Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 33 KR 540/13
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 113/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die vollständige Kostenübernahme für eine prothetische Versorgung seines Oberkiefers.
Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Jahr 2010 wurde bei ihm ein Plattenepithelkarzinom im Bereich des weichen Gaumens links und des linken Zungenrandes festgestellt. Es erfolgte eine Tumorresektion. Im Rahmen der Behandlung wurden Zähne im Ober- und Unterkiefer gezogen.
Am 21. November 2012 beantragte der Kläger unter Vorlage des Heil- und Kostenplanes des behandelnden Zahnarztes Dr. B vom 20. November 2012 die Kostenübernahme für die Versorgung mit Zahnersatz im Oberkiefer. Beantragt wurde von ihm eine herausnehmbare Prothese für die Zähne 18 bis 13 sowie 25 bis 28. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 7. Dezember 2012 einen voraussichtlichen Festzuschuss in Höhe von 353,52 EUR. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 lehnte sie eine weitere Kostenübernahme des beabsichtigten konventionellen Zahnersatzes ab. Zur Begründung führte sie aus, eine weitere Kostenbeteiligung über den Festzuschuss hinaus sei nur in Verbindung mit Implantaten möglich wäre. Insoweit sei auch unerheblich, ob einige Zähne im Oberkiefer aufgrund der Tumorerkrankung hätten gezogen werden müssen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 1. März 2013 Widerspruch. Er machte geltend, dass aufgrund der Tumorbehandlung eine die vollständige Kostenübernahme rechtfertigende Ausnahmeindikation vorläge. Dies habe das Sozialgericht Lübeck im Verfahren S 3 KR 659/11 bereits für die implantologische Versorgung des Unterkiefers mit Urteil vom 14. Februar 2013 bestätigt. Die prothetische Versorgung des Oberkiefers sei ebenfalls aufgrund der Tumorbehandlung erforderlich geworden. Es bestehe lediglich der Unterschied, dass hier eine konventionelle prothetische Versorgung möglich sei. Dennoch rechtfertige der Umstand, dass eine Ausnahmeindikation gegeben sei, auch insoweit die vollständige Kostenübernahme.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 5. August 2013 mitgeteilt hatte, dass der Widerspruchsausschuss das Anliegen des Klägers am 11. September 2013 beraten und voraussichtlich auch darüber entscheiden werde, hat der Kläger am 6. Septem¬ber 2013 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu Recht nur ein Festzuschuss in Höhe von 358,44 EUR bewilligt worden. Es sei unerheblich, aus welchen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig werde. § 55 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sehe lediglich einen Festzuschuss vor. Die gesetzliche Bestimmung knüpfe die Beschränkung der Kassenleistung an den Gegenstand Zahnersatz und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Es werde daher von medizinisch und nicht zahnmedizinisch notwendiger Versorgung gesprochen. Da in § 55 SGB V die Versorgung mit Zahnersatz abschließend geregelt sei, sei eine weitere Kostenübernahme als Sachleistung nicht möglich.
Daraufhin hat der Kläger sein Klagebegehren geändert und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gesamten Kosten für den Zahnersatz im Oberkiefer gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 20. November 2012 zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die Begründung im Widerspruchsbescheid bezogen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren medizinischen Sachaufklärung einen Befund- und Behandlungsbericht des Zahnarztes Dr. B vom 5. August 2014 eingeholt. Ferner hat es die Vorgänge S 3 KR 659/11 und S 3 KR 659/11 ER beigezogen. Mit Urteil vom 18. September 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 10. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten für die prothetische Versorgung seines Oberkiefers.
Nach § 27 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB V) und Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen).
Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 S 1 SGB V).
Der Anspruch auf Zahnersatz ist in den §§ 55 ff SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in Satz 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger erfüllt. Die Beklagte hat einen Festzuschuss in Höhe von 353,52 Euro gezahlt. Die Beklagte setzte den Festzuschuss auch der Höhe nach rechtmäßig fest.
