L 10 R 2288/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 3393/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2288/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1956 geborene, aus der T. stammende Klägerin besuchte keine Schule und absolvierte keine Ausbildung. Sie siedelte im Jahr 1973 in die Bundesrepublik Deutschland über und war nach Zeiten der Kindererziehung ab 1979 versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst als Fabrikarbeiterin und zuletzt bis April 2004 als Reinigungskraft. Mit Ausnahme eines kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnisses im Jahr 2005, das sie durch Aufhebungsvertrag beendete, war die Klägerin nachfolgend nicht mehr beruflich tätig.

Ca. 1987 wurde bei der Klägerin vermutlich wegen einer Subarachnoidalblutung ein Shunt (Schlauch zur Nervenwasserableitung über eine Vene im Gehirn) angelegt; eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion ist damit nicht verbunden. Im Übrigen leidet die Klägerin seit Jahren an depressiven Störungen. In den Jahren 1988 und 1994 gestellte Rentenanträge der Klägerin blieben erfolglos.

Vom 13.12.2005 bis 07.02.2006 wurde die Klägerin in der Klinik A. im Rahmen einer stationären Rehabilitation behandelt (Diagnosen: mittelgradige depressive Episode mit Somatisierung, sensibles Carpaltunnelsyndrom, Z.n. Intercranialblutung, Adipositas) und bei gebessertem Beschwerdebild mit einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht im Umfang von sechs Stunden und mehr entlassen. Auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinemachefrau wurde die Klägerin für arbeitsfähig erachtet.

Nachfolgend stellte die Klägerin im Juni 2008 erneut einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit Depressionen, Gehirnblutung, Nerveneinklemmung der Hände, Shunt-Operation wegen Intercranialblutung begründete. Auch dieser Antrag blieb nach Einholung eines Gutachtens bei dem Neurochirurgen, Neurologen und Nervenarzt Dr. W. , der u.a. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine psychogene Überlagerung (fehlende Mitarbeit, versteckt hinter mangelhaften Deutschkenntnissen, Gedächtnisstörungen und Analphabetentum) beschrieb, erfolglos. Die dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage S 20 R 3496/09 nahm die Klägerin nach schriftlicher Anhörung der sie behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen durch das SG zurück.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der weitere Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 18.10.2011, worauf die Beklagte das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. veranlasste, die die Klägerin im Dezember 2011 untersuchte. Die Gutachterin beschrieb, abgesehen von einer Hemihypästhesie links, einen neurologisch und psychiatrisch unauffälligen Befund, ging diagnostisch von einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren aus und erachtete die Klägerin für in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Akkord, ohne Überkopfarbeiten und ohne Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Mit Bescheid vom 20.12.2011 und Widerspruchsbescheid vom 16.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie könne mit ihrem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich beruflich tätig sein und sei daher nicht erwerbsgemindert.

