Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 448/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dieser Rechtsstreit wird ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht mit folgender Frage vorgelegt: Sind §§ 54, 55, 57, 131-136 SGB XI insofern mit der Verfassung, namentlich Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 GG, im Einklang als Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie Versicherte mit nur einem Kind?
Gründe:
I. Die Kläger begehren die Herabsetzung ihrer Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab 01.01.2015.
Die in den Jahren 1975 und 1976 geborenen Kläger sind verheiratet und Eltern von vier in den Jahren 2007, 2009, 2011 und 2013 geborenen Kindern. Sie sind bei der beklagten Krankenkasse in der Beschäftigtenversicherung gesetzlich krankenversichert und bei der bei ihr eingerichteten zu 4. beigeladenen Pflegeversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Die Beklagte ist gleichzeitig die für die Einziehung ihrer Sozialversicherungsbeiträge zuständige Einzugsstelle.
Die Klägerin zu 1. erzielte bis 31.08.2016 ein Monatseinkommen von 1.159,47 EUR brutto zuzüglich Kinderzulage und Zeitzuschlag (Gesamtbrutto: 1.389,21 EUR) aus einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. Seit 01.09.2016 hat sie von 25% auf 50% aufgestockt. Der Kläger zu 2. erzielt ein Monatseinkommen aus einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. in Höhe von 4.143,24 EUR brutto zuzüglich Kinder- und Zeitzuschlag (Gesamtbrutto: 4.398,93 EUR).
Mit Schreiben vom 04.04.2015 beantragten sie bei der Beklagten, bei der Beitragserhebung zur sozialen Pflegeversicherung ihre aus Barunterhalt und Betreuung bestehenden Erziehungsleistungen für ihre vier Kinder beitragsäquivalent zu berücksichtigen. Den Vorschlag der Beklagten, das Verfahren im Hinblick auf mehrere beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren ruhen zu lassen, lehnten sie mit der Begründung ab, dass die laufenden Verfahren sich nicht mit der Pflegeversicherung und dem seit 01.01.2015 eingerichteten Pflegevorsorgefonds befassten. Insofern habe sich die einfache Rechtslage geändert, der schon bestehende Verfassungsverstoß sei verschärft worden.
Mit Bescheid vom 29.06.2015 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2. eine Herabsetzung der laut Gehaltsmitteilung und im Bescheid näher ausgeführten abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Kranken- (334,13 EUR), Renten- (411,30 EUR) und Pflegeversicherung (48,47 EUR) ab. Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1. die Herabsetzung der näher bezeichneten Beiträge zur Kranken- (106,04 EUR), Renten- (122,41 EUR) und Pflegeversicherung (15,38 EUR) ab. Dagegen erhoben die Kläger unter dem 01.07.2015 Widerspruch, zu dessen Begründung sie die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Beitragsregelungen geltend machten. Mit Schreiben vom 30.07.2015 stellte die Beklagte klar, dass sie eine Beitragsreduzierung ab Januar 2015 nicht vornehmen könne. Mit Widerspruchsbescheiden vom 08.10.2015 wies die Beklagte den gemeinsam erhobenen Widerspruch unter Bezugnahme auf die Gesetzeslage zurück.
Dagegen richtet sich die am 03.11.2015 erhobene Klage.
Die Kläger wiederholen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Die Klägerin zu 1. beschränkt ihre Klage auf die Zeit bis 31.08.2016, nachdem die Kammer darauf hingewiesen hat, dass es für die Zeit ab Änderung der Arbeitszeit an einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten fehlt. Ihren ursprünglichen Vortrag, dass auch der Arbeitgeberbeitrag Gegenstand des Verfahrens sei, haben sie in der Folge im Hinblick auf die fehlende Entscheidung der Beklagten über diesen Teil nicht aufrecht erhalten.
Die Kläger tragen vor, es sei verfassungsrechtlich zwingend, die Beitragsgerechtigkeit zwischen Eltern und kinderlosen Personen herzustellen. So bliebe mehr Netto vom Brutto, was Erwerbsanreize für Frauen nach sich ziehe. Beitragsgerechtigkeit sei ein zentraler Baustein im Kampf gegen Familienarmut und verwirkliche in besonderem Maße das Sozialstaatsgebot. Es sei eine Unterscheidung nach Unterhaltsbelastung zu treffen, nur das verwirkliche die Beitragsgerechtigkeit, denn nur so werde dem tatsächlich verfügbaren Einkommen Rechnung getragen. Insofern sei mindestens der in § 32 Abs. 6 Einkommenssteuergesetz (EStG) genannte Betrag von ihren Einkommen abzuziehen bevor sie verbeitragt würden. Das bedeute, dass ein Betrag von 4 x 7.152 EUR= 28.068 EUR von ihrem Einkommen abzuziehen sei.
Der seit 01.01.2015 eingerichtete Pflegevorsorgefonds sei nicht Gegenstand der aktuellen Entscheidung des BSG vom 20.07.2017 (B 12 KR 14/15 R) gewesen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 u.a.) sei vom Gesetzgeber nicht hinreichend umgesetzt worden. Dieser fortbestehende Verfassungsverstoß sei durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds zum 01.01.2015 noch verschärft worden.
Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) die statistischen Vorgaben nicht zutreffend umgesetzt. Es habe zu Unrecht nicht zwischen Kinderlosen und Kindererziehenden unterschieden und es habe auch nicht hinreichend beachtet, dass eine Beitragsentlastung bei Eltern mit Kindern, die bereits auf eigenen Beinen stünden, nicht mehr erforderlich sei. Letztere seien ebenfalls ökonomisch als kinderlos anzusehen.
Die Kläger legen den Wortlaut der Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 3135/15) vom 14.12.2015 vor und machen sie zum Gegenstand ihres Vortrags. Insofern wird auf Bl. 62 ff. und 192 ff. der Akten verwiesen. Sie machen sich weiterhin die Verfassungsbeschwerde des Prof. Dr. Kingreen gegen das Urteil des BSG vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) (Bl. 136 ff. und 224 ff. der Akten) zu eigen.
Weiterhin nehmen sie auf eine Anhörungsrüge an das BSG zum Rechtsstreit B 12 KR 15/12 R (Bl. 225 ff. der Akte) sowie eine Stellungnahme des Prof. M. Werding vom 09.03.2016 (Bl. 259 ff. der Akte) Bezug. Sie machen die Revisionsbegründungen ihres Prozessbevollmächtigten in den Rechtsstreiten vor dem BSG B 12 KR 13/15 R, B 12 KR 14/15 R (Bl. 277 ff. der Akten) zum Gegenstand ihres Vortrags.
Schließlich machen sie die Begründung der Verfassungsbeschwerde ihres Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) vom 14.09.2016 (Bl. 266 ff. der Akte) und 16.01.2017, des Prof. Kingreen vom 24.03.2016 (Bl. 224 ff. der Akten) (veröffentlicht unter www.elternklagen.de) zum Gegenstand ihres Sachvortrags. Sie nehmen außerdem Bezug auf ein Gutachten des R. Loos vom 15.09.2011/10.11.2011 und Ausführungen der A. Lenze in NZS 2006, 407 ff., in SozSich 12/2011, S 433 ff, und SGb 2017, 130 ff (Bl. 350 ff der Akte) sowie auf den Aufsatz von Seiler in NZS 2016, 641 ff. (Bl. 173 ff. der Akte).
Es sei verfassungsrechtlich unhaltbar, dass die Beitragsermäßigung von nur 0,25 Prozent nur einmalig vorgenommen werde, obwohl sie vier Kinder hätten. Das gelte umso mehr als der Beitragssatz zur SPV seit 2005 erheblich gestiegen sei. Der Pflegevorsorgefonds werde verfassungswidrig finanziert, weil der Kindererziehung hier keine konstitutive Bedeutung zukomme. Außerdem sei er bei der Frage der Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung zur Pflegeversicherung relevant, weil 0,1 Prozentpunkte in ihn flössen. Es sei darüber hinaus zweifelhaft, ob er überhaupt eine Kapitaldeckung beinhalte, die das BVerfG in einem weiteren Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) im Übrigen zu Unrecht für verfassungskonform gehalten habe, da der Generationenbeitrag unter Ökonomen unstreitig bei beiden Systemen relevant sei. Jedenfalls habe das BVerfG darin die Möglichkeit erörtert, dass mit zunehmend höherer Relevanz der Beiträge der wenigen jungen Menschen auch die Verfassungskonformität der kapitalgedeckten privaten Pflegeversicherung in Frage gestellt sei. Die Lage habe sich diesbezüglich nicht entspannt sondern vielmehr verschärft. Das habe der Gesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien nicht im Blick gehabt.
Jedenfalls sei gar nicht sicher, ob es sich nunmehr um ein kapitalgedecktes System handele, denn die Richtlinien zu § 134 SGB XI seien nicht veröffentlicht und insofern nicht nachprüfbar. Es sei davon auszugehen, dass die Bundesbank die Mittel unter Wahrung der Grundsätze Liquidität, Sicherheit und Rendite anzulegen habe. Das bedeute, dass entgegen Art. 109 - 115 GG der Fiskus und damit der Steuerzahler hafte. Im Hinblick auf den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG durch die zwangsweise Erhebung der Beiträge müsse hier Transparenz hergestellt werden. Insofern verweisen sie auf das Urteil des VerfGH Koblenz vom 22.02.2017 - VGH N 2/15. Die Beigeladene zu 2. möge sich dazu erklären.
Die Kläger stellen Beweisanträge zur Aufklärung der demographischen Entwicklung seit Juli 2000 und der damit verbundenen Änderung des generativen Faktors. Weiterhin möchten sie aufgeklärt wissen, welchen Anteil die Zunahme an Pflegekosten für die SPV insgesamt und wegen der Verlagerung der bisher innerfamiliär geleisteten Pflege habe. Die Vorteile Kinderloser in der SPV sollten quantifiziert werden. Zu diesen Zahlen und zum demographischen Wandel seit 2000 tragen die Kläger umfangreich vor.
Die Kläger stellen folgende Beweisanträge:
1. Welche Veränderungen sind seit 1994 (Verabschiedung der Sozialen Pflegeversicherung) bis zur mündlichen Verhandlung in der sogenannten demographischen Entwicklung eingetreten?
2. Welche Veränderungen sind dabei bezüglich des vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Pflegeurteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) als wesentlich ursächlich identifizierten generativen Faktors eingetreten und hat sich dessen Gewicht seit dem 10.07.2000 (= Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der verschiedenen Pflegestreitverfahren mit Erstattung der Sachverständigengutachten durch die Prof. Dres. Birg und Schmäh) wesentlich verändert?
3. Welchen Anteil hat dieser nun an der Zunahme der Pflegelasten, a) in der sozialen Pflegeversicherung allgemein, b) mit Blick auf die Verlagerung bislang binnenfamiliär geleisteter Pflege in die öffentliche Finanzierung?
4. Treffen die Grundsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 03.04.2001 zur Beitragsgestaltung der sozialen Pflegeversicherung (1 BvR 1629/94) unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen demographischen Entwicklung bzw. des generativen Faktors gleichermaßen auf die nach dem 01.01.2005 eingetretenen Beitragserhöhungen (2008 und 2015) zu?
5. Lassen sich die vom Bundesverfassungsgericht 2001 im Urteil zur sozialen Pflegeversicherung identifizierten aus der elterlichen Kindererziehung resultierenden Vorteile kinderloser Jahrgangsteilnehmer der hiesigen Kläger quantifizieren?
6. Sind die Grundsätze des Beitragskinderurteils (BVerfG vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94) entsprechend dem Parallelurteil des BVerfG vom 03.04.2001 zur Beitragsgestaltung bei Kindererziehung in der privaten Pflegeversicherung (1 BvR 1681/94) nunmehr auch auf den Pflegevorsorgefond (§§ 131 ff. SGB XI) und/oder nur auf die privaten Pflegekassen anwendbar?
Der Kläger beantragt weiter, die Beigeladene zu 2) aufzufordern, folgende Fragen zu beantworten: 1. die für sie in Bezug auf den Pflegevorsorgefonds geltenden Anlagevorschriften vorzulegen und die Einzelheiten der getätigten Anlagen - Aktien, Immobilien, öffentliche Anleihen etc. (einschließlich deren Anlagequoten im Einzelnen) darzulegen. 2. ferner zu erklären, ob es sich dabei vollständig um "kapitalgedeckte" Anlagen im eigentlichen Sinne handelt und warum bzw. warum ggfs. nicht. 3. darüber hinaus, ob diese Anlagen im Inland oder Ausland erfolgt/en. 4. hinsichtlich der Auslandsanlagen möge dazu ggfs. weiter erläutert werden, ob und warum diese in gleicher Weise wie die inländischen geeignet sind, ab 2035 den "Pflegeberg" im Inland zu "untertunneln". 5. schließlich möge bitte Aufschluss zu der Frage erteilt werden, wie die Auflösung des Fonds ab 2035 genau vor sich gehen soll, insbesondere ob und wie die "Werthaltigkeit" auch für die absehbare Situation sichergestellt ist, dass sämtliche Vorsorgefonds ihre "Kapitalien" aus demographischen Gründen annähernd zur gleichen Zeit auflösen (müssen). 6. zur Frage Stellung zu nehmen, ob und ggfs. warum die von ihr getätigten Anlagen im Lichte des Urteils des BVerfG vom 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94 - "demografieresistent" sind, oder ob und ggfs. warum dies nicht der Fall ist. 7. darzulegen, ob sie die Gründe des diesseits zur Stützung der Auffassung der Kläger herangezogenen Urteils des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.02.2017 für übertragbar auf den Pflegevorsorgefonds hält oder verneinendenfalls warum nicht.
Die Kläger beantragen in der Sache, 1. den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 GG die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob §§ 54, 55, 57 SGB XI insofern mit der Verfassung, namentlich Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG, in Einklang stehen als Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie kinderlose Versicherte bzw. Versicherte mit nur einem Kind.
hilfsweise 1. die Bescheide vom 29.06.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zur Pflegeversicherung ab 01.01.2015, betreffend die Klägerin zu 1. bis 31.08.2016, unter Berücksichtigung des in § 32 Abs. 6 EStG genannten Betrags (steuerliches Existenzminimum) festzusetzen. 2. die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, 1. die Klage abzuweisen. 2. die Sprungrevision zuzulassen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R). Mit der Zulassung der Sprungrevision sei sie einverstanden.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat das Verfahren betreffend die Pflegeversicherung in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 abgetrennt, führt es nunmehr unter dem hiesigen Aktenzeichen. Im übrigen Rechtsstreit (S 6 KR 5414/15) hat sie die Klage betreffend die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung mit Urteil vom 23.01.2018 unter Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 05.07.2006 - B 12 KR 20/04 R, vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, zuletzt Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 14/15 R) abgewiesen. Insofern hat sie sich nicht von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsvorschriften des Fünften und Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB V und VI) überzeugen können.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozess¬akte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung waren.
II. Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI vorzulegen. Das Gericht sieht sich nicht durch die Gesetzeskraft der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242) gemäß § 31 BVerfGG an der Vorlage gehindert, denn es wird gerade um die Umsetzung dieser Entscheidung in das SGB XI und um weitere Änderungen im SGB XI nach dieser Entscheidung gestritten (vgl. BVerfGE 79, 256, juris Rn. 29).
Die Kammer sieht sich nicht durch die Verfassungsbeschwerde der Kläger vom 14.12.2015 unmittelbar gegen §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI an der Vorlage gehindert. Die Zulässigkeit dieser Verfassungsbeschwerde ist vor dem Hintergrund des § 90 Abs. 2 BVerfGG und im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Betroffenheit der Kläger durch die Beitragsvorschriften des SGB XI zweifelhaft, denn es bedarf deren Umsetzung durch die Beigeladene zu 3 sowie die Beklagte und die Beigeladene zu 4. Jedenfalls wird vorliegend auch um die Umsetzung der §§ 54, 55 Abs. 1, 57 SGB XI durch die Verwaltung, mithin auch um die Verfassungsmäßigkeit von Verwaltungsakten gestritten, so dass der Streitgegenstand im hiesigen Verfahren über den der Verfassungsbeschwerde hinausgeht.
