Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 39 R 43/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit bei der Beigeladenen von der Versicherungspflicht befreit ist.
Der Kläger war von April 1994 bis Juli 1995 bei der C. GmbH in Dortmund bzw. Recklinghausen als Bauleiter und Kalkulator tätig. Von Juni 1997 bis Dezember 1997 war er als Bauleiter bei der N. GmbH in Lünen, sodann ab Januar 1998 bis Juni 2000 erneut bei der C. GmbH, ab Juli 2000 bis April 2001 bei der L. GmbH in Dortmund, ab Mai 2001 bis September 2008 bei der G. GmbH in Dortmund und von Oktober 2008 bis Oktober 2011 bei der N. GmbH in Lünen tätig. Seit November 2011 ist er als Bauoberleiter bei der Beigeladenen tätig.
Der Kläger beantragte am 04.07.1995 die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 05.09.1995 wurde der Kläger von der Versicherungspflicht befreit. Dabei wurde im Bescheid Folgendes ausgeführt:
"Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mietgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sind und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt werden.
[ ]
Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu widerrufen.
Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
- die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet - Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.
Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA."
Der Kläger beantragte unter dem 15.01.2015 die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2015 ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitgliedes eines Versorgungswerkes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Eine einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht entfalte keine Wirkung für ein späteres Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber. Eine Weitergeltung des Befreiungsbescheides vom 05.09.1995 scheide somit aus.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 08.11.2015 Widerspruch. Mit Bescheid vom 05.09.1995 sei er als Bauleiter von der Versicherungspflicht befreit worden. Heute übe er die Tätigkeit des Ingenieurs als Bauoberleiter aus. Hierbei handele es sich um keine wesentliche Änderung der Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für die Befreiung immer noch gegeben seien.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2016 als unbegründet zurück. Der Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 könne für die ab dem 01.11.2011 ausgeübte Beschäftigung keine Wirkung entfalten. Dies sei auch dem Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 zu entnehmen. In diesem werde ausgeführt, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt sei. Jeder Tätigkeitswechsel müsse daher angezeigt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 26.01.2016 Klage erhoben. Er verfolgt dabei sein Ziel weiter. Im Wesentlichen führt er aus, dass der Bescheid nach seinem Inhalt auszulegen sei. Dabei sei der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen müsse, maßgeblich. Der Bescheid sei verunglückt, da die Bezeichnung des Arbeitgebers nicht in dem Bescheid aufgenommen worden sei. Zwar finde sich im Bescheid der Hinweis, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt sei. Dies sei aber nur eine unvollkommene Wiederholung des Gesetzestextes. Durch die Verwendung des Wortes grundsätzlich werde dieser Hinweis noch unklarer. Zudem gelte der Bescheid nach dem Hinweis im Bescheid bis dieser widerrufen werde. Die Befreiung sei daher auf Dauer und ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Beschäftigungsverhältnis erklärt worden. Zwar sei es richtig, dass sich die Befreiung nur auf die Beschäftigung erstrecken solle, für die sie ausgesprochen worden sei. In dem Befreiungsbescheid fehle aber gerade die Bezeichnung dieser Beschäftigung. Ein Anspruch auf eine Neuerteilung eines Befreiungsbescheides werde nicht verfolgt, weil die Klage aussichtslos wäre. Streitgegenständlich sei ausschließlich die Feststellung der Gültigkeit des Bescheides vom 05.09.1995.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2016 aufzuheben und festzustellen, dass er aufgrund des Bescheides der Bundesversicherung¬sanstalt für Angestellte vom 05.09.1995 weiterhin von der Rentenversicherungspflicht befreit ist und dass diese Befreiung auch für die gegenwärtige Beschäftigung der Beigeladenen gilt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verbleibt bei ihrer Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 16.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2016 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Denn der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Bescheid vom 05.09.1995 auch für die jetzt ausgeführte Beschäftigung bei der Beigeladenen gilt.
Dabei ist der Bescheid vom 05.09.1995 nicht geeignet, eine Befreiung für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber anzunehmen.
Dabei ist es zutreffend, dass aus dem Verfügungssatz des Bescheides nicht hervorgeht, dass die Befreiung nur für die jeweilige Beschäftigung gilt.
Unschädlich ist jedoch, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden muss (h. M.; vgl. z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.05.2002, Az.: B 6 KA 25/01 R). Die Auslegung kann anhand der Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich den beigefügten Anlagen erfolgen (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 33, Rdnr. 9; mit weiteren Nachweisen).