Am 15.06.2012 hat die Klägerin dagegen beim SG Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Im Laufe des Verfahrens hat sie Bescheinigungen des Facharztes für Psychiatrie Dr. G. vom 14.02. sowie 16.09.2013 vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung den Kurzbrief des Zentrums für Psychiatrie (ZfP), Klinikum N. in C. , wo die Klägerin vom 20.01. bis 25.02.2015 unter der Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome stationär behandelt und in stabilisiertem Zustand entlassen worden war.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin in Bezug auf den Behandlungszeitraum seit 2011 schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat von einer Vorstellung der Klägerin im November 2011 wegen Beschwerden an den Händen berichtet, wobei sie ein Carpaltunnelsyndroms links diagnostiziert habe. Die Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. R. hat von einer Vorstellung im März 2011 und der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms (DD somatoforme Schmerzstörung) berichtet. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. hat von mehreren Vorstellungen berichtet, wobei er von einem ausgeprägten psychosomatischen Krankheitsbild bei real bestehenden degenerativen Veränderungen im LWS-Bereich und im Bereich des Knies, besonders der Kniescheibe ausgegangen sei. Die Summe der Beschwerden löse eine tiefsitzende depressive Verstimmung aus. Sollte eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess möglich sein, müsse es sich um eine leichte Tätigkeit ohne Heben und Tragen, ohne Belastung der Knie, ohne Zwangshaltungen und ohne langes Stehen oder Gehen handeln. Solche Tätigkeiten seien drei bis sechs Stunden täglich zumutbar. Die Nervenärztin Dr. S.-W. hat von einer letzten Vorstellung im Juni 2006 und Dr. G. hat von zwei Vorstellungen im November und Dezember 2012 berichtet, wobei er eine rezidivierende depressive Störung, schwere Episode, diagnostiziert habe. Zu einer Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin hat er sich aufgrund des zweimaligen Patientenkontaktes nicht in der Lage gesehen. Das SG hat sodann das Gutachten des Prof. Dr. K. , Abteilungsleiter in der M. -Klinik, Fachklinik für Psychosomatische und Ganzheitsmedizin, aufgrund Untersuchung der Klägerin im August 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Adipositas diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr auszuführen. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Stressbelastung, wie bspw. Zeitdruck, Verantwortung für Menschen und Maschinen, Überkopfarbeiten, das Heben und Tragen von schweren Gewichten, Tätigkeiten mit überwiegendem Gehen und Stehen sowie häufigem Bücken, häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Wechsel- und Nachtschicht.

Mit Urteil vom 20.04.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Klägerin durch Gesundheitsstörungen von orthopädischer und nervenärztlicher Seite zwar in ihrem beruflichen Leistungsvermögen eingeschränkt ist, sie bei Beachtung qualitativer Einschränkungen jedoch noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Das SG hat sich dabei auf die Gutachten des Prof. Dr. K. und der Dr. E. sowie die Auskunft des behandelnden Orthopäden Dr. S. gestützt. Soweit bei der Klägerin Anfang 2015 eine schwere depressive Episode aufgetreten sei, habe es sich lediglich um eine vorübergehende Verschlechterung ihrer depressiven Erkrankung gehandelt. Eine dauerhafte Leistungsminderung resultiere hieraus nicht.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 30.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.05.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, seit Jahren hochgradig depressiv zu sein. Wenn der Sachverständige Prof. Dr. K. sie noch für voll arbeitsfähig erachte, sei dies nicht nachvollziehbar. Schon 2009 habe die Dipl.-Psych. Dr. S.-K. sie nicht mehr für arbeitsfähig erachtet und ihre Hausärztin Dr. D. habe damals schon für eine Frühberentung plädiert, da Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu erwarten sei. In diesem Sinne habe sich auch der behandelnde Dr. G. in den vorgelegten Bescheinigungen geäußert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2012 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 01.11.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat sozialmedizinische Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vorgelegt.

Der Senat hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. D. sowie Dr. S.-W. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. D. hat von den bekannten Erkrankungen der Klägerin und Behandlungen seit ca. 20 Jahren berichtet, wobei sich eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nicht gezeigt habe. Sie hat auf eine schwierige familiäre Situation (Ehemann zwischenzeitlich in der T. , keine familiären Kontakte zu Sohn und Tochter, Patientin lebe alleine) hingewiesen. Dr. S.-W. hat von sechs Behandlungen zwischen Juli 2014 und Mai 2015 und dem Vorliegen rezidivierender depressiver Störungen berichtet, wobei durch den Klinikaufenthalt im Januar/Februar 2015 eine vorübergehende Besserung der Stimmung habe erreicht werden können. Der Senat hat den Abschlussbericht des ZfP über die stationäre Behandlung im Januar/Februar 2015 und den Entlassungsbericht der Klinik Dr. R. GmbH, Akutklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, beigezogen, wo die Klägerin vom 20. bis 21.04.2016 und vom 26.04. bis 18.05.2016 stationär behandelt worden ist. Der Senat hat sodann das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. S. eingeholt, der die Klägerin im Juli 2017 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten mit häufig wechselnder Schicht, Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang auch nicht berufsunfähig. Ihr steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, zu.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die rechtlichen Grundlagen der von der Klägerin geltend gemachten Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§§ 43, 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erfüllt, weil sie unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne überwiegendes Gehen und Stehen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten in Zwangshaltung, ohne besondere Beanspruchung der Knie) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich zumutbar verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung - angesichts fehlenden besonderen Berufsschutzes auch nicht bei Berufsunfähigkeit - vorliegt. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Zu ergänzen sind die qualitativen Einschränkungen um die von den Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. S. zusätzlich aufgeführten Tätigkeiten (besondere Stressbelastung, wie bspw. Akkord- und Fließbandarbeiten, besondere Verantwortung für Menschen und Maschinen, besondere geistige Beanspruchung, Überkopfarbeiten, häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Wechsel- und Nachtschicht).