III. Für die Entscheidung über den Rechtsstreit kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI an. Die Kläger verlangen in der Sache eine Reduzierung ihrer Beiträge unter Berücksichtigung der Zahl ihrer Kinder, also einen größeren Teil ihres Einkommens als bisher beitragsfrei zu belassen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 87, 90 Sozialgerichts-gesetz - SGG -).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG zulässig. Die Kläger begehren die Aufhebung von die Höhe ihrer Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab 01.01.2015 feststellenden Verwaltungsakten und die Verurteilung der Beklagten zum Erlass neuer Beitragsbescheide mit der Feststellung geringerer Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung. Die Beklagte hat die Herabsetzung in den angefochtenen Bescheiden abgelehnt und die konkrete Höhe der zu entrichtenden Beiträge festgesetzt. Mit dem ergänzenden Schreiben vom 30.07.2015 hat sie klargestellt, dass die Bescheide für die Zeit ab 01.01.2015 gelten. Insofern hat sie - auch betreffend den von den Klägern begehrten Zeitraum - anfechtbare Bescheide erlassen. Mit der Verpflichtungsklage begehren die Kläger den Erlass anderer, für sie günstigerer Bescheide.
Die Klage ist nicht bereits deshalb begründet, weil die angefochtenen Bescheide gegen einfaches Recht verstoßen. Die Beklagte war als Einzugsstelle gemäß § 28h Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zur Entscheidung über die Höhe der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung berufen (BSG, Urteil vom 23.09.2003 - B 12 RA 3/02 R, SozR 4-2400 § 28h Nr. 1). Der Kläger zu 2. ist insbesondere nicht gemäß § 6 Abs. 1, Abs. 6 SGB V von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung frei und gemäß § 9 SGB V freiwillig versichert mit der Folge, dass die Beigeladene zu 4. zur Entscheidung über die Höhe seiner Beiträge berufen gewesen wäre. Das Einkommen des Klägers überschritt prognostisch die Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 SGB V für die Jahre 2015 (54.900 EUR), 2016 (56.250 EUR), 2017 (57.600 EUR) und 2018 (59.400 EUR) nicht, so dass er pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung und dem gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI folgend in der sozialen Pflegeversicherung ist.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht bereits wegen formaler Fehler aufzuheben. Die Anhörungspflicht aus § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist gewahrt, die Beklagte hat die Angaben der Kläger zugrunde gelegt, § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X. Die angefochtenen Bescheide sind hinreichend bestimmt, § 33 SGB X, insbesondere werden dort nicht unzulässigerweise nur bestimmte Elemente der Beitragsbemessung festgestellt. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden den vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 05.07.2006 - B 12 KR 20/04 R, vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, zuletzt Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 13/15 R, Rn. 35 f.) aufgestellten Anforderungen an Beitragsbescheide in diesen Fällen Rechnung getragen. Sie hat die von den Klägern zu tragenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in konkreter Höhe festgesetzt.
Die Klage hätte in der Sache unter Berücksichtigung der Vorschriften des SGB XI keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in den angefochtenen Bescheiden zutreffend, nämlich unter rechtlich korrekter Anwendung der §§ 55, 57 SGB XI festgesetzt. Insbesondere hat sie keinen Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI erhoben. Sie ist insofern zutreffend von der Elterneigenschaft der Kläger im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgegangen. Das Bruttoentgelt der Kläger hat die Beklagte unter Beachtung der §§ 14 ff., 23a f. SGB IV, 57 Abs. 1 SGB XI, 226 SGB V ermittelt.
Die von den Klägern in ihrem Klageantrag verlangte Reduzierung ihrer beitragspflichtigen Einkommen um einen Betrag, der dem in § 32 Abs. 6 EStG genannten entspricht, ist im Sozialversicherungsrecht nicht vorgesehen.
Die Relevanz der Vorlagefrage für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme einen großen Gestaltungsspielraum einräumt (BVerfG, Urteil v. 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, Juris Rn. 44 ff., 54, 70, Steiner NZS 2004, 505, 508) und deshalb aus dem Verfassungsrecht der von den Klägern in konkreter Höhe geltend gemachte Anspruch (Beitragsberechnung nach Abzug der in § 32 Abs. 6 EStG vorgesehenen Beträge) von vornherein nicht ableitbar ist. Die Kläger begehren in der Sache eine weitergehende Berücksichtigung ihrer vier Kinder bei der Beitragsberechnung in der sozialen Pflegeversicherung als bisher und sehen sich nicht in der Lage ihren durch Kindererziehung geleisteten Beitrag zu beziffern, so dass sie auf die steuerrechtlichen Freibeträge zurückgreifen. Ihr Antrag zur Sache ist so auszulegen, dass jedenfalls als Minus auch andere Ausgestaltungen der Beitragsreduzierung wie z.B. ein geringerer Beitragssatz enthalten sind.
IV. Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung im hier streitigen Zeitraum zumindest in Konstellationen wie derjenigen der Kläger überzeugt.
1. Die Kammer geht dabei zunächst mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 14/15 R, Rn. 43) davon aus, dass hier im Hinblick auf den mit der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung verbundenen Eingriff in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, Urteil v. 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95, BVerfGE 103, 271, Beschluss vom 09.12.2003 - 1 BvR 55/99, BVerfGE 109, 96) ein strenger Maßstab anzulegen ist. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist betroffen, wenn der Gesetzgeber Personen der Versicherungspflicht in einem System der sozialen Sicherheit unterwirft und mit dieser Versicherungspflicht Beitragspflichten verbunden sind. Ein solcher Eingriff bedarf der Rechtfertigung durch eine entsprechende Ausgestaltung der solidarischen Versorgung.
2. Maßstab für die Beitragserhebung in der sozialen Pflegepflichtversicherung ist sodann Art. 3 Abs. 1 GG, hier in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfGE 87, 1, 35 m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl. BVerfGE 71, 255, 271; stRspr). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 50, 57, 77; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm aber, dabei Art und Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (vgl. BVerfGE 71, 255, 271). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei (vgl. BVerfGE 94, 241, 260). Allerdings kann sich eine weiter gehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (vgl. BVerfGE 87, 1, 36, BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 43). Das gilt zur Überzeugung der Kammer auch bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen die Personen mit nur einem Kind genauso behandeln wie Personen mit vier und mehr Kindern.
Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung auch dann, wenn sie Kinder betreuen und erziehen, der Beitragspflicht unterworfen werden, denn Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat nicht, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Es besteht bei der Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, so dass konkrete Folgerungen für einzelne Rechtsgebiete und Teilsysteme nicht ableitbar sind (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 44 ff.). Entsprechend ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG kein Anspruch auf höhere Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 47 ff.). Davon gehen im Grundsatz auch die Kläger aus.
Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn die Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine hinreichende Berücksichtigung findet. Dann wird die Gruppe Versicherter mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Die Erziehungsleistung versicherter Eltern begünstigt innerhalb eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems, das - wie die soziale Pflegeversicherung - der Deckung eines maßgeblich vom Älterwerden der Versicherten bestimmten Risikos dient, in spezifischer Weise Versicherte ohne Kinder. Der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf tritt in der sozialen Pflegeversicherung weiterhin überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auf. Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Sie steigt jenseits des 60. Lebensjahres zunächst leicht an, um dann jenseits des 80. Lebensjahres zu einem die Situation des Einzelnen maßgeblich prägenden Risiko zu werden (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 56 unter Hinweis auf BTDrucks 12/5262, S. 62). Daran hat sich seit 2000 nichts geändert (vgl. BT-Drucksache 18/1798 S. 19). Das tragen die Kläger zutreffend vor. Die übrigen Beteiligten bestreiten die insofern vorgetragenen Tatsachen in der Sache auch nicht, so dass die Kammer sich nicht gedrängt sieht, den diesbezüglichen Beweisanträgen der Kläger nachzugehen, zumal diese Tatsachen inzwischen allgemein bekannt sind.
Wird ein solches allgemeines, regelmäßig erst in höherem Alter auftretendes Lebensrisiko durch ein Umlageverfahren finanziert, so hat die Erziehungsleistung konstitutive Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieses Systems. Denn bei Eintritt der ganz überwiegenden Zahl der Versicherungsfälle ist das Umlageverfahren auf die Beiträge der nachwachsenden Generation angewiesen. Damit erwächst Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten. Zwar werden Kinderlose mit ihren Beiträgen auch zur Finanzierung des Pflegerisikos von beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kinder herangezogen. Das wiegt jedoch den Vorteil der kinderlosen Versicherten zu Lasten derjenigen nicht auf, die zur Abdeckung des Pflegerisikos aller im Alter für die zukünftigen Beitragszahler sorgen. Dieses Ungleichgewicht verschärft sich in Fällen, in denen Eltern eine große Anzahl von Kindern großziehen und zusätzlich beide finanzielle Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung leisten.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die große Mehrzahl der Bevölkerung in der sozialen Pflegeversicherung versichert ist (siehe schon Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 2014/95 -) und prognostisch in der Zukunft schon deshalb bleibt, weil der Gesetzgeber den Kreis der Pflichtversicherten durch Einführung der §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12, Abs. 3 SGB XI, 5 Abs. 1 Nr. 13, 188 Abs. 4 SGB V noch weiter gefasst hat, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Erziehungsleistung in der sozialen Pflegeversicherung auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung zugute kommt.
Wenn ein soziales Leistungssystem ein Risiko abdecken soll, das vor allem die Altengeneration trifft, und seine Finanzierung so gestaltet ist, dass sie im Wesentlichen durch das Vorhandensein nachwachsender Generationen funktioniert, die jeweils im erwerbsfähigen Alter als Beitragszahler die mit den Versicherungsfällen der vorangegangenen Generationen entstehenden Kosten mittragen, dann ist für ein solches System nicht nur der Versicherungsbeitrag, sondern auch die Kindererziehungsleistung konstitutiv. Wird dieser generative Beitrag nicht mehr in der Regel von allen Versicherten oder von allen Versicherten in hinreichender Weise erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist. Die kindererziehenden Versicherten sichern die Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung also nicht nur durch Beitragszahlung, sondern auch durch Betreuung und Erziehung von Kindern. (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 61). Je mehr Kinder Versicherte erziehen, desto größer ist dabei ihr Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung. Während Versicherte, die nur ein Kind erziehen, noch nicht die Beitragslast in der Zukunft stabil halten können, weil ein Kind schon für seine Eltern in Zukunft doppelte Beiträge leisten muss, sichern Versicherte mit vier und mehr Kindern die Beiträge in der Zukunft für sich und weitere Versicherte.
Der Gesetzgeber überschreitet innerhalb dieses Rahmens die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, wenn er gesetzliche Vorschriften ohne eine die Beitragslast der Eltern hinreichend berücksichtigende Kinderkomponente in Kraft treten lässt. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber deshalb im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 70 ff) den Auftrag erteilt, die Beitragsvorschriften des SGB XI so zu gestalten, dass ein zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmender Ausgleich dergestalt erfolgt, dass die Elterngeneration während der Zeit der Erziehung und Betreuung der Kinder entlastet wird. Der Gesetzgeber hat insofern einen Gestaltungsspielraum, wie er die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt, er ist aber von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 72 f.).
Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber zunächst durch Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in § 55 Abs. 3 SGB XI zum 01.01.2005 umgesetzt. Die Kammer konnte sich zumindest bei Familien mit bis zu drei Kindern im Anschluss an das Bundessozialgericht (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23, Rn. 76 ff.) bisher nicht von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI zumindest bis 31.12.2014 überzeugen (Urteil vom 25.07.2017 - S 6 KR 686/17, Umdruck S. 17 f., ebenso: SG Freiburg, Urt. v. 11.05.2010, S 14 KR 3338/07, Umdruck S. 7 f., Urteil vom 17.06.2010 - S 5 KR 5878/06, v. 30.06.2010 - S 11 KR 1524/08). Jedenfalls die Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose anstelle einer Beitragsentlastung für Kinderreiche verstößt auch nach Auffassung der Kammer ebenso wenig gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG wie die Zuschlagsfreiheit von vor dem Jahr 1940 Geborenen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 12 P 2/07 R, BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr. 2).
3. Schon im Urteil vom 25.07.2017 hat die Kammer aber Zweifel an der Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 03.04.2001 geäußert, die sich im Hinblick auf die Zahl und das Alter der Kinder im dortigen Verfahren noch nicht zu einer Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der §§ 55, 57, 131 ff. SGB XI verdichtet hatten.
a) Zweifel bestehen in erster Linie daran, ob der Gesetzgeber die Vorgabe einer "relativen" Entlastung "ab dem ersten Kind" (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94, a.a.O., juris Rn. 73) hinreichend umgesetzt hat. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 a.a.O, Juris Rn. 57) darauf abgestellt, dass Eltern die Beitragszahlung in der zukünftigen Generation sicherstellen. Es hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die Eltern bei der Kindererziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten und dass dieser Nachteil den Kinderlosen zum Vorteil gereicht. Der Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung tritt aber bei mehreren Kindern, denen die Eltern Pflege und Erziehung zumindest im Bereich des Möglichen und der Existenzsicherung schulden (vgl. §§ 1601 ff., insbesondere § 1603 Abs. 2 BGB) in stärkerer Weise zutage als bei Familien mit nur einem Kind. Auf der anderen Seite gereicht der Kinderreichtum den Kinderlosen und auch den Eltern von nur einem Kind in besonderer Weise zum Vorteil, kann doch durch mehrere in Zukunft beitragszahlende Kinder auch der Beitragssatz stabil gehalten werden (vgl. BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff.), während die Betreuung und Erziehung nur eines Kindes die soziale Pflegeversicherung in der Zukunft nicht nachhaltig zu sichern geeignet ist. Die Kammer hat deshalb Zweifel, ob ein pauschaler Beitragszuschlag unabhängig von der Zahl der Kinder die Verfassungswidrigkeit hinreichend beseitigt (ebenso: Unterrichtung durch den Bundesrat, BT-Drucksache 15/4176, Estelmann, SGb 2002, 245, 253 f., Seiler NZS 2016, 641, 644). Sie hat sich bei Familien mit weniger als vier Kindern bisher nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugen können, weil sie mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23) die Grenzen der zulässigen Typisierung noch nicht überschritten sah. Dabei schien es noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zu sein, von einer Zwei-Kind-Familie als Standard auszugehen, die eine relative Entlastung durch den nicht zu zahlenden Beitragszuschlag von 0,25 Beitragssatzpunkten erfährt. Die Abweichung von einem Kind nach oben oder unten konnte dann als hinzunehmende Pauschalierung angesehen werden.
Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt jedoch anders gestaltet. Die Grenzen der Typisierung vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG sind nicht eingehalten. Die Kammer schließt sich zunächst der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06 –, BVerfGE 133, 377, juris Rn. 86 ff.) und Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23, Rn. 86 ff.) an, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung notwendigerweise generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen muss, die im Grundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245, 254; 78, 214, 227; 84, 348, 359; 122, 210, 232; 126, 268, 278, Steiner NZS 2004, 505, 508 f.). Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 113, 167, 236; 126, 268, 278 f.; stRspr).
