L 5 RS 60/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 27 RS 401/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 60/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes - keine fiktiven Jahresendprämien für Zuordnungszeiten zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz aufgrund beruflicher Rehabilitierung
1. Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.
2. Die Berücksichtigung fiktiver Jahresendprämien für Zuordnungszeiten zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz aufgrund beruflicher Rehabilitierung kommt mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht in Betracht.
I. Auf die Berufungen der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2014 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 12. November 2010 in der Fassung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 in der Fassung des angenommenen Anerkenntnisses vom 1. Juni 2015 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1972 bis 1975 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind: Für das Jahr: 1972 253,37 Mark 1973 291,63 Mark 1974 292,17 Mark 1975 285,65 Mark Im Übrigen werden die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Siebentel.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1971 bis 1990 (Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.

Dem 1945 geborenen Kläger wurde, nach einem Hochschulstudium in der Fachstudienrichtung Fertigungstechnik an der Technischen Universität Y ... in der Zeit von September 1966 bis Februar 1971, mit Urkunde vom 22. April 1971 der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Er war vom 1. April 1971 bis 9. Februar 1976 als Technologe und Gruppenleiter Technologie im volkseigenen Betrieb (VEB) Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... beschäftigt. Nach (rechtsstaatswidriger) Kündigung und (rechtsstaatswidriger) Nichtbeschäftigung in seinem erlernten Beruf war er vom 19. Februar 1976 bis 18. Juli 1977 als Einbrennlackierer bei der W ... Einbrennlackierung A ... beschäftigt und ging vom 18. Juli 1977 bis 31. Dezember 1991 einer selbständigen Tätigkeit als Fahrradmechaniker nach. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Auf Antrag des Klägers stellte das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales Chemnitz in seiner Eigenschaft als Rehabilitierungsbehörde mit "Bescheinigung nach §§ 17, 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) für Zwecke der Rentenversicherung" vom 3. Mai 2002 fest, dass der Kläger im Zeitraum vom 10. Februar 1976 bis 2. Oktober 1990 Opfer rechtsstaatswidriger bzw. der politischen Verfolgung dienender Maßnahmen im Beitrittsgebiet (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG) war und bei ihm im Verfolgungszeitraum (10. Februar 1976 bis 2. Oktober 1990), die Tätigkeit als "Technologe/Gruppenleiter", die ohne die Verfolgung ausgeübt worden wäre, zu Grunde zu legen ist. Diese Tätigkeit wurde dem Wirtschaftsbereich 3 und der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet. Zugleich wurde festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Diplomingenieur des VEB Stahl- und Walzwerks X ... (auch im Verfolgungszeitraum) dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG zuzuordnen ist.

Mit (formlosen und formularmäßigen) Anträgen vom 10. Mai 2010, 17. Mai 2010 und 27. Juni 2010 begehrte der Kläger von der Beklagten die Feststellung von Zusatzversorgungszeiten sowie Entgelten, unter Einbeziehung von Jahresendprämien, und meinte, bei ihm müsse wegen des Berufsverbots zu DDR-Zeiten mit inzwischen erfolgter beruflicher Rehabilitierung ein fiktiver Lebenslauf für einen Ingenieur erstellt werden. Er reichte unter anderem, folgende Unterlagen ein: - die Rehabilitierungsbescheinigung vom 3. Mai 2002, - einen arbeitsgerichtlichen Klageschriftsatz vom 28. Juni 1977, - das Urteil des Kreisgerichts X ... vom 21. September 1977 (im Verfahren A 27/77), mit dem ihm eine abgeänderte Abschlussbeurteilung und Lohnnachzahlungen für den Zeitraum vom 7. Februar 1976 bis 21. Februar 1977 in Höhe von 6.950,77 Mark (darunter eine "Jahresendprämie für das Jahr 1976 in voller Höhe von 1.200,00 Mark") zugesprochen wurden sowie - das Urteil des Bezirksgerichts A ... vom 26. November 1979 (im Verfahren 7 BAB 62/78) mit dem ihm eine Vergütung für einen Neuerervorschlag in Höhe von 1.369,00 Mark zugesprochen wurde. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19. Juli 2010 eine Lohnbescheinigung bei der Rhenus Office Systems GmbH hinsichtlich der vom Kläger im Zeitraum vom 22. April 1971 bis 9. Februar 1976 erzielten Arbeitsentgelte, unter Einbeziehung von gezahlten Jahresend- und sonstigen Prämien, an. Die Rhenus Office Systems GmbH übersandte mit Schreiben vom 9. August 2010 eine Lohnbescheinigung für den Zeitraum vom 1. April 1971 bis 9. Februar 1976 und wies darauf hin, dass keine Unterlagen über Prämienzahlungen vorhanden seien.

