Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 EG 4/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 4/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 wird insoweit aufgehoben, als unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 12.05.2009 das zu zahlende Elterngeld vorläufig für den Bezugszeitraum (03.01.2007 bis 02.06.2007 und 03.08.2007 bis 02.12.2007) auf monatlich 375,00 EUR neu festgesetzt worden ist und ein etwaig darüber hinausgehender Anspruch versagt worden ist (Ziff. 3 der Regelung im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014). Weiterhin wird der Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 aufgehoben, als eine über den Betrag von 1.591,70 EUR hinausgehende Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger geltend gemacht worden ist (Ziff. 4 der Regelung im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung des Elterngelds für das Kind W ...
Der Kläger ist der Vater des am 00.00.2005 geborenen Sohnes G. und der am 00.00.2007 geborenen Tochter W ... Vor der Geburt dieses Kindes war der Kläger im Jahre 2006 als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Ehefrau des Klägers beantragte im März 2007 Elterngeld für den 1. bis 3. Lebensmonat und den 6. Lebensmonat des Kindes W ... Mit Bescheid vom 18.05.2007 wurde der Ehefrau des Klägers Elterngeld für diese Lebensmonate bewilligt.
Der Kläger stellte ebenfalls im März 2007 einen Antrag auf Gewährung von Elterngeld, und zwar für den 1. bis 5. Lebensmonat (Zeitraum 00.01.2007 bis 00.06.2007) und für den 7. bis 11. Lebensmonat (Zeitraum 00.07.2007 bis 00.12.2007) seiner Tochter. Dem Antrag waren Unterlagen über die Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Jahre 2006 beigefügt, aus denen sich Einkünfte in Höhe von 42.775,37 EUR ergaben. Im Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlage für das Jahr 2006 vom 30.05.2008 wurden die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit auf 30.633 EUR festgesetzt. Bei der Beantragung des Elterngelds gab der Kläger weiterhin an, im Jahre 2007 keine Einkünfte zu erzielen. Nach der Anlage zur Einspruchsentscheidung 2007 beliefen sich die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in diesem Jahr auf 23.079,00 EUR. Der Kläger erhob gegen den Steuerbescheid für das Jahr 2007 Einspruch, der erfolglos blieb. Die Klage zum Finanzgericht Rostock hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde durch den Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 17.06.2013, Az.: VIII B 162/12 zurückgewiesen.
Die vom Kläger unterzeichnete Anlage 4 zum Antrag auf Elterngeld enthielt die folgenden Hinweise: "Nach § 8 BEEG erfolgt nach Ablauf des Bezugszeitraumes die Feststellung der tatsächlichen Einkünfte. Die Bewilligung des Elterngeldes hat damit nur eine eingeschränkte Bestandskraft und steht unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung. Zuviel gezahltes Elterngeld ist zurückzuerstatten. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Nachzahlung im Falle höherer Ansprüche auf Elterngeld."
Mit Bescheid vom 18.05.2007 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von 1.980,00 EUR monatlich. Dabei wurde für das Kind W. Elterngeld in Höhe von 1.800,00 EUR und für das Kind G. ein Geschwisterbonus in Höhe von 180,00 EUR gewährt. Die Modalitäten der Berechnung der Höhe des Elterngelds wurden in einer Anlage zum Bewilligungsbescheid dargestellt. Der Bescheid enthielt folgende Hinweise: "Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in dem nach § 2 BEEG maßgeblichen Zeitraum wurde anhand der vorgelegten Unterlagen geschätzt bzw. prognostiziert. Bis zum Nachweis des tatsächlich erzielten Einkommens erfolgt die Zahlung des Elterngelds vorläufig und das Einkommen ist nach Ablauf des Bezugszeitraumes nachzuweisen. Nach Ihren Angaben werden Sie im Bezugszeitraum des Elterngelds nicht erwerbstätig sein. Das Elterngeld wird deshalb gemäß § 8 Abs. 2 BEEG unter dem Vorbehalt des Widerrufes gezahlt, falls Sie im Bezugszeitraum eine Erwerbstätigkeit aufnehmen." Weiterhin heißt es im Bescheid vom 18.05.2007: Sie sind verpflichtet, der Elterngeldstelle jede Änderung in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen. Dies trifft insbesondere zu, wenn sich das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs ändert."
Dem Bescheid vom 18.05.2007 war ein Schreiben des Beklagten beigefügt, mit dem der Kläger aufgefordert wurde, zur endgültigen Feststellung der Einkünfte im Jahre 2006 den Einkommensteuerbescheid bis zum 15.06.2007 zu übersenden. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er in der Folgezeit mehrfach an die Übersendung des Einkommensteuerbescheids 2006 erinnert. Auf diese Erinnerungen reagierte der Kläger nicht. Aus diesem Grund holte der Beklagte Auskünfte des Finanzamtes Rostock zu den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit in den Jahren 2006 und 2007 ein.
Nach Eingang dieser Auskünfte berechnete der Beklagte mit Bescheid vom 12.05.2009 das Elterngeld des Klägers neu und setzte das Elterngeld auf 579,96 EUR monatlich fest. Weiterhin machte er gegenüber dem Kläger eine Erstattungsforderung in Höhe von 14.000,40 EUR geltend. Bei der Neuberechnung ging der Beklagte von einem Einkommen im Jahre 2006 von 30.633,00 EUR aus. Als durchschnittliches Einkommen während des Bezugs von Elterngeld berücksichtigte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.795,25 EUR monatlich.
Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 12.05.2009 Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs machte er u.a. geltend, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Leistungsgewährung zu Recht erfolgt sei. Im Jahr der Elternzeit habe er das von seiner Familie genutzte Haus umgebaut. Nur weil er auf den Bestand des Bescheids vertraut habe, habe er anstelle der Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit wenigstens mit halber Stelle sich fast ausschließlich um seine Kinder gekümmert. Für die Berechnung des Bemessungsentgelts könne auch nicht auf das Kalenderjahr 2006 zurückgegriffen werden. Im Jahre 2006 habe er aufgrund Wehrpflicht Wehrdienst geleistet. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er im Jahre 2006 Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 19.650,00 EUR gehabt habe, weil er sich um den damals zweijährigen Sohn habe kümmern müssen. Außerdem müsse § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG Anwendung finden.
