Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 500/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 32/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 verurteilt, bei der Klägerin als Folge ihres Arbeitsunfalls vom 21.08.2006 eine "Angststörung" anzuerkennen und ihr wegen der Folgen, ab dem 01.04.2010 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls, den die Klägerin am 00.00.2006 erlitten hat.
Die am 00.00.1962 geborene Klägerin, wurde am Unfalltag Opfer eines Raubüberfalls. Sie arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Filialleiterin bei der Firma T1. Ein zunächst unbekannter Täter bedrohte die Klägerin und ihre beiden Kolleginnen mit einer Pistole und forderte die Herausgabe des Tresorinhalts. Danach sperrte er die Klägerin und ihre Kolleginnen in der Toilette ein und flüchtete.
Aufgrund der Vorabmeldung des Überfallgeschehens durch den Arbeitgeber vom 22.08.2006, erfolgte durch die Beklagte eine Akutintervention. Hier nahm die Klägerin an zwei Therapiegesprächen teil und trat sodann ihren seit sehr langer Zeit geplanten Urlaub, in Form einer Amerikareise an. Nach Rückkehr aus diesem Urlaub, hat sie ihre Tätigkeit bei ihrem Arbeitgeber wieder aufgenommen. 2008 wurden mehrere Knieoperationen bei ihr notwendig, die zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und letztendlich zum Verlust des Arbeitsplatzes führten. Auch trennte die Klägerin sich von ihrem Lebenspartner.
Mit Schreiben vom 07.06.2011 beantrage der Dipl.-Psych. T2 die Übernahme der Kosten einer durch ihn durchgeführten Behandlung. Die Klägerin sei seit dem 07.04.2010 bei ihm in Behandlung. Bisher seien 30 Sitzungen durchgeführt worden. Außerdem sei die Klägerin vom 02.02.2011 bis zum 16.03.2011 stationär in der H Klinik behandelt worden. Dort sei die Diagnose einer postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auf dem Hintergrund eines Überfalls am Arbeitsplatz gestellt worden.
Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von U1 ein. Der Sachverständige berichtete in seinem Gutachten vom 13.06.2012, dass es keine Hinweise gebe, dass bei der Klägerin eine psychoreaktive Störung von Krankheitswert vorläge, die auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden könnte. Unfallunabhängig bestünde eine leichtgradige Depression. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Folge des Unfallgeschehens läge deshalb nicht vor.
Auf der Basis dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2012 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Nach dem Überfall sei es zu einer Erstintervention gekommen. Danach sei die Klägerin in Urlaub gefahren. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit habe insoweit vom 22.08. bis zum 02.09.2006 bestanden. Ab dem 20.10.2006 habe die Klägerin wieder gearbeitet. Erst im September 2011 habe die Klägerin Leistungen nach dem Unfall vom 21.08.2006 geltend gemacht. Nach so langer Zeit seien die Unfallfolgen vollständig abgeheilt. Leistungen über den 02.09.2006 hinaus, würden nicht gewährt.
Ihren gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch, begründete die Klägerin mit der Vorlage eines Befundberichtes von E. Dieser diagnostizierte unter dem 19.12.2011 eine "schwere PTBS".