Die besonderen Gründe für die Eingliederung des Zahnersatzes bei dem Kläger rechtfertigen darüber hinaus weder einen höheren Prozentsatz noch die vollständige Übernahme der Kosten der zahnprothetischen Behandlung. Gegenüber § 28 Abs. 2 SGB V enthalten §§ 55, 56 SGB V die spezielleren Normen für Zahnersatz (BSGE 85, 66, 68 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 38; BSGE 76, 40 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 5; BSG SozR 3-2500 § 30 Nr. 3). Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibt die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSGE 86, 66, 67 f = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 37 f). Deshalb geht auch der Einwand des Klägers, sein Anspruch folge daraus, dass die zahnprothetische Versorgung wegen der Behandlung einer Tumorerkrankung erforderlich geworden sei, ins Leere. Die hierzu gemachten Ausführungen des Gutachters in dem Verfahren über die implantologische Versorgung des Oberkiefers zum AZ S 3 KR 659/11 können daher nicht auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Ob z.B. von einer medizinischen Gesamtbehandlung auszugehen ist, ist (unter weiteren Voraussetzungen) nur für den Anspruch auf implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen zahnärztlicher Behandlung nach §§ 27,28 Abs. 2 SGB V von Bedeutung, hat aber keinen Einfluss auf die insoweit speziellen und abschließenden Regelungen der §§ 55 f SGBV.
§ 55 SGB V knüpft die Beschränkung der Leistung - wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat - damit allein an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Deshalb verbietet sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Verschaffung zahnärztli¬cher Behandlung (BSG aaO).
Diese Grundsätze hat das Bundessozialgericht auch noch mal in einer aktuellen. Entscheidung vom 2. September 2014 (B 1 KR 12/13 R) bestätigt. Die Klägerin in dem dortigen Verfahren litt an einer doppelseitigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und begehrte ebenfalls die vollständigen Kosten des Zahnersatzes.
Ebenso hat das Bundessozialgericht in seiner aktuellen Entscheidung nochmals bestätigt, dass die Regelungen über die Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder das verfassungsrechtliche Benachteiligungs- bzw. gegen das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung kommt daher auch bei einer drohenden Zahnlosigkeit nicht in Betracht (vgl. BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 6/13 R = SozR 4-2500 § 28 Nr. 7).
Nur wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruht, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter darstellt, gebietet Art 2 Abs. 2 S 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des SGB V dahingehend, dass der Versicherte vom gesetzlichen Eigenanteil freizustellen ist (BVerfG Beschluss vom 14.8.1998 - 1 BvR 897/98 - NJW 1999, 857 f; BSGE 85, 66, 70 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 41). Ein solcher Fall liegt beim Kläger aber nicht vor."
Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 30. September 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 15. Oktober 2015 beim Schleswig-Holstei-nischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Der Kläger macht geltend, das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. August 1998 – 1 BvR 897/98 – unberücksichtigt gelassen. Danach gebiete Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) bei verfassungskonformer Auslegung des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten an den zahnärztlichen und zahntechnischen Behandlungs- und Leistungskosten, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die sich nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Das treffe nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts immer dann zu, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, die Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringerrechts des SGB V zu beachten und hierzu nur ohne weitere Behandlungsalternativen in der Lage gewesen sei, um eine fachgerechte Behandlung des Versicherten durchzuführen, indem nur eine bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsmethode angewendet worden sei, worauf das schädigende Ereignis – hier der Zahnausfall – beruht habe, so dass Zahnersatz notwendig geworden sei. Wenn also diese alternativlose Behandlungsmethode ursächlich für die Schädigung der Gesundheit des Versicherten gewesen sei, dann solle der Versicherte nicht mehr auf den Regelanteil der Versicherung zurückgeworfen werden, sondern vielmehr berechtigt sein, die vollständige Kostenübernahme in Anspruch nehmen zu können. Diese Situation sei in seinem Fall gegeben gewesen. Im Rahmen der Tumorbehandlung hätte ein Teil der Zähne im Oberkiefer entfernt werden müssen. Dies habe die einzige medizinische Behandlungsmöglichkeit dargestellt, um