Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 836/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) resultiert weder ein Einwendungsausschluss noch ein Beweisverwertungsverbot für das Gerichtsverfahren. Die Inhalte der PrüfvV sind nach § 2 Abs. 2 PrüfvV für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich. Diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren. Ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage kann die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht eingeschränkt werden.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.846,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten versicherte Frau M T (geb. am 00.00.1997, im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 23.07.2015 bis 24.07.2015 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte zur Durchführung einer funktionellen Septorhinoplastik, einer Korrektur der inneren und äußeren Nase.
Am 30.07.2015 stellte die Klägerin für diese Behandlung eine Rechnung in Höhe von 1.846,19 EUR aus.
Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Einzelfallprüfung.
Der MDK teilte der Klägerin in einem Schreiben vom 03.08.2015 mit, dass er die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung überprüfen solle. Zur Bearbeitung bitte man um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen, die geeignet seien, die Fragestellung der Beklagten bezogen auf den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten.
Die Klägerin übersandte dem MDK daraufhin eine Stellungnahme des Operateurs Dr. I vom 11.08.2015, in welcher ausgeführt wurde, dass die Behandlung aus drei Gründen habe stationär erbracht werden müssen: (1.) Die Versicherte sei sehr ängstlich gewesen und habe die erste Nacht unbedingt stationär verbringen wollen; (2.) es habe sich um eine Nachoperation gehandelt, bei der häufiger Blutungen und Infektionen aufträten, so dass eine erfahrene Überwachung sinnvoll erscheine; (3.) bei der Operation sei eine ausgedehnte Unterhöhlung des Nasenrückens vorgenommen worden, so dass eine intensive Kühlung und Nachbetreuung erforderlich gewesen sei.
Der MDK führte durch Frau Dr. E in einem Gutachten vom 28.01.2016 aus, dass eine medizinische Notwendigkeit für die stationäre Behandlung bestanden habe. Bei Rezidiv-Eingriffen und Narbengewebe sei die Blutungsgefahr erhöht und daher eine stationäre Durchführung medizinisch eher nachvollziehbar. Da weder Unterlagen über den Ersteingriff noch ein Entlassungsbrief oder Operationsbericht des aktuellen Eingriffs noch eine Rhinomanometrie oder Fotodokumentation präoperativ vorliegen würden, könne zur Frage des kosmetischen Eingriffs keine Stellung genommen werden.
In einem zweiten Gutachten vom 10.02.2016 führte Frau Dr. E aus, dass trotz Anforderung keine relevanten Unterlagen von der Klägerin vorgelegt worden seien, so dass die medizinische Indikation für den durchgeführten Eingriff nicht nachvollziehbar sei.
In einem Schreiben vom 23.06.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nicht alle angeforderten Unterlagen vorgelegt worden seien, so dass nach § 7 Abs. 2 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) nur noch ein Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag bestehe. Der Betrag sei daher mit der unstreitigen Forderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten V O in Höhe von 1.846,19 EUR verrechnet worden.
Am 05.10.2016 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie den verrechneten Betrag geltend macht. Sie meint, dass die Verrechnung unzulässig gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV berufen, weil diese Norm keine Ausschlussfrist enthalte. Sie habe zudem dem MDK die Stellungnahme von Dr. I vom 11.08.2015 vorgelegt, aus der die Gründe für die stationäre Behandlung hervorgegangen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.846,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass die Klägerin wegen der verspätet eingereichten Unterlagen mit Einwendungen nach § 7 Abs. 2 PrüfvV ausgeschlossen sei. Die Stellungnahme vom 11.08.2015 sei für die Bejahung der medizinischen Indikation ungeeignet.