L 3 AS 2780/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1032/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2780/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die nachträgliche Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger, der in den Jahren 2011 und 2012 eine Wohnung bewohnte, die mit einem Boiler zur Erhitzung von Warmwasser ausgestattet war, mit Bescheid vom 27.10.2010 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 22.12.2010 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasserzeugung. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. Teil I Seite 453) wurde mit Wirkung ab 01.01.2011 unter anderem die in § 21 Abs. 7 SGB II geregelte Anerkennung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung eingeführt. Mit Bescheid vom 29.04.2011, Bescheid vom 02.11.2011 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2011, 07.02.2012 und 07.03.2012, Bescheid vom 02.05.2012 sowie Bescheid vom 08.11.2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21.11.2012, 24.11.2012 und 20.06.2013 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 31.05.2013. Eine Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung erfolgte bei Erlass dieser Bescheide jeweils weiterhin nicht.

Mit Schreiben vom 25.09.2014 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung ab dem 01.01.2011. Der Beklagte legte diesen Antrag als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus und änderte mit entsprechenden Änderungsbescheiden die Bewilligung ab dem 01.01.2013 dahingehend ab, dass er einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung bewilligte. Mit Bescheid vom 07.10.2014 lehnte er den Überprüfungsantrag, soweit sich dieser auf den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 bezog, ab. Er begründete dies mit einem Verweis auf die sich aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II ergebende Jahresfrist. Hiergegen legte der Kläger nach einer Vorsprache, anlässlich der er mitteilte, den Bescheid vom 07.10.2014 nicht erhalten zu haben, woraufhin ihm dieser mit Datumsstempel 29.10.2014 versehen erneut übersandt wurde, am 14.11.2014 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat diese im Wesentlichen damit begründet, dass die Jahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht anwendbar sei, weil es keiner Aufhebung der Bescheide bedürfe, mit denen Arbeitslosengeld II gewährt worden sei. Denn mit diesen Bescheiden sei über die Bewilligung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung noch nicht entschieden worden. Er habe nämlich insofern gar keinen Antrag gestellt. Dies sei schon deshalb unmöglich gewesen, weil die Antragsformulare des Beklagten insofern unvollständig gewesen seien. Bezüglich SGB II-Leistungen bestehe jedoch ein Formularzwang.

Den vom SG dahingehend unterbreiteten Vergleichsvorschlag, dass der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 eine einmalige Zahlung in Höhe der Hälfte eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung, mithin in Höhe von 8,26 EUR x 1/2 x 5 Monate = 20,65 EUR gewähre, hat der Beklagte, nicht aber der Kläger angenommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.06.2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass bezüglich des Zeitraums vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 ein gesetzlicher Leistungsausschluss in Gestalt einer einjährigen Verfallsfrist gelte. Bezüglich des Zeitraums vom 01.06.2011 bis zum 31.12.2012 ergebe sich dies aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, weil der Beklagte bereits durch die Bescheide aus den Jahren 2011 und 2012 über Grund und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II entschieden habe und diese Entscheidungen jeweils bestandskräftig geworden seien und eine Tatbestandswirkung dahingehend entfalten würden, dass ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung nicht zu berücksichtigen sei. Dass die entsprechenden Leistungsbescheide eine Tatbestandswirkung entfalten würden, folge daraus, dass mit diesen Verwaltungsakten über die Höhe des Arbeitslosengeldes II vollumfänglich entschieden worden sei, so dass bei den jeweiligen Rechnungen kraft Gesetzes auch zu prüfen gewesen sei, ob ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 SGB II anzuerkennen sei. Denn gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II seien nur Leistungen nach § 24 Abs. 1 und 3 SGB II sowie Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs. 2, Abs. 4 bis 7 SGB II gesondert zu beantragen. Im Umkehrschluss bedürfe es für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II keines gesonderten Antrages des Klägers bzw. keiner gesonderten Verwaltungsentscheidung des Beklagten. Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 sei von der einjährigen Verfallsfrist auszugehen. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 27.10.2010 richte sich nicht nach § 44 SGB X, sondern nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X, weil dieser Bescheid nicht bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen, sondern erst nachträglich rechtswidrig geworden sei, als durch die Gesetzesänderung vom 24.03.2011 rückwirkend zum 01.01.2011 gesetzlich angeordnet worden sei, dass bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anzuerkennen sei, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt werde. Die kurze Verfallsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X gelte auch für Aufhebungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X, weil § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X wegen der Frist für Aufhebungsentscheidungen auf die Fristenregelung in § 44 Abs. 4 SGB X verweise.