Die Reichweite des Bescheides ergibt sich aus der Auslegung des Bescheides durch Hinzuziehung der Begründung. In der Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass die Befreiung "grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt" ist. Die Ausnahmen von dem Grundsatz werden sodann in dem nächsten Absatz benannt.
Soweit die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausführt, dass die Befreiung erst mit dem förmlichen Widerruf endet, so folgt hieraus nichts anderes. Denn der Bescheid vom 05.09.1995 ist gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialratenschutz – (SGB X) nicht mehr wirksam.
Ein Verweisungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sich der Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Entsprechendes gilt bei Zweckerreichung des Verwaltungsaktes (Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 39, Rdnr. 14). Eine Erledigung auf sonstige Weise tritt auch bei einer Änderung oder einem Außerkrafttreten einer Norm ein, soweit damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht entfallen. Der Bescheid wird für solche Tatbestände, für die die Versicherungsfreiheit nicht mehr gilt, gegenstandslos. Dass die Entscheidung über die Befreiung gegenstandslos wird, schließt eine (deklaratorische) Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nach § 48 SGB X nicht aus (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6, Rdnr. 30 ff.). Durch die weitere Beschäftigung tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein. Der Befreiungsbescheid braucht insoweit nicht aufgehoben werden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.07.2015, Az.: L 1 KR 38/13).
Mit Neufassung des § 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) i. d. F. vom 15.12.1995 und Einführung der Übergangsregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI i. d. F. vom 15.12.1995, jeweils mit Wirkung zum 01.01.1996, kommt eine Befreiung außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Normen nicht mehr im Betracht. Mit Wechsel in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein, der Bescheid verliert seine regelnde Wirkung. Dies steht auch nicht im Widerspruch den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 22.10.1998, Az.: B 5/4 RA 80/97 R, in welchem das Gericht ausführt, dass sich der Befreiungsbescheid nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt, da er bei Aufnahme einer neuen Beschäftigung als Apothekerin weiterhin Wirkungen entfaltet. Dieses Urteil erging zu einer anderen Rechtslage. Auch soweit der Kläger in dem gleichen Beruf tätig wird, kommt die Befreiung im Hinblick auf die Neuregelung nicht mehr in Betracht.
Dass die Bundesanstalt für Angestellte in ihrem Bescheid ausführt, dass der Bescheid so lange wirksam sei, bis er widerrufen wird, ändert an der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 2 SGB X. Denn Begründungselemente eines Verwaltungsaktes können eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht außer Kraft setzen. Vielmehr handelt es sich bei Ausführungen in dem Bescheid lediglich um Hinweise, die nicht Teil des Verfügungssatzes werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R).
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus Gründen eines von dem Kläger betätigten Vertrauens in den uneingeschränkten Fortbestand der ursprünglich erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht oder aus sonstigen Gesichtspunkten abzuleiten. Dabei verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn ein Rentenversicherungsträger die Versicherungspflicht eines Betroffenen in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellt, nachdem der Träger zuvor in einer Antwort auf die Frage des Betroffenen nach der Reichweite einer früheren Befreiung im Hinblick auf eine neu eingegangene Beschäftigung den Eindruck erzeugt hatte, auch insoweit trete wegen der schon erteilten früheren Befreiung keine Versicherungspflicht ein (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R; Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 3/11 R).
Es ist seitens des Klägers weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass die Bundesanstalt für Angestellte bzw. die Beklagte entsprechende Hinweise gegeben hat. Der Bescheid vom 05.09.1995 selbst ist nicht geeignet, ein entsprechendes Vertrauen des Klägers zu erzeugen. Dabei kann dahinstehen, ob auf den Kläger selbst, der den Bescheid als widersprüchlich bzw. unklar empfindet, oder auf einen objektiven Dritten abgestellt wird. Nach dem oben Dargelegten ist die Regelungsreichweite des Bescheides unter Hinzuziehung der Begründung dergestalt auszulegen, dass die Befreiung sich nicht auf weitere Beschäftigungen bezieht. Andernfalls wären die Ausführungen zu der Erstreckung der Befreiung auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten unnötig.
Die Kostenentscheidung beruht aus den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit bei der Beigeladenen von der Versicherungspflicht befreit ist.