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten HNO-ärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. X vom 10.07.2017. Darin führt dieser u.a. Folgendes aus: Bei der Versicherten T hätten eine Spannungshöckernase mit Naseneingangsstenose und ein Schmerzsyndrom und Zustand nach Voroperation vorgelegen. Die Septorhinoplastik sei ein komplexer Eingriff an den inneren und äußeren Teilen der Nase. Hierbei müssten aufwändig die Nasenscheidewand und die äußeren Anteile der Nase dargestellt werden, und wie im OP-Bericht beschrieben, eine Rekonstruktion und sogar eine komplexe Erweiterungsplastik mit Spreader graft und Reposition der Nasenspitze sowie eine Reduktion des Nasenrückens durchgeführt werden. Dies sei nur durch eine Operation im Krankenhaus mit einer stationären Nachüberwachung zu erreichen. Bei der operativen Korrektur der inneren und äußeren Nase (Rhinoplastik) würden Schiefstände der Nasenscheidewand, die inneren Nasenklappen und der Schwellkörper im Naseninneren als auch das äußere Gerüst der Nase operativ behandelt. Insbesondere bei voroperierten Nasen erfordere dies einen erhöhten Aufwand. Nach jeder Rhinoplastik träten zum Teil erhebliche Schwellungen und Blutergüsse an Nase, Wangen und Augenlidern auf. Nachblutungen aus der Nase seien selten, könnten aber lebensbedrohlich sein. Darüber hinaus könne es zu Schädelbasisverletzungen kommen, des Weiteren zu Infektionen der Weichteile, des Knorpels und der Knochen, Wundheilungsstörungen, Infektionen, Verschiebungen des Nasengerüstes, lebensgefährliche Thrombosen, Lungenembolien, Allergien und Überempfindlichkeiten. Schwere lebensbedrohliche Komplikationen im Bereich Herz, Kreislauf, Atmung und Nieren sowie andere Komplikationen wie Sepsis infolge einer Infektion oder bleibende Schäden oder Lähmungen seien selten, könnten aber vorkommen. Folgende schwerwiegende postoperativ nicht sicher abzuschätzende Komplikationen hätten die stationäre Überwachung der Versicherten gerechtfertigt: Nachblutung mit Aspiration und Erstickungsgefahr; postoperative Atemstörungen nach Vollnarkose; Zuschwellen der Nase mit Totalblockade; Schwellung und Hämatome im Gesicht mit Sehstörungen; starke Schmerzen, unkontrollierte Wundinfektion, Kreislaufreaktion mit Sturzgefahr und die OP-Angst der Versicherten.
Die Beklagte hat gegen das Gutachten eingewendet, dass die vom Sachverständigen aufgelisteten Komplikationen nicht im Zusammenhang mit der konkret erfolgten Operation stünden. Dies seien abstrakte, vom Sachverhalt losgelöste Risiken, die ins Unermessliche dramatisiert würden. Bezüglich eines etwaigen Nachblutungsrisikos, welches der Sachverständige selbst als selten bezeichne, habe ein anderer Sachverständiger in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht Detmold festgestellt, dass ein konkretes Nachblutungsrisiko mangels vorliegender Anhaltspunkte gerade nicht bestehe. Mangels ausreichender Dokumentation könne auch zur medizinischen Notwendigkeit keine Stellungnahme erfolgen. Die subjektive Stellungnahme des Belegarztes Dr. I sei substantiell nicht geeignet, eine solche Indikation zu begründen. Gleiches gelte auch für den äußerst knappen OP-Bericht.
In einer vom Gericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 05.10.2017 hat der Sachverständige Prof. Dr. X ausgeführt, dass die von ihm im Gutachten genannten Risiken in dem Standardaufklärungsbogen zu finden seien, der sich auf eine Nasenkorrektur beziehe und vom Expertenrat Deutscher Nasenchirurgen herausgegeben werde. Es handele sich um Risiken, die sich verwirklichen könnten und in der Vergangenheit bei Patienten sich auch tatsächlich verwirklicht hätten. Bezüglich des Nachblutungsrisikos handele es sich um ein bedeutsames Risiko, das sogar so weit gehen könne, dass Bluttransfusionen erforderlich würden. Der OP-Bericht sei für eine Beurteilung ausreichend. Weder komme es auf die Dokumentation der Vor- und Nachuntersuchung an noch stellten eine Rhinomanometrie und eine Fotodokumentation objektive Kriterien dar, die eine zweifelsfreie Indikation zu einer Nasenkorrektur erlaubten. Es habe sich eindeutig um eine funktionelle und nicht kosmetische Operation gehandelt. Die Patientin habe unter Schmerzen im Nasengebiet mit einer unter Spannung stehenden Nase gelitten.