Mit Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 12. November 2010 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 22. April 1971 bis 9. Februar 1976 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der Rhenus Office Systems GmbH vom 9. August 2010, fest und ordnete die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 als "zugeordnete Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, nach Maßgabe der Rehabilitierungsbescheinigung vom 3. Mai 2002, den Entgelten des Wirtschaftsbereichs 3 und der Qualifikationsgruppe 1 zu. Zugleich lehnte sie die Berücksichtigung des begehrten Zeitraums vom 1. April 1971 bis 21. April 1971 mangels Vorliegens der persönlichen Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft, die Berücksichtigung von Jahresendprämien für den Zeitraum vom 22. April 1971 bis 9. Februar 1976 mangels Nachweises oder Glaubhaftmachung des Zuflusses von konkreten Jahresendprämienbeträgen sowie die Berücksichtigung des nachgewiesenen Jahresendprämienbetrages in Höhe von 1.200,00 Mark und der nachgewiesenen Vergütung für einen Neuerervorschlag in Höhe von 1.369,00 Mark mangels Zuflusses dieser Beträge im Zeitraum bis zum 9. Februar 1976, ab.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. Dezember 2010 Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien von 1971 bis zur fristlosen Entlassung 1976, fiktiver Jahresendprämien für die Jahre 1977 bis 1990, höherer Entgelte für die "zugeordneten Zeiten" und der Vergütung für den Neuerervorschlag sowie die Anerkennung der Zusatzversorgungszeit ab 1. April 1971. Im Rahmen des Abhilfeverfahrens entschied die Beklagte im Rahmen einer Einzelfallentscheidung infolge der "besonderen Sachverhaltskonstellation" die vom Kläger nachgewiesenen Entgelte für die Jahresendprämie und die Vergütung für den Neuerervorschlag, trotz Zuflusses dieser Beträge erst in den Jahren 1977 (Jahresendprämie in Höhe von 1.200,00 Mark) und 1979 (Vergütung für Neuerervorschlag in Höhe von 1.369,00 Mark), den Entgeltbeträgen der Jahre 1975 (Vergütung für Neuerervorschlag in Höhe von 1.369,00 Mark) und 1976 (Jahresendprämie in Höhe von 1.200,00 Mark) zuzurechnen. Diese Abhilfe setzte sie mit dem Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 22. Dezember 2011, im Übrigen unter Wiederholung der bisherigen Feststellungen und Zuordnungen sowie unter insoweitiger Aufhebung des Zuordnungs- und Feststellungsbescheides vom 12. November 2010, um.

Gegen den (abgeänderten und teilweise abhelfenden) Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 22. Dezember 2011 legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 2012 erneut Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Berücksichtigung von tatsächlichen und fiktiven Jahresendprämien bis zum Jahr 1990. Für seinen Beschäftigungszeitraum im VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... bis 1976 legte er eine schriftliche Erklärung der Zeugin V ... vom 11. November 2011 vor. Diese gab an, der Kläger habe von 1971 bis 1976 jährlich eine Jahresendprämie erhalten; außerdem habe der Betrieb jährlich bis 1990 an alle Mitarbeiter Jahresendprämien etwa in Höhe von 100 Prozent des jeweiligen Monatsgehaltes in bar ausgezahlt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, soweit diesem nicht durch den Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 22. Dezember 2011 bereits abgeholfen wurde, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Berücksichtigung (fiktiver) Jahresendprämien für den Zuordnungszeitraum vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 sei nicht möglich, weil für die Zeiten der beruflichen Rehabilitierung fiktive Pflichtbeitragszeiten nur so, wie sie in der bindenden Rehabilitierungsbescheinigung festgestellt worden seien, zu Grunde gelegt werden könnten. Zusätzliche (fiktive) Arbeitsentgelte seien nicht berücksichtigungsfähig, da die festgestellten Arbeitsentgelte bereits auf fiktiven Tabellenwerten beruhen würden. Eine additive Berücksichtigung fiktiver und tatsächlicher Entgelte sei nicht möglich. Die Berücksichtigung weiterer (tatsächlicher) Jahresendprämien für den Feststellungszeitraum vom 22. April 1971 bis 9. Februar 1976 sei nicht möglich, weil der Zufluss der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Die Zeugin hätte keine konkreten Angaben zu den Höhen der Prämien tätigen können. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Der Zeitraum vor dem 22. April 1971 könne nicht als Zeit der (fingierten) Zusatzversorgung berücksichtigt werden, weil dem Kläger erst am 22. April 1971 die Titelführungsbefugnis eines Diplomingenieurs verliehen worden sei und er deshalb die persönliche Voraussetzung für eine (fingierte) Zusatzversorgungsanwartschaft erst ab diesem Tag erfülle.

Hiergegen erhob der Kläger am 4. April 2012 Klage zum Sozialgericht Leipzig und begehrte die Anerkennung von "fiktiven" Jahresendprämien für den Zeitraum vom 22. April 1971 bis 30. Juni 1990 und führte aus: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme auch die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in Betracht. Ihm seien infolge politischer Verfolgung Nachteile entstanden; wenn er nicht rechtswidrig gekündigt worden wäre, hätte er im Betrieb auch jedes Jahr die Jahresendprämien erhalten. Diese Jahresendprämien für die Jahre 1977 bis 1990 seien fiktiv festzulegen unter Berücksichtigung der Dynamisierung der Gehälter, die ihm als Diplomingenieur rechtswidrig vorenthalten worden seien. Hinsichtlich der Jahresendprämien für die Jahre 1971 bis 1976 seien die Zeugenaussagen von Frau Werner und Herrn Hohmann zu berücksichtigen. Für seinen Beschäftigungszeitraum im VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... bis 1976 legte er insoweit eine schriftliche Erklärung des Zeugen U ... vom 30. Januar 2013 vor. Dieser gab an, der Kläger habe von 1971 bis zur Entlassung im Jahr 1976 jährlich eine Jahresendprämie erhalten; außerdem habe der Betrieb jährlich bis 1990 an alle Mitarbeiter Jahresendprämien etwa in Höhe von 100 Prozent des jeweiligen Monatsgehaltes in bar ausgezahlt.

Das Sozialgericht Leipzig hat die Zeugin V ... durch das ersuchte Sozialgericht T ... am 6. Januar 2014 vernehmen lassen und den Zeugen U ... im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2014 selbst vernommen. Mit Urteil vom 2. Dezember 2014 hat es die Bescheide der Beklagten vom 12. November 2010 und vom 22. November (gemeint: Dezember) 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte folgende zusätzliche Entgelte als Arbeitsentgelt berücksichtigen muss: 1971: 562,92 Mark, 1972: 638,75 Mark, 1973: 638,75 Mark und 1974: 755,42 Mark. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Zufluss der begehrten Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre 1971 bis 1974 dem Grunde nach durch das vorgelegte Urteil des Kreisgerichts X ... vom 21. September 1977 sowie die Zeugenaussagen von V ... und U ... glaubhaft gemacht. Deren Höhe könne geschätzt werden. Zur Begründung hat es sich umfänglich und wortwörtlich auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 4. Februar 2014 (im Verfahren L 5 RS 462/13) gestützt. Für die Jahre 1975 (unzutreffend) und 1976 habe die Beklagte bereits Jahresendprämien berücksichtigt. Für den Zeitraum vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 bestehe kein Anspruch auf Berücksichtigung fiktiver Jahresendprämien als Arbeitsentgelt. Für diesen Zeitraum lege § 13 BerRehaG verbindlich die zu Grunde zu legenden Entgelte fest. Eine gesonderte Berücksichtigung von fiktiv ermittelten Jahresendprämien sei daher nicht möglich, zumal die Beklagte hinsichtlich der Einstufung des Klägers in die entsprechende Qualifikationsgruppe und in den entsprechenden Wirtschaftsbereich an den Bescheid der Rehabilitierungsbehörde gebunden sei.

Gegen das ihr am 12. Januar 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Januar 2015 Berufung eingelegt, mit der sie die vollständige Klageabweisung weiterverfolgt. Das Sozialgericht habe sich lediglich auf die neuere Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts gestützt, die nicht zutreffend sei. Die Schätzung der Höhe von Jahresendprämien sei nicht zulässig, erfolge willkürlich und verfahrensfehlerhaft. Der Zufluss müsse vielmehr bewiesen werden.