Der Kläger war von April 1994 bis Juli 1995 bei der C. GmbH in Dortmund bzw. Recklinghausen als Bauleiter und Kalkulator tätig. Von Juni 1997 bis Dezember 1997 war er als Bauleiter bei der N. GmbH in Lünen, sodann ab Januar 1998 bis Juni 2000 erneut bei der C. GmbH, ab Juli 2000 bis April 2001 bei der L. GmbH in Dortmund, ab Mai 2001 bis September 2008 bei der G. GmbH in Dortmund und von Oktober 2008 bis Oktober 2011 bei der N. GmbH in Lünen tätig. Seit November 2011 ist er als Bauoberleiter bei der Beigeladenen tätig.
Der Kläger beantragte am 04.07.1995 die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 05.09.1995 wurde der Kläger von der Versicherungspflicht befreit. Dabei wurde im Bescheid Folgendes ausgeführt:
"Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mietgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sind und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt werden.
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Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu widerrufen.
Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
- die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet - Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.
Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA."
Der Kläger beantragte unter dem 15.01.2015 die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2015 ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitgliedes eines Versorgungswerkes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Eine einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht entfalte keine Wirkung für ein späteres Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber. Eine Weitergeltung des Befreiungsbescheides vom 05.09.1995 scheide somit aus.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 08.11.2015 Widerspruch. Mit Bescheid vom 05.09.1995 sei er als Bauleiter von der Versicherungspflicht befreit worden. Heute übe er die Tätigkeit des Ingenieurs als Bauoberleiter aus. Hierbei handele es sich um keine wesentliche Änderung der Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für die Befreiung immer noch gegeben seien.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2016 als unbegründet zurück. Der Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 könne für die ab dem 01.11.2011 ausgeübte Beschäftigung keine Wirkung entfalten. Dies sei auch dem Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 zu entnehmen. In diesem werde ausgeführt, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt sei. Jeder Tätigkeitswechsel müsse daher angezeigt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 26.01.2016 Klage erhoben. Er verfolgt dabei sein Ziel weiter. Im Wesentlichen führt er aus, dass der Bescheid nach seinem Inhalt auszulegen sei. Dabei sei der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen müsse, maßgeblich. Der Bescheid sei verunglückt, da die Bezeichnung des Arbeitgebers nicht in dem Bescheid aufgenommen worden sei. Zwar finde sich im Bescheid der Hinweis, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt sei. Dies sei aber nur eine unvollkommene Wiederholung des Gesetzestextes. Durch die Verwendung des Wortes grundsätzlich werde dieser Hinweis noch unklarer. Zudem gelte der Bescheid nach dem Hinweis im Bescheid bis dieser widerrufen werde. Die Befreiung sei daher auf Dauer und ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Beschäftigungsverhältnis erklärt worden. Zwar sei es richtig, dass sich die Befreiung nur auf die Beschäftigung erstrecken solle, für die sie ausgesprochen worden sei. In dem Befreiungsbescheid fehle aber gerade die Bezeichnung dieser Beschäftigung. Ein Anspruch auf eine Neuerteilung eines Befreiungsbescheides werde nicht verfolgt, weil die Klage aussichtslos wäre. Streitgegenständlich sei ausschließlich die Feststellung der Gültigkeit des Bescheides vom 05.09.1995.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2016 aufzuheben und festzustellen, dass er aufgrund des Bescheides der Bundesversicherung¬sanstalt für Angestellte vom 05.09.1995 weiterhin von der Rentenversicherungspflicht befreit ist und dass diese Befreiung auch für die gegenwärtige Beschäftigung der Beigeladenen gilt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verbleibt bei ihrer Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 16.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2016 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Denn der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Bescheid vom 05.09.1995 auch für die jetzt ausgeführte Beschäftigung bei der Beigeladenen gilt.
Dabei ist der Bescheid vom 05.09.1995 nicht geeignet, eine Befreiung für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber anzunehmen.
Dabei ist es zutreffend, dass aus dem Verfügungssatz des Bescheides nicht hervorgeht, dass die Befreiung nur für die jeweilige Beschäftigung gilt.
Unschädlich ist jedoch, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden muss (h. M.; vgl. z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.05.2002, Az.: B 6 KA 25/01 R). Die Auslegung kann anhand der Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich den beigefügten Anlagen erfolgen (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 33, Rdnr. 9; mit weiteren Nachweisen).