Die Beklagte bleibt gleichwohl bei ihrer Ansicht, dass die stationäre Behandlung nicht notwendig gewesen sei. Der Sachverständige würdige nach wie vor nicht die konkreten postoperativen Risiken. Auf den Aufklärungsbogen könne man nicht abstellen, weil es sich hier um allgemeine Risiken handele. Es hätten keinerlei Hinweise auf ein Nachbluten bestanden. Auch der OP-Bericht sei nicht aussagekräftig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Patientenakte betreffend den hier streitigen stationären Behandlungsfall verwiesen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand dieses Verfahrens ist die (unstreitige) Kostenübernahme für die stationäre Behandlung der bei der Beklagten versicherten V O im Krankenhaus der Klägerin. Streitgegenstand ist nicht die stationäre Behandlung der Versicherten M T vom 23.07.2015 bis 24.07.2015, sondern die Frage, ob die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bzgl. dieses Behandlungsfalles aufrechnen durfte.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für eine Versicherte gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. etwa Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R -, juris Rn. 13).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung einer Krankenhausvergütung in Höhe von 1.846,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 verlangen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. etwa BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10).
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.02.2013 - L 5 KR 702/11 -, juris). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der Versicherten V O und die ordnungsgemäße Abrechnung sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Dieser Vergütungsanspruch erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten M T analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte. Denn ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus diesem Behandlungsfall steht der Beklagten nicht zu. Diese stationäre Behandlung war medizinisch erforderlich.
Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus dem glaubhaften Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 10.07.2017. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, dass die stationäre Behandlung der Versicherten notwendig gewesen sei, weil es sich bei der streitgegenständlichen Septorhinoplastik um einen komplexen Eingriff an den inneren und äußeren Teilen der Nase handelt. Bei der operativen Korrektur der inneren und äußeren Nase werden Schiefstände der Nasenscheidewand, die inneren Nasenklappen und der Schwellkörper im Naseninneren als auch das äußere Gerüst der Nase operativ behandelt. Insbesondere bei voroperierten Nasen erfordert dies einen erhöhten Aufwand. Für die stationäre Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit spricht daher zum einen der erhöhte operative Aufwand. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Rezidiv-Operation gehandelt hat, bei der nach den glaubhaften Angaben von Dr. I eine erhöhte Wundinfektion und Blutungsneigung bestand. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat zudem ausgeführt, dass nach jeder Rhinoplastik zum Teil erhebliche Schwellungen und Blutergüsse an Nase, Wangen und Augenlidern auftreten. Im Rahmen einer Gesamtschau aller Umstände ist ferner noch zu berücksichtigen, dass es sich bei einigen vom Sachverständigen genannten Komplikationen um Risiken handelte, die nicht fernliegend waren. Dazu gehörten neben der Gefahr von Schwellungen und Blutungen auch das Risiko von Infektionen, Wundheilungsstörungen und Verschiebungen des Nasengerüstes.
Vor diesem Hintergrund kam es nicht auf den Inhalt eines Gutachtens aus einem Parallelverfahren an, das von der Beklagten genannt wurde und einen anderen Behandlungsfall betraf. Die Kammer hat daher darauf verzichtet, dieses Gutachten beizuziehen.
Aus Sicht der Kammer ist die vorliegende Patientenakte ausreichende Entscheidungsgrundlage. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass die Patientendokumentation nicht aussagekräftig genug sei. Die Beklagte hat nämlich keine Einsicht in die Patientenakte beantragt, sondern stützt sich bei ihrer medizinischen Einschätzung allein auf die Unterlagen, die dem MDK vorgelegen haben.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Ansicht vertritt, dass aus der PrüfvV ein Einwendungsausschluss bzw. ein Beweisverwertungsverbot für das Gerichtsverfahren resultiere, weil die Klägerin lediglich die Stellungnahme des Dr. I vom 11.08.2015 übersandt habe, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Aus der PrüfvV folgt weder eine Präklusion in medizinisch-tatsächlicher Hinsicht noch eine eingeschränkte Amtsermittlung durch das Gericht, wenn die dort genannten Fristen nicht eingehalten wurden. Die Inhalte der PrüfvV sind nach § 2 Abs. 2 PrüfvV für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich. Diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren. Ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage kann die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht eingeschränkt werden. Diesem Ergebnis entspricht der Sinn und Zweck sowie die Historie der PrüfvV. Die PrüfvV bezieht sich nämlich lediglich auf eine Beschleunigung und bundesweit einheitliche Gestaltung des Prüfverfahrens, weil die Ermächtigungsgrundlage in § 17c KHG und die §§ 275 ff. SGB V allein auf dieses Verfahren ausgerichtet sind (vgl. BT-Drucks. 17/13947, S. 38). Es dürfen nach der Ermächtigungsnorm lediglich Abweichungen im Hinblick auf die - hier nicht relevante - Sechswochenfrist zur Einleitung des Prüfverfahrens gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgenommen werden (BT-Drucks 17/13947, S. 38).