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin in ihrem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch Erkrankungen von Seiten des nervenärztlichen und orthopädischen Fachgebietes eingeschränkt ist, die hieraus resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie der Ausübung einer leichten, den oben dargelegten Anforderungen Rechnung tragenden berufliche Tätigkeit entgegenstehen würden. Dabei lässt sich insbesondere aus den von der Klägerin auch im Berufungsverfahren wiederum in den Vordergrund gerückten psychischen Erkrankungen keine rentenbegründende Leistungsminderung herleiten. Sämtliche im Laufe des Verfahrens mit den psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin befassten Gutachter und Sachverständigen sind von einem zumindest sechsstündigen beruflichen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ausgegangen, so die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Dr. E. , der vom SG mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Prof. Dr. K. und schließlich auch der vom Senat im Berufungsverfahren hinzugezogene Sachverständige Dr. Stärk.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, sie sei seit Jahren hochgradig depressiv, trifft dies nicht zu. Insoweit hat schon das SG darauf hingewiesen, dass die Klägerin zwar an einer depressiven Erkrankung leidet, diese jedoch nicht dauerhaft zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen führt. So hat schon der Sachverständige Prof. Dr. K. überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung zu diagnostizieren ist, mithin eine Erkrankung, deren wesentliches Kennzeichen das wiederholte Auftreten depressiver Phasen ist. Die depressive Symptomatik kann hierbei einen ganz unterschiedlichen Ausprägungsgrad haben. Dementsprechend kann die Erkrankung je nach Ausprägungsgrad der depressiven Störung mit Episoden einhergehen, die Arbeitsunfähigkeit bedingen, gleichermaßen aber auch mit Episoden lediglich geringerer Beeinträchtigungen und auch Zeiten einer vollständigen Remission können vorliegen. Die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung ist daher gerade nicht mit dauerhaft vorhandenen schwerwiegenden funktionellen Einschränkungen mit Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen verbunden.