die nachhaltige Tumorentfernung zu ermöglichen. Auch der Sachverständige Dr. K habe in seinem Gutachten vom 11. September 2012, welches das Sozialgericht Lübeck im Verfahren S 3 KR 659/11 eingeholt habe, bestätigt, dass die Entfernung mehrerer Zähne im Bereich der Tumorerkrankung zwingend notwendig gewesen sei. Zwar habe das Sozialgericht Lübeck den Vorgang S 3 KR 659/11 zum Verfahren beigezogen, diese Um- stände jedoch in seine Entscheidung nicht einbezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung des Oberkiefers mit einer herausnehmbaren Prothese für die Zähne 18 bis 13 sowie 25 bis 28 gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 20. November 2012 in vollem Umfang zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zum Aufopferungsgedanken ergebe sich kein Anspruch auf eine weitere Kostenübernahme. Aus den Ausführungen des BVerfG ergebe sich, dass es nicht darum gehe, ob eine medizinische Alternative vorhanden sei, sondern vielmehr darum, ob eine Alternative nach dem Leistungsrecht gegeben sei. Es handele sich somit um eine medizinische Entscheidung des Arztes, dass die gewählte Behandlung die richtige sei. Dieser Entscheidung wohne das allgemeine Risiko medizinischer Maßnahmen bei, dass sich daraus Probleme ergeben können. Die durchgeführte Therapie sei sicher die aus medizinischer Sicht geeignete Behandlungsmöglichkeit für den Kläger gewesen und entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst durch die behandelnden Ärzte als Therapie der Wahl angesehen worden. Für die Behandlung von Krebserkrankungen stünden jedoch weitere vertraglich zugelassene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, so dass für den behandelnden Arzt keine Beschränkung auf nur eine Behandlungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber vorgelegen habe. Deshalb sei der vorliegende Sachverhalt nicht dem Tatbestand einer "Aufopferung" vergleichbar, denn es fehle an einer gesundheitlichen Schädigung infolge hoheitlichen Zwangs sowie an den hieraus erwachsenden unmittelbaren schädlichen Folgen.
Hiergegen wendet der Kläger ein, dass das Vorbringen der Beklagten nichts an der Tatsache ändere, dass seinen behandelnden Ärzten keine weiteren vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um die Krebserkrankung erfolgreich zu behandeln. Dafür sei die Extraktion der Zähne im Oberkiefer erforderlich gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben dem Senat ebenso wie die Vorgänge S 3 KR 659/11 und S 3 KR 659/11 ER vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die von ihm begehrte Versorgung mit prothetischem Zahnersatz. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe und sieht von einer weiteren Darstellung ab.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen:
§ 55 Abs. 1 SGB V räumt den Versicherten seit 1. Januar 2005 nur noch einen Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen ein. Die Versorgung mit Zahnersatz ist in dieser Vorschrift abschließend geregelt. Davon gibt es grundsätzlich keine Ausnahmen (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand 01/17, § 55 SGB V Rn. 9 m.w.N.). Das hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt. Durch die Einführung des Festzuschusses wird der Anspruch des Versicherten abschließend in dem Sinne geregelt, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Zahnersatz nicht umfassend sind. Seitdem der Gesetzgeber zahnmedizinische Ansprüche im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in den wesentlichen Einzelheiten selbst festgelegt hat, können Krankenkassen und Gerichte auch nicht mehr als befugt angesehen werden, sich bei Zahnersatzleistungen unter Berufung auf besondere medizinische Zusammenhänge über die eindeutige gesetzliche Beschränkung auf einen bestimmten Kostenanteil hinwegzusetzen und dem Gesetz eine weitergehende Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge eines geringeren oder ganz entfallenden Eigenanteils des Versicherten zu entnehmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 2010 – L 16 KR 188/09 –, juris). Deshalb bleibt die Leistung der Krankenkasse bei der Versorgung mit Zahnersatz auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 R –, juris). Einwände gegen die Höhe des von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Dezember 2012 bewilligten voraussichtlichen Festzuschusses in Höhe von 353,52 EUR werden vom Kläger nicht vorgebracht, insbesondere räumt er ein, dass aufgrund des Einkommens seiner Ehefrau die Grenzen für einen weiteren Zuschuss nach § 55 SGB V überschritten werden. Auf den entsprechenden Schriftsatz der Beklagten vom 21. Oktober 2014 hat seine Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz vom 7. August 2014 ausgeführt, dass es "vorliegend bei der Person des Klägers nicht auf eine Erfüllung der unzumutbaren Belastung ankommt".