Gegen das ihm am 28.06.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er hat diese im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im bisherigen Verfahren begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2016 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 27. Oktober 2010, 29. April 2011, 2. November 2011, 26. November 2011, 7. März 2012, 2. Mai 2012, 8. November 2012, 21. November 2012 sowie 29. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfes für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 2,3 % des jeweils für ihn maßgeblichen Regelbedarfes zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte beruft sich auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG.

Der Beklagte hat unter Zugrundelegung des vom SG unterbreiteten Vergleichsvorschlags mit Bescheid vom 15.07.2016 für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 einen monatlichen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 4,13 EUR bewilligt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

Der Berichterstatter hat am 15.03.2017 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom SG zugelassene, gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 22.06.2016. Der Kläger erstrebt darüber hinaus die Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 07.10.2014 (später mit Datumsstempel 29.10.2014 versehen) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 sowie die Verurteilung des Beklagten, unter Abänderung der im Berufungsantrag genannten Bescheide vom 27.10.2010, 29.04.2011, 02.11.2011, 26.11.2011, 07.03.2012, 02.05.2012, 08.11.2012 und 21.11.2012 sowie nach Auslegung unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auch des den streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls regelnden Bescheids vom 07.02.2012, für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 2,3 % des jeweils maßgeblichen Eckregelsatzes zu gewähren. Ferner ist gemäß § 96 SGG der Bescheid vom 15.07.2016 Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, da dieser Bescheid die den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 regelnden Bescheide insoweit abändert, als ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung in Höhe von 4,13 EUR monatlich bewilligt worden ist.

Rechtsgrundlage des Bescheids vom 07.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu Recht eine Abänderung der Bescheide vom 27.10.2010, 22.12.2010, 29.04.2011, 02.11.2011, 26.11.2011, 07.02.2012, 07.03.2012, 02.05.2012, 08.11.2012 und 21.11.2012 abgelehnt, da insoweit weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Auch hat der Kläger keinen über die mit Bescheid vom 15.07.2016 erfolgte Abänderung hinaus gehenden Anspruch auf Leistungen.

Für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 31.12.2012 besteht kein Anspruch auf rückwirkende Gewährung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung. Zwar wurde mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. Teil I Seite 453) die Regelung des § 21 Abs. 7 SGB II bereits mit Wirkung zum 01.01.2011 eingeführt. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden (§ 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II) und beträgt der Mehrbedarf für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils 2,3 % des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 oder 4 SGB II (§ 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II). Die Leistungen sind aber nur für einen Zeitraum von einem Jahr rückwirkend zu gewähren. Zwar gilt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Aber nach der Bestimmung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 gilt abweichend von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Bedenken hinsichtlich dieser kurzen Verfallsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestehen nicht. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verlangt nur die Erbringung von Leistungen, die zur gegenwärtigen Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, juris). Die rückwirkende Gewährung (höherer) existenzsichernder Leistungen ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Es lässt sich dem GG keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt entnehmen, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formalen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 37/15 R, juris; vgl. zu der Parallelregelung in § 116a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] und ihrer Anwendbarkeit im Asylbewerberleistungsrecht BSG, Urteil vom 26.06.2013, B 7 AY 6/12 R, juris; so auch Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, 1. Überarbeitung, § 40 Rn. 44; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB 07/16, § 40 SGB II Rn. 158).

Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 besteht kein Anspruch auf nachträgliche Gewährung eines höheren als des mit Bescheid vom 15.07.2016 geregelten Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG), denen er sich vollumfänglich anschließt.