Mit Anhörungsschreiben vom 28.08.2013, das dem Kläger an diesem Tag zugestellt wurde, wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach einer Mitteilung des Finanzamts S. vom 03.07.2013 die Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 aufgrund der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesfinanzhof bestandskräftig geworden sei. Dies habe zur Folge, dass die Einkommensdaten gemäß der Anlage zur Einspruchsentscheidung in Höhe von 23.079,00 EUR endgültig festgestellt seien. Es sei daher als monatliches Einkommen im Bezugszeitraum ein Betrag von 1.923,25 EUR zu berücksichtigen. Davon sei ein Betrag in Höhe von 132,82 EUR monatlich als Steuern abzusetzen. Neben der bereits getilgten Rückforderung in Höhe von 14.000,40 EUR ergebe sich eine weitere Rückforderung von 1.591,70 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12.05.2009 zurück. Weiterhin nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 rückwirkend zurück, soweit er auf die unrichtige Feststellung des Einkommens vor der Geburt des Kindes des Klägers beruhte und hob diesen Bescheid rückwirkend auf, soweit der Bescheid zu berücksichtigendes Einkommen im Bezugszeitraum nicht berücksichtigte. Gleichzeitig setzte der Beklagte mit Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids das Elterngeld auf monatlich 375,00 EUR fest und versagte einen darüber hinausgehenden Anspruch. Daneben wurde in Nummer 4 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids gegenüber dem Kläger eine weitergehende Erstattungsforderung in Höhe von 2.049,60 EUR geltend gemacht. Hinsichtlich der Begründung des Widerspruchsbescheids wird auf Blatt 410 bis 422 der Verwaltungsakten verwiesen.
Der Kläger hat am 29.01.2014 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, er habe im Jahr 2007 nur Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 1.847 EUR erzielt. Zusätzlich dazu habe er Einkünfte aus Beteiligungen in Höhe von 21.232 EUR gehabt. Die freiberufliche Tätigkeit sei in der Zeit außerhalb des Bezugs von Leistungen ausgeübt worden. Er sei auch nicht verpflichtet, die tatsächlichen Einnahmen für den Bezugszeitraum nachzuweisen, da nur die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in die Berechnung einfließen würden. Einen sog. Verschiebemonat habe er nicht beantragt. Im Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 sei auch eine abschließende Regelung getroffen worden. Gesichtspunkte des Rücknahmeverbots habe der Beklagte nicht erkannt. Hinsichtlich der im Verfügungssatz 4 des Widerspruchsbescheids angeordneten Rückforderung habe eine ordnungsgemäße Anhörung nicht stattgefunden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen, wie mit Bescheid vom 18.05.2007 bewilligt, zu gewähren, hilfsweise die genannten Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Er sei berechtigt, eine Neuberechnung des Elterngelds des Klägers vorzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten des Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Münster, Az.: S 2 EG 4/13, verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2015 gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2015 verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger nicht anwesend war und auch der Beklagte nicht vertreten war. Auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Rechtsstreits in ihrer Abwesenheit sind die Parteien ausdrücklich hingewiesen worden. Die Kammer hat zudem entsprechend dem Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 07.12.2015 die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers aufgehoben. Das persönliche Erscheinen des Klägers war nicht erforderlich, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung von Rechtsfragen ankommt, zu denen die Parteien bereits vor dem Termin Stellung genommen haben.
Die Klage ist teilweise unzulässig. Zulässige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage. Die Aufhebung des Bescheids vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 hätte zur Folge, dass die Regelungen im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 wieder maßgebend sind. Gleichzeitig entfällt mit der Aufhebung dieser Bescheide auch die Grundlage für die vom Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung. Dies bedeutet, dass für eine Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger Leistungen, wie mit Bescheid vom 18.05.2007, zu gewähren, und für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung eines neuen Bescheids unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dies führt zur teilweisen Unzulässigkeit der Klage.
Die zulässige Anfechtungsklage ist teilweise begründet. Soweit der Beklagte in Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids die Leistungen auf 375,00 EUR monatlich gestützt auf § 66 SGB I festgesetzt hat, ist dieser Teil des Widerspruchsbescheids rechtswidrig. Diese Vorschrift ist nämlich - auch nicht sinngemäß – anwendbar bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten von Personen, die Sozialleistungen zu erstatten haben, obwohl ihnen auch insoweit Mitwirkungspflichten abliegen (Sichert in Hauck/Noftz, SGB I, 39. Ergänzungslieferung, § 66 Rnr.5; Lilge, SGB I, 3. Auflage, § 66 Rdnr. 8). Da eine gesetzliche Grundlage für die vom Beklagten vorgenommene Versagung des Elterngelds nicht besteht, war Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 aufzuheben.
Auch Ziffer 4 des Verfügungssatzes im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 ist teilweise rechtswidrig, und zwar insoweit, als der Beklagte eine über den Betrag von1.591,70 EUR hinausgehende Erstattungsforderung geltend gemacht hat. Zunächst fehlt es an der für eine Verböserung im Widerspruchsverfahren erforderlichen vorherigen Anhörung des Klägers. Im ersten Anhörungsschreiben vom 28.08.2013 wird die Erstattungsforderung aufgrund der beabsichtigten weiteren Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18.05.2007 auf 1.591,70 EUR beziffert. In dem späteren Anhörungsschreiben vom 17.12.2013 sind keine Angaben zu einer Erhöhung des Erstattungsbetrags über den Betrag von 1.591,70 EUR hinaus enthalten. Neben dieser formellen Rechtswidrigkeit ergibt sich die materielle Rechtswidrigkeit daraus, dass Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 ebenfalls rechtswidrig ist. Die Erhöhung der Erstattungsforderung über den Betrag von 1.591,70 EUR hinaus beruht nämlich auf der durch die Kammer aufgehobenen Ziffer 3 des Verfügungssatzes.
