L 8 U 2115/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3311/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2115/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtig war, die dem Kläger wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1303 der Anlage l zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gewährte Rente wegen einer Besserung ab 01.08.2016 nur noch nach einer MdE von 40 v.H. (statt 70 v.H.) zu gewähren.

Der 1954 geborene Kläger war im Frühjahr 1996 an einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) erkrankt. Die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, erkannte diese Gesundheitsstörung als BK nach Nr. 1303 der Anlage l zur BKV an und gewährte dem Kläger ab dem 01.09.1997 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 100 v.H. (Bescheid vom 24.11.1998, Blatt 108 der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 27.04.2001 (Blatt 314/315 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte die Rente m.W.v. 01.05.2001 nach einer MdE um 80 v.H. Die dem Bescheid vom 24.11.1998 zugrundeliegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, es liege nunmehr eine komplette Remission der chronisch myeloischen Leukämie nach erfolgreicher fremd-allogener Knochenmarks-Transplantation am 13.07.1999 und eine Neigung zu Infekten der oberen Luftwege sowie zu rezidivierenden Herpes labialis-Infektionen vor.

Nach Auswahl durch den Kläger (Blatt 348 der Beklagtenakte) und im Auftrag der Beklagten erstellte der Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Sportmedizin Dr. Se. ein Gutachten über den Kläger. In diesem Gutachten vom 14.01.2003 (Blatt 349/355 der Beklagtenakte; Untersuchung des Klägers am 12.12.2002) hielt er im Hinblick auf die nun bestehende komplette Remission drei Jahre nach erfolgreicher Knochenmarkstransplantation eine Änderung der MdE von 80 v.H. auf 70 v.H. für angebracht.

Mit Bescheid vom 18.02.2003 (Blatt 358/361 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte die Rente ab 01.03.2013 nach einer MdE um 70 v.H. Die dem Bescheid vom 27.04.2001 zugrundeliegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es bestehe weiterhin eine komplette Remission der Leukämieerkrankung nach Knochenmarks-Transplantation am 13.07.1999 bei jetzt relativ gutem Allgemein- und Ernährungszustand; die Neigung zu auftretenden Infekten bevorzugt der oberen Atemwege und zu rezidivierenden Herpesinfektionen der Lippen bestehe nach wie vor.

Mit seinem am 17.03.2003 eingelegten Widerspruch (Blatt 373/374 der Beklagtenakte) machte der Kläger geltend (Blatt 378/380 der Beklagtenakte), die subjektiven Beschwerden stellten sich als unverändert dar. Nun lägen auch permanent auftretende Kopfschmerzen sowie Konzentrationsprobleme und eine rasche Erschöpfbarkeit vor. Im Übrigen wurde auch auf orthopädische Beeinträchtigungen verwiesen.

Nach Auswahl durch den Kläger (Blatt 388 der Beklagtenakte) und im Auftrag der Beklagten erstellte der Arzt für Orthopädie Dr. S. ein Gutachten über den Kläger. In diesem Gutachten vom 19.12.2003 (Blatt 408/414 der Beklagtenakte; Untersuchung des Klägers am 10.12.2003) führte Dr. S. aus, auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine Erkrankungsfolgen der Leukämie bzw. der deshalb durchgeführten Behandlungen vor. Es bestehe kein Zusammenhang der erforderlich gewesenen Medikamenteneinnahme mit den auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Körperschäden. Er schätzte die MdE auf 70 v.H.

Der Widerspruch wurde daraufhin zurückgenommen (Blatt 418 der Beklagtenakte).

Nach Auswahl durch den Kläger (Blatt 428 der Beklagtenakte) und im Auftrag der Beklagten erstellte der Direktor der II. Medizinischen Klinik im Klinikum K. Prof. Dr. B. ein Gutachten über den Kläger. Dieser gab in seinem Gutachten vom 02.02.2005 (Blatt 432/452 der Beklagtenakte; Untersuchung des Klägers am 19.01.2005) als Diagnosen an: - Chronisch myeloische Leukämie, Philadelphiachromosom-positiv, ED 1996. - Zustand nach fremd-allogener Knochenmarks-Transplantation von einem HLA-identen Spender am 13.07.1999 nach Konditionierung mit Busulfan, Endoxan und ATG60. Remissionsstatus - Stand 27.09.04: Komplette Remission der Grunderkrankung hämatologisch. - Limitierte, leichtgradie chronische GvHD der Leber bcr/abl negativ. - Polneuropathie nach Chemotherapie. - Rezidivierende Infekte der oberen Luftwege. - Rezidivierende Herpesinfektionen der Lippen. - Fehlstatik der Wirbelsäule. - Osteochondrose C6/7. - Kleiner Bandscheibenvorfall D1/2. - Hatiux rigidus rechts, beginnend links. Auf den Versicherungsfall zurückzuführen seien die Polyneuropathie nach Chemotherapie mit Roferon, die rezidivierenden Infekte der oberen Luftwege sowie die rezidivierenden Herpesinfektionen der Lippen. Auch die vom Patienten angegebene gleichgebliebene Luftnot sowie die Leistungsminderung seien Folgen des Versicherungsfalles. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 12.12.2002 hätten sich keine wesentlichen Änderungen des Gesundheitszustandes ergeben. Nach der körperlichen Untersuchung, den vorgebrachten Beschwerden sowie unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde halte er eine MdE von 70 v.H. für angebracht.