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 08.10.2012 erhobene Klage der Klägerin. Mit der Klage begehrt sie die Feststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente wegen dieser Unfallfolgen. Sie trägt dazu vor, dass sie unter ganz erheblichen Angstzuständen leide, die auf den seinerzeit stattgehabten Überfall zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 zu verurteilen, bei ihr als Folge ihres Arbeitsunfalls vom 00.00.2006 eine
"Angststörung"
anzuerkennen und ihr wegen dieser Folgen, eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die im Verwaltungsverfahren getroffene Entscheidung zutreffend und richtig ist. Das Entstehen einer PTBS nach einer so langen Latenzzeit von 2006 bis 2010 sei nahezu ausgeschlossen. Das Gutachten von U1 bestätige diese Einschätzung.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Frau Q-U2. Die Sachverständige ist Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, sowie für Psychotherapie. In ihrem Gutachten vom 24.06.2013 kommt sie zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das Vollbild einer PTBS bei der Klägerin nicht vorliege. Zwar sei das Ereignis vom 00.00.2006 grundsätzlich geeignet eine PTBS zu verursachen. Es läge jedoch eine andere reaktive Störung bei der Klägerin vor, die durch dieses Ereignis ausgelöst worden ist. In den ersten 1-2 Jahren nach dem Ereignis, sei es zu einer Verbesserung der Situation gekommen. Zwar habe keine regelrechte Retraumatisierung stattgefunden. Doch sei die Klägerin zunächst durch ihren Einsatz am Arbeitsplatz und dann in der Bewältigung ihrer Kniegelenksbeschwerden und der daraus sich ergebenden Folgen, insbesondere mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, so beschäftigt gewesen, dass die reaktive Störung kompensiert blieb. Neben dieser reaktiven Störungen, die sich als Angststörung mit Ängsten in der Öffentlichkeit, Schlafstörung und innere Anspannung darstelle, bestehe eine leichte Depression, die jedoch nicht auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sei. Bei der Klägerin bestehe als Folge des Unfallgeschehens eine
"Angststörung nach einem schädigenden Ereignis".
Zumindest dieser Teil der jetzt noch vorliegenden Störung sei unfallbedingt. Die MdE für diese Angststörung betrage 20 %.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage der Klägerin ist begründet. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 in ihren Rechten beschwert. Denn der Bescheid ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte es abgelehnt, in Folge des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 21.08.2006, Unfallfolgen anzuerkennen und ihr eine Verletztenrente nach einer Mde von 20 % zu gewähren. Denn die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer solchen Rente jedenfalls ab dem 01.04.2010.
Gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 % gemindert ist, eine Rente. Gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Dabei werden diejenigen Bedingungen als ursächlich oder mitursächlich für den Eintritt des Erfolges gewertet, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Bedeutung zum Eintritt des Erfolges wesentlich beigetragen haben. Die wesentliche Ursächlich– oder Mitursächlichkeit einer Bedingung für den Erfolg braucht zwar nicht nachgewiesen zu sein, muss aber zumindest wahrscheinlich sein. Das ist dann der Fall, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände, die auf die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren billigerweise außer Betracht bleiben müssen.
Auch der von der Klägerin am Arbeitsplatz erlittene Raubüberfall ist ein Arbeitsunfall und damit ein Versicherungsfall im Sinne des § 8 SGB VII. Der Räuber bedrohte die Klägerin unter Vorhalten einer Waffe mit dem Leben und verlangte den Tresorinhalt der Filiale heraus. Diese potenziell lebensbedrohliche Situation, hat bei der Klägerin ein Trauma im Sinne einer psychischen Reaktion ausgelöst und damit einen Gesundheitsschaden verursacht. Dies ist aus der Tatsache abzuleiten, dass unmittelbar nach dem Raubüberfall eine Akutintervention durch einen Psychologen stattgefunden hat. Zwar hat die Klägerin die Behandlung nicht weiter fortgesetzt. Dies ist jedoch durch den bevorstehenden und seit sehr langer Zeit geplanten Amerikaurlaub mit ihrem Partner und Freunden zu erklären. Die Sachverständige Frau Q-U2 beschreibt in ihrem Gutachten die glaubhaften Bekundungen der Klägerin, dass sie von der eigenen Selbsteinschätzung her und aus Rücksicht gegenüber den anderen Teilnehmern gar nicht anders konnte, als an der Urlaubsreise teilzunehmen. Während der Reise litt sie an Intrusionen, Schlafstörungen und Angstzuständen. Diese Tatsachen sind zwar durch keine medizinischen Befunde belegt, sie ergeben sich aber aus den glaubhaften Berichten der Klägerin in der Anamneseerhebung aus Anlass der Begutachtung bei der Sachverständigen Q-U2. Diese wiederum bewertet die Aussagen als glaubhaft. Die Kammer hält das Gutachten auch an dieser Stelle für überzeugend.