Gegen das ihm am 14. Januar 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Februar 2015 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Berücksichtigung von Jahresendprämien auch für die Jahre 1975 bis 1990 weiterverfolgt. Das Jahr 1975 sei vom Sozialgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Für den Zeitraum vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 seien fiktive Jahresendprämien zu berücksichtigen. § 13 BerRehaG hindere die Beklagte nicht daran, Prämienzahlungen zusätzlich anzuerkennen. Dies sei durch Erhöhung der Tabellenwerte in Höhe von 70 Prozent des Monatsverdienstes der Tabellenwerte nach Anlage 13 und 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) möglich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2014 abzuändern, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2014 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen den Bescheid vom 12. November 2010 in der Fassung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 dahingehend abzuändern, dass Jahresendprämien für das Jahr 1975 in Höhe von 700,00 Mark sowie für den Zeitraum vom 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 in Höhe von 70 Prozent des Monatsdurchschnittsverdienstes der Tabellenwerte nach Anlage 13 und 14 zum SGB VI festzustellen sind sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Berufungsverfahren legte der Kläger eine Abschrift eines von ihm am 6. Februar 1976 verfassten Beschwerdeschreibens an den Abteilungsleiter seines Beschäftigungsbetriebes vor, in dem er ausführte, er sei "mit der Art und Weise der Festlegung sowie der Höhe der Jahresendprämie nicht einverstanden" und in dem er um schriftliche Erklärung bat, weshalb er "lediglich mit 700,00 Mark" für seine Tätigkeit als Gruppenleiter eingestuft worden sei. Die Beklagte "erkannte" daraufhin mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 "für das Jahr 1975 eine Jahresendprämie als glaubhaft gemachtes Entgelt in Höhe von 583,33 Mark (= fünf Sechstel von 700,00 Mark) an". Das Teilanerkenntnis nahm der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Oktober 2017 an.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufungen der Beklagten und des Klägers sind teilweise begründet. Teilweise zu Unrecht hat das Sozialgericht Leipzig dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, in den Jahren 1971 bis 1974 "erwirtschafteter" und – richtigerweise erst – in den Jahren 1972 bis 1975 zugeflossener weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen (teilweise) stattgegeben; teilweise hat es solche hingegen zu Recht, allerdings für die unzutreffenden Plan- anstatt Zuflussjahre, zugesprochen. Die Berufung des Klägers hingegen ist insoweit unbegründet, als er für den von der Rehabilitierungsbehörde verbindlich festgestellten Verfolgungszeitraum (10. Februar 1976 bis 2. Oktober 1990) einen Anspruch auf zusätzliche Berücksichtigung fiktiver Jahresendprämien als zusätzlicher Arbeitsentgelte geltend macht. Insoweit ist das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2014 nicht zu beanstanden.

Gegenstand des Verfahrens ist der Zuordnungs- und Feststellungsbescheid der Beklagten vom 12. November 2010 in der Fassung des Zuordnungs- und Feststellungsbescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 1. Juni 2015. Hiervon ausgehend sei zur Strukturierung des Verfahrens zunächst darauf hingewiesen, dass beim Kläger Jahresendprämien als zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt bereits wie folgt verbindlich festgestellt worden sind und daher nicht mehr streitgegenständlich sind: - im Planjahr 1975 "erwirtschaftete" und im Jahr 1976 zugeflossene Jahresendprämie, die von der Beklagten mit dem angenommenen Teilanerkenntnis vom 1. Juni 2015 (insoweit unzutreffend) dem Entgeltjahr 1975 als Arbeitsentgelt zugeordnet wurde, sowie - für das Planjahr 1976 nachträglich gerichtlich zuerkannte und erst im Jahr 1977 zugeflossene Jahresendprämie, die von der Beklagten mit dem Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 22. Dezember 2011 (insoweit ebenfalls unzutreffend) im Rahmen einer besonderen Einzelfallentscheidung dem (bis 9. Februar "offenstehenden") Entgeltjahr 1976 als Arbeitsentgelt zugeordnet wurde. Damit sind in den Planjahren 1975 und 1976 "erwirtschaftete" Jahresendprämien nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil für eine doppelte oder nochmalige Berücksichtigung bereits festgestellter Jahresendprämien als zusätzliche Arbeitsentgelte keine Rechtsgrundlage existiert; dies gilt selbstverständlich unabhängig von der insoweit unzutreffenden zeitlichen Zuordnung der Beklagten, weil dem Kläger insoweit – mangels Überschreitung der Entgeltgrenzen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AÜÜG in Verbindung mit Anlage 3 zum AAÜG – kein Nachteil erwächst.

Der Kläger hat darüber hinaus lediglich in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, von ihm in den Planjahren 1971 bis 1974 erwirtschafteter und ihm in den Jahren 1972 bis 1975 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 12. November 2010 in der Fassung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 1. Juni 2015 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Soweit er darüber hinausgehend noch höhere als die tenorierten Arbeitsentgelte sowie solche für die fiktiven Zuflussjahre 1977 bis 1990 begehrt, ist die Klage und Berufung unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.

Der Zuordnungs- und Feststellungsbescheid der Beklagten vom 12. November 2010 in der Fassung des Zuordnungs- und Feststellungsbescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 1. Juni 2015 ist teilweise rechtswidrig.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Zuordnungs- und Feststellungsbescheid vom 12. November 2010 in der Fassung des Zuordnungs- und Feststellungsbescheides vom 22. Dezember 2011 zum einen für den Zeitraum vom 22. April 1971 bis 9. Februar 1976 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG) und zum anderen für den Zeitraum vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 die Zuordnung von Arbeitsentgelten entsprechend den verbindlichen (§ 22 Abs. 3 BerRehaG) Vorgaben der Rehabilitierungsbescheinigung vom 3. Mai 2002 vorgenommen. Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise lediglich im Feststellungszeitraum (22. April 1971 bis 9. Februar 1976) nicht berücksichtigt (dazu nachfolgend unter 1.); im Zuordnungszeitraum (10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990) hat sie hingegen zutreffend keine (fiktiven) Jahresendprämien berücksichtigt (dazu nachfolgend unter 2.).