Unter dem Datum des 19.03.2007 erstellte Prof. Dr. B. ein weiteres Gutachten (Blatt 470/484 der Beklagtenakte; Untersuchung des Klägers am 07.03.2007). Hierin hielt Prof. Dr. B. weiterhin eine MdE von 70 v.H. für angebracht.

Die Arbeitsmedizinerin Dr. H. führte unter Auswertung eingeholter Befundberichte des Universitätsklinikums F. aus den Jahren 2002 bis 2016 (zuletzt Bericht vom 28.04.2016, Blatt 136/137 der Beklagtenakte) in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.06.2016 (Blatt 140/144 der Beklagtenakte) aus, bei dem Kläger sei nach den Arztunterlagen seit spätestens April 2014 eine wesentliche Befundbesserung dokumentiert. Schwere Infekte seien nicht mehr aufgetreten. Wegen der rezidivierenden Herpesinfektionen im Bereich der Lippe sei eine medikamentöse Prophylaxe nicht mehr erforderlich. Auch der Allgemeinzustand des Klägers sei sehr gut. Therapiefolgen i.S. einer GvHD seien nicht mehr nachweisbar; auch das Blutbild zeige keine Auffälligkeiten mehr. Sie empfahl eine Herabsetzung der BK-bedingten MdE auf 40 v.H.

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 14.06.2016 (Blatt 146/147 der Beklagtenakte) zu einer Herabsetzung der Rente angehört. Telefonisch teilte der Kläger daraufhin mit (Blatt 151 der Beklagtenakte), seine Blutwerte seien zwar derzeit in Ordnung, er habe aber immer noch erhebliche Probleme. Die Leistungsfähigkeit sei nach wie vor eingeschränkt. Auch läge eine Infektanfälligkeit vor. Die Gelenke schwellten öfters an.

Mit Bescheid vom 20.07.2016 (Blatt 153/155 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte die Rente ab 01.08.2016 nach einer MdE um 40 v.H. Die dem Bescheid vom 18.02.2003 zugrundeliegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es bestehe eine anhaltende komplette Remission der Leukämieerkrankung mit sehr gutem Allgemeinzustand ohne Blutbildveränderungen und ohne rezidivierende schwere Infekte oder Transplantat-gegen-Wirt-Reaktionen (GvHD).

Hiergegen erhob der Kläger am 26.07.2016 Widerspruch (Blatt 161/163 der Beklagtenakte). Der Gesamtzustand habe sich nicht so verbessert, dass eine Rentenkürzung in Betracht komme. Vorgelegt wurde der Bericht des Universitätsklinikums F. vom 28.04.2016 (Blatt 167/168 der Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 03.08.2016 (Blatt 172/173 der Beklagtenakte) wies der Kläger darauf hin, er sei froh, dass die Erkrankung einen erfreulichen Verlauf genommen habe und er noch lebe. Über ihm hänge natürlich das Damoklesschwert, dass ein Rezidiv komme. Er müsse sich in der Lebensweise besonders zurückhalten. Unabhängig hiervon sei er auch nicht in der Lage, in irgendeiner Form einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2016 (Blatt 176/177 der Beklagtenakte) zurück.