Die übrigen Regelungen im Bescheid vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 erweisen sich als rechtmäßig. Der Beklagte hat die Elterngeldbewilligung im Bescheid vom 18.05.2007 zu Recht aufgehoben und gegenüber dem Kläger eine Erstattungsforderung in Höhe von 15.592,10 EUR geltend gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.04.2012, Az.: B 10 EG 10/11 R) ist eine Pflicht zur Erstattung des nach Maßgabe der endgültigen Feststellung überzahlten Elterngelds in § 8 Abs. 3 BEEG nicht geregelt. Auch § 50 Abs. 1 SG X ist von vornherein nicht einschlägig, weil bei einer endgültigen Leistungsbewilligung der Verwaltungsakt über die vorläufige Zahlung nicht aufzuheben ist; vielmehr erledigt sich der Bescheid über die vorläufige Festsetzung des Elterngelds mit der endgültigen Elterngeldfestsetzung im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise. Ebenso scheidet § 50 Abs. 2 SGB X als Grundlage für die Rückforderung des Elterngelds aus, da diese Vorschrift unmittelbar nur den Fall erfasst, dass das Elterngeld ohne Verwaltungsakt gezahlt worden ist. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Maßgeblich für die Elterngeldbewilligung war vielmehr der Bescheid vom 18.05.2007.
In erster Linie ist als Grundlage für die Erstattungsforderung § 42 Abs. 2 SGB I heranzuziehen. Nach § 42 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I zu erstatten, wenn die Vorschüsse die zustehende Leistung übersteigen.
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, a.a.O. mit weiteren Nachweisen) eine Rückforderung nur dann auf § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I gestützt werden, wenn bei der Bewilligung des Geldbetrags deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist. Die Notwendigkeit eines solchen Hinweises rechtfertigt sich daraus, dass die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X stets an die Prüfung eines Vertrauensschutzes für den Empfänger und ggf. auch an die Ausübung von Ermessen geknüpft ist. Sofern ein solcher Hinweis nicht erteilt worden ist, ist nach den Vorgaben des BSG als Ermächtigungsgrundlage auf § 50 Abs. 2 SGB X zurückzugreifen ist, der insoweit (hilfsweise) entsprechend anzuwenden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend gelten.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits konnte es die Kammer offen lassen, ob § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I unmittelbar Anwendung findet. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist § 50 Abs. 2 SGB X entsprechend anzuwenden. Die strengeren Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Die Rechtswidrigkeit der Elterngeldbewilligung mit Bescheid vom 18.05.2007 beruht darauf, dass bei der Berechnung des Elterngelds einerseits von einem zu hohen Bemessungsentgelt ausgegangen worden ist und auf der anderen Seite ein zu geringes Einkommen während des Bezugszeitraums berücksichtigt worden ist.
Die Korrektur des Bemessungsentgelts ist durch Bescheid vom 12.05.2009 erfolgt. Für diese Korrektur ist § 45 SGB X heranzuziehen. Da das Kind W. im Januar 2007 geboren ist, richtet sich die Berechnung des Elterngelds nach § 2 BEEG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngelds vom 05.12.2006 (BGBl. I S. 2748). Für die Bestimmung des Bemessungszeitraums ist dabei § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG maßgebend. Da der Kläger vor der Geburt und in dem Kalenderjahr vor der Geburt seiner Tochter Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat, ist als Bemessungsentgelt das im Steuerbescheid für das Jahr 2006 ausgewiesene Einkommen maßgebend. Unerheblich ist, dass der Kläger im Jahre 2006 Wehrdienst geleistet hat. Die für das Jahr 2007 maßgebliche Fassung des § 2 BEEG enthielt nämlich keine Regelungen, die vorsahen, dass die Ableistung des Wehrdienstes eine Verschiebung des Bemessungszeitraums zur Folge hatte. Die entsprechenden Regelungen sind erst durch das Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises vom 28.03.2009 (BGBl. I S. 534) in das BEEG aufgenommen worden. Nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2006 beliefen sich die Nettoeinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers auf 27.683,00 EUR (Einnahmen in Höhe von 30.633,00 EUR abzüglich Steuern in Höhe von 2.950,00 EUR).
Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet eine Anwendung des § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG aus. Da der Gewinn des Klägers für das Jahr 2006 durch den Steuerbescheid vom 22.05.2008 bestimmt wird, kommt der Ansatz einer Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 20 v. H. nicht in Betracht. Diese kann nämlich nur berücksichtigt werden, wenn weder ein Steuerbescheid vorliegt noch eine den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entsprechende Berechnung vorgelegt werden kann.
Aufgrund der vom Kläger bei der Beantragung des Elterngelds im März 2007 vorgelegten Unterlagen ist der Beklagte bei der Berechnung des Elterngelds im Bescheid vom 18.05.2007 von einem (Netto)Erwerbseinkommen aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 42.775,37 ausgegangen. Da das im maßgeblichen Steuerbescheid für das Jahr 2006 festgestellte Einkommen niedriger ist, ist die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig. Die Zugrundelegung des höheren Bemessungsentgelts führte nämlich zu einem durchschnittlichen monatlichen Erwerbseinkommen in Höhe von 3.564,61 EUR, woraus wieder ein monatlicher Elterngeldanspruch in Höhe von 1.800 EUR resultierte. Bei Berücksichtigung des im Steuerbescheid für das Jahr 2006 ausgewiesenen Einkommens ergab sich ein monatliches Elterngeld in Höhe von 1.700,20 EUR. Dies hat zur Folge, dass es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 45 SGB X handelt.
Hinsichtlich der rückwirkenden Neufestsetzung des Bemessungsentgelts kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Berufung des Klägers auf Vertrauensschutz steht § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SG X entgegen. Nach der dort getroffenen Regelung kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Durch die Hinweise im Antragsformular und im Bescheid vom 18.05.2007 ist der Kläger in eindeutiger Weise auf die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung hingewiesen worden. Außerdem hat der Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass für den Fall, dass das endgültige Bemessungsentgelt tatsächlich niedriger als das vorläufige Bemessungsentgelt sein sollte, eine Neufestsetzung des Elterngelds mit der Folge der Geltendmachung einer Erstattungsforderung erfolgen würde. Dies schließt eine Berufung des Klägers auf Vertrauensschutz aus.
Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Neufestsetzung des Bemessungsentgelts nach § 45 SGB X sind erfüllt. Ob der Beklagte angesichts des Umstands, dass die zu hohe Festsetzung des Bemessungsentgelts im Bescheid vom 18.05.2007 auf den Angaben des Klägers beruht und damit ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzuordnen ist, überhaupt Ermessen bei der Entscheidung über die Ausübung des Rechts auf Rücknahme des Bescheids vom 18.05.2007 ausüben musste, kann die Kammer offen lassen. Die Beklagte hat nämlich im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 ihr Ermessen ausgeübt. Die für die Korrektur des Bemessungsentgelts maßgebliche Frist ist ebenfalls eingehalten worden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Rücknahme eines Bescheids innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die endgültige Festsetzung des Bemessungsentgelts konnte erst nach Erteilung des maßgeblichen Steuerbescheids vom 30.05.2008 erfolgen. Die endgültige Festsetzung des Bemessungsentgelts mit Bescheid vom 12.05.2009 ist innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Beklagten vom Inhalt dieses Steuerbescheids erfolgt.
Weitere Ursache für die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung ist die Tatsache, dass der Kläger entgegen den Angaben im Antrag während des Bezugszeitraums anrechenbares Einkommen erzielt hat. Dieser Umstand ist nach § 48 SGB X zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines solchen Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da dieser Bescheid eine Gewährung von Elterngeld für die Zeit vom 03.01.2007 bis 02.06.2007 und vom 03.07.2007 bis zum 01.12.2007 regelt. In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorlagen, ist eine wesentliche Änderung eingetreten, da das Einkommen des Klägers im Bezugszeitraum auf den Elterngeldanspruch anzurechnen war.
Die Notwendigkeit der Anrechnung des während des Bezugszeitraums erzielten Einkommens ergibt sich aus § 2 Abs. 3 BEEG. Nach der dort getroffenen Regelung wird Elterngeld für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrags dieser durchschnittlich erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Der Beklagte hat in rechtmäßiger Weise das vom Kläger im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen auf den Elterngeldanspruch angerechnet. Maßgebend sind die Feststellungen des Finanzamtes S. zur Höhe der Einkünfte des Klägers im Jahre 2007. Diese beliefen sich nach den Auskünften des Finanzamtes S. auf 23.079 EUR.
Der Beklagte brauchte nicht zu klären, in welchen Zeiträumen der Kläger dieses Einkommen erarbeitet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.04.2012, Az. B 10 EG 10/11 R) gilt nämlich bei den sog. Gewinneinkunftsarten, also den Einkünften aus Gewebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbstständiger Arbeit, anders als bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit, nicht das modifizierte Zuflussprinzip. Bei den Gewinneinkunftsarten ist das Einkommen in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten zugeflossen ist. Diese Auffassung begründet das Bundessozialgericht zunächst damit, dass die Regelungen über die Bestimmung des maßgeblichen Einkommens bei den Gewinneinkunftsarten in § 2 Abs. 8 und 9 BEEG eine stärkere steuerliche Ausprägung haben als die Vorschriften über die Einkommensbestimmung bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Außerdem sind bei Selbstständigen die Aufgabe dieser Tätigkeit und der Einkommensverlust nicht so eng verknüpft wie bei abhängig Beschäftigten. Auch wenn die Selbstständigen ihre Tätigkeit unterbrechen, werden ihnen zumeist noch Betriebseinnahmen zufließen und weitere Betriebsausgaben entstehen. Da es für die Einkünfte während des Bezugszeitraums nur auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankommt und im maßgeblichen Steuerbescheid für das Jahr 2007 diese Einkünfte erfasst sind, war der Beklagte befugt, zur Bestimmung des maßgeblichen anrechenbaren Einkommens auf die dort getroffenen Feststellungen zurückzugreifen.
Der Beklagte hat auch zu Recht das in diesem Steuerbescheid festgestellte Einkommen durch zwölf geteilt und den sich hieraus ergebenden Betrag auf die einzelnen Monate des Bezugszeitraums umgelegt. § 2 Abs. 3 BEEG erklärt nämlich ausdrücklich das durchschnittlich erzielte Einkommen für maßgeblich.
Da der Beklagte eine Aufhebung der Elterngeldbewilligung wegen des im Bezugszeitraum erzielten Einkommens mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen hat, müssen weiterhin die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gegeben sein. Der Beklagte kann sich dabei für seine Entscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Dem Kläger sind nach der Antragstellung anrechnungsfähige Einkünfte zugeflossen.
Aus der Verwendung des Wortes "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergibt sich, dass die Entscheidung über die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung im Regelfall eine gebundene Entscheidung ist und dass nur in atypischen Fallgestaltungen eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Eine solche atypische Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.
Auch die formellen Voraussetzungen für eine rückwirkende Neuberechnung des Elterngelds sind gegeben. Insbesondere war der Beklagte berechtigt, mit den Regelungen im Widerspruchsbescheid eine Verböserung gegenüber den Regelungen im Bescheid vom 12.05.2009 vorzunehmen. Die erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Verböserung ist mit Schreiben vom 28.08.2013 erfolgt. In diesem Schreiben hat der Beklagte die Modalitäten und den Umfang der Verböserung, insbesondere die damit verbundene Erhöhung der Erstattungsforderung, dargestellt.
Die im Vergleich zum Bescheid vom 12.05.2009 erweiterte Aufhebung der Leistungsbewilligung ist auch innerhalb der maßgeblichen Fristen vorgenommen worden. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Aufhebungsentscheidung innerhalb eines Monats seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 trat erst mit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde am 17.06.2013 ein. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte die Feststellungen im Steuerbescheid für das Jahr 2007 zugrunde legen. Da der Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 stammt, ist die maßgebliche Jahresfrist eingehalten worden.
Der Beklagte hat auch zu Recht eine Erstattungsforderung in einer Gesamthöhe von 15.592,10 EUR geltend gemacht. Diese Berechtigung ergibt sich aus § 50 Abs. 2 SGB X. Die Erstattungsforderung setzt sich zusammen aus einem Betrag in Höhe von 14.000,40 EUR, der mit Bescheid vom 12.09.2009 geltend gemacht worden ist, und dem weiteren im Anhörungsschreiben vom 28.08.2013 genannten Betrag in Höhe von 1.591,70 EUR. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Trotz des teilweisen Obsiegens des Klägers hielt es die Kammer nicht für geboten, dem Beklagten einen Teil der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen, da dieses Obsiegen als geringfügig anzusehen ist.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung des Elterngelds für das Kind W ...