Mit der Gutachterin geht die Kammer davon aus, dass die Folgen dieses Traumas zunächst stumm verlaufen sind. Durch die leistungsorientierte Selbsteinschätzung der Klägerin und die weiteren biographischen Schwierigkeiten die die Klägerin zu bewältigen hatte, blieben die Störungen zumindest soweit kompensiert, dass sie nicht in den Vordergrund traten. Erst nach Abschluss der Bewältigung der Knieoperation, dem Verlust des Partners und dem Verlust des Arbeitsplatzes, trat die Angststörung in den Vordergrund. Eine Zeitangabe, wann dies eingetreten ist, fehlt allerdings im Gutachten der Sachverständigen. Als einziger Anknüpfungspunkt bietet sich hier der Beginn der Behandlung der Angststörung durch den Dipl.-Psych. T2 im April 2010 an. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ist der Leidensdruck der Klägerin gegenüber ihrer Angststörung so groß geworden, dass sie sich in professionelle Behandlung begeben hat.
Dem Gutachten von U1 vermag die Kammer nicht zu folgen. Zwar steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei der Klägerin das Vollbild einer PTBS nicht entstanden ist. Dies wird in überzeugender Weise von der Sachverständigen Q-U2 dargestellt. Der Ausschluss einer PTBS als Folge eines erlittenen Traumas bedeutet jedoch nicht, dass es bei der Klägerin keine ursächlich auf das Unfallgeschehen zurückzuführende pathologischen Befunde gäbe. Vielmehr stellt die Sachverständige Q-U2 überzeugend dar, dass die bei der Klägerin bestehende Angststörung durch die Situation während des Raubüberfalls entstanden ist.
Es trifft zwar zu, wie es auch U1 festgestellt hat, dass bei der Klägerin neben dieser Angststörung auch eine leichte Depression besteht. Hierin stimmen die Sachverständigen U1 und Q-U2 überein. U1 schließt aufgrund dieser schädigungsunabhängigen Depression alle anderen reaktiven Störungen als Unfallfolgen aus. Dass dies nicht zutrifft, erläutert die Sachverständige Q-U2 überzeugend in ihrem Gutachten. Neben der Depression der Klägerin, deren Ursache die Sachverständige in der Lebensbiographie mit der Trennung vom Partner und dem Verlust des Arbeitsplatzes und damit des eigenen Selbstwertgefühls sieht, besteht bei der Klägerin eine Angststörung die isoliert neben der Depression zu betrachten ist.
Diese Angststörung verursacht eine MdE von 20 %. Die Sachverständige beschreibt in ihrem Gutachten anschaulich die sozialen Einschränkungen, unter denen die Klägerin wegen dieser Angststörung leidet. Die Bewertung mit einer MdE von 20 %, wie sie die Sachverständige vornimmt, ist deshalb für die Kammer überzeugend.
Bezüglich des Beginns einer rentenberechtigenden MdE verhält sich das Gutachten indifferent. Zum Einen führt die Sachverständige aus, die MdE bestünde seit Beginn der Traumatisierung. Zum Anderen gibt sie in ihrem Gutachten an, dass unmittelbar nach dem Unfall eine Besserung eingetreten sei und dass Lebensumstände vorgelegen hätten, die zumindest zu einer Teilkompensation geführt hätten. Die Kammer konnte sich deshalb nicht davon überzeugen, dass eine rentenberechtigende MdE bereits ab 2006 vorgelegen hat. Der einzige Anknüpfungspunkt für das Intensivwerden der Beschwerden, ist der Behandlungsbeginn beim Dipl.-Psych. T2 im April 2010. Der Rentenbeginn war deshalb auf den 01.04.2010 festzulegen. Soweit allerdings zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin wegen des Arbeitsunfalls ein Verletztengeldanspruch bestehen sollte, was hier nicht zur Überprüfung anstand, wäre der gesetzliche Vorrang der Verletztengeldzahlung zu beachten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls, den die Klägerin am 00.00.2006 erlitten hat.