Die Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 360; 126, 233, 263 f.). Der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen ist umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind (vgl. zu Art. 6 Abs. 1 GG BVerfGE 28, 324, 356; zum Wahlrecht BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04.07.2012 - 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11 -, juris, Rn. 53, BVerfG, Beschluss vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, juris Rn. 88). Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG setzen dabei dem Gesetzgeber Grenzen bei der Beitragspflicht zu Lasten von Familien mit Kindern. Diese Grenzen sind enger gezogen je größer der Beitrag ist, den die Eltern unter Verzicht auf eigenen Konsum durch Kindererziehung leisten. Die Grenzen zulässiger Typisierung sind deshalb zur Überzeugung der Kammer dann erreicht, wenn sich die Beitragsvorschriften im Ergebnis in besonderer Weise zu Lasten kinderreicher Familien auswirken. So verhält es sich hier.
Das Bundessozialgericht ist in seiner Entscheidung vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12: drei Kinder, B 12 KR 13/13 R: drei Kinder) betreffend die Rechtslage 2012 davon ausgegangen, dass die Gruppe von Versicherten mit vier und mehr Kindern mit nur ca. 0,5 % der Privathaushalte derart klein ist, dass sie im Rahmen der typisierenden Regelung der Massenerscheinung "Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung" keiner besonderen Regelung bedarf. Die Kammer zieht als Vergleichsgruppe nur Familien mit Kindern heran, denn im hier zu beurteilenden Zusammenhang sind diese aus Sicht der Kammer diejenigen, mit denen die Kläger ihre Situation vergleichen können. Betreffend kinderlose Personen hat ein relativer Ausgleich um 0,25 Beitragssatzpunkte stattgefunden.
Nach dem Datenreport des statistischen Bundesamts 2016 (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Datenreport/Downloads/Datenreport2016Kap2.pdf? blob=publicationFile, S. 52, zuletzt recherchiert am 05.02.2018) lebten 2014 in 11% der Familien drei und mehr Kinder. Nach Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung lebten 2011 in 1,8% der Familien vier Kinder (https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61597/ haushalte-nach-zahl-der-kinder, zuletzt recherchiert am 05.02.2018). Die Kammer geht davon aus, dass sich der prozentuale Anteil der Familien mit vier und mehr Kindern an den Privathaushalten mit Kindern seit 2011 jedenfalls nicht wesentlich verändert hat. Dieser Anteil der kinderreichen Familien an der Gesamtzahl der Familie ist nicht so gering, dass der Gesetzgeber ihn im Rahmen der Typisierung vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG vollständig unberücksichtigt lassen durfte, denn ihr Anteil an den zukünftigen Beitragszahlern in der sozialen Pflegeversicherung ist überdurchschnittlich hoch. Gerade diese Familien leisten in besonderer Weise einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung und sie verzichten zur Sicherung zumindest des Existenzminimums aller ihrer Kinder in besonderer Weise auf Konsum. Gleichzeitig leisten sie anders als Ein-Kind-Familien einen vierfachen generativen Beitrag. Darüber hinaus verdoppelt sich ihr monetärer Beitrag, wenn - wie hier - die Mütter auch kleiner Kinder zunehmend wieder einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. Pressemitteilung des statistischen Bundesamts vom 26.07.2017, 254/17, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/07/PD17 254 122 pdf.pdf? blob=publicationFile, zuletzt recherchiert am 30.01.2018), deshalb ihrerseits nicht mehr den Vorteil beitragsfreier Mitversicherung genießen. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es zur Überzeugung der Kammer, gerade diese Belastung von kinderreichen Familien im Rahmen der Typisierung zumindest in die Überlegungen einzubeziehen und insofern einen nachvollziehbaren Ausgleich zu schaffen. Daran fehlt es im SGB XI.
b) Zweifel bestehen im Übrigen daran, ob der Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB XI für Kinderlose die Vorgabe der Entlastung von Eltern "während der Zeit der Betreuung und Erziehung" "in deren Erwerbsphase" verfassungsgemäß umsetzt. Die Kammer zweifelt, ob nicht durch die lebenslange Beitragsentlastung von Eltern, d.h. die fehlende Begrenzung auf die Zeit der tatsächlichen Betreuung und Erziehung der Kinder oder die Erwerbsphase der Eltern, also auf die Zeit der tatsächlichen Doppelbelastung durch finanzielle und Betreuungsbeiträge, eine neue Ungleichbehandlung auftritt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Kläger tragen insofern nachvollziehbar vor, dass Eltern, deren Kinder nicht mehr auf Unterhalt angewiesen sind, wirtschaftlich kinderlos seien, weil sie dann nicht mehr zur Sicherung des Existenzminimums ihrer Kinder auf eigenen Konsum verzichten und ihre Beiträge nur noch finanziell erbringen. Mit anderen Worten endet die Doppelbelastung der Eltern mit dem Tag, an dem die Unterhaltsverpflichtung, also die Bedürftigkeit der Kinder endet und diese auf eigenen Füßen stehen. Der Gesetzgeber schließt dennoch bei einmaligem Vorliegen der Elterneigenschaft dauerhaft die Erhebung des Zuschlags aus (Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 55 SGB XI, Rn. 23 unter Hinweis auf BT-Drucksache 15/3671 S. 6). Er behandelt insofern nicht mehr unterhaltsverpflichtete Eltern gleich mit noch unterhaltsverpflichteten Eltern. Auch insofern sind die Grenzen gesetzlicher Typisierung für die ersten Jahre nach Einführung des Zusatzbeitrags jedenfalls nicht offensichtlich überschritten, sind doch unter den Eltern nicht mehr unterhaltsberechtigter Kinder typischerweise solche, die in der Zeit seit Inkrafttreten des SGB XI bis zur Einführung des § 55 Abs. 3 SGB XI zum 01.01.2005 in verfassungswidriger Weise zu den gleichen Beiträgen herangezogen wurden wie kinderlose Versicherte. Sie erfahren durch die dauerhafte Freiheit vom Zusatzbeitrag insofern einen Ausgleich. Es bestehen aber weiterhin Zweifel, ob der dauerhafte Vorteil auch über eine gewisse Übergangszeit hinaus den Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Die Kammer ist insofern überzeugt, dass dem Gesetzgeber zumindest eine Überprüfung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG auferlegt ist.
Die von den Klägern geäußerten Zweifel, ob der Gesetzgeber insofern hier nicht nunmehr zu Unrecht die nicht mehr unterhaltsverpflichteten Eltern anders behandelt als die noch nie unterhaltsverpflichteten Personen sind nicht streitentscheidend, weil die Kläger keiner der beiden Gruppen angehören.
c) Zweifel bestehen schließlich, ob der Gesetzgeber bei der Höhe des Beitragszuschlags seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, insbesondere eine nachvollziehbare Typisierung vorgenommen hat.
Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159, 185 f.; 122, 210, 232; 126, 268, 279). Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden (BVerfGE 111, 115, 137). Insofern ist ein prozentualer Beitragszuschlag grundsätzlich nicht zu beanstanden. Typisierung setzt aber auch voraus, dass der Gesetzgeber die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung abwägt (vgl. BVerfGE 66, 214; 68, 143; 82, 60; 112, 268; 120, 125; 125, 175, vgl. auch BVerfGE 108, 52). Die Kammer vermisst insofern - trotz fehlender Quantifizierbarkeit des generativen Beitrags (Estelmann, SGb 2002, 245, 250) - eine Begründung für die Höhe des Beitragszuschlags und damit eine Nachvollziehbarkeit des gewählten Prozentsatzes in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucksache 15/3671 und 15/4375 S. 3 f.).
4. Ob die Zweifel an der ausreichenden Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 sich bereits betreffend den Rechtszustand bis 31.12.2014 für Familien wie die der Kläger zu einer Überzeugung der Kammer verdichten, kann dahingestellt bleiben, denn die Klage betrifft nur die Rechtslage ab 01.01.2015. Jedenfalls mit Einführung des Pflegevorsorgefonds und der unterschiedslosen Beitragssatzsteigerung um 0,3 Beitragssatzpunkte zum 01.01.2015 und weiteren 0,2 zum 01.01.2016 sind zur Überzeugung der Kammer die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG in Fällen wie dem vorliegenden überschritten.
a) Der Gesetzgeber ist dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht geworden, bei der zum Aufbau dieses Fonds erforderlichen zusätzlichen Beitragserhebung die Belange von Eltern mit mehreren Kindern und deren generativen Beitrag zumindest mit in die Überlegungen einzubeziehen und entsprechend zu gewichten.
Mit dem ersten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) hat der Gesetzgeber in §§ 131 ff. SGB XI einen Pflegevorsorgefonds eingerichtet, um die Beitragssatzstabilität zu sichern. Gleichzeitig ist der Beitragssatz von 2,05 % auf 2,35 % ab 01.01.2015 und ab 01.01.2016 auf 2,55 % der beitragspflichtigen Einnahmen erhöht worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/1798 S. 19) dient der Aufbau des Pflegevorsorgefonds dem Ausgleich der demographischen Entwicklung bei zunehmender Anzahl an Pflegebedürftigen, insbesondere an allein lebenden Pflegebedürftigen, und weiterhin geringer Geburtenrate und damit verbundenen schwächeren Einnahmen. Die Generationengerechtigkeit soll durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds sichergestellt werden und künftige Generationen von steigenden Beiträgen teilweise entlastet werden (BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff., 52). Dabei dient die Erhöhung des Beitragssatzes neben der Finanzierung von gestiegenen Leistungsausgaben dem Aufbau des Pflegevorsorgefonds (BT-Drucksache 18/1798 S. 47). Eine Unterscheidung bei der Beitragssatzerhöhung zwischen Kinderlosen, Ein-Kind-Familien und kinderreichen Beitragszahlern hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht erwogen (BT-Drucksachen 18/1798, 18/1853, 18/2379, 18/2909).
Nach § 131 SGB XI wird ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet. Dieser dient nach § 132 SGB XI der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Die Mittel des Vorsorgefonds speisen sich aus 0,1 % der beitragspflichtigen Einnahmen des Vorjahres, unter Zugrundelegung des erhöhten Beitragssatzes nach § 55 Abs. 1 SGB XI, § 135 SGB XI. Die Mittel werden monatlich zu Lasten des Ausgleichsfonds nach §§ 65 ff. SGB XI an den Pflegevorsorgefonds überwiesen. Die Mittel des Ausgleichsfonds bestehen aus den Beiträgen aus den Rentenzahlungen nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 255 SGB V, den von den Pflegekassen nach § 64 Abs. 4 Satz 2 SGB XI überwiesenen Überschüssen und Rücklagen und den vom Gesundheitsfonds nach §§ 60 SGB XI, 252 ff. SGB V überwiesenen Beiträgen der Versicherten (§ 60 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. §§ 252 Abs. 2 Satz 1, 251 Abs. 3, 4 und 4a SGB V), den vom Ausgleichsfonds erwirtschafteten Kapitalerträgen, § 64 Abs. 2 SGB XI, sowie weiteren Zahlungen (§§ 60 Abs. 7, 114a Abs. 5 Satz 2 SGB XI). Das Vermögen des Pflegevorsorgefonds wird ab dem Jahr 2035 dazu genutzt, Leistungsmehrausgaben, die nicht auf Verbesserungen der Leistungen beruhen, auszugleichen, um so den Beitragssatz stabil zu halten, § 136 SGB XI. Das Vermögen ist nach Auszahlung aufgelöst, § 139 SGB XI.
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einrichtung dieses Fonds dem SGB XI eine kapitalgedeckte Komponente zugefügt, die dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Urt. v. 03.04.2001, 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95). Grund für die Einführung der Beitragssatzerhöhungen ab 01.01.2015 ist unter anderem die Einrichtung und finanzielle Ausstattung des Pflegevorsorgefonds (BT-Drucksache 18/1798 S. 47). Der Pflegevorsorgefonds seinerseits soll die demographische Entwicklung abfedern (BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff., 52). Der Gesetzgeber erwartet insofern eine Steigerung der Leistungsausgaben ab 2035, weil die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er und frühen 1970er Jahr dann in ein Alter kommen, in dem statistisch vermehrt Pflegeleistungen erforderlich werden.
bb) Die Finanzierung des Pflegevorsorgefonds erfolgt zumindest mittelbar verfassungsrechtlich relevant durch die Beitragserhöhung auch zu Lasten der Kläger.
Das Bundessozialgericht hat im Beschluss vom 10.10.2017 (B 12 KR 119/16 B, juris Rn. 22) in einem Fall einer im Jahr 1962 geborenen Klägerin mit zwei in den Jahren 2001 und 2003 geborenen Kindern (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016 - L 11 KR 2770/16 als Vorinstanz) eine verfassungsrechtliche Relevanz des Pflegevorsorgefonds vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG mit dem Argument verneint, die Überweisungen an den Pflegevorsorgefonds erfolgten aus dem Ausgleichsfonds nach § 65 SGB XI und hätten keinen Zusammenhang mit den Beiträgen der Klägerin.
Die Kammer kommt für den hier zu entscheidenden Fall zu einem anderen Ergebnis. Die Beiträge der hiesigen Kläger haben einen verfassungsrechtlich hinreichenden Zusammenhang mit dem Pflegevorsorgefonds. Der Ausgleichsfonds speist sich nach § 65 SGB XI aus den Beiträgen aus den Rentenzahlungen, den von Pflegekassen überwiesenen Überschüssen nach § 64 Abs. 4 SGB XI und den vom Gesundheitsfonds überwiesenen Beiträgen von Versicherten sowie weiteren Einnahmen.
Die Beiträge aus den Rentenzahlungen im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI betreffen typischerweise nicht die Einnahmen kindererziehender Eltern, die aus ihren beitragspflichtigen Einnahmen Beiträge entrichten. Der Überschuss aus der Rücklage im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI wird allerdings aus den Mitteln der Pflegekasse überwiesen, § 64 Abs. 4 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB XI. Die Mittel der Pflegekassen bestehen nach § 62 SGB XI aus den Betriebsmitteln und der Rücklage. Gemäß § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel für die Pflegeversicherung aus Beiträgen und sonstigen Einnahmen gedeckt. Werden also die Beiträge für alle Versicherten, also auch für diejenigen, die sie aus ihrem Erwerbseinkommen entrichten, um 0,3 bzw. 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben, ohne dass diese Beiträge gleichzeitig vollständig für die Erfüllung der Aufgaben der Pflegeversicherung, mithin für die Leistungen nach dem SGB XI, erforderlich sind, erhöhen sie die Rücklage nach § 64 SGB XI und den an den Ausgleichsfonds nach § 64 Abs. 4 Satz 2 SGB XI zu überweisenden Überschuss. Das versetzt den Ausgleichsfonds wiederum in die Lage, den in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorgesehenen Betrag an den Pflegevorsorgefonds zu überweisen. Umgekehrt werden die dem Ausgleichsfonds nach § 65 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 SGB XI und weiteren Vorschriften überwiesenen, von Sozialversicherungsträgern zu tragenden oder einzubehaltenden, unmittelbar zugeführten Mittel den Betriebsmitteln der Pflegekasse entzogen, so dass Leistungen dann vermehrt aus den Beiträgen der versicherungspflichtigen Beschäftigten finanziert werden müssen. Der Ausgleichsfonds und ihm folgend der Pflegevorsorgefonds wird damit im wirtschaftlichen Ergebnis rechtlich relevant zumindest auch aus Beiträgen der versicherungspflichtigen Beschäftigten gebildet.
cc) Jedenfalls sind maßgeblicher Bezugspunkt für die Höhe der dem Vorsorgefonds zuzuführenden Mittel nach § 135 Abs. 1 SGB XI die beitragspflichtigen Einnahmen. Gemeint sind insofern nicht die beitragspflichtigen Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung, sondern die beitragspflichtigen Einnahmen deren Mitglieder i.S.v. § 54 Abs. 2 SGB XI (Altmiks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 135 SGB XI, Rn. 7). Davon geht im Ergebnis auch der Gesetzgeber aus, wenn die Gesetzesbegründung von Mehreinnahmen von rund 3,63 Mrd. Euro durch die Beitragsanhebung um 0,3 und Mehrausgaben durch den Pflegevorsorgefonds von 1,21 Mrd. Euro ausgeht (BT-Drucksache 18/1798 S. 19). Es wird der Beitragssatz nach § 55 Abs. 1 SGB XI, also derjenige ohne den Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB V zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass Bezugspunkt für die Mittel des Pflegevorsorgefonds ein Beitragssatz ist, der für kinderlose, ein Kind und mehrere Kinder erziehende Beitragszahler gleich ist.
dd) Die Maßgeblichkeit der Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung ist durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds nicht wesentlich verändert worden.