Vor diesem rechtlichen Hintergrund stützt der Kläger sein Berufungsbegehren auch ausschließlich auf die Ausführungen des BVerfG im Kammerbeschluss vom 14. August 1998 – 1 BvR 897/98 –, dass Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten an den zahnärztlichen und zahntechnischen Behandlungs- und Leistungskosten in bestimmten Fälle gebiete, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die an sich nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Das gelte jedenfalls dann, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, eine ihm keinen Spielraum belassende Vorgabe des Leistungs- oder des Leistungserbringerrechts des SGB V zu beachten und nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden und wenn hierdurch ursächlich die Gesundheit des Versicherten geschädigt worden sei.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Ausführungen des BVerfG basieren auf dem "Aufopferungsgedanken" – worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Eine solche Situation war beim Kläger nicht gegeben. Bei der Behandlung seiner Tumorerkrankung bestand keine zwingende rechtliche Vorgabe, Backenzähne im Oberkiefer zu entfernen. Die Notwendigkeit hierfür resultierte aus der Erkrankung des Klägers, die anders nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht optimal behandelbar war. Der Kläger hat demzufolge kein Sonderopfer für die Gemeinschaft erbracht. In seinem Fall hat sich vielmehr das allgemeine Lebensrisiko realisiert, im Fall von lebensbedrohlichen Erkrankungen in Kauf nehmen zu müssen, dass die Therapie gesunde Körperteile schädigt. Durch die Einbeziehung des Klägers in die gesetzliche Krankenversicherung und die damit verbundene Beschränkung auf einen bestimmten Leistungsumfang ist hier kein Gefahrenbereich neu geschaffen worden, der nicht auch außerhalb einer staatlichen Zwangsversicherung aufgrund des allgemeinen Risikos bestanden hätte. Nur wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruht, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter darstellt, gebietet jedoch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des SGB V (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R –, juris). Diese Situation war hier nicht gegeben, weil das Entfernen der Backenzähne im Oberkieferbereich integrativer Bestandteil des Gesamtbehandlungskonzeptes war, das von vornherein den Verlust der Zähne im Oberkieferbereich in Kauf nahm, um eine Heilung des Klägers zu ermöglichen.
Unabhängig davon scheitert das Berufungsbegehren des Klägers hier auch daran, dass die Genehmigung des Heil- und Kostenplanes durch die Beklagte befristet war und der Kläger die Frist von sechs Monaten, innerhalb der der Zahnersatz in der vorgesehenen Weise eingegliedert sein musste, verstreichen ließ, ohne die Behandlung in Angriff zu nehmen. Die Befristung der Genehmigung soll insbesondere dafür Sorge tragen, dass die nach dem Heil- und Kostenplan geplante vertragszahnärztliche Behandlung nicht durch einen nach der Genehmigung sich ändernden Zahnbefund ganz oder teilweise gegenstandslos wird, aber gleichwohl durchgeführt werden kann. Denn die der Krankenkasse obliegende Aufgabe der Sicherung der wirtschaftlichen Leistungserbringung beschränkt sich nicht auf eine punktuelle Prüfung und Genehmigung. Die Befristung trägt maßgeblich dazu bei, die Effektivität der Prüfung der Krankenkasse als den Leistungserbringungsvorgang begleitende Aufgabe in ihrer zeitlichen Dimension abzusichern (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 5/12 R –, juris). Das hat auch Auswirkungen auf das Leistungsrecht. Der Leistungsanspruch des Versicherten ist von der Genehmigung der Behandlung und deren Befristung abhängig (BSG, a.a.O., Rn. 14). Die Genehmigung der Beklagten entfiel mit Ablauf der sechsmonatigen Frist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die vollständige Kostenübernahme für eine prothetische Versorgung seines Oberkiefers.
Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Jahr 2010 wurde bei ihm ein Plattenepithelkarzinom im Bereich des weichen Gaumens links und des linken Zungenrandes festgestellt. Es erfolgte eine Tumorresektion. Im Rahmen der Behandlung wurden Zähne im Ober- und Unterkiefer gezogen.
Am 21. November 2012 beantragte der Kläger unter Vorlage des Heil- und Kostenplanes des behandelnden Zahnarztes Dr. B vom 20. November 2012 die Kostenübernahme für die Versorgung mit Zahnersatz im Oberkiefer. Beantragt wurde von ihm eine herausnehmbare Prothese für die Zähne 18 bis 13 sowie 25 bis 28. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 7. Dezember 2012 einen voraussichtlichen Festzuschuss in Höhe von 353,52 EUR. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 lehnte sie eine weitere Kostenübernahme des beabsichtigten konventionellen Zahnersatzes ab. Zur Begründung führte sie aus, eine weitere Kostenbeteiligung über den Festzuschuss hinaus sei nur in Verbindung mit Implantaten möglich wäre. Insoweit sei auch unerheblich, ob einige Zähne im Oberkiefer aufgrund der Tumorerkrankung hätten gezogen werden müssen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 1. März 2013 Widerspruch. Er machte geltend, dass aufgrund der Tumorbehandlung eine die vollständige Kostenübernahme rechtfertigende Ausnahmeindikation vorläge. Dies habe das Sozialgericht Lübeck im Verfahren S 3 KR 659/11 bereits für die implantologische Versorgung des Unterkiefers mit Urteil vom 14. Februar 2013 bestätigt. Die prothetische Versorgung des Oberkiefers sei ebenfalls aufgrund der Tumorbehandlung erforderlich geworden. Es bestehe lediglich der Unterschied, dass hier eine konventionelle prothetische Versorgung möglich sei. Dennoch rechtfertige der Umstand, dass eine Ausnahmeindikation gegeben sei, auch insoweit die vollständige Kostenübernahme.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 5. August 2013 mitgeteilt hatte, dass der Widerspruchsausschuss das Anliegen des Klägers am 11. September 2013 beraten und voraussichtlich auch darüber entscheiden werde, hat der Kläger am 6. Septem¬ber 2013 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu Recht nur ein Festzuschuss in Höhe von 358,44 EUR bewilligt worden. Es sei unerheblich, aus welchen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig werde. § 55 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sehe lediglich einen Festzuschuss vor. Die gesetzliche Bestimmung knüpfe die Beschränkung der Kassenleistung an den Gegenstand Zahnersatz und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Es werde daher von medizinisch und nicht zahnmedizinisch notwendiger Versorgung gesprochen. Da in § 55 SGB V die Versorgung mit Zahnersatz abschließend geregelt sei, sei eine weitere Kostenübernahme als Sachleistung nicht möglich.
Daraufhin hat der Kläger sein Klagebegehren geändert und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gesamten Kosten für den Zahnersatz im Oberkiefer gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 20. November 2012 zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die Begründung im Widerspruchsbescheid bezogen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren medizinischen Sachaufklärung einen Befund- und Behandlungsbericht des Zahnarztes Dr. B vom 5. August 2014 eingeholt. Ferner hat es die Vorgänge S 3 KR 659/11 und S 3 KR 659/11 ER beigezogen. Mit Urteil vom 18. September 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 10. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten für die prothetische Versorgung seines Oberkiefers.
Nach § 27 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB V) und Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen).
Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 S 1 SGB V).
Der Anspruch auf Zahnersatz ist in den §§ 55 ff SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in Satz 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger erfüllt. Die Beklagte hat einen Festzuschuss in Höhe von 353,52 Euro gezahlt. Die Beklagte setzte den Festzuschuss auch der Höhe nach rechtmäßig fest.