Insbesondere ist auch in der vorliegenden Konstellation, in der eine Abänderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X im Raume steht, bezüglich der § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X hinsichtlich der Frist für Aufhebungsentscheidungen auf die Fristenregelung in § 44 Abs. 4 SGB X verweist, die kurze Verfallsfrist von nur einem Jahr gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X anzuwenden. Soweit von der Literatur (vgl. Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 40 Rn. 81) die Meinung vertreten wird, dass bei der Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X die Vierjahresfrist zu beachten sei und im Vergleich zur Verkürzung der Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X durch § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf ein Jahr eine Ungleichheit bestehe, die sich dadurch rechtfertigen lasse, dass im Falle des Verfahrens nach § 44 SGB X bereits vorher die Möglichkeit bestanden habe, Widerspruch und ggf. Klage zu erheben, überzeugt dies den Senat nicht. Hiergegen spricht, dass § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II aufgrund seines systematischen Zusammenhangs mit § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine allgemeine Abweichung von den Regelungen des SGB X darstellt und nach seinem Wortlaut zudem generell eine Modifikation von § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X anordnet. Es ist nicht erkennbar, warum diese Modifikation nur bei der direkten Anwendung der Vorschrift und nicht bei der in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X angeordneten entsprechenden Anwendung gelten soll. Eine Beschränkung auf die Fälle des § 44 Abs. 1 und 2 SGB X lässt der Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht andeutungsweise erkennen. Auch ist der Sinn und Zweck dieser Regelung ebenso wie bei einer rückwirkenden Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X einschlägig (Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, 1. Überarbeitung, § 40 Rn. 58). Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 114) sollte die Verkürzung der Vierjahresfrist auf ein Jahr durch § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II einen sachgerechten Ausgleich herstellen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall, dass eine Verwaltungsentscheidung zu seinen Lasten rechtswidrig war. Den in § 44 SGB X zum Ausdruck gebrachten Restitutionsgedanken hielt der Gesetzgeber auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende für unverzichtbar. Die Vierjahresfrist sei jedoch für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts und der Eingliederung in Arbeit dienten und dabei in besonderem Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten (sog. Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Zudem dient die Verkürzung der Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch der Entlastung der Leistungsträger und der Gerichte (Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, 1. Überarbeitung, § 40 Rn. 42; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB 07/16, § 40 SGB II Rn. 101, 148). Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist es nicht zu rechtfertigen, bei von Anfang an zu Ungunsten der Leistungsberechtigten rechtswidrigen Verwaltungsakten eine rückwirkende Korrektur in erheblich geringerem Umfang zu ermöglichen als bei Änderungen zu Gunsten der Leistungsberechtigten nach Erlass des Verwaltungsakts. Es trifft zwar zu, dass Leistungsberechtigte in den von § 44 Abs. 1 und 2 SGB X erfassten Fällen die anfängliche Rechtswidrigkeit mit Widerspruch und Klage hätten geltend machen können. Dies ist aber auch in den von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X erfassten Fällen nicht ausgeschlossen, wenn nämlich die Änderung nach Erlass des Verwaltungsakts, aber vor Ablauf der Widerspruchs- bzw. Klagefrist eintritt und dies, wie bei der Gewährung zu niedriger Leistungen, nach materiellem Recht im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren zu berücksichtigen wäre. Zudem kann es - wie vom SG zutreffend ausgeführt - teilweise auch von Zufälligkeiten abhängen, ob § 44 Abs. 1 SGB X oder § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X zur Anwendung kommt. So führt eine Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Leistungsempfängers zwischen Absendung und Zugang des Verwaltungsaktes zur anfänglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes im Sinne von § 44 Abs. 1 und 2 SGB X, während Änderungen der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Leistungsempfängers nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts unter § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X fallen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch die Verweisung in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Fälle des § 44 Abs. 1 und 2 SGB X einerseits und des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X andererseits hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der rückwirkenden Leistungserbringung gleich behandeln wollte, obwohl ihm die unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften bekannt waren. Eine Rechtfertigung dafür, dass im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende etwas anderes gelten soll, ist nicht erkennbar (Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, 1. Überarbeitung, § 40 Rn. 58).

Soweit der Kläger dahingehend argumentiert, dass der Beklagte über die Gewährung eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung noch gar nicht entschieden habe, hat das SG zutreffend ausgeführt, dass gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen nach dem SGB II auf Antrag erbracht werden und gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur Leistungen nach § 24 Abs. 1 und 3 SGB II und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs. 2, Abs. 4 bis 7 SGB II gesondert zu beantragen sind. Mithin hat der Beklagte den vom Kläger auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellten Antrag vollumfänglich verbeschieden und daher auch insoweit eine Entscheidung getroffen, dass er eine Berücksichtigung der Kosten für dezentrale Warmwassererzeugung weder im Rahmen der Feststellung des Regelsatzes noch bei der Festlegung des hierfür in § 21 Abs. 7 SGB II vorgesehenen Mehrbedarfs vorgenommen hat.

Auch soweit der Kläger sinngemäß mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch argumentiert, entfaltet dieser - ungeachtet des Vorliegens der hierfür notwendigen Voraussetzungen - jedenfalls ebenso keine zeitlich weiter in die Vergangenheit reichenden Wirkungen (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2014, B 13 R 23/13 R, juris; Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 40 Rn. 107; Sächsisches LSG, Urteil vom 06.11.2011, L 7 AS 534/13, juris; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, 1. Überarbeitung, § 40 Rn. 59).

Die Argumentation des Klägers, dass mit dem Antrag vom 02.10.2014 konkludent Widerspruch gegen die Bewilligungsbescheide betreffend den hier streitgegenständlichen Zeitraum erhoben worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn der Antrag des Klägers dahingehend ausgelegt werden könnte, wäre die einmonatige Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) lange abgelaufen, ein Widerspruch damit verfristet und folglich unzulässig. Auch die Frist für die Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG wäre schon längst verstrichen. Im Übrigen fehlte es an einer vom Gericht überprüfbaren Entscheidung des Beklagten über einen solchen Widerspruch.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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