Die am 00.00.1962 geborene Klägerin, wurde am Unfalltag Opfer eines Raubüberfalls. Sie arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Filialleiterin bei der Firma T1. Ein zunächst unbekannter Täter bedrohte die Klägerin und ihre beiden Kolleginnen mit einer Pistole und forderte die Herausgabe des Tresorinhalts. Danach sperrte er die Klägerin und ihre Kolleginnen in der Toilette ein und flüchtete.
Aufgrund der Vorabmeldung des Überfallgeschehens durch den Arbeitgeber vom 22.08.2006, erfolgte durch die Beklagte eine Akutintervention. Hier nahm die Klägerin an zwei Therapiegesprächen teil und trat sodann ihren seit sehr langer Zeit geplanten Urlaub, in Form einer Amerikareise an. Nach Rückkehr aus diesem Urlaub, hat sie ihre Tätigkeit bei ihrem Arbeitgeber wieder aufgenommen. 2008 wurden mehrere Knieoperationen bei ihr notwendig, die zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und letztendlich zum Verlust des Arbeitsplatzes führten. Auch trennte die Klägerin sich von ihrem Lebenspartner.
Mit Schreiben vom 07.06.2011 beantrage der Dipl.-Psych. T2 die Übernahme der Kosten einer durch ihn durchgeführten Behandlung. Die Klägerin sei seit dem 07.04.2010 bei ihm in Behandlung. Bisher seien 30 Sitzungen durchgeführt worden. Außerdem sei die Klägerin vom 02.02.2011 bis zum 16.03.2011 stationär in der H Klinik behandelt worden. Dort sei die Diagnose einer postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auf dem Hintergrund eines Überfalls am Arbeitsplatz gestellt worden.
Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von U1 ein. Der Sachverständige berichtete in seinem Gutachten vom 13.06.2012, dass es keine Hinweise gebe, dass bei der Klägerin eine psychoreaktive Störung von Krankheitswert vorläge, die auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden könnte. Unfallunabhängig bestünde eine leichtgradige Depression. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Folge des Unfallgeschehens läge deshalb nicht vor.
Auf der Basis dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2012 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Nach dem Überfall sei es zu einer Erstintervention gekommen. Danach sei die Klägerin in Urlaub gefahren. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit habe insoweit vom 22.08. bis zum 02.09.2006 bestanden. Ab dem 20.10.2006 habe die Klägerin wieder gearbeitet. Erst im September 2011 habe die Klägerin Leistungen nach dem Unfall vom 21.08.2006 geltend gemacht. Nach so langer Zeit seien die Unfallfolgen vollständig abgeheilt. Leistungen über den 02.09.2006 hinaus, würden nicht gewährt.
Ihren gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch, begründete die Klägerin mit der Vorlage eines Befundberichtes von E. Dieser diagnostizierte unter dem 19.12.2011 eine "schwere PTBS".
