Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 70/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 85.654,40 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) auch für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2013.
Der 1941 geb. und jetzt 73-jährige Kläger war seit 1973 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten bis zum 28.02.2003 zugelassen. Er hatte mit Schreiben vom 20.01.2003 auf seine Zulassung verzichtet. Am 28.03.2013 beantragte er ab 01.04.2013 die Teilnahme an der EHV.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 30.04.2013 die Teilnahme an der EHV ab 01.04.2013 mit dem Anspruchshöchstsatz von 18%. Hieraus errechnete sie einen monatlichen Anspruch in Höhe von 2.240,00 EUR.
Hiergegen legte der Kläger am 24.05.2013 Widerspruch ein. Er trug vor, eine Beratung über eine mögliche frühere Teilnahme an der EHV nach Satzungsänderung sei nicht erfolgt. Es bestehe eine entsprechende Hinweispflicht der Beklagten. Ein konkreter Anlass zur Beratung habe sich ergeben, da die Beklagte ihn am 10.07.2008 zur Rückerstattung von Geldern des EHV-Ausgleichsfonds angeschrieben habe. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG bestünden auch Bedenken hinsichtlich der Berechnung des Anspruchs.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015, dem Kläger am 26.01.2015 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach der Übergangsregelung des § 10 GEHV in der ab 01.07.2012 geltenden Fassung seien die bestehenden Ansprüche umzurechnen, was sie im Einzelnen erläuterte. Der Zeitpunkt der Teilnahme an der EHV ab 01.04.2013 beruhe auf dem Antragseingang. Eine Beratungspflicht habe nicht bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 24.02.2015 die Klage erhoben.
Die Beteiligten haben auf Vorschlag der Kammer folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Teilnahme an der EHV erst nach rechtskräftigem Abschluss der vor dem LSG Hessen zum Az.: L 4 KA 82, 85 und 87/14 anhängigen Berufungsverfahren ggf. durch die Beklagte neu zu entscheiden ist, soweit diese Verfahren für die Musterkläger erfolgreich sind. Die Kosten sind entsprechend dem Ausgang der Musterverfahren zu verteilen.
2. Der hier anhängige Rechtsstreit zum Az.: S 12 KA 70/15 wird auf die Frage der Teilnahme an der EHV für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2013 beschränkt.
Der Kläger trägt vor, er habe erst im Jahr 2013 erfahren, dass er Ansprüche aus der EHV erworben habe. Nach § 1 Abs. 2 GEHV beginne die Teilnahme an der EHV ohne Antrag ab dem ersten des Monats, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 67. Lebensjahres folge. Für ihn gelte noch die Altersgrenze von 65 Jahren, da er vor 1950 geboren sei. Einen Antrag sehe die Satzung für seine Fallkonstellation nicht vor. Er habe im Dezember 2006 sein 65. Lebensjahr vollendet, so dass er ab 01.01.2007 einen Anspruch habe. Auch nach der vorherigen Fassung der GEHV habe es keines Antrags bedurft. Er habe nicht wissen können, dass ein Antrag erforderlich sei. Die Satzungsänderung zum 01.06.2010 sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen aus der EHV ab Vollendung des 65. Lebensjahres, d. h. dem 01.07.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, die Teilnahme an der EHV setze einen Antrag voraus, da der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit weiterhin ausübe. § 1 Abs. 2 GEHV setzte die "Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres" voraus. Dies sei nicht gegeben, da der Kläger die vertragsärztliche Tätigkeit bereits am 31.03.2003 nach Vollendung des 61. Lebensjahres aufgegeben habe. Das Antragserfordernis entfalle nicht. Im Umkehrschluss sei ein Antrag notwendig. § 1 Abs. 4 GEHV regele gesonderte Fallgruppen mit generellem Antragserfordernis. Die vorliegende Konstellation der Regelteilnahme nach Erreichen der Regelaltersgrenze sei ausschließlich und abschließend in § 1 Abs. 2 GEHV normiert und lasse das Antragserfordernis unter klar definierten Voraussetzungen entfallen. Die Rechtsfrage zur Höhe des Punktwerts sei in drei Berufungsverfahren bei dem LSG Hessen anhängig. Unabhängig davon würden Änderungen in ihrer Vertreterversammlung bereits beraten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 03.08.2015 angehört. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat über vergleichbare Sachverhalte bereits mit Urteilen v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 und S 12 KA 403/11, v. 18.04.2012 - S 12 KA 398/11, S 12 KA 505/11 und S 12 KA 687/11 entschieden.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 ist, soweit er hier noch streitgegenständlich ist, rechtmäßig. Er war daher nicht abzuändern oder aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der Teilnahme an der EHV auch für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.03.2013. Die Klage war daher abzuweisen.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der EHV für den streitbefangenen Zeitraum sind die Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in der durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten in den Sitzungen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 mit Wirkung zum 01.07.2012 verabschiedeten und von dem aufsichtführenden Sozialministerium des Landes Hessen mit Schreiben vom 25.05.2012 genehmigten Fassung, veröffentlicht in info.doc Nr. 3, Juni 2012, sowie als EHV-Aktuell Rundschreiben vom Juni 2012 (im Folgenden: GEHV).