Die Reichweite des Bescheides ergibt sich aus der Auslegung des Bescheides durch Hinzuziehung der Begründung. In der Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass die Befreiung "grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt" ist. Die Ausnahmen von dem Grundsatz werden sodann in dem nächsten Absatz benannt.
Soweit die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausführt, dass die Befreiung erst mit dem förmlichen Widerruf endet, so folgt hieraus nichts anderes. Denn der Bescheid vom 05.09.1995 ist gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialratenschutz – (SGB X) nicht mehr wirksam.
Ein Verweisungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sich der Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Entsprechendes gilt bei Zweckerreichung des Verwaltungsaktes (Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 39, Rdnr. 14). Eine Erledigung auf sonstige Weise tritt auch bei einer Änderung oder einem Außerkrafttreten einer Norm ein, soweit damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht entfallen. Der Bescheid wird für solche Tatbestände, für die die Versicherungsfreiheit nicht mehr gilt, gegenstandslos. Dass die Entscheidung über die Befreiung gegenstandslos wird, schließt eine (deklaratorische) Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nach § 48 SGB X nicht aus (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6, Rdnr. 30 ff.). Durch die weitere Beschäftigung tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein. Der Befreiungsbescheid braucht insoweit nicht aufgehoben werden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.07.2015, Az.: L 1 KR 38/13).
Mit Neufassung des § 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) i. d. F. vom 15.12.1995 und Einführung der Übergangsregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI i. d. F. vom 15.12.1995, jeweils mit Wirkung zum 01.01.1996, kommt eine Befreiung außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Normen nicht mehr im Betracht. Mit Wechsel in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein, der Bescheid verliert seine regelnde Wirkung. Dies steht auch nicht im Widerspruch den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 22.10.1998, Az.: B 5/4 RA 80/97 R, in welchem das Gericht ausführt, dass sich der Befreiungsbescheid nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt, da er bei Aufnahme einer neuen Beschäftigung als Apothekerin weiterhin Wirkungen entfaltet. Dieses Urteil erging zu einer anderen Rechtslage. Auch soweit der Kläger in dem gleichen Beruf tätig wird, kommt die Befreiung im Hinblick auf die Neuregelung nicht mehr in Betracht.
Dass die Bundesanstalt für Angestellte in ihrem Bescheid ausführt, dass der Bescheid so lange wirksam sei, bis er widerrufen wird, ändert an der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 2 SGB X. Denn Begründungselemente eines Verwaltungsaktes können eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht außer Kraft setzen. Vielmehr handelt es sich bei Ausführungen in dem Bescheid lediglich um Hinweise, die nicht Teil des Verfügungssatzes werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R).
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus Gründen eines von dem Kläger betätigten Vertrauens in den uneingeschränkten Fortbestand der ursprünglich erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht oder aus sonstigen Gesichtspunkten abzuleiten. Dabei verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn ein Rentenversicherungsträger die Versicherungspflicht eines Betroffenen in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellt, nachdem der Träger zuvor in einer Antwort auf die Frage des Betroffenen nach der Reichweite einer früheren Befreiung im Hinblick auf eine neu eingegangene Beschäftigung den Eindruck erzeugt hatte, auch insoweit trete wegen der schon erteilten früheren Befreiung keine Versicherungspflicht ein (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 5/10 R; Urteil vom 31.10.2012, Az.: B 12 R 3/11 R).
Es ist seitens des Klägers weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass die Bundesanstalt für Angestellte bzw. die Beklagte entsprechende Hinweise gegeben hat. Der Bescheid vom 05.09.1995 selbst ist nicht geeignet, ein entsprechendes Vertrauen des Klägers zu erzeugen. Dabei kann dahinstehen, ob auf den Kläger selbst, der den Bescheid als widersprüchlich bzw. unklar empfindet, oder auf einen objektiven Dritten abgestellt wird. Nach dem oben Dargelegten ist die Regelungsreichweite des Bescheides unter Hinzuziehung der Begründung dergestalt auszulegen, dass die Befreiung sich nicht auf weitere Beschäftigungen bezieht. Andernfalls wären die Ausführungen zu der Erstreckung der Befreiung auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten unnötig.
Die Kostenentscheidung beruht aus den §§ 183, 193 SGG.
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