Die PrüfvV als untergesetzliche Norm ist zudem nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 33/15 R -, juris) sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu Lasten der Versichertengemeinschaft unzulässig, weil sie zur Folge haben, dass Krankenkassen verpflichtet werden, im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot Vergütungen auch für nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen zu zahlen, und zudem gehindert sind, eigene Erstattungsansprüche im Falle von ungerechtfertigten Überzahlungen geltend zu machen. Gleiches muss auch für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gelten.
Dessen ungeachtet ist fraglich, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung) überhaupt als Ausschlussfrist konzipiert war, weil die Vertragsparteien der PrüfvV darin - anders als etwa in § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV und § 8 Satz 4 PrüfvV - nicht davon sprachen, dass es sich um eine Ausschlussfrist handele. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, weil auch die Konzeption als Ausschlussfrist keine Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren hätte.
Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages i.V.m. §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1, 187 Abs. 1 BGB in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 (vgl. BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 3 KR 18/11 R -, juris Rn. 29 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kammer konnte der Klägerin die Kosten des Verfahrens nicht deshalb auferlegen, weil diese mit der Übersendung lediglich des Berichts vom 11.08.2015 Anlass zur Aufrechnung seitens der Beklagten und zur Klageerhebung gegeben hätte. Anders als nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht bei der Kostenentscheidung nach § 197a SGG keinen weiten Spielraum. Vielmehr waren der Beklagten wegen ihres vollständigen Unterliegens die Kosten gänzlich aufzuerlegen. Ungeachtet dessen kann die Beklagte sich auch deshalb nicht auf eine vermeintliche Klageveranlassung durch das klägerische Verhalten berufen, weil sie, die Beklagte, Klageabweisung beantragt hat. Dann trägt sie aber auch das Risiko, dass sie nach erfolgter Beweisaufnahme unterliegt und infolgedessen die Kosten des Verfahrens trägt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten versicherte Frau M T (geb. am 00.00.1997, im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 23.07.2015 bis 24.07.2015 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte zur Durchführung einer funktionellen Septorhinoplastik, einer Korrektur der inneren und äußeren Nase.
Am 30.07.2015 stellte die Klägerin für diese Behandlung eine Rechnung in Höhe von 1.846,19 EUR aus.
Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Einzelfallprüfung.
Der MDK teilte der Klägerin in einem Schreiben vom 03.08.2015 mit, dass er die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung überprüfen solle. Zur Bearbeitung bitte man um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen, die geeignet seien, die Fragestellung der Beklagten bezogen auf den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten.
Die Klägerin übersandte dem MDK daraufhin eine Stellungnahme des Operateurs Dr. I vom 11.08.2015, in welcher ausgeführt wurde, dass die Behandlung aus drei Gründen habe stationär erbracht werden müssen: (1.) Die Versicherte sei sehr ängstlich gewesen und habe die erste Nacht unbedingt stationär verbringen wollen; (2.) es habe sich um eine Nachoperation gehandelt, bei der häufiger Blutungen und Infektionen aufträten, so dass eine erfahrene Überwachung sinnvoll erscheine; (3.) bei der Operation sei eine ausgedehnte Unterhöhlung des Nasenrückens vorgenommen worden, so dass eine intensive Kühlung und Nachbetreuung erforderlich gewesen sei.
Der MDK führte durch Frau Dr. E in einem Gutachten vom 28.01.2016 aus, dass eine medizinische Notwendigkeit für die stationäre Behandlung bestanden habe. Bei Rezidiv-Eingriffen und Narbengewebe sei die Blutungsgefahr erhöht und daher eine stationäre Durchführung medizinisch eher nachvollziehbar. Da weder Unterlagen über den Ersteingriff noch ein Entlassungsbrief oder Operationsbericht des aktuellen Eingriffs noch eine Rhinomanometrie oder Fotodokumentation präoperativ vorliegen würden, könne zur Frage des kosmetischen Eingriffs keine Stellung genommen werden.