Nach den Feststellungen des BVerfG im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94, juris Rn. 65) altert die Bevölkerung Deutschlands unausweichlich und sehr massiv. In Deutschland ist seit Mitte der sechziger Jahre die Zahl der Lebendgeborenen je Frau von 2,49 in rascher Folge auf 1,3 gesunken. Ganz wesentlich verstärkt wird diese Entwicklung dadurch, dass es weniger Personen gibt, die Kinder zeugen und gebären können. Außerdem bleiben immer mehr Frauen kinderlos. Dieser Trend ist zwar gestoppt (vgl. Pressemitteilung des statistischen Bundesamts Nr. 254 vom 26.07.2017, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/ 2017/07/PD17 254 122.html, zuletzt recherchiert am 31.01.2018), aber nicht umgekehrt.
Selbst bei gleich bleibender Eintrittswahrscheinlichkeit des Pflegefallrisikos bewirkt der beträchtliche Rückgang der Erziehungsleistung nicht nur, dass sich die Relation zwischen (jüngeren) Beitragszahlern und (älteren) Pflegebedürftigen ab 2035 verschlechtert. Auch gibt es keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür, dass in der Zukunft ältere Menschen einem wesentlich geringeren Risiko unterliegen, pflegebedürftig zu werden, als heute. Gleich bleibend hohe, wenn nicht gar steigende Leistungsausgaben müssen von immer weniger Personen finanziert werden.
Die demographische Entwicklung führt auch weiterhin dazu, dass immer weniger jüngere Versicherte neben ihrer Beitragslast zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung die Kostenlast der Kindererziehung tragen. Familien mit vielen Kindern leisten hier durch zukünftige Beitragszahler einen Ausgleich zur Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung.
ee) Die Maßgeblichkeit des generativen Beitrags ändert sich nicht durch die Einführung des Fonds. Die Kammer hat im Urteil vom 25.07.2017 (S 6 KR 868/17, Umdruck S. 17) erwogen, dass durch die Einführung des Pflegevorsorgefonds eine Entwicklung der sozialen Pflegeversicherung hin zu einer kapitalgedeckten und dem Grunde nach verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 GG nicht zu beanstandenden (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94 u.a., BVerGE 103, 271) Versicherung stattfindet und die dortigen Kläger insofern die mit dem Systemwechsel verbundenen Härten in einer Übergangszeit hinnehmen müssen.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Härten, die beispielsweise mit der Einführung von Stichtagen verbunden sind, vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Voraussetzung ist, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 – 1 BvL 10/00 –, BVerfGE 117, 272, juris Rn. 73 mwN). Diese Rechtsprechung ist zur Überzeugung der Kammer auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, denn die Einführung des Pflegevorsorgefonds und die damit verbundene Beitragssatzerhöhung stellen keine dauerhafte Änderung der Rechtslage dar, in deren Zusammenhang ab einem bestimmten Zeitraum alle Versicherten mehr zahlen müssen, um auf die lange Sicht eine Kapitaldeckung der Pflegeversicherung und damit eine größere Unabhängigkeit vom generativen Beitrag der Kindererziehung zu erreichen. Vielmehr ist die Laufzeit des Fonds beschränkt. Der Zufluss zum Pflegevorsorgefonds ist auf die Zeit bis 31.12.2033 beschränkt (§ 135 Abs. 2 SGB XI), der Einsatz der Mittel erfolgt ab 2035, § 136 SGB XI und der Vorsorgefonds endet mit vollständiger Auszahlung des gebildeten Vermögens, § 139 SGB XI. Er ist mithin zeitlich begrenzt und führt nicht eine auf Dauer angelegte Kapitaldeckung der sozialen Pflegeversicherung ein, sondern federt lediglich eine Belastungsspitze ab, die durch die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er und frühen 1970er Jahre verursacht ist, die ihrerseits nicht ausreichend Kinder erzogen und betreut haben, um die Beiträge stabil zu halten.
ff) Der Fonds belastet spezifisch die derzeitig unterhaltsverpflichtete Elterngeneration, denn diese muss befristet (zumindest mittelbar) Beiträge zur Aufstockung dieses Fonds leisten, obwohl sie bereits doppelt durch finanzielle Beiträge und Kindererziehung ihren Beitrag zur Funktionstüchtigkeit der sozialen Pflegeversicherung leistet und ohne dass sie während der Laufzeit des Fonds voraussichtlich Bedarf an Leistungen der Pflegeversicherung hat, weil sie währenddessen nicht das Alter erreicht, in dem Pflegebedürftigkeit gesteigert zu erwarten ist.
Das wird besonders deutlich im Fall der Kläger dieses Verfahrens. Sie sind Eltern von in den Jahre 2007 bis 2013 geborenen Kindern und gehören selbst anders als z.B. die Klägerin im vom LSG Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016 - L 11 KR 2770/16 als Vorinstanz zu BSG, Beschl. v. 10.10.2017 - B 12 KR 119/16 B) zu entscheidenden Fall nicht den geburtenstarken Jahrgängen an, die den prognostizierten Anstieg der Leistungsausgaben ab 2035 in der sozialen Pflegeversicherung verursachen. Sie werden voraussichtlich während des gesamten Zeitraums der Zuführung von Kapital zum Pflegevorsorgefonds (2015 - 2033) zumindest den jüngeren ihrer Kinder während deren Ausbildung unterhaltsverpflichtet sein. Das bedeutet, sie leisten während des gesamten Zeitraums der Zuführung von Kapital zum Pflegevorsorgefonds Erziehung und Betreuung und dem folgend Konsumverzicht für (bis zu) vier Kinder. Gleichzeitig sind sie beide - abgesehen vom jeweils einem fehlenden Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB XI - in vollem Umfang beitragspflichtig auf ihre Einnahmen aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. Das Alter der prognostizierten erhöhten Leistungsausgaben erreichen sie erst ab 2045, also 10 Jahre nach Beginn der Beitragssatzstabilisierung durch den Pflegevorsorgefonds, so dass die Möglichkeit besteht, dass der Fonds bis dahin aufgelöst ist und sie selbst bei den Leistungen nicht davon profitieren.
Die Kammer verkennt insofern nicht, dass auch die Kläger und ihre Kinder von der Beitragssatzstabilität ab 2035 profitieren, denn es ist, von dem Fall einer Erwerbsminderung abgesehen, zu erwarten, dass sowohl die Kläger, die nach derzeitigem Stand erst nach 2035 eine Altersrente nach dem SGB VI in Anspruch nehmen können, als auch ihre Kinder ab 2035 Beiträge zu sozialen Pflegeversicherung leisten werden, die dann dank des Pflegevorsorgefonds stabil bleiben. Die Kläger leisten ihren Beitrag zur Beitragssatzstabilität aber bereits durch ihre überdurchschnittlich hohe Anzahl an Kindern, die ab 2035 voraussichtlich einen monetären Beitrag zur Stabilität der sozialen Pflegeversicherung leisten werden. Diese bereits durch Kindererziehung und Betreuung geleisteten Beiträge hätte der Gesetzgeber zur Überzeugung der Kammer zumindest gewichten müssen.
b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Beitragszuführung zum Pflegevorsorgefonds lediglich 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten der sozialen Pflegeversicherung beträgt, denn dieser Anteil an den Beiträgen wird über insgesamt 20 Jahren zugeführt, so dass der absolute Betrag vor dem Hintergrund der bereits zuvor bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beitragserhebung in der sozialen Pflegeversicherung bei kinderreichen Familien durchaus namhaft und nicht zu vernachlässigen ist. Das gilt insbesondere wegen des mit der Beitragserhebung bei Pflichtmitgliedschaften verbundenen Eingriffs in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96) und dem daraus folgenden anzulegenden strengen Maßstab und im Hinblick auf die erheblichen weiteren Lasten, die den Klägern durch die Beiträge zu den übrigen Sozialversicherungszweigen auferlegt sind (vgl. Kaltenstein, SGb 2016, 365 mwN, F. Kirchhof, NZS 2015, 1, 7; G. Kirchhof, NJW 2006, 732).
Der Gesetzgeber selbst sah darüber hinaus die Erhöhung des Beitragssatzes von 0,25 Beitragssatzpunkten für Kinderlose als ausreichend an, um die Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung für Eltern mit Kindern zu beseitigen, unabhängig von der Anzahl der zu unterhaltenden und zu betreuenden Kindern. Ein Beitragsanteil von 0,1 Beitragssatzpunkten ist demgegenüber nicht unmaßgeblich und zu vernachlässigen.
c) Der Gesetzgeber hat die Vorgaben der Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG auch im Übrigen bei der unterschiedslosen Anhebung der Beiträge um 0,5 Punkte nicht hinreichend beachtet. Die Beitragssatzerhöhung beschränkt sich nicht auf die Notwendigkeit der Finanzierung des Pflegevorsorgefonds, mithin nicht auf 0,1 %. Vielmehr wurden die Beiträge insgesamt um 0,5 Punkte erhöht. Diese Erhöhung wird auch mit höheren Leistungsausgaben begründet, die nur zum Teil durch die Veränderung der Leistungen im SGB XI, zu einem weiteren Teil aber auch durch die höhere Anzahl von Pflegebedürftigen im Vergleich zu den Beitragszahlern bedingt ist. Das bedeutet, dass die Beitragserhöhung um insgesamt 0,5 % zumindest teilweise auch auf der demographischen Entwicklung beruht.
Die unterschiedslose Belastung mit dem ab 01.01.2015 bzw. 01.01.2016 geltenden Beitragszuschlag u.a. zur Finanzierung zusätzlicher Leistungsausgaben führt zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende wie die Kläger in die Versicherung einbringen, und dem Geldbeitrag von nur ein Kind Erziehenden und Kinderlosen. Der Gesetzgeber hätte auch insofern die Belange kinderreicher Familien in die Überlegungen einbeziehen müssen und ggfs. den Beitragszuschlag von 0,25 Punkten nach § 55 Abs. 3 GG für Kinderlose oder die Beitragserhöhung um insgesamt 0,5 Punkte bei Familien mit vielen unterhaltsberechtigten Kindern überprüfen müssen.
d) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber in anderen Bereichen einen Familienlastenausgleich geschaffen hat (BT-Drucks. 15/4375 S. 10 ff.: Anhebung des Kindergelds, des steuerfreien Grundfreibetrags und der Betreuungsfreibeträge, Einführung eines höheren und vereinfachten Erziehungsgelds bzw. nunmehr Elterngelds). Das BVerfG (Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94) hat einen systeminternen Ausgleich gefordert, der durch Familienlastenausgleich im Steuer-, Kinder- und Erziehungs- bzw. Elterngeldrecht insofern nicht gewährleistet ist (vgl. Estelmann SGb 2002, 245, 251).
e) Die zusätzlichen Möglichkeiten der Freistellung von der Arbeit i.S. einer Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz und die damit verbundenen Leistungen nach § 44a SGB XI gleichen die Nachteile nicht aus. Zutreffend ist zwar, dass durch diese Regelungen ein Mehr an Leistungen geschaffen wird, das tendenziell Kindern der Pflegebedürftigen und damit im intergenerationellen Ergebnis Pflegebedürftigen mit Kindern zugutekommt, weil Pflegezeit von Angehörigen nur genommen werden kann, wenn auch solche in der nachfolgenden Generation vorhanden sind. Sie vermeiden jedoch vor allem weitere Nachteile bei einer Dreifachbelastung durch Kindererziehung, Pflege der Eltern und Berufstätigkeit, gleichen aber den Nachteil der Doppelbelastung durch Kindererziehung und monetäre Beiträge nicht aus.
f) Der Gesetzgeber hat darüber hinaus seinen verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG insofern nicht erfüllt als er bei der Änderung der Beitragssätze zum 01.01.2015 nicht überprüft hat, ob die lebenslange Befreiung vom Beitragszuschlag für Eltern nach Beendigung der Unterhaltspflicht oder zumindest nach der "Erwerbsphase" weiterhin gerechtfertigt ist (s. dazu schon Ziffer 3 b).
g) Die Kammer teilt jedoch nicht die Einschätzung der Kläger, dass der Pflegevorsorgefonds sie in verfassungsrechtlicher Weise benachteilige, weil er gegen Art. 115 GG verstoße. Es bestehen bereits Zweifel, ob der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 115 GG ein subjektives Recht der Kläger zu begründen geeignet ist. Jedenfalls stützt die von ihnen zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.02.2017 (VGH N2/15, juris) ihre Auffassung nicht. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erklärt in dieser Entscheidung Haushaltsgesetzgebung des Landes Rheinland-Pfalz für nicht mit der Landesverfassung vereinbar, weil Zuführungen zum Pensionsfonds der Beamten und Richter über Darlehen finanziert wurden und insofern die landesverfassungsrechtliche Schuldenbremse umgangen werden konnte. Die geltend gemachte Landesverfassungswidrigkeit der Finanzierung über Schuldscheine lässt der Verfassungsgerichtshof gerade dahingestellt (Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz a.a.O. Juris Rn. 135). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Anlage des Pflegevorsorgefonds über Kredite finanziert wird. Vielmehr erhält der Pflegevorsorgefonds nach § 135 SGB XI Zuführungen aus vorhandenen Mitteln des Ausgleichsfonds. Auch aus den Vorschriften zum Ausgleichsfonds in §§ 65 ff. SGB XI ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine versteckte Darlehensfinanzierung stattfindet. Nach § 134 SGB XI ordnet die sinngemäße Anwendung der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen "Versorgungsrücklage des Bundes" u.a. näher bezeichneter Versorgungsfonds an. Das Gesetz über die Versorgungsrücklage des Bundes ordnet in § 5 die Grundsätze Sicherheit, Liquidität und Rendite an und nimmt auf die Rechtsverordnung nach § 217 des Versicherungsaufsichtsgesetzes Bezug, das in § 215 VAG ebenfalls selbst Anlagegrundsätze aufstellt. In keiner dieser Vorschriften finden sich Hinweise auf eine unzulässige Kreditfinanzierung. Insofern sieht sich die Kammer auch nicht gehalten, die Beigeladene zu 2. zur Beantwortung der vom Klägervertreter formulierten Fragen anzuhalten.
5. Eine verfassungskonforme Auslegung des §§ 55, 57 SGB XI, 14 ff, 23a SGB IV, 226 SGB V kommt im Hinblick auf deren eindeutigen Wortlaut nicht in Betracht.
6. Die Kammer sah sich nicht gedrängt, den bereits im Vorfeld schriftlich formulierten und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Beweisanträge zu 1. bis 6. nachzugehen. Sie können in ihrem Tatsachengehalt als wahr unterstellt werden, denn die dort behaupteten Tatsachen sind bereits in der Gesetzesbegründung zum ersten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) bestätigt und im Übrigen auf der Homepage des statistischen Bundesamts veröffentlicht. Ziffer 5 der Beweisanträge ist durch die Neufassung des Klageantrags (Freistellung in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums) überholt, Ziffer 4 und 6 umschreiben die in diesem Verfahren zu klärenden Rechtsfragen, enthalten mithin keine zu beweisende Tatsachenbehauptung.