So trat bei der Klägerin Ende 2005 eine mittelgradige depressive Episode auf, die durch die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik A. von Mitte Dezember 2005 bis Anfang Februar 2006 deutlich gebessert werden konnte. Eine erneute depressive Episode, nunmehr als schwere depressive Episode, ist nachfolgend für Ende 2014 dokumentiert, weshalb die Klägerin im Januar 2015 stationär in der Klinik N. des ZfP aufgenommen und behandelt wurde. Dabei hat die Klägerin im Februar 2015 wieder in einem deutlich gebesserten Zustand entlassen werden können. Eine erneute schwere Episode ist dann im Frühjahr 2016 aufgetreten, was zur stationären Behandlung in der Klinik Dr. R. im April/Mai 2016 geführt hat, wobei die Klägerin wiederum in einem gut gebesserten Zustand entlassen worden ist. Nachfolgend findet sich wieder eine Phase mit stabilisiertem Zustand. Denn Hinwiese auf eine neuerliche Verschlechterung bis zur Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. sind nicht ersichtlich und Dr. S. hat anlässlich seiner im Juli 2017 erfolgten Untersuchung keine psychische Störung von Krankheitswert erhoben, weder eine Depression im Ausmaß einer leichten depressiven Episode noch in Form einer Dysthymia, d.h. einer noch leichteren Depressivität. Er hat die Klägerin als bewusstseinsklar und orientiert und ausgesprochen energievoll, lebhaft und vital beschrieben, jedoch keinesfalls deprimiert. Sie ist - so seine Ausführungen - themenabhängig etwas missgelaunt und auch bedrückt erschienen, dann jedoch anhaltend auflockerbar und insgesamt in der Stimmung ausgeglichen gewesen. Die Klägerin hat - so der Sachverständigen - durchaus selbstbewusst gewirkt und Störungen des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls sind nicht zu erkennen gewesen. Das affektive Schwingungsvermögen ist nicht aufgehoben gewesen, der Gedankengang ist zusammenhängend und unauffällig und nicht auf depressive Inhalte eingeengt gewesen. Auch das Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeit ist während der gesamten Untersuchung ungestört gewesen. Soziale Störungen haben sich nicht erfassen lassen. Die Klägerin ist- so Dr. S. - zu einer strukturierten Alltagsgestaltung in der Lage und auch die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kommunikation ist erhalten. Nachvollziehbar hat er weiter dargelegt, dass die Klägerin kein weitergehendes psychiatrisches Krankheitsgefühl und auch keine tiefergehende Behandlungsmotivation habe. Ausgehend hiervon überzeugt es, wenn der Sachverständige diagnostisch von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert, ausgegangen ist und das Vorliegen einer rentenrelevanten Leistungsminderung verneint hat.

Dass es bei der Klägerin nachfolgend wegen der Kündigung ihrer Wohnung wieder zu einer Dekompensation mit stationärer Aufnahme in der Klinik N. des ZfP am 15.08.2017 gekommen ist - so der vorgelegte Arztbrief vom 19.09.2017 - rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn im Hinblick auf die durch die schwierige Wohnsituation mit Konflikten mit der Vermieterin ausgelöste schwere depressive Episode ist es durch die eingeleitete Therapie in Form einer antidepressiven Medikation mit Mirtazapin und Physio-, Sport- und Ergotherapie sowie physikalische Maßnahmen zu einer psychischen und physischen Konsolidierung gekommen und die Klägerin ist in einem deutlich gebesserten Zustand wieder aus der stationären Behandlung entlassen worden. Aus der vorübergehenden Verschlechterung der rezidivierenden depressiven Störung lässt sich daher eine rentenbegründende Leistungsminderung nicht herleiten. Zweifellos wäre die Klägerin im Zeitraum des stationären Aufenthalts nicht in der Lage gewesen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, allerdings hat dies lediglich vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch eine Erwerbsminderung auf Dauer begründet.

Der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin auch die Behandlungsmöglichkeiten zur Vermeidung solcher Verschlechterungen nicht ausgeschöpft sind. So hat der Sachverständige Dr. S. deutlich gemacht, dass bei der Klägerin keine höher dosierte antidepressive Medikation erfolgt und nie eine phasenprophylaktische Behandlung, bspw. mit Lithium, eingeleitet worden ist, um das erneute Auftreten depressiver Krankheitsepisoden zu verhindern.