In einem zweiten Gutachten vom 10.02.2016 führte Frau Dr. E aus, dass trotz Anforderung keine relevanten Unterlagen von der Klägerin vorgelegt worden seien, so dass die medizinische Indikation für den durchgeführten Eingriff nicht nachvollziehbar sei.
In einem Schreiben vom 23.06.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nicht alle angeforderten Unterlagen vorgelegt worden seien, so dass nach § 7 Abs. 2 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) nur noch ein Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag bestehe. Der Betrag sei daher mit der unstreitigen Forderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten V O in Höhe von 1.846,19 EUR verrechnet worden.
Am 05.10.2016 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie den verrechneten Betrag geltend macht. Sie meint, dass die Verrechnung unzulässig gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV berufen, weil diese Norm keine Ausschlussfrist enthalte. Sie habe zudem dem MDK die Stellungnahme von Dr. I vom 11.08.2015 vorgelegt, aus der die Gründe für die stationäre Behandlung hervorgegangen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.846,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass die Klägerin wegen der verspätet eingereichten Unterlagen mit Einwendungen nach § 7 Abs. 2 PrüfvV ausgeschlossen sei. Die Stellungnahme vom 11.08.2015 sei für die Bejahung der medizinischen Indikation ungeeignet.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten HNO-ärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. X vom 10.07.2017. Darin führt dieser u.a. Folgendes aus: Bei der Versicherten T hätten eine Spannungshöckernase mit Naseneingangsstenose und ein Schmerzsyndrom und Zustand nach Voroperation vorgelegen. Die Septorhinoplastik sei ein komplexer Eingriff an den inneren und äußeren Teilen der Nase. Hierbei müssten aufwändig die Nasenscheidewand und die äußeren Anteile der Nase dargestellt werden, und wie im OP-Bericht beschrieben, eine Rekonstruktion und sogar eine komplexe Erweiterungsplastik mit Spreader graft und Reposition der Nasenspitze sowie eine Reduktion des Nasenrückens durchgeführt werden. Dies sei nur durch eine Operation im Krankenhaus mit einer stationären Nachüberwachung zu erreichen. Bei der operativen Korrektur der inneren und äußeren Nase (Rhinoplastik) würden Schiefstände der Nasenscheidewand, die inneren Nasenklappen und der Schwellkörper im Naseninneren als auch das äußere Gerüst der Nase operativ behandelt. Insbesondere bei voroperierten Nasen erfordere dies einen erhöhten Aufwand. Nach jeder Rhinoplastik träten zum Teil erhebliche Schwellungen und Blutergüsse an Nase, Wangen und Augenlidern auf. Nachblutungen aus der Nase seien selten, könnten aber lebensbedrohlich sein. Darüber hinaus könne es zu Schädelbasisverletzungen kommen, des Weiteren zu Infektionen der Weichteile, des Knorpels und der Knochen, Wundheilungsstörungen, Infektionen, Verschiebungen des Nasengerüstes, lebensgefährliche Thrombosen, Lungenembolien, Allergien und Überempfindlichkeiten. Schwere lebensbedrohliche Komplikationen im Bereich Herz, Kreislauf, Atmung und Nieren sowie andere Komplikationen wie Sepsis infolge einer Infektion oder bleibende Schäden oder Lähmungen seien selten, könnten aber vorkommen. Folgende schwerwiegende postoperativ nicht sicher abzuschätzende Komplikationen hätten die stationäre Überwachung der Versicherten gerechtfertigt: Nachblutung mit Aspiration und Erstickungsgefahr; postoperative Atemstörungen nach Vollnarkose; Zuschwellen der Nase mit Totalblockade; Schwellung und Hämatome im Gesicht mit Sehstörungen; starke Schmerzen, unkontrollierte Wundinfektion, Kreislaufreaktion mit Sturzgefahr und die OP-Angst der Versicherten.