Gründe:
I. Die Kläger begehren die Herabsetzung ihrer Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab 01.01.2015.
Die in den Jahren 1975 und 1976 geborenen Kläger sind verheiratet und Eltern von vier in den Jahren 2007, 2009, 2011 und 2013 geborenen Kindern. Sie sind bei der beklagten Krankenkasse in der Beschäftigtenversicherung gesetzlich krankenversichert und bei der bei ihr eingerichteten zu 4. beigeladenen Pflegeversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Die Beklagte ist gleichzeitig die für die Einziehung ihrer Sozialversicherungsbeiträge zuständige Einzugsstelle.
Die Klägerin zu 1. erzielte bis 31.08.2016 ein Monatseinkommen von 1.159,47 EUR brutto zuzüglich Kinderzulage und Zeitzuschlag (Gesamtbrutto: 1.389,21 EUR) aus einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. Seit 01.09.2016 hat sie von 25% auf 50% aufgestockt. Der Kläger zu 2. erzielt ein Monatseinkommen aus einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. in Höhe von 4.143,24 EUR brutto zuzüglich Kinder- und Zeitzuschlag (Gesamtbrutto: 4.398,93 EUR).
Mit Schreiben vom 04.04.2015 beantragten sie bei der Beklagten, bei der Beitragserhebung zur sozialen Pflegeversicherung ihre aus Barunterhalt und Betreuung bestehenden Erziehungsleistungen für ihre vier Kinder beitragsäquivalent zu berücksichtigen. Den Vorschlag der Beklagten, das Verfahren im Hinblick auf mehrere beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren ruhen zu lassen, lehnten sie mit der Begründung ab, dass die laufenden Verfahren sich nicht mit der Pflegeversicherung und dem seit 01.01.2015 eingerichteten Pflegevorsorgefonds befassten. Insofern habe sich die einfache Rechtslage geändert, der schon bestehende Verfassungsverstoß sei verschärft worden.
Mit Bescheid vom 29.06.2015 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2. eine Herabsetzung der laut Gehaltsmitteilung und im Bescheid näher ausgeführten abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Kranken- (334,13 EUR), Renten- (411,30 EUR) und Pflegeversicherung (48,47 EUR) ab. Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1. die Herabsetzung der näher bezeichneten Beiträge zur Kranken- (106,04 EUR), Renten- (122,41 EUR) und Pflegeversicherung (15,38 EUR) ab. Dagegen erhoben die Kläger unter dem 01.07.2015 Widerspruch, zu dessen Begründung sie die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Beitragsregelungen geltend machten. Mit Schreiben vom 30.07.2015 stellte die Beklagte klar, dass sie eine Beitragsreduzierung ab Januar 2015 nicht vornehmen könne. Mit Widerspruchsbescheiden vom 08.10.2015 wies die Beklagte den gemeinsam erhobenen Widerspruch unter Bezugnahme auf die Gesetzeslage zurück.
Dagegen richtet sich die am 03.11.2015 erhobene Klage.
Die Kläger wiederholen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Die Klägerin zu 1. beschränkt ihre Klage auf die Zeit bis 31.08.2016, nachdem die Kammer darauf hingewiesen hat, dass es für die Zeit ab Änderung der Arbeitszeit an einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten fehlt. Ihren ursprünglichen Vortrag, dass auch der Arbeitgeberbeitrag Gegenstand des Verfahrens sei, haben sie in der Folge im Hinblick auf die fehlende Entscheidung der Beklagten über diesen Teil nicht aufrecht erhalten.
Die Kläger tragen vor, es sei verfassungsrechtlich zwingend, die Beitragsgerechtigkeit zwischen Eltern und kinderlosen Personen herzustellen. So bliebe mehr Netto vom Brutto, was Erwerbsanreize für Frauen nach sich ziehe. Beitragsgerechtigkeit sei ein zentraler Baustein im Kampf gegen Familienarmut und verwirkliche in besonderem Maße das Sozialstaatsgebot. Es sei eine Unterscheidung nach Unterhaltsbelastung zu treffen, nur das verwirkliche die Beitragsgerechtigkeit, denn nur so werde dem tatsächlich verfügbaren Einkommen Rechnung getragen. Insofern sei mindestens der in § 32 Abs. 6 Einkommenssteuergesetz (EStG) genannte Betrag von ihren Einkommen abzuziehen bevor sie verbeitragt würden. Das bedeute, dass ein Betrag von 4 x 7.152 EUR= 28.068 EUR von ihrem Einkommen abzuziehen sei.
Der seit 01.01.2015 eingerichtete Pflegevorsorgefonds sei nicht Gegenstand der aktuellen Entscheidung des BSG vom 20.07.2017 (B 12 KR 14/15 R) gewesen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 u.a.) sei vom Gesetzgeber nicht hinreichend umgesetzt worden. Dieser fortbestehende Verfassungsverstoß sei durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds zum 01.01.2015 noch verschärft worden.
Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) die statistischen Vorgaben nicht zutreffend umgesetzt. Es habe zu Unrecht nicht zwischen Kinderlosen und Kindererziehenden unterschieden und es habe auch nicht hinreichend beachtet, dass eine Beitragsentlastung bei Eltern mit Kindern, die bereits auf eigenen Beinen stünden, nicht mehr erforderlich sei. Letztere seien ebenfalls ökonomisch als kinderlos anzusehen.
Die Kläger legen den Wortlaut der Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 3135/15) vom 14.12.2015 vor und machen sie zum Gegenstand ihres Vortrags. Insofern wird auf Bl. 62 ff. und 192 ff. der Akten verwiesen. Sie machen sich weiterhin die Verfassungsbeschwerde des Prof. Dr. Kingreen gegen das Urteil des BSG vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) (Bl. 136 ff. und 224 ff. der Akten) zu eigen.
Weiterhin nehmen sie auf eine Anhörungsrüge an das BSG zum Rechtsstreit B 12 KR 15/12 R (Bl. 225 ff. der Akte) sowie eine Stellungnahme des Prof. M. Werding vom 09.03.2016 (Bl. 259 ff. der Akte) Bezug. Sie machen die Revisionsbegründungen ihres Prozessbevollmächtigten in den Rechtsstreiten vor dem BSG B 12 KR 13/15 R, B 12 KR 14/15 R (Bl. 277 ff. der Akten) zum Gegenstand ihres Vortrags.
Schließlich machen sie die Begründung der Verfassungsbeschwerde ihres Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R) vom 14.09.2016 (Bl. 266 ff. der Akte) und 16.01.2017, des Prof. Kingreen vom 24.03.2016 (Bl. 224 ff. der Akten) (veröffentlicht unter www.elternklagen.de) zum Gegenstand ihres Sachvortrags. Sie nehmen außerdem Bezug auf ein Gutachten des R. Loos vom 15.09.2011/10.11.2011 und Ausführungen der A. Lenze in NZS 2006, 407 ff., in SozSich 12/2011, S 433 ff, und SGb 2017, 130 ff (Bl. 350 ff der Akte) sowie auf den Aufsatz von Seiler in NZS 2016, 641 ff. (Bl. 173 ff. der Akte).
Es sei verfassungsrechtlich unhaltbar, dass die Beitragsermäßigung von nur 0,25 Prozent nur einmalig vorgenommen werde, obwohl sie vier Kinder hätten. Das gelte umso mehr als der Beitragssatz zur SPV seit 2005 erheblich gestiegen sei. Der Pflegevorsorgefonds werde verfassungswidrig finanziert, weil der Kindererziehung hier keine konstitutive Bedeutung zukomme. Außerdem sei er bei der Frage der Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung zur Pflegeversicherung relevant, weil 0,1 Prozentpunkte in ihn flössen. Es sei darüber hinaus zweifelhaft, ob er überhaupt eine Kapitaldeckung beinhalte, die das BVerfG in einem weiteren Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) im Übrigen zu Unrecht für verfassungskonform gehalten habe, da der Generationenbeitrag unter Ökonomen unstreitig bei beiden Systemen relevant sei. Jedenfalls habe das BVerfG darin die Möglichkeit erörtert, dass mit zunehmend höherer Relevanz der Beiträge der wenigen jungen Menschen auch die Verfassungskonformität der kapitalgedeckten privaten Pflegeversicherung in Frage gestellt sei. Die Lage habe sich diesbezüglich nicht entspannt sondern vielmehr verschärft. Das habe der Gesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien nicht im Blick gehabt.
Jedenfalls sei gar nicht sicher, ob es sich nunmehr um ein kapitalgedecktes System handele, denn die Richtlinien zu § 134 SGB XI seien nicht veröffentlicht und insofern nicht nachprüfbar. Es sei davon auszugehen, dass die Bundesbank die Mittel unter Wahrung der Grundsätze Liquidität, Sicherheit und Rendite anzulegen habe. Das bedeute, dass entgegen Art. 109 - 115 GG der Fiskus und damit der Steuerzahler hafte. Im Hinblick auf den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG durch die zwangsweise Erhebung der Beiträge müsse hier Transparenz hergestellt werden. Insofern verweisen sie auf das Urteil des VerfGH Koblenz vom 22.02.2017 - VGH N 2/15. Die Beigeladene zu 2. möge sich dazu erklären.
Die Kläger stellen Beweisanträge zur Aufklärung der demographischen Entwicklung seit Juli 2000 und der damit verbundenen Änderung des generativen Faktors. Weiterhin möchten sie aufgeklärt wissen, welchen Anteil die Zunahme an Pflegekosten für die SPV insgesamt und wegen der Verlagerung der bisher innerfamiliär geleisteten Pflege habe. Die Vorteile Kinderloser in der SPV sollten quantifiziert werden. Zu diesen Zahlen und zum demographischen Wandel seit 2000 tragen die Kläger umfangreich vor.
Die Kläger stellen folgende Beweisanträge:
1. Welche Veränderungen sind seit 1994 (Verabschiedung der Sozialen Pflegeversicherung) bis zur mündlichen Verhandlung in der sogenannten demographischen Entwicklung eingetreten?
2. Welche Veränderungen sind dabei bezüglich des vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Pflegeurteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) als wesentlich ursächlich identifizierten generativen Faktors eingetreten und hat sich dessen Gewicht seit dem 10.07.2000 (= Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der verschiedenen Pflegestreitverfahren mit Erstattung der Sachverständigengutachten durch die Prof. Dres. Birg und Schmäh) wesentlich verändert?
3. Welchen Anteil hat dieser nun an der Zunahme der Pflegelasten, a) in der sozialen Pflegeversicherung allgemein, b) mit Blick auf die Verlagerung bislang binnenfamiliär geleisteter Pflege in die öffentliche Finanzierung?
4. Treffen die Grundsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 03.04.2001 zur Beitragsgestaltung der sozialen Pflegeversicherung (1 BvR 1629/94) unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen demographischen Entwicklung bzw. des generativen Faktors gleichermaßen auf die nach dem 01.01.2005 eingetretenen Beitragserhöhungen (2008 und 2015) zu?
5. Lassen sich die vom Bundesverfassungsgericht 2001 im Urteil zur sozialen Pflegeversicherung identifizierten aus der elterlichen Kindererziehung resultierenden Vorteile kinderloser Jahrgangsteilnehmer der hiesigen Kläger quantifizieren?
6. Sind die Grundsätze des Beitragskinderurteils (BVerfG vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94) entsprechend dem Parallelurteil des BVerfG vom 03.04.2001 zur Beitragsgestaltung bei Kindererziehung in der privaten Pflegeversicherung (1 BvR 1681/94) nunmehr auch auf den Pflegevorsorgefond (§§ 131 ff. SGB XI) und/oder nur auf die privaten Pflegekassen anwendbar?
Der Kläger beantragt weiter, die Beigeladene zu 2) aufzufordern, folgende Fragen zu beantworten: 1. die für sie in Bezug auf den Pflegevorsorgefonds geltenden Anlagevorschriften vorzulegen und die Einzelheiten der getätigten Anlagen - Aktien, Immobilien, öffentliche Anleihen etc. (einschließlich deren Anlagequoten im Einzelnen) darzulegen. 2. ferner zu erklären, ob es sich dabei vollständig um "kapitalgedeckte" Anlagen im eigentlichen Sinne handelt und warum bzw. warum ggfs. nicht. 3. darüber hinaus, ob diese Anlagen im Inland oder Ausland erfolgt/en. 4. hinsichtlich der Auslandsanlagen möge dazu ggfs. weiter erläutert werden, ob und warum diese in gleicher Weise wie die inländischen geeignet sind, ab 2035 den "Pflegeberg" im Inland zu "untertunneln". 5. schließlich möge bitte Aufschluss zu der Frage erteilt werden, wie die Auflösung des Fonds ab 2035 genau vor sich gehen soll, insbesondere ob und wie die "Werthaltigkeit" auch für die absehbare Situation sichergestellt ist, dass sämtliche Vorsorgefonds ihre "Kapitalien" aus demographischen Gründen annähernd zur gleichen Zeit auflösen (müssen). 6. zur Frage Stellung zu nehmen, ob und ggfs. warum die von ihr getätigten Anlagen im Lichte des Urteils des BVerfG vom 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94 - "demografieresistent" sind, oder ob und ggfs. warum dies nicht der Fall ist. 7. darzulegen, ob sie die Gründe des diesseits zur Stützung der Auffassung der Kläger herangezogenen Urteils des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.02.2017 für übertragbar auf den Pflegevorsorgefonds hält oder verneinendenfalls warum nicht.
Die Kläger beantragen in der Sache, 1. den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 GG die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob §§ 54, 55, 57 SGB XI insofern mit der Verfassung, namentlich Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG, in Einklang stehen als Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie kinderlose Versicherte bzw. Versicherte mit nur einem Kind.
hilfsweise 1. die Bescheide vom 29.06.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zur Pflegeversicherung ab 01.01.2015, betreffend die Klägerin zu 1. bis 31.08.2016, unter Berücksichtigung des in § 32 Abs. 6 EStG genannten Betrags (steuerliches Existenzminimum) festzusetzen. 2. die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, 1. die Klage abzuweisen. 2. die Sprungrevision zuzulassen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R). Mit der Zulassung der Sprungrevision sei sie einverstanden.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat das Verfahren betreffend die Pflegeversicherung in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 abgetrennt, führt es nunmehr unter dem hiesigen Aktenzeichen. Im übrigen Rechtsstreit (S 6 KR 5414/15) hat sie die Klage betreffend die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung mit Urteil vom 23.01.2018 unter Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 05.07.2006 - B 12 KR 20/04 R, vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, zuletzt Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 14/15 R) abgewiesen. Insofern hat sie sich nicht von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsvorschriften des Fünften und Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB V und VI) überzeugen können.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozess¬akte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung waren.
II. Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI vorzulegen. Das Gericht sieht sich nicht durch die Gesetzeskraft der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242) gemäß § 31 BVerfGG an der Vorlage gehindert, denn es wird gerade um die Umsetzung dieser Entscheidung in das SGB XI und um weitere Änderungen im SGB XI nach dieser Entscheidung gestritten (vgl. BVerfGE 79, 256, juris Rn. 29).
Die Kammer sieht sich nicht durch die Verfassungsbeschwerde der Kläger vom 14.12.2015 unmittelbar gegen §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI an der Vorlage gehindert. Die Zulässigkeit dieser Verfassungsbeschwerde ist vor dem Hintergrund des § 90 Abs. 2 BVerfGG und im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Betroffenheit der Kläger durch die Beitragsvorschriften des SGB XI zweifelhaft, denn es bedarf deren Umsetzung durch die Beigeladene zu 3 sowie die Beklagte und die Beigeladene zu 4. Jedenfalls wird vorliegend auch um die Umsetzung der §§ 54, 55 Abs. 1, 57 SGB XI durch die Verwaltung, mithin auch um die Verfassungsmäßigkeit von Verwaltungsakten gestritten, so dass der Streitgegenstand im hiesigen Verfahren über den der Verfassungsbeschwerde hinausgeht.