Der Kläger hat am 04.10.2016 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben (zum einstweiligen Rechtsschutz vgl. das Verfahren S 1 U 3656/16 ER). Von einer tatsächlichen und grundsätzlichen Besserung könne nicht die Rede sein, der Zustand sei schwankend.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 24/25, 26 und 28/29 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Urologie Dr. Br. hat dem SG mit Schreiben vom 28.10.2016 mitgeteilt, die vorliegende urologische Erkrankung sei nicht unfall- bzw. berufsbedingt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. hat in seinem Schreiben vom 18.11.2016 ausgeführt, es lägen keine Erkenntnisse zur Leukämie vor. Prof. Dr. Be. , stellvertretender Sektionsleiter der Sektion Allogene Stammzellentransplantation des Universitätsklinikums F. hat dem SG am 17.11.2016 geschrieben, die Symptome hätten sich im Verlauf der Jahre bis heute nicht geändert und beeinträchtigten den Kläger. Hinzu kämen die Folgen eines Prostatakarzinoms, die zusätzlich noch zu den Veränderungen durch die Folgen der BK hinzu kämen und speziell das chronosche Fatigue-Syndrom dadurch aggravierten. Die MdE liege bei 70 v.H.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Direktor der Medizinischen Klinik II (Hämatologie, Onkologie, Immunologie, Palliativmedizin) der S. V.-Kliniken K ... Prof. Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 02.02.2017 (Blatt 36/39 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 16.01.2017) ausgeführt, die durchgeführten Laboruntersuchungen belegten zum einen, dass sich die chronische myeloische Leukämie weiterhin in Remission befinde, was sich mit den Untersuchungen der Universitätsklinik F. decke. Es habe im Labor auch sonst keinerlei Auffälligkeiten, insbesondere keine Hinweise auf Schäden an Leber und Niere, gegeben. Auch die Immunglobuline lägen im Referenzbereich. Das PSA (Tumormarker beim Prostatakarzinom) sei unter der Nachweisgrenze. Auch hier habe sich kein Hinweis auf einen Rückfall der Krebserkrankung gezeigt. Es sei eine Besserung eingetreten. Der Kläger berichte nicht mehr über eine Polyneuropathie beider Füße. Er berichte nicht über Kopfschmerzen. Er berichte nicht über Konzentrationsprobleme. Er berichte allerdings weiterhin über Gelenkschmerzen. Er gehe davon aus, dass es dem Kläger schon seit Jahren ordentlich gehe. Er könne aber keinen genauen Zeitpunkt angeben, ab dem sich die Leistungsfähigkeit entscheidend gebessert habe.

Hiergegen hat sich der Kläger mit Schreiben vom 07.03.2017 (Blatt 43/44 der SG-Akte) gewandt, das Gutachten sei zu unbestimmt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2017 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die BK-bedingte MdE ab dem 01.08.2016 von bislang 70 v.H. auf nunmehr noch 40 v.H. herabgesetzt. Es sei seit Erlass des Bescheides vom 18.02.2003 eine Besserung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten, der die Beklagte berechtigt habe, die BK-bedingte MdE ab dem 01.08.2016 auf 40 v.H. neu festzusetzen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 02.05.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.05.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er könne nicht mehr arbeiten. Die vermittelte Erwerbsmöglichkeit beziehe sich auf das gesamte Gebiet des Erwerbslebens. Auf Grund des körperlichen Missempfindens und der notwendigen häufigen Ruhepausen könne er nicht arbeiten und zwar nicht nur im bisherigen Beruf als Kfz-Mechaniker, sondern im allgemeinen Arbeitsleben. Es werde beantragt, über seinen Zustand ein Obergutachten einzuholen. Die Herabsetzung der Verletztenrente führe zu einer schwierigen Situation. Er bekomme monatlich 500,00 EUR weniger. Diese Tatsache stelle eine unbillige Härte dar und sei angesichts des Gesundheitszustandes und seiner seelischen Situation nicht berechtigt. Mit monatlich 742,35 EUR liege er weit unter dem Existenzminimum, was den Härtefall dramatisch bestätige.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.04.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ohne sich mit den Urteilsgründen auseinander zu setzen, beließe es der Kläger dabei, auf seine subjektive Sicht zu verweisen, nach der keine Besserung eingetreten sei. Dies vermöge nicht zu überzeugen. Soweit im Schriftsatz vom 19.05.2017 auf die Zeugenaussage des Prof. Dr. Be. hingewiesen werde, sei ebenfalls auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen, in der dargelegt sei, weshalb diese unzutreffend sei. Auch hiermit habe sich der Kläger nicht auseinandergesetzt. Im Übrigen fehle der Behauptung, aufgrund der anerkannten Berufskrankheit nicht mehr arbeiten zu können, jede objektive Grundlage. Die Frage des Vorliegens einer unbilligen Härte stelle sich in diesem Zusammenhang nicht. Gleichwohl sei angemerkt, dass der Kläger neben der Rente auch eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe.

Der Kläger hat nunmehr vorgetragen (Schreiben vom 06.07.02017, Blatt 22/23 der Senatsakte), tatsächlich sei es so, dass sich der gesundheitliche Zustand seit Jahren nicht geändert habe. Somit sei die plötzliche Reduktion der BG-Rente nicht zu verstehen. Unabhängig von dieser Tatsache sei auch die Reduktion der Rente um die doch sehr hohe Summe für ihn sehr belastend. Die finanzielle Einschränkung, ohne dass sich die tatsachliche Situation gebessert habe, sei nicht hinzunehmen. Der Aspekt der unbilligen Härte sei offensichtlich gegeben. Nicht nachzuvollziehen sei auch das Verhalten der Beklagten, die ihm telefonisch angekündigt habe, eine Überzahlung von ca. 1.100,00 EUR einzufordern. Dies nur, weil er von seinem Recht, die Entscheidung durch Gerichte überprüfen zu lassen, Gebrauch mache.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 19.07.2017 (Blatt 26/28 der Senatsakte) das Schreiben an den Kläger vom 12.06.2017 vorgelegt, mit dem er aufgefordert worden war, 1.113,52 EUR zurückzuzahlen, und mitgeteilt, nachdem sie erst nach Versand dieses Schreibens von der Berufungseinlegung erfahren habe, sei dem Kläger telefonisch mitgeteilt worden, dass er den geforderten Betrag vorerst nicht zahlen müsse.

Mit Schreiben vom 01.08.2017 (Blatt 31/32 der Senatsakte) hat der Kläger ausgeführt, Prof. Dr. M. habe ihn nur kurz untersucht. Es sei ein viertelstündiges Gespräch inklusive einer Blutabnahme gewesen. Auf Grund des Gesprächs und der Blutabnahme komme er zu dem Ergebnis, dass sich der Gesundheitszustand gebessert habe. Diese Auffassung treffe nicht zu. Es sei auch nicht zu verstehen, warum eine unbillige Härte ohne Bedeutung sein soll. Schließlich gehöre die Frage, wie es einem gehe, ebenfalls zur Abwägung in einem Urteil. Er bleibe dabei, dass er wegen der überzahlten Beträge angerufen worden sei. Das Schreiben der Beklagten vom 12.06.2017 habe er erhalten. Für ihn sei angesichts seiner wirtschaftlichen Situation die von der Beklagten geforderte Rückzahlung eine mehr als große Belastung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016 ist rechtmäßig, der Kläger wird durch die angefochtene Entscheidung und den angefochtenen Gerichtsbescheids des SG nicht in seinen Rechten verletzt. Der Senat konnte feststellen, dass gegenüber den Verhältnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 18.02.2003 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist und die Minderung der Erwerbsfähigkeit seit 01.08.2016 nur noch mit (maximal) 40 v.H. zu bewerten ist, weshalb der Kläger ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch mehr auf Gewährung einer Rente nach einem MdE von mehr als 40 v.H. hat.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016, mit dem der Bescheid vom 18.02.2003 teilweise aufgehoben und die Höhe der MdE auf nunmehr 40 v.H. seit 01.08.2016 festgestellt wurde. Das Schreiben vom 12.06.2017, das im Berufungsverfahren vorgelegt worden war, ist weder Verwaltungsakt, sondern lediglich eine an den Kläger gerichtete Zahlungsaufforderung ohne Regelungswirkung, noch Gegenstand des Verfahrens geworden. Darüber hinaus hat die Beklagte mitgeteilt, der Kläger müsse diese Forderung vorerst nicht bezahlen, weshalb das Schreiben auch keinen Inhalt mehr hat.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Regelungen der Beklagten ist § 48 Abs. 1 Satz1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine solche Änderung in den unfall- bzw. BK-bedingten Gesundheitsstörungen i.S. einer Besserung eingetreten und dadurch die unfall- bzw. BK-bedingte MdE zu verringern ist, ist durch Vergleich der für die letzte, bindend gewordene Feststellung des Verletztenrentenanspruchs maßgebend gewesenen Befunde und Krankheitsäußerungen mit den jetzt vorliegenden Befunden zu ermitteln (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 13; BSGE 55, 165 ff. und BSG vom 13.02.2013 - B 2 U 25/11 R - juris). Wesentlich ist eine Änderung bei der Feststellung der MdE nur, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit die Veränderung länger als drei Monate andauert (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Ändern sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung, wird die Rente in neuer Höhe nach Ablauf des Monats geleistet, in dem die Änderung wirksam geworden ist (§ 73 Abs. 1 SGB VII).

Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass gegenüber dem Gesundheitszustand, der dem Bescheid vom 18.02.2003 zugrunde gelegen hatte, eine Änderung i.S. einer Besserung der als BK-Folgen anerkannten Gesundheitsstörungen eingetreten ist, die eine Minderung der MdE verursacht.

Grundlage des Bescheids vom 18.02.2003 war das Gutachten von Prof. Dr. Se. vom 14.01.2003 sowie die in der Beklagtenakte vorliegenden Berichte, vor allem der behandelnden Ärzte der Universitätsklinik F. , insbesondere Dr. Be. (später Prof. Dr. Be. ).

Prof. Dr. Se. hatte den Kläger untersucht und von im Vergleich zur Voruntersuchung vermehrt auftretenden Infekten insbesondere der oberen Luftwege, sowie rezidivierende Herpes-Infektinen der Lippen, die mit Aciclovir systemisch behandelt wurden, berichtet, während Dr. Be. im September 2002 (Blatt 345/347 der Beklagtenakte) noch eine komplette Remission ohne Anhalt für schwere Infekte oder schwere GvHD ("Graft-versus-Host-Reaktion" = Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion) beschrieben hatte. Die unter Roferon entwickelte Polyneuropathie beider Füße – der Kläger beklagte Taubheitsgefühl vor allem im Bereich der Fußsohlen sowie ein gestörtes Wärme- und Kälteempfinden bestand unverändert. Die permanent auftretenden Kopfschmerzen bestanden weiterhin, der Kläger klagte über Konzentrationsprobleme sowie Erschöpfung nach 1 bis 2 Stunden bei leichter Tätigkeit. Insgesamt war das Befinden dennoch weitgehend zufriedenstellend, der psychische Zustand war stabil. Der Kläger wies einen relativ guten Allgemeinzustand und Ernährungszustand auf. Herz- und Lunge waren gut funktionsfähig. Im Bericht vom 17.11.2003 (Blatt 401 der Beklagtenakte) hatte Dr. Be. u.a. eine Darmspiegelung mit Normalbefund, persistierende Herpes-Infektionen und ausgedehnte Knochenschmerzen (im Bereich der Hüfte, der Kniegelenke und der Ellenbogen, vgl. Gutachten Dr. S. ), speziell im Gelenkbereich, die Dr. Be. als Form einer muskuloskelettalen GvDH-Reaktion angesehen hatte beschrieben. Das im Widerspruchsverfahren im Jahr 2003 eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. S. konnte diese Zusammenhänge aber nicht bestätigen, beschrieb aber weiterhin wiederholte Herpes an Lippen. Die im Bescheid vom 18.02.2003 bei der MdE-Bewertung anerkannte BK-Folge "Neigung zu auftretenden Infekten" berücksichtigt maßgebend die von Prof. Dr. Se. beschriebenen schweren Infekte der oberen Luftwege.

Im Bericht vom 28.04.2016 (Blatt 136/137 der Beklagtenakte) hat nun Prof. Dr. Be. mitgeteilt, es gehe dem Kläger "körperlich und psychisch sehr gut, er ist sehr körperlich aktiv." Es wurden rezidivierende Gelenkbeschwerden am Großzehengrundgelenk und Daumengrundgelenk rechts und links angegeben. Der Allgemein- und Ernährungszustand war als gut beschrieben worden. Haut und sichtbare Schleimhäute waren unauffällig, außer Herpes-Infektion an der Lippe. Es bestand weiterhin komplette Remission der Grundkrankheit ohne Anhalt für GvHD oder schwere Infekte.

Beim Gutachter Prof. Dr. M. hat der Kläger angegeben, er schwitze leicht und leide unter häufigen Herpes-Infektionen an den Lippen. Außerdem habe er Schmerzen in den Gelenken, vor allem im Großzehengrundgelenk beidseits. Prof. Dr. M. konnte bei seiner körperlichen Untersuchung des Klägers einen Hallux valgus bds. feststellen. Die von Prof. Dr. M. durchgeführten Laboruntersuchungen belegen das Fortbestehen der Remission (keinerlei Nachweis der Erkrankung). Auch sonst ergaben sich im Labor keinerlei Auffälligkeiten, insbesondere keine Hinweise auf Schäden an Leber und Niere. Auch die Immunglobuline (Eiweißstoffe im Blut, die der Infektionsabwehr dienen) lagen im Referenzbereich. Psychische Folgeerscheinungen der BK konnte der Senat nicht feststellen; solche hat auch Prof. Dr. Be. nicht mitgeteilt, vielmehr hat er auf den sehr guten psychischen Zustand verwiesen.

Im Vergleich der Gesundheitszustände, wie sie beim Kläger im Jahr 2003 und nunmehr bezogen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016, die eine Herabsetzung der MdE zum 01.08.2016 ausgesprochen hatten, vorliegen, konnte der Senat eine Besserung des Gesundheitszustandes feststellen. So besteht die medikamentenabhängige Polyneuropathie beider Füße nicht mehr, auch hat der Kläger nicht mehr über Kopfschmerzen berichtet, auch nicht mehr über Konzentrationsprobleme. Auch sind keine schweren Infekte der oberen Luftwege mehr dokumentiert oder der Harnwege. Weiter bestanden jedoch die Gelenkschmerzen sowie die Herpes-Infektanfälligkeit. Insoweit bestand aber, wie seit den Berichten des Universitätsklinikums F. aus dem Jahr 2014 ersichtlich ist, keine Notwendigkeit einer medikamentösen Prophylaxe mit Aciclovir mehr.