Die Beklagte hat gegen das Gutachten eingewendet, dass die vom Sachverständigen aufgelisteten Komplikationen nicht im Zusammenhang mit der konkret erfolgten Operation stünden. Dies seien abstrakte, vom Sachverhalt losgelöste Risiken, die ins Unermessliche dramatisiert würden. Bezüglich eines etwaigen Nachblutungsrisikos, welches der Sachverständige selbst als selten bezeichne, habe ein anderer Sachverständiger in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht Detmold festgestellt, dass ein konkretes Nachblutungsrisiko mangels vorliegender Anhaltspunkte gerade nicht bestehe. Mangels ausreichender Dokumentation könne auch zur medizinischen Notwendigkeit keine Stellungnahme erfolgen. Die subjektive Stellungnahme des Belegarztes Dr. I sei substantiell nicht geeignet, eine solche Indikation zu begründen. Gleiches gelte auch für den äußerst knappen OP-Bericht.
In einer vom Gericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 05.10.2017 hat der Sachverständige Prof. Dr. X ausgeführt, dass die von ihm im Gutachten genannten Risiken in dem Standardaufklärungsbogen zu finden seien, der sich auf eine Nasenkorrektur beziehe und vom Expertenrat Deutscher Nasenchirurgen herausgegeben werde. Es handele sich um Risiken, die sich verwirklichen könnten und in der Vergangenheit bei Patienten sich auch tatsächlich verwirklicht hätten. Bezüglich des Nachblutungsrisikos handele es sich um ein bedeutsames Risiko, das sogar so weit gehen könne, dass Bluttransfusionen erforderlich würden. Der OP-Bericht sei für eine Beurteilung ausreichend. Weder komme es auf die Dokumentation der Vor- und Nachuntersuchung an noch stellten eine Rhinomanometrie und eine Fotodokumentation objektive Kriterien dar, die eine zweifelsfreie Indikation zu einer Nasenkorrektur erlaubten. Es habe sich eindeutig um eine funktionelle und nicht kosmetische Operation gehandelt. Die Patientin habe unter Schmerzen im Nasengebiet mit einer unter Spannung stehenden Nase gelitten.
Die Beklagte bleibt gleichwohl bei ihrer Ansicht, dass die stationäre Behandlung nicht notwendig gewesen sei. Der Sachverständige würdige nach wie vor nicht die konkreten postoperativen Risiken. Auf den Aufklärungsbogen könne man nicht abstellen, weil es sich hier um allgemeine Risiken handele. Es hätten keinerlei Hinweise auf ein Nachbluten bestanden. Auch der OP-Bericht sei nicht aussagekräftig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Patientenakte betreffend den hier streitigen stationären Behandlungsfall verwiesen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand dieses Verfahrens ist die (unstreitige) Kostenübernahme für die stationäre Behandlung der bei der Beklagten versicherten V O im Krankenhaus der Klägerin. Streitgegenstand ist nicht die stationäre Behandlung der Versicherten M T vom 23.07.2015 bis 24.07.2015, sondern die Frage, ob die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bzgl. dieses Behandlungsfalles aufrechnen durfte.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für eine Versicherte gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. etwa Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R -, juris Rn. 13).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung einer Krankenhausvergütung in Höhe von 1.846,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 verlangen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. etwa BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10).
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.02.2013 - L 5 KR 702/11 -, juris). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der Versicherten V O und die ordnungsgemäße Abrechnung sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Dieser Vergütungsanspruch erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten M T analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte. Denn ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus diesem Behandlungsfall steht der Beklagten nicht zu. Diese stationäre Behandlung war medizinisch erforderlich.
Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus dem glaubhaften Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 10.07.2017. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, dass die stationäre Behandlung der Versicherten notwendig gewesen sei, weil es sich bei der streitgegenständlichen Septorhinoplastik um einen komplexen Eingriff an den inneren und äußeren Teilen der Nase handelt. Bei der operativen Korrektur der inneren und äußeren Nase werden Schiefstände der Nasenscheidewand, die inneren Nasenklappen und der Schwellkörper im Naseninneren als auch das äußere Gerüst der Nase operativ behandelt. Insbesondere bei voroperierten Nasen erfordert dies einen erhöhten Aufwand. Für die stationäre Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit spricht daher zum einen der erhöhte operative Aufwand. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Rezidiv-Operation gehandelt hat, bei der nach den glaubhaften Angaben von Dr. I eine erhöhte Wundinfektion und Blutungsneigung bestand. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat zudem ausgeführt, dass nach jeder Rhinoplastik zum Teil erhebliche Schwellungen und Blutergüsse an Nase, Wangen und Augenlidern auftreten. Im Rahmen einer Gesamtschau aller Umstände ist ferner noch zu berücksichtigen, dass es sich bei einigen vom Sachverständigen genannten Komplikationen um Risiken handelte, die nicht fernliegend waren. Dazu gehörten neben der Gefahr von Schwellungen und Blutungen auch das Risiko von Infektionen, Wundheilungsstörungen und Verschiebungen des Nasengerüstes.