III. Für die Entscheidung über den Rechtsstreit kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI an. Die Kläger verlangen in der Sache eine Reduzierung ihrer Beiträge unter Berücksichtigung der Zahl ihrer Kinder, also einen größeren Teil ihres Einkommens als bisher beitragsfrei zu belassen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 87, 90 Sozialgerichts-gesetz - SGG -).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG zulässig. Die Kläger begehren die Aufhebung von die Höhe ihrer Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab 01.01.2015 feststellenden Verwaltungsakten und die Verurteilung der Beklagten zum Erlass neuer Beitragsbescheide mit der Feststellung geringerer Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung. Die Beklagte hat die Herabsetzung in den angefochtenen Bescheiden abgelehnt und die konkrete Höhe der zu entrichtenden Beiträge festgesetzt. Mit dem ergänzenden Schreiben vom 30.07.2015 hat sie klargestellt, dass die Bescheide für die Zeit ab 01.01.2015 gelten. Insofern hat sie - auch betreffend den von den Klägern begehrten Zeitraum - anfechtbare Bescheide erlassen. Mit der Verpflichtungsklage begehren die Kläger den Erlass anderer, für sie günstigerer Bescheide.
Die Klage ist nicht bereits deshalb begründet, weil die angefochtenen Bescheide gegen einfaches Recht verstoßen. Die Beklagte war als Einzugsstelle gemäß § 28h Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zur Entscheidung über die Höhe der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung berufen (BSG, Urteil vom 23.09.2003 - B 12 RA 3/02 R, SozR 4-2400 § 28h Nr. 1). Der Kläger zu 2. ist insbesondere nicht gemäß § 6 Abs. 1, Abs. 6 SGB V von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung frei und gemäß § 9 SGB V freiwillig versichert mit der Folge, dass die Beigeladene zu 4. zur Entscheidung über die Höhe seiner Beiträge berufen gewesen wäre. Das Einkommen des Klägers überschritt prognostisch die Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 SGB V für die Jahre 2015 (54.900 EUR), 2016 (56.250 EUR), 2017 (57.600 EUR) und 2018 (59.400 EUR) nicht, so dass er pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung und dem gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI folgend in der sozialen Pflegeversicherung ist.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht bereits wegen formaler Fehler aufzuheben. Die Anhörungspflicht aus § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist gewahrt, die Beklagte hat die Angaben der Kläger zugrunde gelegt, § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X. Die angefochtenen Bescheide sind hinreichend bestimmt, § 33 SGB X, insbesondere werden dort nicht unzulässigerweise nur bestimmte Elemente der Beitragsbemessung festgestellt. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden den vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 05.07.2006 - B 12 KR 20/04 R, vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, zuletzt Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 13/15 R, Rn. 35 f.) aufgestellten Anforderungen an Beitragsbescheide in diesen Fällen Rechnung getragen. Sie hat die von den Klägern zu tragenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in konkreter Höhe festgesetzt.
Die Klage hätte in der Sache unter Berücksichtigung der Vorschriften des SGB XI keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in den angefochtenen Bescheiden zutreffend, nämlich unter rechtlich korrekter Anwendung der §§ 55, 57 SGB XI festgesetzt. Insbesondere hat sie keinen Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI erhoben. Sie ist insofern zutreffend von der Elterneigenschaft der Kläger im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgegangen. Das Bruttoentgelt der Kläger hat die Beklagte unter Beachtung der §§ 14 ff., 23a f. SGB IV, 57 Abs. 1 SGB XI, 226 SGB V ermittelt.
Die von den Klägern in ihrem Klageantrag verlangte Reduzierung ihrer beitragspflichtigen Einkommen um einen Betrag, der dem in § 32 Abs. 6 EStG genannten entspricht, ist im Sozialversicherungsrecht nicht vorgesehen.
Die Relevanz der Vorlagefrage für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme einen großen Gestaltungsspielraum einräumt (BVerfG, Urteil v. 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, Juris Rn. 44 ff., 54, 70, Steiner NZS 2004, 505, 508) und deshalb aus dem Verfassungsrecht der von den Klägern in konkreter Höhe geltend gemachte Anspruch (Beitragsberechnung nach Abzug der in § 32 Abs. 6 EStG vorgesehenen Beträge) von vornherein nicht ableitbar ist. Die Kläger begehren in der Sache eine weitergehende Berücksichtigung ihrer vier Kinder bei der Beitragsberechnung in der sozialen Pflegeversicherung als bisher und sehen sich nicht in der Lage ihren durch Kindererziehung geleisteten Beitrag zu beziffern, so dass sie auf die steuerrechtlichen Freibeträge zurückgreifen. Ihr Antrag zur Sache ist so auszulegen, dass jedenfalls als Minus auch andere Ausgestaltungen der Beitragsreduzierung wie z.B. ein geringerer Beitragssatz enthalten sind.
IV. Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung im hier streitigen Zeitraum zumindest in Konstellationen wie derjenigen der Kläger überzeugt.
1. Die Kammer geht dabei zunächst mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 20.07.2017 - B 12 KR 14/15 R, Rn. 43) davon aus, dass hier im Hinblick auf den mit der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung verbundenen Eingriff in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, Urteil v. 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95, BVerfGE 103, 271, Beschluss vom 09.12.2003 - 1 BvR 55/99, BVerfGE 109, 96) ein strenger Maßstab anzulegen ist. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist betroffen, wenn der Gesetzgeber Personen der Versicherungspflicht in einem System der sozialen Sicherheit unterwirft und mit dieser Versicherungspflicht Beitragspflichten verbunden sind. Ein solcher Eingriff bedarf der Rechtfertigung durch eine entsprechende Ausgestaltung der solidarischen Versorgung.
2. Maßstab für die Beitragserhebung in der sozialen Pflegepflichtversicherung ist sodann Art. 3 Abs. 1 GG, hier in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfGE 87, 1, 35 m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl. BVerfGE 71, 255, 271; stRspr). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 50, 57, 77; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm aber, dabei Art und Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (vgl. BVerfGE 71, 255, 271). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei (vgl. BVerfGE 94, 241, 260). Allerdings kann sich eine weiter gehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (vgl. BVerfGE 87, 1, 36, BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 43). Das gilt zur Überzeugung der Kammer auch bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen die Personen mit nur einem Kind genauso behandeln wie Personen mit vier und mehr Kindern.
Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung auch dann, wenn sie Kinder betreuen und erziehen, der Beitragspflicht unterworfen werden, denn Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat nicht, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Es besteht bei der Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, so dass konkrete Folgerungen für einzelne Rechtsgebiete und Teilsysteme nicht ableitbar sind (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 44 ff.). Entsprechend ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG kein Anspruch auf höhere Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 47 ff.). Davon gehen im Grundsatz auch die Kläger aus.
Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn die Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine hinreichende Berücksichtigung findet. Dann wird die Gruppe Versicherter mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Die Erziehungsleistung versicherter Eltern begünstigt innerhalb eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems, das - wie die soziale Pflegeversicherung - der Deckung eines maßgeblich vom Älterwerden der Versicherten bestimmten Risikos dient, in spezifischer Weise Versicherte ohne Kinder. Der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf tritt in der sozialen Pflegeversicherung weiterhin überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auf. Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Sie steigt jenseits des 60. Lebensjahres zunächst leicht an, um dann jenseits des 80. Lebensjahres zu einem die Situation des Einzelnen maßgeblich prägenden Risiko zu werden (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 56 unter Hinweis auf BTDrucks 12/5262, S. 62). Daran hat sich seit 2000 nichts geändert (vgl. BT-Drucksache 18/1798 S. 19). Das tragen die Kläger zutreffend vor. Die übrigen Beteiligten bestreiten die insofern vorgetragenen Tatsachen in der Sache auch nicht, so dass die Kammer sich nicht gedrängt sieht, den diesbezüglichen Beweisanträgen der Kläger nachzugehen, zumal diese Tatsachen inzwischen allgemein bekannt sind.
Wird ein solches allgemeines, regelmäßig erst in höherem Alter auftretendes Lebensrisiko durch ein Umlageverfahren finanziert, so hat die Erziehungsleistung konstitutive Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieses Systems. Denn bei Eintritt der ganz überwiegenden Zahl der Versicherungsfälle ist das Umlageverfahren auf die Beiträge der nachwachsenden Generation angewiesen. Damit erwächst Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten. Zwar werden Kinderlose mit ihren Beiträgen auch zur Finanzierung des Pflegerisikos von beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kinder herangezogen. Das wiegt jedoch den Vorteil der kinderlosen Versicherten zu Lasten derjenigen nicht auf, die zur Abdeckung des Pflegerisikos aller im Alter für die zukünftigen Beitragszahler sorgen. Dieses Ungleichgewicht verschärft sich in Fällen, in denen Eltern eine große Anzahl von Kindern großziehen und zusätzlich beide finanzielle Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung leisten.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die große Mehrzahl der Bevölkerung in der sozialen Pflegeversicherung versichert ist (siehe schon Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 2014/95 -) und prognostisch in der Zukunft schon deshalb bleibt, weil der Gesetzgeber den Kreis der Pflichtversicherten durch Einführung der §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12, Abs. 3 SGB XI, 5 Abs. 1 Nr. 13, 188 Abs. 4 SGB V noch weiter gefasst hat, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Erziehungsleistung in der sozialen Pflegeversicherung auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung zugute kommt.
Wenn ein soziales Leistungssystem ein Risiko abdecken soll, das vor allem die Altengeneration trifft, und seine Finanzierung so gestaltet ist, dass sie im Wesentlichen durch das Vorhandensein nachwachsender Generationen funktioniert, die jeweils im erwerbsfähigen Alter als Beitragszahler die mit den Versicherungsfällen der vorangegangenen Generationen entstehenden Kosten mittragen, dann ist für ein solches System nicht nur der Versicherungsbeitrag, sondern auch die Kindererziehungsleistung konstitutiv. Wird dieser generative Beitrag nicht mehr in der Regel von allen Versicherten oder von allen Versicherten in hinreichender Weise erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist. Die kindererziehenden Versicherten sichern die Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung also nicht nur durch Beitragszahlung, sondern auch durch Betreuung und Erziehung von Kindern. (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 61). Je mehr Kinder Versicherte erziehen, desto größer ist dabei ihr Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung. Während Versicherte, die nur ein Kind erziehen, noch nicht die Beitragslast in der Zukunft stabil halten können, weil ein Kind schon für seine Eltern in Zukunft doppelte Beiträge leisten muss, sichern Versicherte mit vier und mehr Kindern die Beiträge in der Zukunft für sich und weitere Versicherte.
Der Gesetzgeber überschreitet innerhalb dieses Rahmens die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, wenn er gesetzliche Vorschriften ohne eine die Beitragslast der Eltern hinreichend berücksichtigende Kinderkomponente in Kraft treten lässt. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber deshalb im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 70 ff) den Auftrag erteilt, die Beitragsvorschriften des SGB XI so zu gestalten, dass ein zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmender Ausgleich dergestalt erfolgt, dass die Elterngeneration während der Zeit der Erziehung und Betreuung der Kinder entlastet wird. Der Gesetzgeber hat insofern einen Gestaltungsspielraum, wie er die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt, er ist aber von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 – 1 BvR 1629/94 –, BVerfGE 103, 242-271, Rn. 72 f.).
Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber zunächst durch Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in § 55 Abs. 3 SGB XI zum 01.01.2005 umgesetzt. Die Kammer konnte sich zumindest bei Familien mit bis zu drei Kindern im Anschluss an das Bundessozialgericht (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23, Rn. 76 ff.) bisher nicht von der Verfassungswidrigkeit der Beitragsregelungen des SGB XI zumindest bis 31.12.2014 überzeugen (Urteil vom 25.07.2017 - S 6 KR 686/17, Umdruck S. 17 f., ebenso: SG Freiburg, Urt. v. 11.05.2010, S 14 KR 3338/07, Umdruck S. 7 f., Urteil vom 17.06.2010 - S 5 KR 5878/06, v. 30.06.2010 - S 11 KR 1524/08). Jedenfalls die Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose anstelle einer Beitragsentlastung für Kinderreiche verstößt auch nach Auffassung der Kammer ebenso wenig gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG wie die Zuschlagsfreiheit von vor dem Jahr 1940 Geborenen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 12 P 2/07 R, BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr. 2).
3. Schon im Urteil vom 25.07.2017 hat die Kammer aber Zweifel an der Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 03.04.2001 geäußert, die sich im Hinblick auf die Zahl und das Alter der Kinder im dortigen Verfahren noch nicht zu einer Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der §§ 55, 57, 131 ff. SGB XI verdichtet hatten.
a) Zweifel bestehen in erster Linie daran, ob der Gesetzgeber die Vorgabe einer "relativen" Entlastung "ab dem ersten Kind" (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94, a.a.O., juris Rn. 73) hinreichend umgesetzt hat. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 a.a.O, Juris Rn. 57) darauf abgestellt, dass Eltern die Beitragszahlung in der zukünftigen Generation sicherstellen. Es hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die Eltern bei der Kindererziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten und dass dieser Nachteil den Kinderlosen zum Vorteil gereicht. Der Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung tritt aber bei mehreren Kindern, denen die Eltern Pflege und Erziehung zumindest im Bereich des Möglichen und der Existenzsicherung schulden (vgl. §§ 1601 ff., insbesondere § 1603 Abs. 2 BGB) in stärkerer Weise zutage als bei Familien mit nur einem Kind. Auf der anderen Seite gereicht der Kinderreichtum den Kinderlosen und auch den Eltern von nur einem Kind in besonderer Weise zum Vorteil, kann doch durch mehrere in Zukunft beitragszahlende Kinder auch der Beitragssatz stabil gehalten werden (vgl. BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff.), während die Betreuung und Erziehung nur eines Kindes die soziale Pflegeversicherung in der Zukunft nicht nachhaltig zu sichern geeignet ist. Die Kammer hat deshalb Zweifel, ob ein pauschaler Beitragszuschlag unabhängig von der Zahl der Kinder die Verfassungswidrigkeit hinreichend beseitigt (ebenso: Unterrichtung durch den Bundesrat, BT-Drucksache 15/4176, Estelmann, SGb 2002, 245, 253 f., Seiler NZS 2016, 641, 644). Sie hat sich bei Familien mit weniger als vier Kindern bisher nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugen können, weil sie mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23) die Grenzen der zulässigen Typisierung noch nicht überschritten sah. Dabei schien es noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zu sein, von einer Zwei-Kind-Familie als Standard auszugehen, die eine relative Entlastung durch den nicht zu zahlenden Beitragszuschlag von 0,25 Beitragssatzpunkten erfährt. Die Abweichung von einem Kind nach oben oder unten konnte dann als hinzunehmende Pauschalierung angesehen werden.
Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt jedoch anders gestaltet. Die Grenzen der Typisierung vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG sind nicht eingehalten. Die Kammer schließt sich zunächst der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06 –, BVerfGE 133, 377, juris Rn. 86 ff.) und Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.09.2015 - B 12 KR 15/12 R, BSGE 120, 23, Rn. 86 ff.) an, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung notwendigerweise generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen muss, die im Grundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245, 254; 78, 214, 227; 84, 348, 359; 122, 210, 232; 126, 268, 278, Steiner NZS 2004, 505, 508 f.). Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 113, 167, 236; 126, 268, 278 f.; stRspr).
Die Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 360; 126, 233, 263 f.). Der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen ist umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind (vgl. zu Art. 6 Abs. 1 GG BVerfGE 28, 324, 356; zum Wahlrecht BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04.07.2012 - 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11 -, juris, Rn. 53, BVerfG, Beschluss vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, juris Rn. 88). Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG setzen dabei dem Gesetzgeber Grenzen bei der Beitragspflicht zu Lasten von Familien mit Kindern. Diese Grenzen sind enger gezogen je größer der Beitrag ist, den die Eltern unter Verzicht auf eigenen Konsum durch Kindererziehung leisten. Die Grenzen zulässiger Typisierung sind deshalb zur Überzeugung der Kammer dann erreicht, wenn sich die Beitragsvorschriften im Ergebnis in besonderer Weise zu Lasten kinderreicher Familien auswirken. So verhält es sich hier.
Das Bundessozialgericht ist in seiner Entscheidung vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12: drei Kinder, B 12 KR 13/13 R: drei Kinder) betreffend die Rechtslage 2012 davon ausgegangen, dass die Gruppe von Versicherten mit vier und mehr Kindern mit nur ca. 0,5 % der Privathaushalte derart klein ist, dass sie im Rahmen der typisierenden Regelung der Massenerscheinung "Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung" keiner besonderen Regelung bedarf. Die Kammer zieht als Vergleichsgruppe nur Familien mit Kindern heran, denn im hier zu beurteilenden Zusammenhang sind diese aus Sicht der Kammer diejenigen, mit denen die Kläger ihre Situation vergleichen können. Betreffend kinderlose Personen hat ein relativer Ausgleich um 0,25 Beitragssatzpunkte stattgefunden.
Nach dem Datenreport des statistischen Bundesamts 2016 (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Datenreport/Downloads/Datenreport2016Kap2.pdf? blob=publicationFile, S. 52, zuletzt recherchiert am 05.02.2018) lebten 2014 in 11% der Familien drei und mehr Kinder. Nach Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung lebten 2011 in 1,8% der Familien vier Kinder (https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61597/ haushalte-nach-zahl-der-kinder, zuletzt recherchiert am 05.02.2018). Die Kammer geht davon aus, dass sich der prozentuale Anteil der Familien mit vier und mehr Kindern an den Privathaushalten mit Kindern seit 2011 jedenfalls nicht wesentlich verändert hat. Dieser Anteil der kinderreichen Familien an der Gesamtzahl der Familie ist nicht so gering, dass der Gesetzgeber ihn im Rahmen der Typisierung vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG vollständig unberücksichtigt lassen durfte, denn ihr Anteil an den zukünftigen Beitragszahlern in der sozialen Pflegeversicherung ist überdurchschnittlich hoch. Gerade diese Familien leisten in besonderer Weise einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung und sie verzichten zur Sicherung zumindest des Existenzminimums aller ihrer Kinder in besonderer Weise auf Konsum. Gleichzeitig leisten sie anders als Ein-Kind-Familien einen vierfachen generativen Beitrag. Darüber hinaus verdoppelt sich ihr monetärer Beitrag, wenn - wie hier - die Mütter auch kleiner Kinder zunehmend wieder einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. Pressemitteilung des statistischen Bundesamts vom 26.07.2017, 254/17, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/07/PD17 254 122 pdf.pdf? blob=publicationFile, zuletzt recherchiert am 30.01.2018), deshalb ihrerseits nicht mehr den Vorteil beitragsfreier Mitversicherung genießen. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es zur Überzeugung der Kammer, gerade diese Belastung von kinderreichen Familien im Rahmen der Typisierung zumindest in die Überlegungen einzubeziehen und insofern einen nachvollziehbaren Ausgleich zu schaffen. Daran fehlt es im SGB XI.
b) Zweifel bestehen im Übrigen daran, ob der Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB XI für Kinderlose die Vorgabe der Entlastung von Eltern "während der Zeit der Betreuung und Erziehung" "in deren Erwerbsphase" verfassungsgemäß umsetzt. Die Kammer zweifelt, ob nicht durch die lebenslange Beitragsentlastung von Eltern, d.h. die fehlende Begrenzung auf die Zeit der tatsächlichen Betreuung und Erziehung der Kinder oder die Erwerbsphase der Eltern, also auf die Zeit der tatsächlichen Doppelbelastung durch finanzielle und Betreuungsbeiträge, eine neue Ungleichbehandlung auftritt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Kläger tragen insofern nachvollziehbar vor, dass Eltern, deren Kinder nicht mehr auf Unterhalt angewiesen sind, wirtschaftlich kinderlos seien, weil sie dann nicht mehr zur Sicherung des Existenzminimums ihrer Kinder auf eigenen Konsum verzichten und ihre Beiträge nur noch finanziell erbringen. Mit anderen Worten endet die Doppelbelastung der Eltern mit dem Tag, an dem die Unterhaltsverpflichtung, also die Bedürftigkeit der Kinder endet und diese auf eigenen Füßen stehen. Der Gesetzgeber schließt dennoch bei einmaligem Vorliegen der Elterneigenschaft dauerhaft die Erhebung des Zuschlags aus (Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 55 SGB XI, Rn. 23 unter Hinweis auf BT-Drucksache 15/3671 S. 6). Er behandelt insofern nicht mehr unterhaltsverpflichtete Eltern gleich mit noch unterhaltsverpflichteten Eltern. Auch insofern sind die Grenzen gesetzlicher Typisierung für die ersten Jahre nach Einführung des Zusatzbeitrags jedenfalls nicht offensichtlich überschritten, sind doch unter den Eltern nicht mehr unterhaltsberechtigter Kinder typischerweise solche, die in der Zeit seit Inkrafttreten des SGB XI bis zur Einführung des § 55 Abs. 3 SGB XI zum 01.01.2005 in verfassungswidriger Weise zu den gleichen Beiträgen herangezogen wurden wie kinderlose Versicherte. Sie erfahren durch die dauerhafte Freiheit vom Zusatzbeitrag insofern einen Ausgleich. Es bestehen aber weiterhin Zweifel, ob der dauerhafte Vorteil auch über eine gewisse Übergangszeit hinaus den Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Die Kammer ist insofern überzeugt, dass dem Gesetzgeber zumindest eine Überprüfung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG auferlegt ist.
Die von den Klägern geäußerten Zweifel, ob der Gesetzgeber insofern hier nicht nunmehr zu Unrecht die nicht mehr unterhaltsverpflichteten Eltern anders behandelt als die noch nie unterhaltsverpflichteten Personen sind nicht streitentscheidend, weil die Kläger keiner der beiden Gruppen angehören.
c) Zweifel bestehen schließlich, ob der Gesetzgeber bei der Höhe des Beitragszuschlags seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, insbesondere eine nachvollziehbare Typisierung vorgenommen hat.
Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159, 185 f.; 122, 210, 232; 126, 268, 279). Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden (BVerfGE 111, 115, 137). Insofern ist ein prozentualer Beitragszuschlag grundsätzlich nicht zu beanstanden. Typisierung setzt aber auch voraus, dass der Gesetzgeber die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung abwägt (vgl. BVerfGE 66, 214; 68, 143; 82, 60; 112, 268; 120, 125; 125, 175, vgl. auch BVerfGE 108, 52). Die Kammer vermisst insofern - trotz fehlender Quantifizierbarkeit des generativen Beitrags (Estelmann, SGb 2002, 245, 250) - eine Begründung für die Höhe des Beitragszuschlags und damit eine Nachvollziehbarkeit des gewählten Prozentsatzes in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucksache 15/3671 und 15/4375 S. 3 f.).
4. Ob die Zweifel an der ausreichenden Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 sich bereits betreffend den Rechtszustand bis 31.12.2014 für Familien wie die der Kläger zu einer Überzeugung der Kammer verdichten, kann dahingestellt bleiben, denn die Klage betrifft nur die Rechtslage ab 01.01.2015. Jedenfalls mit Einführung des Pflegevorsorgefonds und der unterschiedslosen Beitragssatzsteigerung um 0,3 Beitragssatzpunkte zum 01.01.2015 und weiteren 0,2 zum 01.01.2016 sind zur Überzeugung der Kammer die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG in Fällen wie dem vorliegenden überschritten.
a) Der Gesetzgeber ist dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht geworden, bei der zum Aufbau dieses Fonds erforderlichen zusätzlichen Beitragserhebung die Belange von Eltern mit mehreren Kindern und deren generativen Beitrag zumindest mit in die Überlegungen einzubeziehen und entsprechend zu gewichten.
Mit dem ersten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) hat der Gesetzgeber in §§ 131 ff. SGB XI einen Pflegevorsorgefonds eingerichtet, um die Beitragssatzstabilität zu sichern. Gleichzeitig ist der Beitragssatz von 2,05 % auf 2,35 % ab 01.01.2015 und ab 01.01.2016 auf 2,55 % der beitragspflichtigen Einnahmen erhöht worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/1798 S. 19) dient der Aufbau des Pflegevorsorgefonds dem Ausgleich der demographischen Entwicklung bei zunehmender Anzahl an Pflegebedürftigen, insbesondere an allein lebenden Pflegebedürftigen, und weiterhin geringer Geburtenrate und damit verbundenen schwächeren Einnahmen. Die Generationengerechtigkeit soll durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds sichergestellt werden und künftige Generationen von steigenden Beiträgen teilweise entlastet werden (BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff., 52). Dabei dient die Erhöhung des Beitragssatzes neben der Finanzierung von gestiegenen Leistungsausgaben dem Aufbau des Pflegevorsorgefonds (BT-Drucksache 18/1798 S. 47). Eine Unterscheidung bei der Beitragssatzerhöhung zwischen Kinderlosen, Ein-Kind-Familien und kinderreichen Beitragszahlern hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht erwogen (BT-Drucksachen 18/1798, 18/1853, 18/2379, 18/2909).
Nach § 131 SGB XI wird ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet. Dieser dient nach § 132 SGB XI der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Die Mittel des Vorsorgefonds speisen sich aus 0,1 % der beitragspflichtigen Einnahmen des Vorjahres, unter Zugrundelegung des erhöhten Beitragssatzes nach § 55 Abs. 1 SGB XI, § 135 SGB XI. Die Mittel werden monatlich zu Lasten des Ausgleichsfonds nach §§ 65 ff. SGB XI an den Pflegevorsorgefonds überwiesen. Die Mittel des Ausgleichsfonds bestehen aus den Beiträgen aus den Rentenzahlungen nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 255 SGB V, den von den Pflegekassen nach § 64 Abs. 4 Satz 2 SGB XI überwiesenen Überschüssen und Rücklagen und den vom Gesundheitsfonds nach §§ 60 SGB XI, 252 ff. SGB V überwiesenen Beiträgen der Versicherten (§ 60 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. §§ 252 Abs. 2 Satz 1, 251 Abs. 3, 4 und 4a SGB V), den vom Ausgleichsfonds erwirtschafteten Kapitalerträgen, § 64 Abs. 2 SGB XI, sowie weiteren Zahlungen (§§ 60 Abs. 7, 114a Abs. 5 Satz 2 SGB XI). Das Vermögen des Pflegevorsorgefonds wird ab dem Jahr 2035 dazu genutzt, Leistungsmehrausgaben, die nicht auf Verbesserungen der Leistungen beruhen, auszugleichen, um so den Beitragssatz stabil zu halten, § 136 SGB XI. Das Vermögen ist nach Auszahlung aufgelöst, § 139 SGB XI.
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einrichtung dieses Fonds dem SGB XI eine kapitalgedeckte Komponente zugefügt, die dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Urt. v. 03.04.2001, 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95). Grund für die Einführung der Beitragssatzerhöhungen ab 01.01.2015 ist unter anderem die Einrichtung und finanzielle Ausstattung des Pflegevorsorgefonds (BT-Drucksache 18/1798 S. 47). Der Pflegevorsorgefonds seinerseits soll die demographische Entwicklung abfedern (BT-Drucksache 18/1798 S. 20 ff., 52). Der Gesetzgeber erwartet insofern eine Steigerung der Leistungsausgaben ab 2035, weil die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er und frühen 1970er Jahr dann in ein Alter kommen, in dem statistisch vermehrt Pflegeleistungen erforderlich werden.
bb) Die Finanzierung des Pflegevorsorgefonds erfolgt zumindest mittelbar verfassungsrechtlich relevant durch die Beitragserhöhung auch zu Lasten der Kläger.
Das Bundessozialgericht hat im Beschluss vom 10.10.2017 (B 12 KR 119/16 B, juris Rn. 22) in einem Fall einer im Jahr 1962 geborenen Klägerin mit zwei in den Jahren 2001 und 2003 geborenen Kindern (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016 - L 11 KR 2770/16 als Vorinstanz) eine verfassungsrechtliche Relevanz des Pflegevorsorgefonds vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG mit dem Argument verneint, die Überweisungen an den Pflegevorsorgefonds erfolgten aus dem Ausgleichsfonds nach § 65 SGB XI und hätten keinen Zusammenhang mit den Beiträgen der Klägerin.
Die Kammer kommt für den hier zu entscheidenden Fall zu einem anderen Ergebnis. Die Beiträge der hiesigen Kläger haben einen verfassungsrechtlich hinreichenden Zusammenhang mit dem Pflegevorsorgefonds. Der Ausgleichsfonds speist sich nach § 65 SGB XI aus den Beiträgen aus den Rentenzahlungen, den von Pflegekassen überwiesenen Überschüssen nach § 64 Abs. 4 SGB XI und den vom Gesundheitsfonds überwiesenen Beiträgen von Versicherten sowie weiteren Einnahmen.
Die Beiträge aus den Rentenzahlungen im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI betreffen typischerweise nicht die Einnahmen kindererziehender Eltern, die aus ihren beitragspflichtigen Einnahmen Beiträge entrichten. Der Überschuss aus der Rücklage im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI wird allerdings aus den Mitteln der Pflegekasse überwiesen, § 64 Abs. 4 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB XI. Die Mittel der Pflegekassen bestehen nach § 62 SGB XI aus den Betriebsmitteln und der Rücklage. Gemäß § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel für die Pflegeversicherung aus Beiträgen und sonstigen Einnahmen gedeckt. Werden also die Beiträge für alle Versicherten, also auch für diejenigen, die sie aus ihrem Erwerbseinkommen entrichten, um 0,3 bzw. 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben, ohne dass diese Beiträge gleichzeitig vollständig für die Erfüllung der Aufgaben der Pflegeversicherung, mithin für die Leistungen nach dem SGB XI, erforderlich sind, erhöhen sie die Rücklage nach § 64 SGB XI und den an den Ausgleichsfonds nach § 64 Abs. 4 Satz 2 SGB XI zu überweisenden Überschuss. Das versetzt den Ausgleichsfonds wiederum in die Lage, den in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorgesehenen Betrag an den Pflegevorsorgefonds zu überweisen. Umgekehrt werden die dem Ausgleichsfonds nach § 65 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 SGB XI und weiteren Vorschriften überwiesenen, von Sozialversicherungsträgern zu tragenden oder einzubehaltenden, unmittelbar zugeführten Mittel den Betriebsmitteln der Pflegekasse entzogen, so dass Leistungen dann vermehrt aus den Beiträgen der versicherungspflichtigen Beschäftigten finanziert werden müssen. Der Ausgleichsfonds und ihm folgend der Pflegevorsorgefonds wird damit im wirtschaftlichen Ergebnis rechtlich relevant zumindest auch aus Beiträgen der versicherungspflichtigen Beschäftigten gebildet.
cc) Jedenfalls sind maßgeblicher Bezugspunkt für die Höhe der dem Vorsorgefonds zuzuführenden Mittel nach § 135 Abs. 1 SGB XI die beitragspflichtigen Einnahmen. Gemeint sind insofern nicht die beitragspflichtigen Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung, sondern die beitragspflichtigen Einnahmen deren Mitglieder i.S.v. § 54 Abs. 2 SGB XI (Altmiks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 135 SGB XI, Rn. 7). Davon geht im Ergebnis auch der Gesetzgeber aus, wenn die Gesetzesbegründung von Mehreinnahmen von rund 3,63 Mrd. Euro durch die Beitragsanhebung um 0,3 und Mehrausgaben durch den Pflegevorsorgefonds von 1,21 Mrd. Euro ausgeht (BT-Drucksache 18/1798 S. 19). Es wird der Beitragssatz nach § 55 Abs. 1 SGB XI, also derjenige ohne den Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB V zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass Bezugspunkt für die Mittel des Pflegevorsorgefonds ein Beitragssatz ist, der für kinderlose, ein Kind und mehrere Kinder erziehende Beitragszahler gleich ist.
dd) Die Maßgeblichkeit der Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung ist durch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds nicht wesentlich verändert worden.
Nach den Feststellungen des BVerfG im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94, juris Rn. 65) altert die Bevölkerung Deutschlands unausweichlich und sehr massiv. In Deutschland ist seit Mitte der sechziger Jahre die Zahl der Lebendgeborenen je Frau von 2,49 in rascher Folge auf 1,3 gesunken. Ganz wesentlich verstärkt wird diese Entwicklung dadurch, dass es weniger Personen gibt, die Kinder zeugen und gebären können. Außerdem bleiben immer mehr Frauen kinderlos. Dieser Trend ist zwar gestoppt (vgl. Pressemitteilung des statistischen Bundesamts Nr. 254 vom 26.07.2017, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/ 2017/07/PD17 254 122.html, zuletzt recherchiert am 31.01.2018), aber nicht umgekehrt.
Selbst bei gleich bleibender Eintrittswahrscheinlichkeit des Pflegefallrisikos bewirkt der beträchtliche Rückgang der Erziehungsleistung nicht nur, dass sich die Relation zwischen (jüngeren) Beitragszahlern und (älteren) Pflegebedürftigen ab 2035 verschlechtert. Auch gibt es keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür, dass in der Zukunft ältere Menschen einem wesentlich geringeren Risiko unterliegen, pflegebedürftig zu werden, als heute. Gleich bleibend hohe, wenn nicht gar steigende Leistungsausgaben müssen von immer weniger Personen finanziert werden.
Die demographische Entwicklung führt auch weiterhin dazu, dass immer weniger jüngere Versicherte neben ihrer Beitragslast zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung die Kostenlast der Kindererziehung tragen. Familien mit vielen Kindern leisten hier durch zukünftige Beitragszahler einen Ausgleich zur Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung.
ee) Die Maßgeblichkeit des generativen Beitrags ändert sich nicht durch die Einführung des Fonds. Die Kammer hat im Urteil vom 25.07.2017 (S 6 KR 868/17, Umdruck S. 17) erwogen, dass durch die Einführung des Pflegevorsorgefonds eine Entwicklung der sozialen Pflegeversicherung hin zu einer kapitalgedeckten und dem Grunde nach verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 GG nicht zu beanstandenden (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1681/94 u.a., BVerGE 103, 271) Versicherung stattfindet und die dortigen Kläger insofern die mit dem Systemwechsel verbundenen Härten in einer Übergangszeit hinnehmen müssen.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Härten, die beispielsweise mit der Einführung von Stichtagen verbunden sind, vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Voraussetzung ist, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 – 1 BvL 10/00 –, BVerfGE 117, 272, juris Rn. 73 mwN). Diese Rechtsprechung ist zur Überzeugung der Kammer auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, denn die Einführung des Pflegevorsorgefonds und die damit verbundene Beitragssatzerhöhung stellen keine dauerhafte Änderung der Rechtslage dar, in deren Zusammenhang ab einem bestimmten Zeitraum alle Versicherten mehr zahlen müssen, um auf die lange Sicht eine Kapitaldeckung der Pflegeversicherung und damit eine größere Unabhängigkeit vom generativen Beitrag der Kindererziehung zu erreichen. Vielmehr ist die Laufzeit des Fonds beschränkt. Der Zufluss zum Pflegevorsorgefonds ist auf die Zeit bis 31.12.2033 beschränkt (§ 135 Abs. 2 SGB XI), der Einsatz der Mittel erfolgt ab 2035, § 136 SGB XI und der Vorsorgefonds endet mit vollständiger Auszahlung des gebildeten Vermögens, § 139 SGB XI. Er ist mithin zeitlich begrenzt und führt nicht eine auf Dauer angelegte Kapitaldeckung der sozialen Pflegeversicherung ein, sondern federt lediglich eine Belastungsspitze ab, die durch die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er und frühen 1970er Jahre verursacht ist, die ihrerseits nicht ausreichend Kinder erzogen und betreut haben, um die Beiträge stabil zu halten.
ff) Der Fonds belastet spezifisch die derzeitig unterhaltsverpflichtete Elterngeneration, denn diese muss befristet (zumindest mittelbar) Beiträge zur Aufstockung dieses Fonds leisten, obwohl sie bereits doppelt durch finanzielle Beiträge und Kindererziehung ihren Beitrag zur Funktionstüchtigkeit der sozialen Pflegeversicherung leistet und ohne dass sie während der Laufzeit des Fonds voraussichtlich Bedarf an Leistungen der Pflegeversicherung hat, weil sie währenddessen nicht das Alter erreicht, in dem Pflegebedürftigkeit gesteigert zu erwarten ist.
Das wird besonders deutlich im Fall der Kläger dieses Verfahrens. Sie sind Eltern von in den Jahre 2007 bis 2013 geborenen Kindern und gehören selbst anders als z.B. die Klägerin im vom LSG Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016 - L 11 KR 2770/16 als Vorinstanz zu BSG, Beschl. v. 10.10.2017 - B 12 KR 119/16 B) zu entscheidenden Fall nicht den geburtenstarken Jahrgängen an, die den prognostizierten Anstieg der Leistungsausgaben ab 2035 in der sozialen Pflegeversicherung verursachen. Sie werden voraussichtlich während des gesamten Zeitraums der Zuführung von Kapital zum Pflegevorsorgefonds (2015 - 2033) zumindest den jüngeren ihrer Kinder während deren Ausbildung unterhaltsverpflichtet sein. Das bedeutet, sie leisten während des gesamten Zeitraums der Zuführung von Kapital zum Pflegevorsorgefonds Erziehung und Betreuung und dem folgend Konsumverzicht für (bis zu) vier Kinder. Gleichzeitig sind sie beide - abgesehen vom jeweils einem fehlenden Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 SGB XI - in vollem Umfang beitragspflichtig auf ihre Einnahmen aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 3. Das Alter der prognostizierten erhöhten Leistungsausgaben erreichen sie erst ab 2045, also 10 Jahre nach Beginn der Beitragssatzstabilisierung durch den Pflegevorsorgefonds, so dass die Möglichkeit besteht, dass der Fonds bis dahin aufgelöst ist und sie selbst bei den Leistungen nicht davon profitieren.
Die Kammer verkennt insofern nicht, dass auch die Kläger und ihre Kinder von der Beitragssatzstabilität ab 2035 profitieren, denn es ist, von dem Fall einer Erwerbsminderung abgesehen, zu erwarten, dass sowohl die Kläger, die nach derzeitigem Stand erst nach 2035 eine Altersrente nach dem SGB VI in Anspruch nehmen können, als auch ihre Kinder ab 2035 Beiträge zu sozialen Pflegeversicherung leisten werden, die dann dank des Pflegevorsorgefonds stabil bleiben. Die Kläger leisten ihren Beitrag zur Beitragssatzstabilität aber bereits durch ihre überdurchschnittlich hohe Anzahl an Kindern, die ab 2035 voraussichtlich einen monetären Beitrag zur Stabilität der sozialen Pflegeversicherung leisten werden. Diese bereits durch Kindererziehung und Betreuung geleisteten Beiträge hätte der Gesetzgeber zur Überzeugung der Kammer zumindest gewichten müssen.
b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Beitragszuführung zum Pflegevorsorgefonds lediglich 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten der sozialen Pflegeversicherung beträgt, denn dieser Anteil an den Beiträgen wird über insgesamt 20 Jahren zugeführt, so dass der absolute Betrag vor dem Hintergrund der bereits zuvor bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beitragserhebung in der sozialen Pflegeversicherung bei kinderreichen Familien durchaus namhaft und nicht zu vernachlässigen ist. Das gilt insbesondere wegen des mit der Beitragserhebung bei Pflichtmitgliedschaften verbundenen Eingriffs in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96) und dem daraus folgenden anzulegenden strengen Maßstab und im Hinblick auf die erheblichen weiteren Lasten, die den Klägern durch die Beiträge zu den übrigen Sozialversicherungszweigen auferlegt sind (vgl. Kaltenstein, SGb 2016, 365 mwN, F. Kirchhof, NZS 2015, 1, 7; G. Kirchhof, NJW 2006, 732).
Der Gesetzgeber selbst sah darüber hinaus die Erhöhung des Beitragssatzes von 0,25 Beitragssatzpunkten für Kinderlose als ausreichend an, um die Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung für Eltern mit Kindern zu beseitigen, unabhängig von der Anzahl der zu unterhaltenden und zu betreuenden Kindern. Ein Beitragsanteil von 0,1 Beitragssatzpunkten ist demgegenüber nicht unmaßgeblich und zu vernachlässigen.
c) Der Gesetzgeber hat die Vorgaben der Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG auch im Übrigen bei der unterschiedslosen Anhebung der Beiträge um 0,5 Punkte nicht hinreichend beachtet. Die Beitragssatzerhöhung beschränkt sich nicht auf die Notwendigkeit der Finanzierung des Pflegevorsorgefonds, mithin nicht auf 0,1 %. Vielmehr wurden die Beiträge insgesamt um 0,5 Punkte erhöht. Diese Erhöhung wird auch mit höheren Leistungsausgaben begründet, die nur zum Teil durch die Veränderung der Leistungen im SGB XI, zu einem weiteren Teil aber auch durch die höhere Anzahl von Pflegebedürftigen im Vergleich zu den Beitragszahlern bedingt ist. Das bedeutet, dass die Beitragserhöhung um insgesamt 0,5 % zumindest teilweise auch auf der demographischen Entwicklung beruht.
Die unterschiedslose Belastung mit dem ab 01.01.2015 bzw. 01.01.2016 geltenden Beitragszuschlag u.a. zur Finanzierung zusätzlicher Leistungsausgaben führt zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende wie die Kläger in die Versicherung einbringen, und dem Geldbeitrag von nur ein Kind Erziehenden und Kinderlosen. Der Gesetzgeber hätte auch insofern die Belange kinderreicher Familien in die Überlegungen einbeziehen müssen und ggfs. den Beitragszuschlag von 0,25 Punkten nach § 55 Abs. 3 GG für Kinderlose oder die Beitragserhöhung um insgesamt 0,5 Punkte bei Familien mit vielen unterhaltsberechtigten Kindern überprüfen müssen.
d) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber in anderen Bereichen einen Familienlastenausgleich geschaffen hat (BT-Drucks. 15/4375 S. 10 ff.: Anhebung des Kindergelds, des steuerfreien Grundfreibetrags und der Betreuungsfreibeträge, Einführung eines höheren und vereinfachten Erziehungsgelds bzw. nunmehr Elterngelds). Das BVerfG (Urteil vom 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94) hat einen systeminternen Ausgleich gefordert, der durch Familienlastenausgleich im Steuer-, Kinder- und Erziehungs- bzw. Elterngeldrecht insofern nicht gewährleistet ist (vgl. Estelmann SGb 2002, 245, 251).
e) Die zusätzlichen Möglichkeiten der Freistellung von der Arbeit i.S. einer Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz und die damit verbundenen Leistungen nach § 44a SGB XI gleichen die Nachteile nicht aus. Zutreffend ist zwar, dass durch diese Regelungen ein Mehr an Leistungen geschaffen wird, das tendenziell Kindern der Pflegebedürftigen und damit im intergenerationellen Ergebnis Pflegebedürftigen mit Kindern zugutekommt, weil Pflegezeit von Angehörigen nur genommen werden kann, wenn auch solche in der nachfolgenden Generation vorhanden sind. Sie vermeiden jedoch vor allem weitere Nachteile bei einer Dreifachbelastung durch Kindererziehung, Pflege der Eltern und Berufstätigkeit, gleichen aber den Nachteil der Doppelbelastung durch Kindererziehung und monetäre Beiträge nicht aus.
f) Der Gesetzgeber hat darüber hinaus seinen verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG insofern nicht erfüllt als er bei der Änderung der Beitragssätze zum 01.01.2015 nicht überprüft hat, ob die lebenslange Befreiung vom Beitragszuschlag für Eltern nach Beendigung der Unterhaltspflicht oder zumindest nach der "Erwerbsphase" weiterhin gerechtfertigt ist (s. dazu schon Ziffer 3 b).
g) Die Kammer teilt jedoch nicht die Einschätzung der Kläger, dass der Pflegevorsorgefonds sie in verfassungsrechtlicher Weise benachteilige, weil er gegen Art. 115 GG verstoße. Es bestehen bereits Zweifel, ob der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 115 GG ein subjektives Recht der Kläger zu begründen geeignet ist. Jedenfalls stützt die von ihnen zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.02.2017 (VGH N2/15, juris) ihre Auffassung nicht. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erklärt in dieser Entscheidung Haushaltsgesetzgebung des Landes Rheinland-Pfalz für nicht mit der Landesverfassung vereinbar, weil Zuführungen zum Pensionsfonds der Beamten und Richter über Darlehen finanziert wurden und insofern die landesverfassungsrechtliche Schuldenbremse umgangen werden konnte. Die geltend gemachte Landesverfassungswidrigkeit der Finanzierung über Schuldscheine lässt der Verfassungsgerichtshof gerade dahingestellt (Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz a.a.O. Juris Rn. 135). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Anlage des Pflegevorsorgefonds über Kredite finanziert wird. Vielmehr erhält der Pflegevorsorgefonds nach § 135 SGB XI Zuführungen aus vorhandenen Mitteln des Ausgleichsfonds. Auch aus den Vorschriften zum Ausgleichsfonds in §§ 65 ff. SGB XI ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine versteckte Darlehensfinanzierung stattfindet. Nach § 134 SGB XI ordnet die sinngemäße Anwendung der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen "Versorgungsrücklage des Bundes" u.a. näher bezeichneter Versorgungsfonds an. Das Gesetz über die Versorgungsrücklage des Bundes ordnet in § 5 die Grundsätze Sicherheit, Liquidität und Rendite an und nimmt auf die Rechtsverordnung nach § 217 des Versicherungsaufsichtsgesetzes Bezug, das in § 215 VAG ebenfalls selbst Anlagegrundsätze aufstellt. In keiner dieser Vorschriften finden sich Hinweise auf eine unzulässige Kreditfinanzierung. Insofern sieht sich die Kammer auch nicht gehalten, die Beigeladene zu 2. zur Beantwortung der vom Klägervertreter formulierten Fragen anzuhalten.
5. Eine verfassungskonforme Auslegung des §§ 55, 57 SGB XI, 14 ff, 23a SGB IV, 226 SGB V kommt im Hinblick auf deren eindeutigen Wortlaut nicht in Betracht.
6. Die Kammer sah sich nicht gedrängt, den bereits im Vorfeld schriftlich formulierten und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Beweisanträge zu 1. bis 6. nachzugehen. Sie können in ihrem Tatsachengehalt als wahr unterstellt werden, denn die dort behaupteten Tatsachen sind bereits in der Gesetzesbegründung zum ersten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) bestätigt und im Übrigen auf der Homepage des statistischen Bundesamts veröffentlicht. Ziffer 5 der Beweisanträge ist durch die Neufassung des Klageantrags (Freistellung in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums) überholt, Ziffer 4 und 6 umschreiben die in diesem Verfahren zu klärenden Rechtsfragen, enthalten mithin keine zu beweisende Tatsachenbehauptung.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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