Die besonderen Gründe für die Eingliederung des Zahnersatzes bei dem Kläger rechtfertigen darüber hinaus weder einen höheren Prozentsatz noch die vollständige Übernahme der Kosten der zahnprothetischen Behandlung. Gegenüber § 28 Abs. 2 SGB V enthalten §§ 55, 56 SGB V die spezielleren Normen für Zahnersatz (BSGE 85, 66, 68 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 38; BSGE 76, 40 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 5; BSG SozR 3-2500 § 30 Nr. 3). Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibt die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSGE 86, 66, 67 f = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 37 f). Deshalb geht auch der Einwand des Klägers, sein Anspruch folge daraus, dass die zahnprothetische Versorgung wegen der Behandlung einer Tumorerkrankung erforderlich geworden sei, ins Leere. Die hierzu gemachten Ausführungen des Gutachters in dem Verfahren über die implantologische Versorgung des Oberkiefers zum AZ S 3 KR 659/11 können daher nicht auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Ob z.B. von einer medizinischen Gesamtbehandlung auszugehen ist, ist (unter weiteren Voraussetzungen) nur für den Anspruch auf implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen zahnärztlicher Behandlung nach §§ 27,28 Abs. 2 SGB V von Bedeutung, hat aber keinen Einfluss auf die insoweit speziellen und abschließenden Regelungen der §§ 55 f SGBV.
§ 55 SGB V knüpft die Beschränkung der Leistung - wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat - damit allein an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Deshalb verbietet sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Verschaffung zahnärztli¬cher Behandlung (BSG aaO).
Diese Grundsätze hat das Bundessozialgericht auch noch mal in einer aktuellen. Entscheidung vom 2. September 2014 (B 1 KR 12/13 R) bestätigt. Die Klägerin in dem dortigen Verfahren litt an einer doppelseitigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und begehrte ebenfalls die vollständigen Kosten des Zahnersatzes.
Ebenso hat das Bundessozialgericht in seiner aktuellen Entscheidung nochmals bestätigt, dass die Regelungen über die Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder das verfassungsrechtliche Benachteiligungs- bzw. gegen das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung kommt daher auch bei einer drohenden Zahnlosigkeit nicht in Betracht (vgl. BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 6/13 R = SozR 4-2500 § 28 Nr. 7).
Nur wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruht, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter darstellt, gebietet Art 2 Abs. 2 S 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des SGB V dahingehend, dass der Versicherte vom gesetzlichen Eigenanteil freizustellen ist (BVerfG Beschluss vom 14.8.1998 - 1 BvR 897/98 - NJW 1999, 857 f; BSGE 85, 66, 70 = SozR 3-2500 § 30 Nr. 10 S 41). Ein solcher Fall liegt beim Kläger aber nicht vor."
Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 30. September 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 15. Oktober 2015 beim Schleswig-Holstei-nischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Der Kläger macht geltend, das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. August 1998 – 1 BvR 897/98 – unberücksichtigt gelassen. Danach gebiete Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) bei verfassungskonformer Auslegung des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten an den zahnärztlichen und zahntechnischen Behandlungs- und Leistungskosten, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die sich nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Das treffe nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts immer dann zu, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, die Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringerrechts des SGB V zu beachten und hierzu nur ohne weitere Behandlungsalternativen in der Lage gewesen sei, um eine fachgerechte Behandlung des Versicherten durchzuführen, indem nur eine bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsmethode angewendet worden sei, worauf das schädigende Ereignis – hier der Zahnausfall – beruht habe, so dass Zahnersatz notwendig geworden sei. Wenn also diese alternativlose Behandlungsmethode ursächlich für die Schädigung der Gesundheit des Versicherten gewesen sei, dann solle der Versicherte nicht mehr auf den Regelanteil der Versicherung zurückgeworfen werden, sondern vielmehr berechtigt sein, die vollständige Kostenübernahme in Anspruch nehmen zu können. Diese Situation sei in seinem Fall gegeben gewesen. Im Rahmen der Tumorbehandlung hätte ein Teil der Zähne im Oberkiefer entfernt werden müssen. Dies habe die einzige medizinische Behandlungsmöglichkeit dargestellt, um die