Soweit die Klägerin die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. nicht für nachvollziehbar erachtet, weil dieser sich selbst widerspreche, wenn er einerseits ausführe, dass sie "sich insgesamt als eine gebrochene, schwache Frau, die nicht in der Lage ist, für sich selbst und andere zu sorgen" zeige, andererseits aber von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgehe, ist darauf hinzuweisen, dass eine Widersprüchlichkeit nicht ersichtlich ist. Denn der Sachverständige hat mit diesen Ausführungen nicht die (objektiv) fehlende Fähigkeit der Klägerin, für sich selbst und andere zu sorgen, beschrieben, sondern vielmehr das eigene Auftreten der Klägerin, mithin ihre Selbstdarstellung. Dies wird hinreichend deutlich durch seien nachfolgen Darlegungen dokumentiert ("Die regressive und appellative Haltung scheint konsequent eingehalten zu werden, vermutlich auch in ihrem häuslichen Umfeld "), so dass deutlich wird, dass der Sachverständige gerade nicht davon ausgeht, dass die Fähigkeiten der Klägerin mit ihrer Haltung nach außen in Einklang steht. Widersprüchlich ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht, wenn der Sachverständige einerseits von einem zumindest sechsstündigen Leistungsvermögen ausgeht und andererseits meint, eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei in den nächsten drei Jahren nicht zu erwarten. Denn wenn die Klägerin - so ihre Ausführungen - meint, bei einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit bedürfe es keiner Besserung der Leistungsfähigkeit, verkennt sie, dass sie mit dem von dem Sachverständigen beschriebenen Leistungsvermögen im Sinne der gesetzlichen Regelung zwar nicht erwerbsgemindert ist, ihre Einsatzfähigkeit bei Ausübung einer ihr zumutbaren beruflichen Tätigkeit wegen der zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen gleichwohl beschränkt ist und es daher auch im Hinblick auf die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zweckmäßig wäre, Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern und dadurch ggf. qualitative Einschränkungen zu beheben oder zu minimieren. Dass der Sachverständige bei der Klägerin die Prognose für eine Besserung der Symptomatik durch eine von ihm angesprochene Psychotherapie als eher schlecht beurteilt hat, steht daher nicht in Widerspruch zu seiner Leistungsbeurteilung. Er geht demnach schlüssig nachvollziehbar von einem zwar nicht rentenrelevant geminderten - prognostisch aber eher auch nicht weiter besserungsfähigen - Leistungsvermögen aus.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auf Äußerungen der Dipl.-Psych. Dr. S.-K. und ihre Hausärztin Dr. D. aus dem Jahr 2009 hingewiesen hat, die sie schon seinerzeit nicht mehr für arbeitsfähig erachtet haben, kommt es hierauf nicht an. Zum einen ist vorliegend nicht über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu befinden und zum anderen ist im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab November 2011 nicht von Relevanz, wie die genannten Behandler das Leistungsvermögen der Klägerin Jahre zuvor eingeschätzt haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankung, die episodischen Veränderungen unterliegt.

Soweit die Klägerin sich in ihrer Auffassung schließlich durch die Ausführungen des behandelnden Dr. G. in den vorgelegten Bescheinigungen vom 14.02. und 19.09.2013 bestätigt sieht, hat schon das SG darauf hingewiesen, dass nicht nachvollziehbar ist, dass eine schwere Beeinträchtigung (rezidivierende depressive Störung, schwere Episode) der bescheinigten Art über einen längeren Zeitraum bestanden haben soll. So hat Dr. G. schon im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge angegeben, anlässlich der Erstvorstellung der Klägerin am 26.11.2012 eine schwere Episode einer rezidivierenden depressiven Störung diagnostiziert zu haben, so dass die Diagnose über einen Zeitraum von zehn Monaten Bestand gehabt hätte. Dies lässt sich in keiner Weise in Einklang bringen mit der gleichzeitig angegebenen und von Dr. G. eingesetzten Medikation in nur geringer Dosierung, zumal diese im Behandlungsverlauf sogar unverändert weitergeführt worden ist. Im Falle einer schweren Episode wäre zudem zumindest eine engmaschige Behandlung durch Dr. G. notwendig gewesen, wofür sich keine Anhaltspunkte ergeben, bzw. eine stationäre Einweisung zu erwarten gewesen, wie dies auch nachfolgend beim Auftreten schwerer Episoden der depressiven Erkrankung im Januar 2015, April 2016 und August 2017 der Fall gewesen ist. Schließlich hat sich die von Dr. G. für den Zeitraum von November 2012 bis September 2013 behauptete schwere depressive Episode auch in der Untersuchung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. K. im August 2013 nicht bestätigt. Die Klägerin ist depressiv gedrückt und ernst gewesen, die affektive Schwingungsfähigkeit ist aber nur leicht eingeschränkt gewesen. Dem entsprechend hat Prof. Dr. K. auch nur eine mittelgradige Episode der depressiven Störung diagnostiziert und keine rentenrelevante Leistungseinschränkung angenommen.

Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved