auf die Leistungen nach dem SGB II übertragen, die – wie oben bereits ausgeführt – als steuerfinanzierte Leistungen gerade nicht vom Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes umfasst sind. Sofern der Gesetzgeber Sozialleistungen aus Steuermitteln gewährt, ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung und auch der Einschränkung derselben zuzubilligen. Dementsprechend wendet das Bundessozialgericht die Parallelvorschrift zu § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Bereich der Sozialhilfe, § 116 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), analog im Asylbewerberleistungsrecht an, ohne die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in Frage zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, Az.: B 7 AY 6/12 R). Das BSG nimmt insoweit insbesondere Bezug auf den Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung der Regelungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II und des § 116 a SGB XII. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X für die Leistungen, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhaltes dienten und dabei in besonderem Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten (sog. Aktualitätsgrundsatz) zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht (BT-Drucks.17/3404, S.114, 129). Die seitens der Klägerin monierte Schlechterstellung von Leistungsempfängern nach dem SGB II gegenüber Empfängern anderer Sozialleistungen rechtfertigt sich demgemäß daraus, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II (wie auch bei jenen nach dem SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz) um steuerfinanzierte Leistungen zur Deckung aktueller Bedarfe handelt, im Gegensatz zu Leistungen z. B. nach dem SGB III (Arbeitslosenversicherung) oder SGB VI (Rentenversicherung), die bedarfsunabhängige Versicherungsleistungen darstellen.
Vor diesem Hintergrund begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II im konkreten Fall keinen Bedenken. Soweit die Klägerin vorträgt, die Berufung des Beklagten auf die Vorschrift sei rechtsmissbräuchlich, ist dem entgegen zu halten, dass der Beklagte § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II als (verschuldensunabhängige) Vorschrift zwingenden Rechts bei der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes zu beachten hat. Dem Beklagten kommt insoweit kein Ermessen zu (vgl. insoweit zur Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X BSG, Urteil vom 23.07.1986, Az. 1 RA 31/85). Abgesehen davon ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen, dass der Bescheid vom 21.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 bestandskräftig geworden ist bzw. dass die Klägerin den Überprüfungsantrag nicht früher gestellt hat. So war es der Klägerin (gerade da die Frage, welchem Rechtskreis sie im streitigen Zeitraum zugehörig war, noch nicht abschließend geklärt war) unbenommen, gegen die streitgegenständlichen Bescheide rechtzeitig Klage zu erheben bzw. den Antrag nach § 44 SGB X rechtzeitig zu stellen. Ggf. hätten entsprechende Verfahren bis zur Klärung der Vorfragen ruhend gestellt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 84,03 Euro und erreicht nicht die Berufungssumme. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Fragen der Anwendung und Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X anhand des Gesetzes sowie der zitierten Rechtsprechung ohne weiteres beantwortet werden können. Soweit die Anwendung der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X im konkreten Fall von Seiten der Klägerin bemängelt wird, kann dieser Frage eine grundsätzliche Bedeutung nicht zukommen. Auch die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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