Der Kläger ist der Vater des am 00.00.2005 geborenen Sohnes G. und der am 00.00.2007 geborenen Tochter W ... Vor der Geburt dieses Kindes war der Kläger im Jahre 2006 als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Ehefrau des Klägers beantragte im März 2007 Elterngeld für den 1. bis 3. Lebensmonat und den 6. Lebensmonat des Kindes W ... Mit Bescheid vom 18.05.2007 wurde der Ehefrau des Klägers Elterngeld für diese Lebensmonate bewilligt.
Der Kläger stellte ebenfalls im März 2007 einen Antrag auf Gewährung von Elterngeld, und zwar für den 1. bis 5. Lebensmonat (Zeitraum 00.01.2007 bis 00.06.2007) und für den 7. bis 11. Lebensmonat (Zeitraum 00.07.2007 bis 00.12.2007) seiner Tochter. Dem Antrag waren Unterlagen über die Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Jahre 2006 beigefügt, aus denen sich Einkünfte in Höhe von 42.775,37 EUR ergaben. Im Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlage für das Jahr 2006 vom 30.05.2008 wurden die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit auf 30.633 EUR festgesetzt. Bei der Beantragung des Elterngelds gab der Kläger weiterhin an, im Jahre 2007 keine Einkünfte zu erzielen. Nach der Anlage zur Einspruchsentscheidung 2007 beliefen sich die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in diesem Jahr auf 23.079,00 EUR. Der Kläger erhob gegen den Steuerbescheid für das Jahr 2007 Einspruch, der erfolglos blieb. Die Klage zum Finanzgericht Rostock hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde durch den Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 17.06.2013, Az.: VIII B 162/12 zurückgewiesen.
Die vom Kläger unterzeichnete Anlage 4 zum Antrag auf Elterngeld enthielt die folgenden Hinweise: "Nach § 8 BEEG erfolgt nach Ablauf des Bezugszeitraumes die Feststellung der tatsächlichen Einkünfte. Die Bewilligung des Elterngeldes hat damit nur eine eingeschränkte Bestandskraft und steht unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung. Zuviel gezahltes Elterngeld ist zurückzuerstatten. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Nachzahlung im Falle höherer Ansprüche auf Elterngeld."
Mit Bescheid vom 18.05.2007 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von 1.980,00 EUR monatlich. Dabei wurde für das Kind W. Elterngeld in Höhe von 1.800,00 EUR und für das Kind G. ein Geschwisterbonus in Höhe von 180,00 EUR gewährt. Die Modalitäten der Berechnung der Höhe des Elterngelds wurden in einer Anlage zum Bewilligungsbescheid dargestellt. Der Bescheid enthielt folgende Hinweise: "Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in dem nach § 2 BEEG maßgeblichen Zeitraum wurde anhand der vorgelegten Unterlagen geschätzt bzw. prognostiziert. Bis zum Nachweis des tatsächlich erzielten Einkommens erfolgt die Zahlung des Elterngelds vorläufig und das Einkommen ist nach Ablauf des Bezugszeitraumes nachzuweisen. Nach Ihren Angaben werden Sie im Bezugszeitraum des Elterngelds nicht erwerbstätig sein. Das Elterngeld wird deshalb gemäß § 8 Abs. 2 BEEG unter dem Vorbehalt des Widerrufes gezahlt, falls Sie im Bezugszeitraum eine Erwerbstätigkeit aufnehmen." Weiterhin heißt es im Bescheid vom 18.05.2007: Sie sind verpflichtet, der Elterngeldstelle jede Änderung in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen. Dies trifft insbesondere zu, wenn sich das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs ändert."
Dem Bescheid vom 18.05.2007 war ein Schreiben des Beklagten beigefügt, mit dem der Kläger aufgefordert wurde, zur endgültigen Feststellung der Einkünfte im Jahre 2006 den Einkommensteuerbescheid bis zum 15.06.2007 zu übersenden. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er in der Folgezeit mehrfach an die Übersendung des Einkommensteuerbescheids 2006 erinnert. Auf diese Erinnerungen reagierte der Kläger nicht. Aus diesem Grund holte der Beklagte Auskünfte des Finanzamtes Rostock zu den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit in den Jahren 2006 und 2007 ein.
Nach Eingang dieser Auskünfte berechnete der Beklagte mit Bescheid vom 12.05.2009 das Elterngeld des Klägers neu und setzte das Elterngeld auf 579,96 EUR monatlich fest. Weiterhin machte er gegenüber dem Kläger eine Erstattungsforderung in Höhe von 14.000,40 EUR geltend. Bei der Neuberechnung ging der Beklagte von einem Einkommen im Jahre 2006 von 30.633,00 EUR aus. Als durchschnittliches Einkommen während des Bezugs von Elterngeld berücksichtigte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.795,25 EUR monatlich.
Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 12.05.2009 Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs machte er u.a. geltend, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Leistungsgewährung zu Recht erfolgt sei. Im Jahr der Elternzeit habe er das von seiner Familie genutzte Haus umgebaut. Nur weil er auf den Bestand des Bescheids vertraut habe, habe er anstelle der Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit wenigstens mit halber Stelle sich fast ausschließlich um seine Kinder gekümmert. Für die Berechnung des Bemessungsentgelts könne auch nicht auf das Kalenderjahr 2006 zurückgegriffen werden. Im Jahre 2006 habe er aufgrund Wehrpflicht Wehrdienst geleistet. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er im Jahre 2006 Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 19.650,00 EUR gehabt habe, weil er sich um den damals zweijährigen Sohn habe kümmern müssen. Außerdem müsse § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG Anwendung finden.