1. Feststellungszeitraum (22. April 1971 bis 9. Februar 1976)

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte im Feststellungszeitraum beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt, worden ist.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter a). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für die Planjahre 1971 bis 1974, und damit für die Zuflussjahre 1972 bis 1975, in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können; eine Schätzung hingegen, wie sie das Sozialgericht Leipzig im angefochtenen Urteil vom 2. Dezember 2014 vorgenommen hat, ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter b).

a) Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

aa) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er – mit Ausnahme für die nicht mehr streitgegenständliche Planjahre 1975 und 1976 – nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien für die Planjahre 1971 bis 1974 belegen könnte, wie er selbst ausführte.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Rhenus Office Systems GmbH vom 9. August 2010, die mitgeteilt hatte, dass in den ehemaligen Lohnarchiven für den Kläger keine Unterlagen über Prämienzahlungen mehr vorhanden seien.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Weitere Ermittlungen sind demnach nicht mehr möglich.

bb) Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Planjahren 1971 bis 1974 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

aaa) Der Kläger war in den Jahren 1972 bis 1974 während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

Das Planjahr 1971, in dem der Kläger zum 1. April in den Betrieb erst eintrat, kann zwar mitberücksichtigt werden; jedoch nur im Zeitraum vom 22. April bis 31. Dezember, weil nur für diesen Zeitraum die persönliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllt ist. Gesetzlich geregelter Ausnahmetatbestand, der eine anteilige Jahresendprämie plausibel rechtfertigt, ist § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe d) DDR-AGB. Nach dieser Norm bestand ein "Anspruch auf anteilige Jahresendprämie" bei Aufnahme eines Direktstudiums an einer Hoch- oder Fachschule sowie bei Aufnahme einer Tätigkeit nach Abschluss des Studiums. Sein Studium in der Fachstudienrichtung Fertigungstechnik an der Technischen Universität Y ... hatte der Kläger am 21. Februar 1971 abgeschlossen, wie sich aus der Eintragung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 150 der Gerichtsakte) ergibt; am 22. April 1971 fand das Kolloquium über seine Diplomarbeit statt (vgl. Hinweis im Zeugnis vom 22. April 1971, Bl. 34 der Verwaltungsakte); am 22. April 1971 wurden das Hochschulzeugnis (Bl. 33 der Verwaltungsakte) und die Diplomingenieururkunde (Bl. 32 der Verwaltungsakte) ausgestellt. Bereits im März 1971 wurde offensichtlich der Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn am 1. April 1971 abgeschlossen. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme erfolgte ausweislich der Eintragung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 150 der Gerichtsakte) am 1. April 1971. Damit steht fest, dass der Kläger seine Tätigkeit nach Abschluss des Studiums aufgenommen hatte.

bbb) Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

ccc) Ausgehend von den Auskünften der Zeugen V ... und U ... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

Die Zeugin V ..., die von 1956 bis 1990 im VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... als Sekretärin im Bereich Stahl- und Rohrleitungsbau beschäftigt war und den Kläger seit dessen Betriebseintritt im April 1971 kannte, gab in ihrer schriftlichen Zeugenerklärung vom 11. November 2011 (Bl. 83 der Verwaltungsakte) an, dass der Kläger im Zeitraum seiner Tätigkeit als Diplomingenieur im Betrieb von 1971 bis 1976 jährlich eine Jahresendprämie erhalten hat. Die Jahresendprämie wurde bar ausgezahlt. Der Empfang wurde von den einzelnen Kollegen auf einer Auszahlungsliste quittiert. Eine Lohnbescheinigung gab es dafür nicht. Für die Kollegen der Abteilung Technologie, in der der Kläger als Gruppenleiter tätig war, geschah die Auszahlung der Jahresendprämie immer im Arbeitszimmer des Abteilungs- bzw. Produktionsleiters. In diesem Raum hatte sie ihren Arbeitsplatz. Die Auszahlung und Bekanntgabe der Höhe der Jahresendprämien für die einzelnen Kollegen geschah dabei offen im Beisein der gesamten Brigade. In ihrer vom ersuchten Sozialgericht T ... durchgeführten persönlichen Zeugeneinvernahme am 6. Januar 2014 (Bl. 48-50 der Gerichtsakte) bestätigte die Zeugin V ... nochmals, dass der Kläger im Zeitraum seiner Beschäftigung im Betrieb von 1971 bis 1976 jedes Jahr eine Jahresendprämie, wie alle anderen Mitarbeiter auch, bezogen hatte.

Der Zeuge U ..., der von 1965 bis 1977 im VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk X ... als Betriebsschlosser beschäftigt war und mit dem Kläger in den Jahren 1971 bis 1976 in der gleichen Abteilung arbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 30. Januar 2013 (Bl. 23 der Gerichtsakte) an, dass der Kläger im Zeitraum seiner Betriebszugehörigkeit von 1971 bis zur Entlassung 1976 jährlich eine Jahresendprämie erhalten hat, da der Produktionsplan immer erfüllt wurde. Die Jahresendprämie wurde bar ausgezahlt und vom Empfänger auf der Prämienliste quittiert. Eine Lohnbescheinigung gab es dafür nicht. Anlässlich seiner persönlichen Zeugeneinvernahme vor dem Sozialgericht Leipzig am 2. Dezember 2014 (Bl. 58-59 der Gerichtsakte) gab der Zeuge U ... an, dass die Zahlung der Jahresendprämie im Betrieb immer ein "Highlight" war; es gab kaum jemanden, der diese Prämie nicht erhielt; hätte der Kläger keine Jahresendprämie erhalten, dann hätte sich das im Betrieb herumgesprochen.

Die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen wird unterstrichen durch die vom Kläger für die – nicht mehr streitgegenständlichen – Planjahre 1975 und 1976 vorgelegten schriftlichen Dokumente. So wird sowohl in seinem eigenen Beschwerdeschreiben vom 6. Februar 1976 als auch in dem Urteil des Kreisgerichts X ... vom 21. September 1977 (Aktenzeichen A 27/77) wie selbstverständlich von einem Anspruch auf eine regelmäßige jährliche Jahresendprämie ausgegangen. Aus dem Beschwerdeschreiben des Klägers vom 6. Februar 1976 ergibt sich zudem, dass die Berechnung und Auszahlung der Jahresendprämien erst zu Beginn des dem Planjahr nachfolgenden (Zufluss-)Jahr erfolgte. Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch weder aus den Zeugenangaben noch aus der, mit Urteil des Kreisgerichts X ... vom 21. September 1977 (Aktenzeichen A 27/77) abgeänderten Abschlussbeurteilung, die über den gesamten Beschäftigungszeitraum vom 1. April 1971 bis 1976 Auskunft gibt. Dort ist unter anderem vermerkt, dass er aufgrund seiner guten theoretischen Kenntnisse bereits ab Januar 1972 als Gruppenleiter Technologie eingesetzt werden konnte, sich gut einarbeitete, sein Wissen vervollständigte, Aktivitäten auf dem Gebiet des Neuererwesens sowie auf dem Gebiet "Meister von morgen" zeigte, zahlreiche Neuerervorschläge einreichte und etliche Auszeichnungen und Anerkennungsschreiben erhielt. Aus diesen Leistungsbeurteilungen und Arbeitseinschätzungen des Betriebes über den Kläger ergibt sich plausibel und bestätigt sich die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte.

b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die geltend gemachten Planjahre (1971 bis 1974) zu Beginn der darauffolgenden Zuflussjahre (1972 bis 1975) zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch für die Zuflussjahre 1972 bis 1975 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter bb). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, auf die sich das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom 4. Dezember 2014 gestützt hat – allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter cc).

aa) Die dem Kläger für die Planjahre 1971 bis 1974 zu Beginn des darauffolgenden Jahres (1972 bis 1975) zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er – mit Ausnahme für die nicht mehr streitgegenständliche Planjahre 1975 und 1976 – nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien für die Planjahre 1971 bis 1974 belegen könnte, wie er selbst ausführte.

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen V ... und U ... nicht vorlegen.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Rhenus Office Systems GmbH vom 9. August 2010, die mitgeteilt hatte, dass in den ehemaligen Lohnarchiven für den Kläger keine Unterlagen über Prämienzahlungen mehr vorhanden seien.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Weitere Ermittlungen sind demnach nicht mehr möglich. Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Kombinatsbetrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

bb) Die konkrete Höhe der an den Kläger für die Planjahre 1971 bis 1974 in den Zuflussjahren 1972 bis 1975 ausgezahlten Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aaa). Allerdings sind die Jahresendprämienbeträge zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bbb):

aaa) Den Angaben des Klägers und der Zeugen V ... und U ... kann lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämienhöhe etwa im Bereich eines Monatslohnes bewegte. Übereinstimmend gaben beide Zeugen zwar jeweils an, dass die Höhe der Jahresendprämie "circa" bzw. "mindestens" 100 Prozent des jeweiligen Monatsgehalts bzw. Bruttomonatsverdienstes des jeweiligen Mitarbeiters betrug und dies auch für den Kläger zutraf. Auf die jeweiligen konkreten gerichtlichen Nachfragen anlässlich ihrer persönlichen Zeugenvernehmungen mussten die Zeugen jedoch jeweils einräumen, sie könnten keinerlei konkrete Angaben zu den vom Kläger konkret bezogenen Jahresendprämien tätigen. Die Zeugin V ... führte explizit aus: "Ich erinnere mich hieran nicht mehr." und gab weiterhin an: "Meine Prämie war 100 Prozent. Daran erinnere ich mich. Die anderen bekamen meistens auch zwischen 90 und 100 Prozent so in etwa. Ich weiß es aber nicht mehr so ganz genau." Auch der Zeuge U ... gab explizit an, dass er nicht sagen kann, in welcher Höhe der Kläger die Jahresendprämien erhielt, zumal es nicht üblich war, über die Höhe der Prämien zu sprechen. Bei den Angaben der Zeugen hinsichtlich der Höhe der an den Kläger gezahlten Jahresendprämienbeträge handelt es sich damit insoweit lediglich um Mutmaßungen, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinauslaufen und damit nicht zu Grunde gelegt werden können.

Soweit der Kläger selbst ausführte, wenn er bereits durch Vorlage des Urteils des Kreisgerichts X ... vom 21. September 1977 (Aktenzeichen A 27/77) belegt habe, dass ihm selbst für das Jahr 1976 "die Jahresendprämie für 1976 in voller Höhe zu 1.200,00 Mark" zugestanden worden sei, dann es nur "logisch", dass er auch in den Jahren zuvor die Jahresendprämie in voller Höhe erhalten habe, ist darauf hinzuweisen, dass dieser von ihm angestellte "logische Schluss" in seinem Fall gerade nicht verfängt. Denn ausweislich seines Beschwerdeschreibens vom 6. Februar 1976 wurde ihm vom Betrieb – wenngleich wegen inzwischen eingeleiteter rechtsstaatswidriger Maßnahmen, ihn aus dem Betrieb zu entfernen – für das Jahr 1975 gerade keine Jahresendprämie in Höhe von 1.200,00 Mark, sondern lediglich in Höhe von 700,00 Mark, was lediglich knapp 60 Prozent des Betrages von 1.200,00 Mark entspricht, zuerkannt. Der "logische Schluss" ist damit nachgerade ausgeschlossen bzw. vollständig widerlegt.

In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers und der Zeugen V ... und U ... zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade des vom Kläger und den Zeugen angegebenen Prozentsatz eines Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann und der vom Kläger und den Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Gottfried Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke "Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie", NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972]vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

bbb) Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung - der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626), - der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und - der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

Für diese Zeiträume legten - § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968, - § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und - § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972 nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für "diese Werktätigen zu zahlende Jahresendprämie die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes" nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als generelle Anknüpfungstatsachen heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinns und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann besteht, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür ist, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie" dem Grunde nach haben, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine "statische Fortschreibung" der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben diese Regelungen damit für die geltend gemachten Planjahre 1971 bis 1974 in den Zuflussjahren 1972 bis 1975 Bedeutung, weil der Kläger in diesen Jahren den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von den in den Zuordnungs- und Feststellungsbescheiden der Beklagten vom 12. November 2010 und vom 22. Dezember 2011 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle (Verdienstbescheinigung der Rhenus Office Systems GmbH vom 9. August 2010 [Bl. 42 der Verwaltungsakte]) basierenden Entgelten, hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Zuordnungs- und Feststellungsbescheid der Beklagten vom 12. November 2010 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle (Verdienstbescheinigung der Rhenus Office Systems GmbH vom 9. August 2010 [Bl. 42 der Verwaltungsakte]) basierenden Entgelte sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die Planjahre 1971 bis 1974 in den Zuflussjahren 1972 bis 1975 wie folgt zu berücksichtigen: JEP-An-spruchsjahr Jahresarbeits-verdienst Monatsdurch-schnitts-verdienst JEP-Mindest-betrag (= 1/3) davon 5/6 (exakt) JEP-Zuflussjahr 1971 8.209,25 M 912,14 M 304,05 M 253,37 M 1972 1972 12.598,40 M 1.049,87 M 349,96 M 291,63 M 1973 1973 12.621,92 M 1.051,83 M 350,61 M 292,17 M 1974 1974 12.339,99 M 1.028,33 M 342,78 M 285,65 M 1975

cc) Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1971 bis 1974, mit Zufluss in den Jahren 1972 bis 1975, dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch über die Mindesthöhe hinaus glaubhaft machen konnte, durfte das Sozialgericht die Höhe nicht schätzen (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

c) Die (in der Mindesthöhe für die Zuflussjahre 1972 bis 1975 glaubhaft gemachten) Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