nachhaltige Tumorentfernung zu ermöglichen. Auch der Sachverständige Dr. K habe in seinem Gutachten vom 11. September 2012, welches das Sozialgericht Lübeck im Verfahren S 3 KR 659/11 eingeholt habe, bestätigt, dass die Entfernung mehrerer Zähne im Bereich der Tumorerkrankung zwingend notwendig gewesen sei. Zwar habe das Sozialgericht Lübeck den Vorgang S 3 KR 659/11 zum Verfahren beigezogen, diese Um- stände jedoch in seine Entscheidung nicht einbezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung des Oberkiefers mit einer herausnehmbaren Prothese für die Zähne 18 bis 13 sowie 25 bis 28 gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 20. November 2012 in vollem Umfang zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zum Aufopferungsgedanken ergebe sich kein Anspruch auf eine weitere Kostenübernahme. Aus den Ausführungen des BVerfG ergebe sich, dass es nicht darum gehe, ob eine medizinische Alternative vorhanden sei, sondern vielmehr darum, ob eine Alternative nach dem Leistungsrecht gegeben sei. Es handele sich somit um eine medizinische Entscheidung des Arztes, dass die gewählte Behandlung die richtige sei. Dieser Entscheidung wohne das allgemeine Risiko medizinischer Maßnahmen bei, dass sich daraus Probleme ergeben können. Die durchgeführte Therapie sei sicher die aus medizinischer Sicht geeignete Behandlungsmöglichkeit für den Kläger gewesen und entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst durch die behandelnden Ärzte als Therapie der Wahl angesehen worden. Für die Behandlung von Krebserkrankungen stünden jedoch weitere vertraglich zugelassene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, so dass für den behandelnden Arzt keine Beschränkung auf nur eine Behandlungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber vorgelegen habe. Deshalb sei der vorliegende Sachverhalt nicht dem Tatbestand einer "Aufopferung" vergleichbar, denn es fehle an einer gesundheitlichen Schädigung infolge hoheitlichen Zwangs sowie an den hieraus erwachsenden unmittelbaren schädlichen Folgen.
Hiergegen wendet der Kläger ein, dass das Vorbringen der Beklagten nichts an der Tatsache ändere, dass seinen behandelnden Ärzten keine weiteren vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um die Krebserkrankung erfolgreich zu behandeln. Dafür sei die Extraktion der Zähne im Oberkiefer erforderlich gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben dem Senat ebenso wie die Vorgänge S 3 KR 659/11 und S 3 KR 659/11 ER vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die von ihm begehrte Versorgung mit prothetischem Zahnersatz. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe und sieht von einer weiteren Darstellung ab.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen:
§ 55 Abs. 1 SGB V räumt den Versicherten seit 1. Januar 2005 nur noch einen Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen ein. Die Versorgung mit Zahnersatz ist in dieser Vorschrift abschließend geregelt. Davon gibt es grundsätzlich keine Ausnahmen (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand 01/17, § 55 SGB V Rn. 9 m.w.N.). Das hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt. Durch die Einführung des Festzuschusses wird der Anspruch des Versicherten abschließend in dem Sinne geregelt, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Zahnersatz nicht umfassend sind. Seitdem der Gesetzgeber zahnmedizinische Ansprüche im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in den wesentlichen Einzelheiten selbst festgelegt hat, können Krankenkassen und Gerichte auch nicht mehr als befugt angesehen werden, sich bei Zahnersatzleistungen unter Berufung auf besondere medizinische Zusammenhänge über die eindeutige gesetzliche Beschränkung auf einen bestimmten Kostenanteil hinwegzusetzen und dem Gesetz eine weitergehende Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge eines geringeren oder ganz entfallenden Eigenanteils des Versicherten zu entnehmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 2010 – L 16 KR 188/09 –, juris). Deshalb bleibt die Leistung der Krankenkasse bei der Versorgung mit Zahnersatz auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 R –, juris). Einwände gegen die Höhe des von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Dezember 2012 bewilligten voraussichtlichen Festzuschusses in Höhe von 353,52 EUR werden vom Kläger nicht vorgebracht, insbesondere räumt er ein, dass aufgrund des Einkommens seiner Ehefrau die Grenzen für einen weiteren Zuschuss nach § 55 SGB V überschritten werden. Auf den entsprechenden Schriftsatz der Beklagten vom 21. Oktober 2014 hat seine Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz vom 7. August 2014 ausgeführt, dass es "vorliegend bei der Person des Klägers nicht auf eine Erfüllung der unzumutbaren Belastung ankommt".