Mit Anhörungsschreiben vom 28.08.2013, das dem Kläger an diesem Tag zugestellt wurde, wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach einer Mitteilung des Finanzamts S. vom 03.07.2013 die Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 aufgrund der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesfinanzhof bestandskräftig geworden sei. Dies habe zur Folge, dass die Einkommensdaten gemäß der Anlage zur Einspruchsentscheidung in Höhe von 23.079,00 EUR endgültig festgestellt seien. Es sei daher als monatliches Einkommen im Bezugszeitraum ein Betrag von 1.923,25 EUR zu berücksichtigen. Davon sei ein Betrag in Höhe von 132,82 EUR monatlich als Steuern abzusetzen. Neben der bereits getilgten Rückforderung in Höhe von 14.000,40 EUR ergebe sich eine weitere Rückforderung von 1.591,70 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12.05.2009 zurück. Weiterhin nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 rückwirkend zurück, soweit er auf die unrichtige Feststellung des Einkommens vor der Geburt des Kindes des Klägers beruhte und hob diesen Bescheid rückwirkend auf, soweit der Bescheid zu berücksichtigendes Einkommen im Bezugszeitraum nicht berücksichtigte. Gleichzeitig setzte der Beklagte mit Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids das Elterngeld auf monatlich 375,00 EUR fest und versagte einen darüber hinausgehenden Anspruch. Daneben wurde in Nummer 4 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids gegenüber dem Kläger eine weitergehende Erstattungsforderung in Höhe von 2.049,60 EUR geltend gemacht. Hinsichtlich der Begründung des Widerspruchsbescheids wird auf Blatt 410 bis 422 der Verwaltungsakten verwiesen.
Der Kläger hat am 29.01.2014 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, er habe im Jahr 2007 nur Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 1.847 EUR erzielt. Zusätzlich dazu habe er Einkünfte aus Beteiligungen in Höhe von 21.232 EUR gehabt. Die freiberufliche Tätigkeit sei in der Zeit außerhalb des Bezugs von Leistungen ausgeübt worden. Er sei auch nicht verpflichtet, die tatsächlichen Einnahmen für den Bezugszeitraum nachzuweisen, da nur die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in die Berechnung einfließen würden. Einen sog. Verschiebemonat habe er nicht beantragt. Im Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 sei auch eine abschließende Regelung getroffen worden. Gesichtspunkte des Rücknahmeverbots habe der Beklagte nicht erkannt. Hinsichtlich der im Verfügungssatz 4 des Widerspruchsbescheids angeordneten Rückforderung habe eine ordnungsgemäße Anhörung nicht stattgefunden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen, wie mit Bescheid vom 18.05.2007 bewilligt, zu gewähren, hilfsweise die genannten Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Er sei berechtigt, eine Neuberechnung des Elterngelds des Klägers vorzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten des Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Münster, Az.: S 2 EG 4/13, verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2015 gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2015 verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger nicht anwesend war und auch der Beklagte nicht vertreten war. Auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Rechtsstreits in ihrer Abwesenheit sind die Parteien ausdrücklich hingewiesen worden. Die Kammer hat zudem entsprechend dem Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 07.12.2015 die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers aufgehoben. Das persönliche Erscheinen des Klägers war nicht erforderlich, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung von Rechtsfragen ankommt, zu denen die Parteien bereits vor dem Termin Stellung genommen haben.
Die Klage ist teilweise unzulässig. Zulässige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage. Die Aufhebung des Bescheids vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 hätte zur Folge, dass die Regelungen im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 wieder maßgebend sind. Gleichzeitig entfällt mit der Aufhebung dieser Bescheide auch die Grundlage für die vom Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung. Dies bedeutet, dass für eine Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger Leistungen, wie mit Bescheid vom 18.05.2007, zu gewähren, und für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung eines neuen Bescheids unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dies führt zur teilweisen Unzulässigkeit der Klage.
Die zulässige Anfechtungsklage ist teilweise begründet. Soweit der Beklagte in Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids die Leistungen auf 375,00 EUR monatlich gestützt auf § 66 SGB I festgesetzt hat, ist dieser Teil des Widerspruchsbescheids rechtswidrig. Diese Vorschrift ist nämlich - auch nicht sinngemäß – anwendbar bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten von Personen, die Sozialleistungen zu erstatten haben, obwohl ihnen auch insoweit Mitwirkungspflichten abliegen (Sichert in Hauck/Noftz, SGB I, 39. Ergänzungslieferung, § 66 Rnr.5; Lilge, SGB I, 3. Auflage, § 66 Rdnr. 8). Da eine gesetzliche Grundlage für die vom Beklagten vorgenommene Versagung des Elterngelds nicht besteht, war Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 aufzuheben.
Auch Ziffer 4 des Verfügungssatzes im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 ist teilweise rechtswidrig, und zwar insoweit, als der Beklagte eine über den Betrag von1.591,70 EUR hinausgehende Erstattungsforderung geltend gemacht hat. Zunächst fehlt es an der für eine Verböserung im Widerspruchsverfahren erforderlichen vorherigen Anhörung des Klägers. Im ersten Anhörungsschreiben vom 28.08.2013 wird die Erstattungsforderung aufgrund der beabsichtigten weiteren Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18.05.2007 auf 1.591,70 EUR beziffert. In dem späteren Anhörungsschreiben vom 17.12.2013 sind keine Angaben zu einer Erhöhung des Erstattungsbetrags über den Betrag von 1.591,70 EUR hinaus enthalten. Neben dieser formellen Rechtswidrigkeit ergibt sich die materielle Rechtswidrigkeit daraus, dass Ziffer 3 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 ebenfalls rechtswidrig ist. Die Erhöhung der Erstattungsforderung über den Betrag von 1.591,70 EUR hinaus beruht nämlich auf der durch die Kammer aufgehobenen Ziffer 3 des Verfügungssatzes.