Vor diesem Hintergrund kam es nicht auf den Inhalt eines Gutachtens aus einem Parallelverfahren an, das von der Beklagten genannt wurde und einen anderen Behandlungsfall betraf. Die Kammer hat daher darauf verzichtet, dieses Gutachten beizuziehen.
Aus Sicht der Kammer ist die vorliegende Patientenakte ausreichende Entscheidungsgrundlage. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass die Patientendokumentation nicht aussagekräftig genug sei. Die Beklagte hat nämlich keine Einsicht in die Patientenakte beantragt, sondern stützt sich bei ihrer medizinischen Einschätzung allein auf die Unterlagen, die dem MDK vorgelegen haben.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Ansicht vertritt, dass aus der PrüfvV ein Einwendungsausschluss bzw. ein Beweisverwertungsverbot für das Gerichtsverfahren resultiere, weil die Klägerin lediglich die Stellungnahme des Dr. I vom 11.08.2015 übersandt habe, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Aus der PrüfvV folgt weder eine Präklusion in medizinisch-tatsächlicher Hinsicht noch eine eingeschränkte Amtsermittlung durch das Gericht, wenn die dort genannten Fristen nicht eingehalten wurden. Die Inhalte der PrüfvV sind nach § 2 Abs. 2 PrüfvV für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich. Diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren. Ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage kann die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht eingeschränkt werden. Diesem Ergebnis entspricht der Sinn und Zweck sowie die Historie der PrüfvV. Die PrüfvV bezieht sich nämlich lediglich auf eine Beschleunigung und bundesweit einheitliche Gestaltung des Prüfverfahrens, weil die Ermächtigungsgrundlage in § 17c KHG und die §§ 275 ff. SGB V allein auf dieses Verfahren ausgerichtet sind (vgl. BT-Drucks. 17/13947, S. 38). Es dürfen nach der Ermächtigungsnorm lediglich Abweichungen im Hinblick auf die - hier nicht relevante - Sechswochenfrist zur Einleitung des Prüfverfahrens gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgenommen werden (BT-Drucks 17/13947, S. 38).
Die PrüfvV als untergesetzliche Norm ist zudem nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 33/15 R -, juris) sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu Lasten der Versichertengemeinschaft unzulässig, weil sie zur Folge haben, dass Krankenkassen verpflichtet werden, im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot Vergütungen auch für nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen zu zahlen, und zudem gehindert sind, eigene Erstattungsansprüche im Falle von ungerechtfertigten Überzahlungen geltend zu machen. Gleiches muss auch für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gelten.
Dessen ungeachtet ist fraglich, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung) überhaupt als Ausschlussfrist konzipiert war, weil die Vertragsparteien der PrüfvV darin - anders als etwa in § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV und § 8 Satz 4 PrüfvV - nicht davon sprachen, dass es sich um eine Ausschlussfrist handele. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, weil auch die Konzeption als Ausschlussfrist keine Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren hätte.
Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages i.V.m. §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1, 187 Abs. 1 BGB in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 (vgl. BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 3 KR 18/11 R -, juris Rn. 29 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kammer konnte der Klägerin die Kosten des Verfahrens nicht deshalb auferlegen, weil diese mit der Übersendung lediglich des Berichts vom 11.08.2015 Anlass zur Aufrechnung seitens der Beklagten und zur Klageerhebung gegeben hätte. Anders als nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht bei der Kostenentscheidung nach § 197a SGG keinen weiten Spielraum. Vielmehr waren der Beklagten wegen ihres vollständigen Unterliegens die Kosten gänzlich aufzuerlegen. Ungeachtet dessen kann die Beklagte sich auch deshalb nicht auf eine vermeintliche Klageveranlassung durch das klägerische Verhalten berufen, weil sie, die Beklagte, Klageabweisung beantragt hat. Dann trägt sie aber auch das Risiko, dass sie nach erfolgter Beweisaufnahme unterliegt und infolgedessen die Kosten des Verfahrens trägt.
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