Mit dem Wegfall der Polyneuropathie, der Kopfschmerzen, der Konzentrationsdefizite und der erhöhten Anfälligkeit für schwere Infekterkrankungen – es treten keine gehäuften Erkrankungen der Atemwege oder im Urogenitaltrakt mehr auf und die Erforderlichkeit einer Herpes-Prophylaxe, die im Jahr 2003 noch vorhanden waren, besteht nicht mehr - ist im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vom 18.02.2003 vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten. Diese ist nach den Feststellungen des Senats auch wesentlich, da sie dazu führt, dass die MdE um mehr als 5 v.H. zu mindern war und länger als 6 Monate andauert.

Der Feststellung des Senats, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vom 18.02.2003 weiter verbessert hat, steht die vom SG eingeholte sachverständige Aussage des behandelnden Arztes Prof. Dr. Be. nicht entgegen. Zwar hat dieser angegeben, es bestehe über die Jahre hinweg "eine Persistenz/Progress der BK-Folgen", die Symptome hätten sich im Verlauf der Jahre seit ihrem Erstauftreten im September 2004 bis zum heutigen Tage nicht geändert.

Dieser Einschätzung kann der Senat nicht folgen. Denn zunächst ergibt sich, dass die von Prof. Dr. Be. auf den September 2004 bezogenen Symptome bereits zuvor vorgelegen hatten, zumindest beschreibt er in seinen früheren Berichten schon von Herpes-Infektanfälligkeit, Gelenkschmerzen usw., sodass seine Aussage bereits schon im Ansatz nicht zutrifft. Auch beschreibt er eine GvHD, die aber sonst – auch in seinen eigenen Untersuchungsberichten nirgends bestätigt ist. Darüber hinaus geht er davon aus, dass diese Beschwerden unverändert weiter bestünden, beschreibt aber in seinen Untersuchungsberichten der Jahre 2014 bis 2016, also im vorliegend maßgeblichen Zeitraum, eine erfreuliche Entwicklung, mit deutlich gebesserten Funktionsbeeinträchtigungen, so z.B. im Bericht vom 28.04.2016: "Herrn S. geht es körperlich und psychisch sehr gut, er ist sehr körperlich aktiv. Rezidivierende Gelenkbeschwerden am Großzehengrundgelenk und Daumengrundgelenk rechts und links. Sonst keine springenden Beschwerden. Aus urologischer Information PSA im Normbereich. Keine Medikation. AZ und EZ, Gewicht 87 Kg, Haut und sichtbare Schleimhäute unauffällig, außer Herpesinfektion an der Lippe RR 200/100 mmHg, Puls 64/Minute, keine Organomegalie, keine Lymphadenopathie oder Ödeme Knapp 10 Jahre nach allogener nicht-familiärer Transplantation komplette Remission der Grundkrankheit ohne Anhalt für GvHD oder schwere Infekte. Sehr erfreulicher Verlauf." Die ganz offensichtlichen Widersprüchen zwischen gerichtlicher Aussage und Untersuchungsberichten sprechen für den Senat dafür, dass die Aussage von Prof. Dr. Be. allenfalls als Versuch zu verstehen ist, bewusst eine Bewertung zugunsten des Klägers abzugeben. Bei dieser Ausgangslage ist der Senat nicht gehalten, der Aussage des behandelnden Arztes entscheidende Bedeutung beizumessen, zumal auch nicht die anderen behandelnden Ärzte des Klägers und die Gutachtenslage die Angaben von Prof. Dr. Be. stützen. Vor allem Allgemeinmediziner Dr. P. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 18.11.2016 keine Erkrankungen als Folge der Leukämie oder des GvHD, insbesondere schwere Infektionserkrankungen, mitteilen können.

Dass die Erkrankungen und Beschwerden des Klägers auf orthopädischem und urologischem Fachgebiet unmittelbar oder auch nur mittelbar – z.B. als Folgen der Behandlung der Leukämie – Folge der BK sind, konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. S. und der Aussage des behandelnden Urologen Dr. Br. nicht feststellen.

Hat sich damit im Verhältnis zum Jahr 2003 eine weitere Besserung des BK-bedingten Gesundheitsstörungen ergeben, ist die MdE neu zu bemessen. Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m. H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18.03.2003 a.a.O.).

Die unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätze sind als Grundlage für die gleiche und gerechte Bewertung in allen Parallelfällen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, a.a.O.), denn diese allgemein anerkannten arbeitsmedizinischen Erfahrungssätze bewirken nach dem grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot über die daraus folgende Selbstbindung der Verwaltung die gebotene Gleichbehandlung aller Versicherten in allen Zweigen der gesetzlichen Unfallversicherung. Abweichungen von den zulässigerweise pauschalisierten Bewertungskriterien sind rechtlich nur dann geboten, wenn die zu bewertende funktionelle Beeinträchtigung des verletzten Organs von dem in der versicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur vorgegebenen, einschlägigen Bewertungsansatz nicht oder nicht vollständig erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 - L 8 U 2828/12 - juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Bei der Beurteilung der MdE der Leukämie ist nicht nur nach Remissionsstatus bzw. Therapieansatz zu fragen, vielmehr hat eine differenziertere Beurteilung zu erfolgen, die einerseits den besonderen Aspekten der Genesungszeit Rechnung trägt, andererseits aber bei der MdE-Einschätzung auf die individuellen gesundheitlichen Folgen und die daraus resultierenden Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abstellt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 1000). Von Bedeutung sind nach der sozialmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 1000) vor allem das Vorliegen einer B-Symptomatik (Fieber ) 38 Grad Celsius, Nachtschweiß, Gewichtsverlust ) 10% in den letzten 6 Monaten), die Folgen von Blutbildveränderungen (Müdigkeit, Atemnot, Blutungsneigung, gehäufte Infekte), Organschäden durch die Erkrankung oder die durchgeführte Chemotherapie, Folgen einer sekundären Hämochromatose, die Bestrahlungsfolgen, Kortikosteroidfolgen (Katarakt, Osteopenie usw.), eine Fatigue-Symptomatik, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen ("Chemobrain"), therapieassoziierte Zweittumore (z.B. erhöhtes Hautkrebsrisiko) und die psychische Belastung durch eine Tumorerkrankung, Schmerzen etc.

Beim Kläger konnte der Senat zum vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids der Beklagten vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016 mit dem Gutachten von Prof. Dr. M. und den Untersuchungsberichten von Prof. Dr. Be. feststellen, dass die Leukämie-Erkrankung nach der Knochenmarkstransplantation mittels einer fremd-allogenen Stammzellentherapie am 13.07.1999 in Vollremission ist. Es besteht keine GvHD. Blutbildveränderungen bestehen nicht. Eine Organtoxizität besteht ebenfalls nicht. Fieber von mehr als 38 Grad Celsius, Nachtschweiß, Gewichtsverlust von mehr als 10% in den letzten 6 Monaten, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen konnte der Senat ebenfalls nicht mehr feststellen. Psychische Folgen sind weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Es bestehen lediglich eine häufige Herpes-Infektanfälligkeit, die jedoch keiner medikamentösen Prophylaxe mehr bedarf, und ein Fatigue-Syndrom, das Prof. Dr. Be. gegenüber dem SG aber als durch die BK-unabhängige Prostatakarzinomfolgen wesentlich aggraviert angesehen hat, sodass diese nicht bedeutend den BK-Folgen zugerechnet werden kann.

Aber selbst unter Berücksichtigung des Fatigue-Syndroms und der Herpes-Infektionsanfälligkeit kann der Senat nach Vollremission nach allogener Blutstammzelltransplantation allenfalls gering verbliebene Auswirkungen feststellen, die nach der sozial- und unfallmedizinischen wissenschaftlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 1004) eher dem Bereich einer MdE von 30 zuzuordnen ist, damit in dem von der Beklagten für Erkrankungen in Vollremission mit mäßigen Auswirkungen angenommenen MdE-Rahmen von 40 bis 70 v.H. die MdE nicht über die Untergrenze dieses Rahmens hinaus erhöht.

Damit ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers jedenfalls nicht um 50 v.H. oder mehr vermindert. Damit konnte der Senat zugunsten des Klägers feststellen, dass die Annahme einer MdE von 40 durch die Beklagte jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig war. Soweit sich aus den BK-unabhängigen Gesundheitsstörungen eine weitergehende Einengung der Erwerbsfähigkeit ergibt, ist diese als BK-unabhängig bei der MdE-Bemessung nicht zu berücksichtigen und erhöht die MdE nicht. Es ist auch nicht ersichtlich und auch nicht von den Ärzten dargelegt, dass gesundheitliche Folgen der festgestellten BK sich funktionell auf die abgeheilte Prostatakarzinomerkrankung auswirken und rentenrelevant wären.

Der Senat hat festgestellt, dass die MdE mit (allenfalls) 40 v.H. zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheid der Beklagten vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016 festzustellen und auch seither nicht höher anzunehmen war.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf das schlüssige Gutachten von Prof. Dr. M. , die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. und die in der Beklagtenakte vorliegenden ärztlichen Berichte. Das Gutachten von Prof. Dr. M. konnte der Senat verwerten, auch wenn der Kläger Einwendungen hiergegen erhoben hat. Insoweit hat der Kläger auf die Übersendung des Gutachtens mit der Aufforderung zur Stellungnahm durch Schreiben des SG vom 08.02.2017 hin mit Schreiben vom 07.03.2017 reagiert und ausgeführt, das Gutachten zeige, der Gutachter sei unsicher, die Aussagen zu unbestimmt, es habe nur eine Blutentnahme ohne weitere medizinische Untersuchungen stattgefunden. Der Gutachter habe die früheren ärztlichen Unterlagen zu lesen versucht, was nicht der richtige Weg sei, ihn von einer MdE um 70 v.H. auf eine MdE von 40 v.H. herabzustufen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger dann ausgeführt, es habe lediglich eine viertelstündige Besprechung samt Blutentnahme stattgefunden.

Die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen sind bereits nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 4 ZPO als verspätet zurückzuweisen, da sie nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes vorgebracht sind. Soweit der Kläger aber mitteilt, die Begutachtung habe sich auf eine Blutentnahme und ein Gespräch beschränkt, so ist dem nicht zu folgen. Aus dem Gutachten Prof. Dr. M. ergibt sich neben einer im Gespräch durchgeführten Anamneseerhebung und Laboruntersuchungen des Blutes nach Blutentnahme auch eine körperliche Untersuchung des Klägers; bei dieser hat Dr. M. den Hallux valgus des Klägers festgestellt (vgl. Blatt 37 der SG-Akte = Seite 2 des Gutachtens). Auch unter Berücksichtigung dieser Untersuchungen erweist sich die Begutachtung als ausreichend um den Gesundheitszustand des Klägers im Hinblick auf die BK-bedingte Erkrankung und die MdE-Bewertung festzustellen. Auch hat Prof. Dr. M. die Angaben des Klägers zu seinem Befinden und seinen Beschwerden aufgenommen und in seinem Gutachten gewürdigt, sodass die aus der tatsächlich stattgefundenen Untersuchung durch Prof. Dr. M. stammenden Befunde von diesem mit den Angaben des Klägers, den früheren Berichten der behandelnden Ärzte und den früheren Gutachten sowie den Aussagen der sachverständigen Zeugen verglichen, abgewogen und bewertet werden konnten. Dies hat der Gutachter auch getan, sodass die Einwendungen des Klägers unsubstantiiertes Vorbringen darstellen, das sich alleine aus der Unzufriedenheit mit dem Begutachtungsergebnis speist.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und dem Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die Feststellung einer Änderung in den Verhältnissen gem. § 48 Abs. 1 SGB X und die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung der MdE. Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein Obergutachten sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG 23.05.2006 - B 13 RJ 272/05 B - juris), weshalb dem insoweit gestellten Antrag des Klägers nicht nachzukommen war. Er hat auch zu diesem Antrag keine konkrete Beziehung zu Tatsachen aufgezeigt, die bei der Rechtsfrage der Bewertung der MdE von Bedeutung sind, sodass der Antrag unsubstantiiert ist und daher den Senat nicht veranlassen musste, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger nicht beantragt.

Hat sich die MdE gegenüber der letzten bindenden Feststellung im Jahr 2003 von 70 v.H. auf nunmehr 40 v.H. reduziert, also um mehr als 5 v.H., und dauerte diese Besserung auch für mehr als 6 Monate an, war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die Rente für die Zukunft neu zu berechnen. Sie durfte daher ab Wirksamwerden des Bescheids vom 20.07.2016, zur Post gegeben am 21.07.2016, dem Kläger zugestellt am 22.07.2016, die bisherige Entscheidung über die Rentengewährung im Bescheid vom 18.02.2003 ab 01.08.2016 abändern und Rente ab 01.08.2016 nur nach noch einer MdE von 40 v.H. gewähren.

Soweit der Kläger eine unbillige Härte geltend macht, die der Abänderung der bisherigen bindenden Rentengewährung entgegenstehe, so kann ihm der Senat nicht folgen. Denn aus dem geltenden Recht lässt sich solch ein Rechtsgedanke nicht ableiten. Anders als in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Vergangenheit, die der Gesetzgeber in atypischen Fällen in das Ermessen der Behörde gestellt hat, hat der Gesetzgeber im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Verwaltungen verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen zwingend mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. Ermessen o.ä., in dessen Rahmen der vom Kläger vorgebrachte Härtefall zu prüfen wäre, ist nicht eingeräumt. Der alleinige Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheids vom 18.02.2003 führt nicht weiter.

Im Übrigen hat es der Kläger bei seiner Darstellung der unbilligen Härte unterlassen, die ihm gewährte Renten wegen Berufsunfähigkeit und wegen Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht, von denen letztere auch die BK-unabhängigen Folgen von sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkenden Erkrankungen erfasst und abgilt, und die bereits im Jahr 1998 ca., 1300 DM betragen hatten, mitzuberücksichtigen. Insoweit konnte der Senat weder das Vorliegen eines Härtefalles noch eine Rechtsgrundlage zu dessen Berücksichtigung feststellen.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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