2. Zuordnungszeitraum (10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990)

Mit dem Zuordnungsbescheid vom 12. November 2010 in der Fassung des (insoweit identischen) Zuordnungsbescheides vom 22. Dezember 2011 wurden von der Beklagten die maßgebenden Entgelte nach dem AAÜG für die von der Rehabilitierungsbehörde nach dem BerRehaG festgestellte Zeit der politischen Verfolgung vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 (Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) zugeordnet. Der Zuordnungsbescheid der Beklagten basiert insoweit ausschließlich auf der allein maßgeblichen Rehabilitierungsbescheinigung der Rehabilitierungsbehörde vom 3. Mai 2002. Die Rehabilitierungsbehörden entscheiden abschließend über die anzuerkennenden Verfolgungszeiten und treffen für diese Zeiten Feststellungen über die Einstufung in Wirtschaftsbereiche und Qualifikationsgruppen der Rentenversicherung sowie über die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem (§§ 17 Abs. 1, 22 BerRehaG). In der "Bescheinigung nach §§ 17, 22 BerRehaG für Zwecke der Rentenversicherung" vom 3. Mai 2002 wird die von der Rehabilitierungsbehörde getroffene Entscheidung verbindlich für die zuständigen Behörden, wie hier die Rentenversicherung als Träger der Zusatzversorgungssysteme, fixiert (§ 22 Abs. 3 BerRehaG). Aufgrund der von der Rehabilitierungsbehörde vorgegebenen Einstufung wurden die um 20 Prozent erhöhten Werte (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG) der Tabellen des Wirtschaftsbereichs 3 (= Metallurgie) der Qualifikationsgruppe 1 (= höchste Qualifikationsgruppe für Hochschulabsolventen, siehe Anlage 13 zum SGB VI) der Anlage 14 zum SGB VI geteilt durch den jeweiligen Faktor der Anlage 10 zum SGB VI (§ 13 Abs. 3 Satz 2 BerRehaG) von der Beklagten in den Zuordnungsbescheiden vom 12. November 2010 und vom 22. Dezember 2011 zugrunde gelegt und festgestellt. Die auf diese Weise ermittelten Entgelte sind in den Zuordnungsbescheiden vom 12. November 2010 und vom 22. Dezember 2011 exakt von der Beklagten ausgewiesen, wie die gerichtliche Überprüfung ergab.

Für die vom Kläger geltend gemachte Berücksichtigung weiterer fiktiver Entgelte wegen hypothetischer Jahresendprämienzahlungen für den Verfolgungszeitraum hält weder das BerRehaG noch das AAÜG eine entsprechende Rechtsgrundlage bereit. Sein Begehren nach fingierter Berücksichtigung seiner fiktiven individuellen beruflichen Laufbahn, die er hätte einschlagen können, wenn die rechtsstaatswidrigen beruflichen Verfolgungsmaßnahmen nicht eingetreten wären, wird auch vom Sinn und Zweck der beruflichen Rehabilitierung nicht getragen. Denn der Gesetzgeber hat sich mit dem BerRehaG nicht dafür entschieden, hypothetische individuelle Versicherungsverläufe zu erstellen, sondern hat mit dem BerRehaG bewusst eine, im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums liegende, typisierende Betrachtungs- und Behandlungsweise vorgenommen (vgl. dazu etwa: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2004 - 1 BvR 766/01 und 1 BvR 1454/02 - JURIS-Dokument, RdNr. 6 f.). Entsprechend dem Grundprinzip des Zweiten SED-Unrechts-Bereinigungsgesetzes (2. SED-UnBerG) – dessen Teil das BerRehaG (als Art 2 des 2. SED-UnBerG) ist –, wonach kein voller Schadensersatz gewährt werden kann, ist für den Nachteilsausgleich im Rentenrecht nicht der möglicherweise konkrete bestimmbare individuelle Verdienstausfall des Verfolgten von Bedeutung (so zutreffend: Verbandskommentar zum SGB VI, Vorb. vor § 1 BerRehaG, Seite 3 sowie § 13 BerRehaG, RdNr. 3). Vielmehr wird lediglich der verfolgungsbedingte Verdienstausfall durch Zugrundelegung von Tabellenwerte ermittelt. Auf diese Weise wird der Verfolgte so gestellt wie der Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbarer Qualifikation (BT-Drucks. 12/4994, Seite 48). Für die Verfolgungszeiten des Klägers vom 10. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 können daher keine – individuell fiktiven – höheren Arbeitsentgelte, wie zum Beispiel wegen fiktiv zu berücksichtigender Jahresendprämien, berücksichtigt werden, weil die bisher schon von der Beklagten zugeordneten und festgestellten Arbeitsentgelte bereits auf fiktiven Tabellenwerten beruhen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Hinsichtlich des Obsiegens des Klägers fließt dabei auch das von der Beklagte abgegebene – und vom Kläger angenommene – Teilanerkenntnis vom 1. Juni 2015 ein, dessen Inhalt die Beklagte ohnehin noch umsetzen muss.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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