Jedes zugelassene ärztliche Mitglied der KV Hessen nimmt auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und/oder nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt = EHV-Empfänger) weiterhin an der Honorarverteilung im Rahmen dieser Bestimmungen der EHV teil. Der Anspruch errechnet sich nach den nachfolgenden Bestimmungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GEHV). Die Teilnahme an der EHV beginnt ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 67. Lebensjahres (Regelaltersgrenze) folgt (§ 1 Abs. 2 GEHV).
Die Teilnahme an der EHV ist im Übrigen zu beantragen. Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt, beginnen die Zahlungen vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats (§ 1 Abs. 4 Satz 1 GEHV).
Versorgungsfall ist hier das Erreichen der Regelaltersgrenze, für den Kläger die Altersgrenze von 65 Jahren, da er vor 1950 geboren ist und für ihn das Übergangsrecht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 GEHV gilt. Der Kläger vollendete am 11.12.2006 sein 65. Lebensjahr, stellte den Antrag aber erst am 28.03.2013, also wesentlich später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles. Von daher hat die Beklagte den Beginn der Teilnahme an der EHV zutreffend auf den 01.04.2013 festgesetzt.
Der Kläger kann sich für einen früheren Beginn nicht auf § 1 Abs. 2 GEHV berufen. Ohne Antrag beginnt die Teilnahme an der EHV am Monatsersten nach Erreichen der Altersgrenze, wenn die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des Lebensjahres erfolgt, mit der die Regelaltersgrenze erreicht wird. Dies setzt einen nahtlosen Übergang zwischen Erreichen der Regelaltersgrenze und Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit voraus. Nur in diesen Fällen ist gewährleistet, dass die Beklagte ohne weitere Ermittlungen die Teilnahme an der EHV bewilligen und die EHV auszahlen kann. Bei einem nahtlosen Übergang sind ihr die persönlichen Verhältnisse des Vertragsarztes bekannt, da er bis zur Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit ihr Mitglied ist. Die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit ist ihr ebf. bekannt, da diese nur durch Zulassungsverzicht möglich ist. Soweit der Zulassungsverzicht gegenüber dem Zulassungsausschuss zu erklären ist, wird sie hiervon unterrichtet. Immer dann, wenn zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit und Erreichen der Regelaltersgrenze eine Lücke besteht, ist für die Beklagte nicht gewährleistet, den Anspruchsberechtigten zu ermitteln. Insofern erscheint es auch nicht als sachwidrig, in diesen Fällen einen Antrag vorauszusetzen. Auch wird hierdurch erreicht, dass die EHV der Beklagten nicht durch evtl. rückwirkend bestehende Ansprüche erst zu einem anderen Zeitpunkt belastet wird. Die EHV basiert auf einem Umlageverfahren. Auch nach der GEHV in der Neufassung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den aktiven Vertragsärzten als den Beitragszahlen und den Anspruchsberechtigten (vgl. z. B. § 4 Abs. 4 Buchst. b, § 5 GEHV).
Auch nach den Vorläuferfassungen der GEHV bestand ein Antragserfordernis, da gleichlautende Regelungen bestanden.
Nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der geänderten Fassungen ab Mai 2010, veröffentlicht in EHV aktuell, Sonderausgabe 1/2010 (im Folgenden: GEHV 2010) erfolgte die Teilnahme an der EHV ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folgt (§ 1 Abs. 2 GEHV 2010). Die Teilnahme an der EHV ist im Übrigen zu beantragen. Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt, beginnen die Zahlungen vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats. Zahlungen an Hinterbliebene werden bei verspäteter Antragstellung bis zu einem Jahr rückwirkend gewährt, soweit diese Verspätung auf einer Unkenntnis dieser Bestimmungen beruht. In besonderen Härtefällen können Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend geleistet werden. Der Anspruch auf Teilnahme an der EHV besteht für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgt, für den Vertragsarzt auf Antrag ab dem vollendeten 63. Lebensjahr, für Hinterbliebene ab dem auf den Todestag folgenden Monatsersten (§ 1 Abs. 3 GEHV 2010).
Nach diesen Regelungen ist ein Antrag auf Teilnahme an der EHV für den Fall entbehrlich, dass die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgt. Die Kammer hat hierzu bereits entschieden, dass ein Vertragsarzt, der seine vertragsärztliche Tätigkeit über sein 65. Lebensjahr fortgeführt hat und sie weiterhin ausübt, eines Antrags für die Teilnahme an der EHV bedarf (vgl. Gerichtsb. der Kammer v. 31.01.2014 - S 12 KA 475/13 - rechtskräftig). Soweit durch die Satzungsänderung zum 01.06.2010 nunmehr auch bei Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Teilnahme an der EHV möglich ist, ist ebenfalls ein Antrag erforderlich (vgl. bereits Urteile der Kammer v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 - und - S 12 KA 403/11 - rechtskräftig, www.sozialgerichtsbarkeit de = www.lareda.hessenrecht.hessen.de = juris).
Nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der Fassung mit Geltung ab Juli 2006 galten die in der GEHV 2010 genannten Regelungen.
Der Kläger hat nicht behauptet, einen schriftlichen Antrag bereits früher gestellt zu haben.
Die Beklagte war nicht verpflichtet, allen Vertragsärzten nach Erreichen des 65. Lebensjahres die Teilnahme an der EHV zu bewilligen. Dem stehen grundsätzlich die Regelungen in den GEHV entgegen, wonach es für die Teilnahme an der EHV grundsätzlich eines Antrags bedarf mit Ausnahme der genannten Fallkonstellation.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger gezielt zu informieren, dass in seiner Person die Voraussetzungen zur Teilnahme an der EHV vorlagen. Die Beklagte ist ihren allgemeinen Informationspflichten durch die Versendung des Rundschreibens nachgekommen. Für eine gezielte Beratung fehlt es an einer entsprechenden Rechtsverpflichtung. Die Vorschriften des SGB I, aus den insoweit besondere Hinweispflichten der Sozialversicherungsträger abgeleitet werden, sind nicht anwendbar, als sie sich ausschließlich auf Sozialleistungsansprüche beziehen. Auch nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, der die Kammer hier folgt, sind die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zu den Hinweispflichten eines Rentenversicherungsträgers gegenüber einem Versicherten im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung nicht auf das sozialrechtliche Schuldverhältnis zwischen Vertragsarzt und KV übertragbar (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; s.a. SG Marburg, Urt. v. 07.03.2007 - S 12 KA 36/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 20). Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob nachgewiesen werden kann, dass der Kläger tatsächlich das Rundschreiben erhalten hat. Gleichfalls kommt es darauf an, ob dem Kläger die Satzung zur Kenntnis gebracht wurde. Hierauf besteht kein Anspruch.
Das LSG Hessen hat weiter entschieden, dass ein Anspruch auf Teilnahme an der EHV nach der Satzung der KV Hessen erst nach Antragseingang entsteht und die KV nicht verpflichtet ist, die Altersentwicklung ausgeschiedener Vertragsärzte zu überwachen und diese vor Vollendung des 65. Lebensjahres auf die Möglichkeit eines Anspruchs auf Teilnahme an der EHV hinzuweisen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 – a.a.O). Dies gilt insofern auch für den vorliegenden Fall, da die Beklagte nur bei Zulassungsverzicht nach Erreichen der Altersgrenze auf das Antragserfordernis verzichtet hat, nicht aber bei einem Zulassungsverzicht vor Erreichen der Altersgrenze.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Betrag für einen Zeitraum von drei Jahren, da es sich um wiederkehrende Leistungen für einen längeren Zeitraum handelt (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GKG).
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 85.654,40 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) auch für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2013.
Der 1941 geb. und jetzt 73-jährige Kläger war seit 1973 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten bis zum 28.02.2003 zugelassen. Er hatte mit Schreiben vom 20.01.2003 auf seine Zulassung verzichtet. Am 28.03.2013 beantragte er ab 01.04.2013 die Teilnahme an der EHV.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 30.04.2013 die Teilnahme an der EHV ab 01.04.2013 mit dem Anspruchshöchstsatz von 18%. Hieraus errechnete sie einen monatlichen Anspruch in Höhe von 2.240,00 EUR.
Hiergegen legte der Kläger am 24.05.2013 Widerspruch ein. Er trug vor, eine Beratung über eine mögliche frühere Teilnahme an der EHV nach Satzungsänderung sei nicht erfolgt. Es bestehe eine entsprechende Hinweispflicht der Beklagten. Ein konkreter Anlass zur Beratung habe sich ergeben, da die Beklagte ihn am 10.07.2008 zur Rückerstattung von Geldern des EHV-Ausgleichsfonds angeschrieben habe. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG bestünden auch Bedenken hinsichtlich der Berechnung des Anspruchs.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015, dem Kläger am 26.01.2015 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach der Übergangsregelung des § 10 GEHV in der ab 01.07.2012 geltenden Fassung seien die bestehenden Ansprüche umzurechnen, was sie im Einzelnen erläuterte. Der Zeitpunkt der Teilnahme an der EHV ab 01.04.2013 beruhe auf dem Antragseingang. Eine Beratungspflicht habe nicht bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 24.02.2015 die Klage erhoben.
Die Beteiligten haben auf Vorschlag der Kammer folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Teilnahme an der EHV erst nach rechtskräftigem Abschluss der vor dem LSG Hessen zum Az.: L 4 KA 82, 85 und 87/14 anhängigen Berufungsverfahren ggf. durch die Beklagte neu zu entscheiden ist, soweit diese Verfahren für die Musterkläger erfolgreich sind. Die Kosten sind entsprechend dem Ausgang der Musterverfahren zu verteilen.
2. Der hier anhängige Rechtsstreit zum Az.: S 12 KA 70/15 wird auf die Frage der Teilnahme an der EHV für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2013 beschränkt.
Der Kläger trägt vor, er habe erst im Jahr 2013 erfahren, dass er Ansprüche aus der EHV erworben habe. Nach § 1 Abs. 2 GEHV beginne die Teilnahme an der EHV ohne Antrag ab dem ersten des Monats, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 67. Lebensjahres folge. Für ihn gelte noch die Altersgrenze von 65 Jahren, da er vor 1950 geboren sei. Einen Antrag sehe die Satzung für seine Fallkonstellation nicht vor. Er habe im Dezember 2006 sein 65. Lebensjahr vollendet, so dass er ab 01.01.2007 einen Anspruch habe. Auch nach der vorherigen Fassung der GEHV habe es keines Antrags bedurft. Er habe nicht wissen können, dass ein Antrag erforderlich sei. Die Satzungsänderung zum 01.06.2010 sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen aus der EHV ab Vollendung des 65. Lebensjahres, d. h. dem 01.07.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, die Teilnahme an der EHV setze einen Antrag voraus, da der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit weiterhin ausübe. § 1 Abs. 2 GEHV setzte die "Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres" voraus. Dies sei nicht gegeben, da der Kläger die vertragsärztliche Tätigkeit bereits am 31.03.2003 nach Vollendung des 61. Lebensjahres aufgegeben habe. Das Antragserfordernis entfalle nicht. Im Umkehrschluss sei ein Antrag notwendig. § 1 Abs. 4 GEHV regele gesonderte Fallgruppen mit generellem Antragserfordernis. Die vorliegende Konstellation der Regelteilnahme nach Erreichen der Regelaltersgrenze sei ausschließlich und abschließend in § 1 Abs. 2 GEHV normiert und lasse das Antragserfordernis unter klar definierten Voraussetzungen entfallen. Die Rechtsfrage zur Höhe des Punktwerts sei in drei Berufungsverfahren bei dem LSG Hessen anhängig. Unabhängig davon würden Änderungen in ihrer Vertreterversammlung bereits beraten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 03.08.2015 angehört. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat über vergleichbare Sachverhalte bereits mit Urteilen v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 und S 12 KA 403/11, v. 18.04.2012 - S 12 KA 398/11, S 12 KA 505/11 und S 12 KA 687/11 entschieden.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 ist, soweit er hier noch streitgegenständlich ist, rechtmäßig. Er war daher nicht abzuändern oder aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der Teilnahme an der EHV auch für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.03.2013. Die Klage war daher abzuweisen.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der EHV für den streitbefangenen Zeitraum sind die Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in der durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten in den Sitzungen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 mit Wirkung zum 01.07.2012 verabschiedeten und von dem aufsichtführenden Sozialministerium des Landes Hessen mit Schreiben vom 25.05.2012 genehmigten Fassung, veröffentlicht in info.doc Nr. 3, Juni 2012, sowie als EHV-Aktuell Rundschreiben vom Juni 2012 (im Folgenden: GEHV).
Jedes zugelassene ärztliche Mitglied der KV Hessen nimmt auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und/oder nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt = EHV-Empfänger) weiterhin an der Honorarverteilung im Rahmen dieser Bestimmungen der EHV teil. Der Anspruch errechnet sich nach den nachfolgenden Bestimmungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GEHV). Die Teilnahme an der EHV beginnt ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 67. Lebensjahres (Regelaltersgrenze) folgt (§ 1 Abs. 2 GEHV).
Die Teilnahme an der EHV ist im Übrigen zu beantragen. Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt, beginnen die Zahlungen vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats (§ 1 Abs. 4 Satz 1 GEHV).
Versorgungsfall ist hier das Erreichen der Regelaltersgrenze, für den Kläger die Altersgrenze von 65 Jahren, da er vor 1950 geboren ist und für ihn das Übergangsrecht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 GEHV gilt. Der Kläger vollendete am 11.12.2006 sein 65. Lebensjahr, stellte den Antrag aber erst am 28.03.2013, also wesentlich später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles. Von daher hat die Beklagte den Beginn der Teilnahme an der EHV zutreffend auf den 01.04.2013 festgesetzt.
Der Kläger kann sich für einen früheren Beginn nicht auf § 1 Abs. 2 GEHV berufen. Ohne Antrag beginnt die Teilnahme an der EHV am Monatsersten nach Erreichen der Altersgrenze, wenn die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des Lebensjahres erfolgt, mit der die Regelaltersgrenze erreicht wird. Dies setzt einen nahtlosen Übergang zwischen Erreichen der Regelaltersgrenze und Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit voraus. Nur in diesen Fällen ist gewährleistet, dass die Beklagte ohne weitere Ermittlungen die Teilnahme an der EHV bewilligen und die EHV auszahlen kann. Bei einem nahtlosen Übergang sind ihr die persönlichen Verhältnisse des Vertragsarztes bekannt, da er bis zur Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit ihr Mitglied ist. Die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit ist ihr ebf. bekannt, da diese nur durch Zulassungsverzicht möglich ist. Soweit der Zulassungsverzicht gegenüber dem Zulassungsausschuss zu erklären ist, wird sie hiervon unterrichtet. Immer dann, wenn zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit und Erreichen der Regelaltersgrenze eine Lücke besteht, ist für die Beklagte nicht gewährleistet, den Anspruchsberechtigten zu ermitteln. Insofern erscheint es auch nicht als sachwidrig, in diesen Fällen einen Antrag vorauszusetzen. Auch wird hierdurch erreicht, dass die EHV der Beklagten nicht durch evtl. rückwirkend bestehende Ansprüche erst zu einem anderen Zeitpunkt belastet wird. Die EHV basiert auf einem Umlageverfahren. Auch nach der GEHV in der Neufassung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den aktiven Vertragsärzten als den Beitragszahlen und den Anspruchsberechtigten (vgl. z. B. § 4 Abs. 4 Buchst. b, § 5 GEHV).
Auch nach den Vorläuferfassungen der GEHV bestand ein Antragserfordernis, da gleichlautende Regelungen bestanden.
Nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der geänderten Fassungen ab Mai 2010, veröffentlicht in EHV aktuell, Sonderausgabe 1/2010 (im Folgenden: GEHV 2010) erfolgte die Teilnahme an der EHV ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folgt (§ 1 Abs. 2 GEHV 2010). Die Teilnahme an der EHV ist im Übrigen zu beantragen. Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt, beginnen die Zahlungen vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats. Zahlungen an Hinterbliebene werden bei verspäteter Antragstellung bis zu einem Jahr rückwirkend gewährt, soweit diese Verspätung auf einer Unkenntnis dieser Bestimmungen beruht. In besonderen Härtefällen können Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend geleistet werden. Der Anspruch auf Teilnahme an der EHV besteht für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgt, für den Vertragsarzt auf Antrag ab dem vollendeten 63. Lebensjahr, für Hinterbliebene ab dem auf den Todestag folgenden Monatsersten (§ 1 Abs. 3 GEHV 2010).
Nach diesen Regelungen ist ein Antrag auf Teilnahme an der EHV für den Fall entbehrlich, dass die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgt. Die Kammer hat hierzu bereits entschieden, dass ein Vertragsarzt, der seine vertragsärztliche Tätigkeit über sein 65. Lebensjahr fortgeführt hat und sie weiterhin ausübt, eines Antrags für die Teilnahme an der EHV bedarf (vgl. Gerichtsb. der Kammer v. 31.01.2014 - S 12 KA 475/13 - rechtskräftig). Soweit durch die Satzungsänderung zum 01.06.2010 nunmehr auch bei Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Teilnahme an der EHV möglich ist, ist ebenfalls ein Antrag erforderlich (vgl. bereits Urteile der Kammer v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 - und - S 12 KA 403/11 - rechtskräftig, www.sozialgerichtsbarkeit de = www.lareda.hessenrecht.hessen.de = juris).
Nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der Fassung mit Geltung ab Juli 2006 galten die in der GEHV 2010 genannten Regelungen.
Der Kläger hat nicht behauptet, einen schriftlichen Antrag bereits früher gestellt zu haben.
Die Beklagte war nicht verpflichtet, allen Vertragsärzten nach Erreichen des 65. Lebensjahres die Teilnahme an der EHV zu bewilligen. Dem stehen grundsätzlich die Regelungen in den GEHV entgegen, wonach es für die Teilnahme an der EHV grundsätzlich eines Antrags bedarf mit Ausnahme der genannten Fallkonstellation.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger gezielt zu informieren, dass in seiner Person die Voraussetzungen zur Teilnahme an der EHV vorlagen. Die Beklagte ist ihren allgemeinen Informationspflichten durch die Versendung des Rundschreibens nachgekommen. Für eine gezielte Beratung fehlt es an einer entsprechenden Rechtsverpflichtung. Die Vorschriften des SGB I, aus den insoweit besondere Hinweispflichten der Sozialversicherungsträger abgeleitet werden, sind nicht anwendbar, als sie sich ausschließlich auf Sozialleistungsansprüche beziehen. Auch nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, der die Kammer hier folgt, sind die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zu den Hinweispflichten eines Rentenversicherungsträgers gegenüber einem Versicherten im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung nicht auf das sozialrechtliche Schuldverhältnis zwischen Vertragsarzt und KV übertragbar (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; s.a. SG Marburg, Urt. v. 07.03.2007 - S 12 KA 36/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 20). Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob nachgewiesen werden kann, dass der Kläger tatsächlich das Rundschreiben erhalten hat. Gleichfalls kommt es darauf an, ob dem Kläger die Satzung zur Kenntnis gebracht wurde. Hierauf besteht kein Anspruch.
Das LSG Hessen hat weiter entschieden, dass ein Anspruch auf Teilnahme an der EHV nach der Satzung der KV Hessen erst nach Antragseingang entsteht und die KV nicht verpflichtet ist, die Altersentwicklung ausgeschiedener Vertragsärzte zu überwachen und diese vor Vollendung des 65. Lebensjahres auf die Möglichkeit eines Anspruchs auf Teilnahme an der EHV hinzuweisen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 – a.a.O). Dies gilt insofern auch für den vorliegenden Fall, da die Beklagte nur bei Zulassungsverzicht nach Erreichen der Altersgrenze auf das Antragserfordernis verzichtet hat, nicht aber bei einem Zulassungsverzicht vor Erreichen der Altersgrenze.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Betrag für einen Zeitraum von drei Jahren, da es sich um wiederkehrende Leistungen für einen längeren Zeitraum handelt (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GKG).
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