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 08.10.2012 erhobene Klage der Klägerin. Mit der Klage begehrt sie die Feststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente wegen dieser Unfallfolgen. Sie trägt dazu vor, dass sie unter ganz erheblichen Angstzuständen leide, die auf den seinerzeit stattgehabten Überfall zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 zu verurteilen, bei ihr als Folge ihres Arbeitsunfalls vom 00.00.2006 eine
"Angststörung"
anzuerkennen und ihr wegen dieser Folgen, eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die im Verwaltungsverfahren getroffene Entscheidung zutreffend und richtig ist. Das Entstehen einer PTBS nach einer so langen Latenzzeit von 2006 bis 2010 sei nahezu ausgeschlossen. Das Gutachten von U1 bestätige diese Einschätzung.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Frau Q-U2. Die Sachverständige ist Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, sowie für Psychotherapie. In ihrem Gutachten vom 24.06.2013 kommt sie zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das Vollbild einer PTBS bei der Klägerin nicht vorliege. Zwar sei das Ereignis vom 00.00.2006 grundsätzlich geeignet eine PTBS zu verursachen. Es läge jedoch eine andere reaktive Störung bei der Klägerin vor, die durch dieses Ereignis ausgelöst worden ist. In den ersten 1-2 Jahren nach dem Ereignis, sei es zu einer Verbesserung der Situation gekommen. Zwar habe keine regelrechte Retraumatisierung stattgefunden. Doch sei die Klägerin zunächst durch ihren Einsatz am Arbeitsplatz und dann in der Bewältigung ihrer Kniegelenksbeschwerden und der daraus sich ergebenden Folgen, insbesondere mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, so beschäftigt gewesen, dass die reaktive Störung kompensiert blieb. Neben dieser reaktiven Störungen, die sich als Angststörung mit Ängsten in der Öffentlichkeit, Schlafstörung und innere Anspannung darstelle, bestehe eine leichte Depression, die jedoch nicht auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sei. Bei der Klägerin bestehe als Folge des Unfallgeschehens eine
"Angststörung nach einem schädigenden Ereignis".
Zumindest dieser Teil der jetzt noch vorliegenden Störung sei unfallbedingt. Die MdE für diese Angststörung betrage 20 %.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage der Klägerin ist begründet. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 in ihren Rechten beschwert. Denn der Bescheid ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte es abgelehnt, in Folge des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 21.08.2006, Unfallfolgen anzuerkennen und ihr eine Verletztenrente nach einer Mde von 20 % zu gewähren. Denn die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer solchen Rente jedenfalls ab dem 01.04.2010.
Gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 % gemindert ist, eine Rente. Gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Dabei werden diejenigen Bedingungen als ursächlich oder mitursächlich für den Eintritt des Erfolges gewertet, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Bedeutung zum Eintritt des Erfolges wesentlich beigetragen haben. Die wesentliche Ursächlich– oder Mitursächlichkeit einer Bedingung für den Erfolg braucht zwar nicht nachgewiesen zu sein, muss aber zumindest wahrscheinlich sein. Das ist dann der Fall, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände, die auf die Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren billigerweise außer Betracht bleiben müssen.
Auch der von der Klägerin am Arbeitsplatz erlittene Raubüberfall ist ein Arbeitsunfall und damit ein Versicherungsfall im Sinne des § 8 SGB VII. Der Räuber bedrohte die Klägerin unter Vorhalten einer Waffe mit dem Leben und verlangte den Tresorinhalt der Filiale heraus. Diese potenziell lebensbedrohliche Situation, hat bei der Klägerin ein Trauma im Sinne einer psychischen Reaktion ausgelöst und damit einen Gesundheitsschaden verursacht. Dies ist aus der Tatsache abzuleiten, dass unmittelbar nach dem Raubüberfall eine Akutintervention durch einen Psychologen stattgefunden hat. Zwar hat die Klägerin die Behandlung nicht weiter fortgesetzt. Dies ist jedoch durch den bevorstehenden und seit sehr langer Zeit geplanten Amerikaurlaub mit ihrem Partner und Freunden zu erklären. Die Sachverständige Frau Q-U2 beschreibt in ihrem Gutachten die glaubhaften Bekundungen der Klägerin, dass sie von der eigenen Selbsteinschätzung her und aus Rücksicht gegenüber den anderen Teilnehmern gar nicht anders konnte, als an der Urlaubsreise teilzunehmen. Während der Reise litt sie an Intrusionen, Schlafstörungen und Angstzuständen. Diese Tatsachen sind zwar durch keine medizinischen Befunde belegt, sie ergeben sich aber aus den glaubhaften Berichten der Klägerin in der Anamneseerhebung aus Anlass der Begutachtung bei der Sachverständigen Q-U2. Diese wiederum bewertet die Aussagen als glaubhaft. Die Kammer hält das Gutachten auch an dieser Stelle für überzeugend.