Die übrigen Regelungen im Bescheid vom 12.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2014 erweisen sich als rechtmäßig. Der Beklagte hat die Elterngeldbewilligung im Bescheid vom 18.05.2007 zu Recht aufgehoben und gegenüber dem Kläger eine Erstattungsforderung in Höhe von 15.592,10 EUR geltend gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.04.2012, Az.: B 10 EG 10/11 R) ist eine Pflicht zur Erstattung des nach Maßgabe der endgültigen Feststellung überzahlten Elterngelds in § 8 Abs. 3 BEEG nicht geregelt. Auch § 50 Abs. 1 SG X ist von vornherein nicht einschlägig, weil bei einer endgültigen Leistungsbewilligung der Verwaltungsakt über die vorläufige Zahlung nicht aufzuheben ist; vielmehr erledigt sich der Bescheid über die vorläufige Festsetzung des Elterngelds mit der endgültigen Elterngeldfestsetzung im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise. Ebenso scheidet § 50 Abs. 2 SGB X als Grundlage für die Rückforderung des Elterngelds aus, da diese Vorschrift unmittelbar nur den Fall erfasst, dass das Elterngeld ohne Verwaltungsakt gezahlt worden ist. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Maßgeblich für die Elterngeldbewilligung war vielmehr der Bescheid vom 18.05.2007.
In erster Linie ist als Grundlage für die Erstattungsforderung § 42 Abs. 2 SGB I heranzuziehen. Nach § 42 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I zu erstatten, wenn die Vorschüsse die zustehende Leistung übersteigen.
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, a.a.O. mit weiteren Nachweisen) eine Rückforderung nur dann auf § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I gestützt werden, wenn bei der Bewilligung des Geldbetrags deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist. Die Notwendigkeit eines solchen Hinweises rechtfertigt sich daraus, dass die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X stets an die Prüfung eines Vertrauensschutzes für den Empfänger und ggf. auch an die Ausübung von Ermessen geknüpft ist. Sofern ein solcher Hinweis nicht erteilt worden ist, ist nach den Vorgaben des BSG als Ermächtigungsgrundlage auf § 50 Abs. 2 SGB X zurückzugreifen ist, der insoweit (hilfsweise) entsprechend anzuwenden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend gelten.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits konnte es die Kammer offen lassen, ob § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I unmittelbar Anwendung findet. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist § 50 Abs. 2 SGB X entsprechend anzuwenden. Die strengeren Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Die Rechtswidrigkeit der Elterngeldbewilligung mit Bescheid vom 18.05.2007 beruht darauf, dass bei der Berechnung des Elterngelds einerseits von einem zu hohen Bemessungsentgelt ausgegangen worden ist und auf der anderen Seite ein zu geringes Einkommen während des Bezugszeitraums berücksichtigt worden ist.
Die Korrektur des Bemessungsentgelts ist durch Bescheid vom 12.05.2009 erfolgt. Für diese Korrektur ist § 45 SGB X heranzuziehen. Da das Kind W. im Januar 2007 geboren ist, richtet sich die Berechnung des Elterngelds nach § 2 BEEG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngelds vom 05.12.2006 (BGBl. I S. 2748). Für die Bestimmung des Bemessungszeitraums ist dabei § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG maßgebend. Da der Kläger vor der Geburt und in dem Kalenderjahr vor der Geburt seiner Tochter Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat, ist als Bemessungsentgelt das im Steuerbescheid für das Jahr 2006 ausgewiesene Einkommen maßgebend. Unerheblich ist, dass der Kläger im Jahre 2006 Wehrdienst geleistet hat. Die für das Jahr 2007 maßgebliche Fassung des § 2 BEEG enthielt nämlich keine Regelungen, die vorsahen, dass die Ableistung des Wehrdienstes eine Verschiebung des Bemessungszeitraums zur Folge hatte. Die entsprechenden Regelungen sind erst durch das Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises vom 28.03.2009 (BGBl. I S. 534) in das BEEG aufgenommen worden. Nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2006 beliefen sich die Nettoeinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers auf 27.683,00 EUR (Einnahmen in Höhe von 30.633,00 EUR abzüglich Steuern in Höhe von 2.950,00 EUR).
Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet eine Anwendung des § 2 Abs. 8 Satz 3 BEEG aus. Da der Gewinn des Klägers für das Jahr 2006 durch den Steuerbescheid vom 22.05.2008 bestimmt wird, kommt der Ansatz einer Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 20 v. H. nicht in Betracht. Diese kann nämlich nur berücksichtigt werden, wenn weder ein Steuerbescheid vorliegt noch eine den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entsprechende Berechnung vorgelegt werden kann.
Aufgrund der vom Kläger bei der Beantragung des Elterngelds im März 2007 vorgelegten Unterlagen ist der Beklagte bei der Berechnung des Elterngelds im Bescheid vom 18.05.2007 von einem (Netto)Erwerbseinkommen aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 42.775,37 ausgegangen. Da das im maßgeblichen Steuerbescheid für das Jahr 2006 festgestellte Einkommen niedriger ist, ist die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig. Die Zugrundelegung des höheren Bemessungsentgelts führte nämlich zu einem durchschnittlichen monatlichen Erwerbseinkommen in Höhe von 3.564,61 EUR, woraus wieder ein monatlicher Elterngeldanspruch in Höhe von 1.800 EUR resultierte. Bei Berücksichtigung des im Steuerbescheid für das Jahr 2006 ausgewiesenen Einkommens ergab sich ein monatliches Elterngeld in Höhe von 1.700,20 EUR. Dies hat zur Folge, dass es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 45 SGB X handelt.
Hinsichtlich der rückwirkenden Neufestsetzung des Bemessungsentgelts kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Berufung des Klägers auf Vertrauensschutz steht § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SG X entgegen. Nach der dort getroffenen Regelung kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Durch die Hinweise im Antragsformular und im Bescheid vom 18.05.2007 ist der Kläger in eindeutiger Weise auf die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung hingewiesen worden. Außerdem hat der Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass für den Fall, dass das endgültige Bemessungsentgelt tatsächlich niedriger als das vorläufige Bemessungsentgelt sein sollte, eine Neufestsetzung des Elterngelds mit der Folge der Geltendmachung einer Erstattungsforderung erfolgen würde. Dies schließt eine Berufung des Klägers auf Vertrauensschutz aus.
Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Neufestsetzung des Bemessungsentgelts nach § 45 SGB X sind erfüllt. Ob der Beklagte angesichts des Umstands, dass die zu hohe Festsetzung des Bemessungsentgelts im Bescheid vom 18.05.2007 auf den Angaben des Klägers beruht und damit ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzuordnen ist, überhaupt Ermessen bei der Entscheidung über die Ausübung des Rechts auf Rücknahme des Bescheids vom 18.05.2007 ausüben musste, kann die Kammer offen lassen. Die Beklagte hat nämlich im Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 ihr Ermessen ausgeübt. Die für die Korrektur des Bemessungsentgelts maßgebliche Frist ist ebenfalls eingehalten worden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Rücknahme eines Bescheids innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die endgültige Festsetzung des Bemessungsentgelts konnte erst nach Erteilung des maßgeblichen Steuerbescheids vom 30.05.2008 erfolgen. Die endgültige Festsetzung des Bemessungsentgelts mit Bescheid vom 12.05.2009 ist innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Beklagten vom Inhalt dieses Steuerbescheids erfolgt.
Weitere Ursache für die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung ist die Tatsache, dass der Kläger entgegen den Angaben im Antrag während des Bezugszeitraums anrechenbares Einkommen erzielt hat. Dieser Umstand ist nach § 48 SGB X zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines solchen Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Bewilligungsbescheid vom 18.05.2007 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da dieser Bescheid eine Gewährung von Elterngeld für die Zeit vom 03.01.2007 bis 02.06.2007 und vom 03.07.2007 bis zum 01.12.2007 regelt. In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorlagen, ist eine wesentliche Änderung eingetreten, da das Einkommen des Klägers im Bezugszeitraum auf den Elterngeldanspruch anzurechnen war.
Die Notwendigkeit der Anrechnung des während des Bezugszeitraums erzielten Einkommens ergibt sich aus § 2 Abs. 3 BEEG. Nach der dort getroffenen Regelung wird Elterngeld für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrags dieser durchschnittlich erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Der Beklagte hat in rechtmäßiger Weise das vom Kläger im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen auf den Elterngeldanspruch angerechnet. Maßgebend sind die Feststellungen des Finanzamtes S. zur Höhe der Einkünfte des Klägers im Jahre 2007. Diese beliefen sich nach den Auskünften des Finanzamtes S. auf 23.079 EUR.
Der Beklagte brauchte nicht zu klären, in welchen Zeiträumen der Kläger dieses Einkommen erarbeitet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.04.2012, Az. B 10 EG 10/11 R) gilt nämlich bei den sog. Gewinneinkunftsarten, also den Einkünften aus Gewebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbstständiger Arbeit, anders als bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit, nicht das modifizierte Zuflussprinzip. Bei den Gewinneinkunftsarten ist das Einkommen in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten zugeflossen ist. Diese Auffassung begründet das Bundessozialgericht zunächst damit, dass die Regelungen über die Bestimmung des maßgeblichen Einkommens bei den Gewinneinkunftsarten in § 2 Abs. 8 und 9 BEEG eine stärkere steuerliche Ausprägung haben als die Vorschriften über die Einkommensbestimmung bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Außerdem sind bei Selbstständigen die Aufgabe dieser Tätigkeit und der Einkommensverlust nicht so eng verknüpft wie bei abhängig Beschäftigten. Auch wenn die Selbstständigen ihre Tätigkeit unterbrechen, werden ihnen zumeist noch Betriebseinnahmen zufließen und weitere Betriebsausgaben entstehen. Da es für die Einkünfte während des Bezugszeitraums nur auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankommt und im maßgeblichen Steuerbescheid für das Jahr 2007 diese Einkünfte erfasst sind, war der Beklagte befugt, zur Bestimmung des maßgeblichen anrechenbaren Einkommens auf die dort getroffenen Feststellungen zurückzugreifen.
Der Beklagte hat auch zu Recht das in diesem Steuerbescheid festgestellte Einkommen durch zwölf geteilt und den sich hieraus ergebenden Betrag auf die einzelnen Monate des Bezugszeitraums umgelegt. § 2 Abs. 3 BEEG erklärt nämlich ausdrücklich das durchschnittlich erzielte Einkommen für maßgeblich.
Da der Beklagte eine Aufhebung der Elterngeldbewilligung wegen des im Bezugszeitraum erzielten Einkommens mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen hat, müssen weiterhin die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gegeben sein. Der Beklagte kann sich dabei für seine Entscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Dem Kläger sind nach der Antragstellung anrechnungsfähige Einkünfte zugeflossen.
Aus der Verwendung des Wortes "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergibt sich, dass die Entscheidung über die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung im Regelfall eine gebundene Entscheidung ist und dass nur in atypischen Fallgestaltungen eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Eine solche atypische Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.
Auch die formellen Voraussetzungen für eine rückwirkende Neuberechnung des Elterngelds sind gegeben. Insbesondere war der Beklagte berechtigt, mit den Regelungen im Widerspruchsbescheid eine Verböserung gegenüber den Regelungen im Bescheid vom 12.05.2009 vorzunehmen. Die erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Verböserung ist mit Schreiben vom 28.08.2013 erfolgt. In diesem Schreiben hat der Beklagte die Modalitäten und den Umfang der Verböserung, insbesondere die damit verbundene Erhöhung der Erstattungsforderung, dargestellt.
Die im Vergleich zum Bescheid vom 12.05.2009 erweiterte Aufhebung der Leistungsbewilligung ist auch innerhalb der maßgeblichen Fristen vorgenommen worden. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Aufhebungsentscheidung innerhalb eines Monats seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 trat erst mit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde am 17.06.2013 ein. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte die Feststellungen im Steuerbescheid für das Jahr 2007 zugrunde legen. Da der Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 stammt, ist die maßgebliche Jahresfrist eingehalten worden.
Der Beklagte hat auch zu Recht eine Erstattungsforderung in einer Gesamthöhe von 15.592,10 EUR geltend gemacht. Diese Berechtigung ergibt sich aus § 50 Abs. 2 SGB X. Die Erstattungsforderung setzt sich zusammen aus einem Betrag in Höhe von 14.000,40 EUR, der mit Bescheid vom 12.09.2009 geltend gemacht worden ist, und dem weiteren im Anhörungsschreiben vom 28.08.2013 genannten Betrag in Höhe von 1.591,70 EUR. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Trotz des teilweisen Obsiegens des Klägers hielt es die Kammer nicht für geboten, dem Beklagten einen Teil der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen, da dieses Obsiegen als geringfügig anzusehen ist.
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