Vor diesem rechtlichen Hintergrund stützt der Kläger sein Berufungsbegehren auch ausschließlich auf die Ausführungen des BVerfG im Kammerbeschluss vom 14. August 1998 – 1 BvR 897/98 –, dass Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten an den zahnärztlichen und zahntechnischen Behandlungs- und Leistungskosten in bestimmten Fälle gebiete, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die an sich nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Das gelte jedenfalls dann, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, eine ihm keinen Spielraum belassende Vorgabe des Leistungs- oder des Leistungserbringerrechts des SGB V zu beachten und nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden und wenn hierdurch ursächlich die Gesundheit des Versicherten geschädigt worden sei.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Ausführungen des BVerfG basieren auf dem "Aufopferungsgedanken" – worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Eine solche Situation war beim Kläger nicht gegeben. Bei der Behandlung seiner Tumorerkrankung bestand keine zwingende rechtliche Vorgabe, Backenzähne im Oberkiefer zu entfernen. Die Notwendigkeit hierfür resultierte aus der Erkrankung des Klägers, die anders nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht optimal behandelbar war. Der Kläger hat demzufolge kein Sonderopfer für die Gemeinschaft erbracht. In seinem Fall hat sich vielmehr das allgemeine Lebensrisiko realisiert, im Fall von lebensbedrohlichen Erkrankungen in Kauf nehmen zu müssen, dass die Therapie gesunde Körperteile schädigt. Durch die Einbeziehung des Klägers in die gesetzliche Krankenversicherung und die damit verbundene Beschränkung auf einen bestimmten Leistungsumfang ist hier kein Gefahrenbereich neu geschaffen worden, der nicht auch außerhalb einer staatlichen Zwangsversicherung aufgrund des allgemeinen Risikos bestanden hätte. Nur wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruht, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter darstellt, gebietet jedoch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des SGB V (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R –, juris). Diese Situation war hier nicht gegeben, weil das Entfernen der Backenzähne im Oberkieferbereich integrativer Bestandteil des Gesamtbehandlungskonzeptes war, das von vornherein den Verlust der Zähne im Oberkieferbereich in Kauf nahm, um eine Heilung des Klägers zu ermöglichen.
Unabhängig davon scheitert das Berufungsbegehren des Klägers hier auch daran, dass die Genehmigung des Heil- und Kostenplanes durch die Beklagte befristet war und der Kläger die Frist von sechs Monaten, innerhalb der der Zahnersatz in der vorgesehenen Weise eingegliedert sein musste, verstreichen ließ, ohne die Behandlung in Angriff zu nehmen. Die Befristung der Genehmigung soll insbesondere dafür Sorge tragen, dass die nach dem Heil- und Kostenplan geplante vertragszahnärztliche Behandlung nicht durch einen nach der Genehmigung sich ändernden Zahnbefund ganz oder teilweise gegenstandslos wird, aber gleichwohl durchgeführt werden kann. Denn die der Krankenkasse obliegende Aufgabe der Sicherung der wirtschaftlichen Leistungserbringung beschränkt sich nicht auf eine punktuelle Prüfung und Genehmigung. Die Befristung trägt maßgeblich dazu bei, die Effektivität der Prüfung der Krankenkasse als den Leistungserbringungsvorgang begleitende Aufgabe in ihrer zeitlichen Dimension abzusichern (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 5/12 R –, juris). Das hat auch Auswirkungen auf das Leistungsrecht. Der Leistungsanspruch des Versicherten ist von der Genehmigung der Behandlung und deren Befristung abhängig (BSG, a.a.O., Rn. 14). Die Genehmigung der Beklagten entfiel mit Ablauf der sechsmonatigen Frist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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