Mit der Gutachterin geht die Kammer davon aus, dass die Folgen dieses Traumas zunächst stumm verlaufen sind. Durch die leistungsorientierte Selbsteinschätzung der Klägerin und die weiteren biographischen Schwierigkeiten die die Klägerin zu bewältigen hatte, blieben die Störungen zumindest soweit kompensiert, dass sie nicht in den Vordergrund traten. Erst nach Abschluss der Bewältigung der Knieoperation, dem Verlust des Partners und dem Verlust des Arbeitsplatzes, trat die Angststörung in den Vordergrund. Eine Zeitangabe, wann dies eingetreten ist, fehlt allerdings im Gutachten der Sachverständigen. Als einziger Anknüpfungspunkt bietet sich hier der Beginn der Behandlung der Angststörung durch den Dipl.-Psych. T2 im April 2010 an. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ist der Leidensdruck der Klägerin gegenüber ihrer Angststörung so groß geworden, dass sie sich in professionelle Behandlung begeben hat.
Dem Gutachten von U1 vermag die Kammer nicht zu folgen. Zwar steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei der Klägerin das Vollbild einer PTBS nicht entstanden ist. Dies wird in überzeugender Weise von der Sachverständigen Q-U2 dargestellt. Der Ausschluss einer PTBS als Folge eines erlittenen Traumas bedeutet jedoch nicht, dass es bei der Klägerin keine ursächlich auf das Unfallgeschehen zurückzuführende pathologischen Befunde gäbe. Vielmehr stellt die Sachverständige Q-U2 überzeugend dar, dass die bei der Klägerin bestehende Angststörung durch die Situation während des Raubüberfalls entstanden ist.
Es trifft zwar zu, wie es auch U1 festgestellt hat, dass bei der Klägerin neben dieser Angststörung auch eine leichte Depression besteht. Hierin stimmen die Sachverständigen U1 und Q-U2 überein. U1 schließt aufgrund dieser schädigungsunabhängigen Depression alle anderen reaktiven Störungen als Unfallfolgen aus. Dass dies nicht zutrifft, erläutert die Sachverständige Q-U2 überzeugend in ihrem Gutachten. Neben der Depression der Klägerin, deren Ursache die Sachverständige in der Lebensbiographie mit der Trennung vom Partner und dem Verlust des Arbeitsplatzes und damit des eigenen Selbstwertgefühls sieht, besteht bei der Klägerin eine Angststörung die isoliert neben der Depression zu betrachten ist.
Diese Angststörung verursacht eine MdE von 20 %. Die Sachverständige beschreibt in ihrem Gutachten anschaulich die sozialen Einschränkungen, unter denen die Klägerin wegen dieser Angststörung leidet. Die Bewertung mit einer MdE von 20 %, wie sie die Sachverständige vornimmt, ist deshalb für die Kammer überzeugend.
Bezüglich des Beginns einer rentenberechtigenden MdE verhält sich das Gutachten indifferent. Zum Einen führt die Sachverständige aus, die MdE bestünde seit Beginn der Traumatisierung. Zum Anderen gibt sie in ihrem Gutachten an, dass unmittelbar nach dem Unfall eine Besserung eingetreten sei und dass Lebensumstände vorgelegen hätten, die zumindest zu einer Teilkompensation geführt hätten. Die Kammer konnte sich deshalb nicht davon überzeugen, dass eine rentenberechtigende MdE bereits ab 2006 vorgelegen hat. Der einzige Anknüpfungspunkt für das Intensivwerden der Beschwerden, ist der Behandlungsbeginn beim Dipl.-Psych. T2 im April 2010. Der Rentenbeginn war deshalb auf den 01.04.2010 festzulegen. Soweit allerdings zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin wegen des Arbeitsunfalls ein Verletztengeldanspruch bestehen sollte, was hier nicht zur Überprüfung anstand, wäre der gesetzliche Vorrang der Verletztengeldzahlung zu beachten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved