Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 376/14 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs bei einer Schiedsstellenentscheidung nach § 130 b SGB V ist einer Heilung nach § 41 SGB X nicht zugänglich.
Der Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Beschlusses vom 16. Juni 2015 zur Festsetzung des Vertragsinhalts für das Arzneimittel Stribild wird aufgehoben. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Schiedsspruch des Beklagten vom 8. September 2014.
Die Klägerin bringt in Deutschland als pharmazeutischer Unternehmer das Arzneimittel Stribild in den Verkehr. Stribild ist ein aus den Wirkstoffen Elvitegravir, Cobicistat, Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zusammengesetztes, von der Europäischen Kommission zugelassenes Arzneimittel, das zur HIV-Therapie eingesetzt wird. Es wurde in Deutschland erstmals am 15. Juni 2013 in den Verkehr gebracht. Durch Beschluss vom 5. Dezember 2013 bewertete der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechend § 35a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – den Nutzen des Arzneimittels. Ein Zusatznutzen gegenüber anderen zweckmäßigen Vergleichstherapien wurde weder für therapienaive noch für therapieerfahrene Patienten festgestellt.
Die Klägerin und der Beigeladene (GKV-Spitzenverband) führten von Januar bis April 2014 Verhandlungen nach § 130b SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu leistenden Erstattungsbetrag. Nachdem sich die Beteiligten nicht einigen konnten, rief der Beigeladene mit Schreiben vom 5. Juni 2014 die Beklagte an und beantragte, die streitig gebliebenen Vertragsinhalte festzusetzen.
Nach einer mündlichen Verhandlung vom 14. August 2014 fällte die Beklagte am 8. September 2014 folgenden Schiedsspruch, der der Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2014 zugestellt wurde:
I. Die zwischen den Parteien konsentierten Vertragsinhalte werden entsprechend der als Anlage I des Schriftsatzes des GKV Spitzenverbandes vom 5. Juni 2014 übermittelten Vereinbarung festgesetzt. II. § 3 wird wie folgt festgesetzt: Die Parteien vereinbaren einen einheitlichen Erstattungsbetrag von EUR 30,6650 je angenommener täglicher Erhaltungsdosis, die nach § 2 Abs. 2 ermittelt wird. Die Anzahl der angenommenen täglichen Erhaltungsdosen nach § 2 Abs. 2 in einer Fertigarzneimittelpackung Stribild bestimmt die Höhe des Erstattungsbetrages. Der Erstattungsbetrag für Stribild beträgt somit je Fertigarzneimittel-Packung mit der PZN 04704011 EUR 919,95 und je Fertigarzneimittel-Packung mit der PZN 04704028 EUR 2.759,85. Er fällt ab dem 15.06.2014 an. Für Neueinführungen wird zusätzlich auf die Regelungen des § 6 Abs. 1 und 2 verwiesen. III. § 4 der Vereinbarung wird wie folgt gefasst: Durch die in § 3 vereinbarten Erstattungsbeträge werden die gesetzlichen Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V sowie die dementsprechenden Abschläge gemäß § 1 AMRabattG ab dem 15.06.2014 nicht abgelöst. IV. § 7 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt: G meldet den vereinbarten Erstattungsbetrag sowie die Nicht-Ablösung der Herstellerabschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V zur Erfüllung ihrer Pflichten aus § 131 Abs. 4 SGB V an die IFA GmbH. Gstellt sicher, dass der Erstattungsbetrag mit der im Redaktionskalender der I GmbH für die nächstmögliche Veröffentlichung nach Abschluss der Vereinbarung vorgesehenen Termin in die IFA-Datenbank übernommen wird, sofern bis zum maßgeblichen Redaktionstermin ein Erstattungsbetrag vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgesetzt worden ist. Ansonsten ist der nächstmögliche Meldetermin nach Abschluss der Vereinbarung bzw. nach Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle maßgebend. G übermittelt dem GKV-Spitzenverband eine Kopie der entsprechenden Meldung spätestens am Tag des Redaktionsschlusses. V. § 8 Abs. 4 der Vereinbarung (bzw. § 8 Abs. 5 in der Textfassung des GKV-Spitzenverbandes) wird wie folgt gefasst: Soweit gesetzliche Krankenkassen für die Abgabe von Stribild in Apotheken zwischen dem 15.06.2014 und der erstmaligen Veröffentlichung des Erstattungsbetrages und des Rabattes in der Datenbank der IFA-GmbH (§ 7 Abs. 1) Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V erhalten haben, werden diese bei der Nacherstattung (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2) insoweit mindernd berücksichtigt, wie sich die Herstellerabschläge ohne Umsatzsteuer durch die ab 15.06.2014 wirksam werdende Absenkung der Bemessungsgrundlage (Ersetzung des ApU durch den Erstattungsbetrag nach § 78 Abs. 3a AMG) ermäßigt haben. VI. § 10 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt: Die Vereinbarung kann frühestens zum 15.06.2015 mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Danach kann die Vereinbarung jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Bei Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung nach § 35a SGB V (auch im Falle einer Nutzenbewertung eines neuen Anwendungsgebietes nach § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 2 AM-Nutzen-V) oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b Abs. 3 SGB V sowie bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 SGB V ist die Kündigung bereits vor dem 15.06.2015 und ohne Einhaltung einer Frist möglich.
Am 10. Oktober 2014 hat die Klägerin beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die vorliegende Klage mit dem Antrag erhoben, den Schiedsspruch aufzuheben. Ziffer 1 des Schiedsspruches verletze die Dispositionsmaxime, weil insoweit schon Konsens zwischen den Beteiligten bestanden habe und entsprechend kein Raum für ein Schiedsverfahren gewesen sei. Weiter sei der Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, weil die Beklagte das für die Preisbildung maßgebliche untere Preisdrittel einer Vergleichstherapie unter Zugrundelegung von Risikostrukturausgleichsdaten ermittelt habe, welche der Beigeladene ausgewertet und der Beklagten unter Umgehung der Klägerin zur Verfügung gestellt habe. Weder die Daten noch die Auswertungen der Beigeladenen seien förmlich in das Schiedsverfahren eingeführt worden. Die Daten hätten auch erhebliche Auswirkungen auf das von der Beklagten gefundene Ergebnis gehabt. Viel spreche dafür, dass die von der Beklagten zugrunde gelegten Rechenwerte sich nur ergeben würden, wenn man die Versorgungsrealitäten ausblende. Zudem liege ein erheblicher Begründungsfehler vor, weil die Beklagte die der Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen nicht angegeben habe. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte auf ein unteres Preisdrittel abgestellt habe, obwohl nach der Konzeption des § 130b SGB V auf die realen Versorgungsverhältnisse abzustellen sei. Der tatsächliche Ablauf des Schiedsverfahrens begründe den Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen den unparteiischen Mitgliedern der Beklagten und der Beigeladenen. Die Festsetzung des Erstattungsbetrags verstoße auch materiell gegen § 130b SGB V. Die Preisobergrenze für Stribild müsse die Bewertung des Arzneimittels für zwei unterschiedliche Patientengruppen widerspiegeln, nämlich für die therapienaiven und die therapieerfahrenen Patienten. Der Erstattungsbetrag sei unter Zusammenführung der Vergleichskosten für beide Patientengruppen festzusetzen. Bei den therapienaiven Patienten habe die Beklagte zu Unrecht ausschließlich auf eine vergleichbare Therapie abgestellt, die in der Versorgungsrealität lediglich einen Anteil von 20 Prozent habe. Bei den therapieerfahrenen Patienten habe sie dagegen zu Unrecht nicht die durchschnittlichen Kosten einer Vergleichstherapie, sondern das untere Preisdrittel zugrunde gelegt.
Auf den am 19. Dezember 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Senat durch Beschluss vom 19. März 2015 die aufschiebende Wirkung der gegen den Schiedsspruch erhobenen Anfechtungsklage angeordnet. Der Schiedsspruch sei erkennbar verfahrensfehlerhaft ergangen. Die gerichtliche Kontrolle eines Schiedsspruchs erstrecke sich darauf, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden sei. Dies setze insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs voraus. Die Beklagten habe ihre Entscheidung aber auf Verbrauchsdaten gegründet, die aus dem Risikostrukturausgleich stammten, obwohl diese Daten nicht Gegenstand der Verhandlung vor der Schiedsstelle gewesen seien. Mit ihrer Verwertung habe die Klägerin auch nicht aus anderen Gründen rechnen müssen. Damit liege ein offensichtlicher Verfahrensfehler vor.
Am 16. Juni 2015 fand vor der Beklagten eine erneute Verhandlung wegen des Antrags auf Festsetzung des Vertragsinhaltes für Stribild statt. Diese sollte nach Auffassung des Vorsitzenden der Beklagten nicht einer umfassenden Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens, sondern der Heilung des Verfahrensfehlers dienen. Als Ergebnis der Sitzung beschloss die Beklagte, dass sie aufgrund der durchgeführten Erörterungen keinen Anlass sehe, den Schiedsspruch vom 8. September 2014 zu ändern.
Am 14. August 2015 ist bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein Antrag des Beigeladenen auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 19. März 2015 eingegangen. Die Anhörung sei mittlerweile nachgeholt worden. Damit werde der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich. Das Schiedsstellenverfahren sei ein Verwaltungsverfahren, auf das die Vorschriften des SGB X über die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern anwendbar seien. Eine unterbliebene Anhörung könne auch für eine Ermessensentscheidung noch nachgeholt werden. Die nachträgliche Anhörung am 16. Juni 2015 sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass sich aus der Anhörung ergebende neue Erkenntnisse zu einer Neubewertung der Schiedsstellenentscheidung führen könnten. Wesentlicher Zweck der Heilungsvorschriften des SGB X sei die Verfahrensökonomie. Verwaltungsakte sollten nicht wegen fehlerhaften Verfahrens aufgehoben werden, wenn sie das materielle Recht nicht beeinträchtigten. Das sozialgerichtliche Verfahren sei in der Tatsacheninstanz bisher noch nicht abgeschlossen. Auch die Eigenart eines Schiedsverfahrens biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass § 41 SGB X unanwendbar sein könne. Die Beklagte setze den Vertragsinhalt durch einen Verwaltungsakt fest. Nicht nachzuvollziehen sei, dass die Klägerin nunmehr erneut streitig stelle, ob die Jahrestherapiekosten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichsten Ausprägung jedes Wirkstoffes zu ermitteln seien. In der Sitzung am 16. Juni 2015 sei dieser Aspekt nämlich nicht mehr streitig gewesen. Auch habe die Klägerin keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, den Abgabepreis sofort nach dem Beschluss des Senats vom 19. März 2015 zu erhöhen. Dieses Rechtes habe sie sich damit begeben.
Der Senat hat den Antrag des Beigeladenen auf Aufhebung des Beschlusses vom 19. März 2015 durch Beschluss vom 3. März 2016 zurückgewiesen. Selbst wenn die unterbliebene Anhörung auch in einem Schiedsverfahren nachgeholt werden könne, ermögliche sie doch keine Nachbesserung der Ermessensausübung. Es sei ohnehin weiter zweifelhaft, ob die Beklagte alle für die Abwägung wesentlichen Umstände ermittelt habe und ob sich ihr Ergebnis im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewege. Die Beklagte habe ihre Annahme nicht nachvollziehbar begründet, dass bei therapieerfahrenen Patienten im Regelfall eine Wirkstoffkombination gewählt werde, die im unteren Bereich der Preisverteilung angesiedelt sei. Sie sei auch nicht auf den Vortrag der Klägerin eingegangen, dass die Therapien des unteren Preisdrittels bestimmte Wirkstoffklassen, welche der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich benannt habe, nicht erfassen würden, und dass die zweckmäßige Vergleichstherapie durch die Bezugnahme auf das untere Preisdrittel falsch abgebildet werde.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014, 130b-SSt. 6-14, in der Gestalt des Beschlusses vom 16. Juni 2015 zur Festsetzung des Vertragsinhalts für das Arzneimittel Stribild aufzuheben.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Sie hat ursprünglich erklärt, dass sie die Klage für unbegründet halte. Zwar sei es der eigentliche Zweck eines Schiedsverfahrens, über streitige Anträge zu entscheiden, es sei aber nicht verboten, bei Vorliegen entsprechender Anträge auch über unstreitige Dinge zu entscheiden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Sie – die Beklagte – habe auf die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zurückgegriffen, die ihr am überzeugendsten erschienen seien. Die Daten hätten auch der Klägerin zur Verfügung gestanden. Sie – die Beklagte - habe die Daten des Risikostrukturausgleichs einholen und verwerten dürfen, ohne dies mit der Klägerin erörtern zu müssen. Der Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit werde zurückgewiesen. Es werde davon ausgegangen, dass im Regelfall eine Wirkstoffkombination aus dem unteren Bereich der Preisverteilung gewählt werden könne. Herangezogen werden die im Gesetz an anderer Stelle, nämlich in § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V gewählte Lösung des unteren Preisdrittels. Aus der Schnittlinie zwischen dem preisgünstigsten und dem mittelpreisigen Drittel sei der Erstattungsbetrag berechnet worden. Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zunächst auf seine in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgegebenen Stellungnahmen. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Schiedsspruch auch in Bezug auf die therapienaiven Patienten rechtmäßig sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss mache Therapiealternativen in seinen Nutzenbewertungsbeschlüssen regelmäßig durch die Verwendung des Wortes "oder" deutlich. Er habe in den tragenden Gründen seines Nutzenbewertungsbeschlusses darauf hingewiesen, dass beide Kombinationen – sowohl Emtricitabin plus Tenofovirdisoproxil als auch Lamivudin plus Abacavir - eine gute Wirksamkeit zeigen würden. Es handele sich um gleichermaßen zweckmäßige Alternativen. Der Erstattungsbetrag sei so zu bestimmen, dass er nicht zu höheren Kosten als die wirtschaftlichste Alternativen führe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Gerichtsakte aus dem Verfahren L 1 KR 499/14 KL ER und L 1 KR 345/15 KL ER sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG ausschließlich zuständig für eine Klage gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach den §§ 129 und 130b SGB V ist. Mit ihrer am 10. Oktober 2014 erhobenen Anfechtungsklage wendet sich die Antragstellerin gegen den von der Antragsgegnerin als Schiedsstelle gemäß § 130b Abs. 5 SGB V erlassenen Schiedsspruch vom 8. September 2014. Ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht statt. Richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG (Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 135). In der Festsetzung eines Erstattungsbetrags liegt ein Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X - (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rn 73; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 134). Die Antragsgegnerin ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 74). Denn ihre Zuständigkeitsbereiche gehören dem Recht der Krankenversicherung und damit dem öffentlichen Recht an, ihre personelle Zusammensetzung wird vom Gesetzgeber in § 130b Abs. 5 SGB V vorgeschrieben, sie ist auf dauerhaften Bestand angelegt und ihre Arbeitsweise wird gemäß § 130b Abs. 6 SGB V durch eine öffentlich-rechtliche Verfahrensordnung geregelt (vgl. BSG Urt. v. 25. November 2010 – B 1 KR 1/10 R und v. 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R).
Die Klage ist auch begründet. Zwar ist die gerichtliche Überprüfung einer nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangenen Schiedsentscheidung nur eingeschränkt möglich. Der Beklagten ist für ihren Schiedsspruch eine Entscheidungsprärogative einzuräumen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf reduziert, ob die Interessen der am Schiedsverfahren Beteiligten sowie alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände ermittelt worden sind, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden ist und ob die materiellen gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidungsfindung beachtet worden sind (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V K § 130b Rn 72; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 134). Auch unter Beachtung dieser Einschränkungen unterliegt der Schiedsspruch der Beklagten aber der Aufhebung. Denn er ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Die Beklagte hat ihn unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gefällt.
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist Bestandteil eines fairen und willkürfreien Verfahrens (Luthe in Hauck/Noftz. SGB V, K § 130b Rn 76). Die Geltung dieses Gebotes im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht wird bestätigt durch die in § 24 SGB X formulierte Verpflichtung zur Anhörung Beteiligter. Diese Vorgabe hat Bedeutung auch für das Verfahren vor der Schiedsstelle, weil es Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X ist (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 76).
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wie er etwa für das sozialgerichtliche Verfahren in § 128 Abs. 2 SGG normiert worden ist, beinhaltet, dass eine Entscheidung nur auf Tatsachen gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten haben äußern können. Für einen Schiedsspruch bedeutet das, dass der von der Schiedsstelle für die Entscheidung als wesentlich angesehene Tatsachenstoff zum Gegenstand des Schiedsverfahrens gemacht werden muss und keine überraschenden Entscheidungen getroffen werden dürfen.
Dagegen hat die Beklagte verstoßen, weil sie ihre Entscheidung über den Erstattungsbetrag unter Bezugnahme auf von dem Beigeladenen nach § 217f Abs: 7 SGB V iVm § 268 Abs. 3 Satz 14 SGB V erhobene, ausgewertete und ihr zur Verfügung gestellte Verbrauchsdaten aus dem Risikostrukturausgleich begründet hat. Die Beklagte hat den Rückgriff auf diese Daten damit begründet, dass sie am verlässlichsten die reale Verbrauchstruktur abbilden würden. Sie hat dabei aber übersehen, dass diese Daten nicht Gegenstand der Verhandlung vor der Schiedsstelle gewesen sind und dort auch nicht thematisiert worden ist, dass sie Grundlage der Preisfindung werden könnten. Dem entsprechenden Vortrag der Klägerin hat die Beklagte nicht widersprochen. Auch dem Ergebnisprotokoll der Verhandlung vor der Schiedsstelle ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass auf die aus dem Risikostrukturausgleich stammenden Daten hingewiesen worden ist. Zudem hat die Beklagte im Klageverfahren ausdrücklich vorgetragen, dass sie sich für berechtigt halte, die Daten des Risikostrukturausgleichs für die Berechnung des Erstattungsbetrages heranzuziehen, ohne diese Möglichkeit und/oder die Daten vorher mit der Klägerin zu erörtern. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht, weil keine Gründe für eine Einschränkung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs erkennbar sind, Der Senat vermag insbesondere nicht nachzuvollziehen, warum schon der Hinweis auf die Möglichkeit, dass bestimmte Daten entscheidungsrelevant werden könnten, eine unerträgliche Einengung des Entscheidungsermessens der Beklagten bedeuten würde. Demnach legte die Beklagte ihrem hier streitgegenständlichen Schiedsspruch Tatsachen zugrunde, die der Klägerin nicht bekannt gegeben worden waren, ohne dass es dafür einen rechtfertigenden Grund gab.
Das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird auch durch § 130b Abs. 9 Satz 4 SGB V bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist in einer Rahmenvereinbarung über das Verfahren nach § 130b Abs. 1 SGB V nämlich auch das Nähere zu Inhalt, Form, Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Abs. 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat dazu erklärt, dass die aus dem Risikostrukturausgleich herrührenden Daten aus dem tatsächlichen Versorgungsgeschehen Grundlage für die Vereinbarung eines angemessenen Erstattungsbetrags sein könnten. Es sei durch die Rahmenvereinbarung sicherzustellen, dass den Verhandlungspartnern dieselben Auswertungen zu Verfügung gestellt würden (BT-Drucks- 17/8005 S. 120). Dann entspricht es zwar dem Willen des Gesetzgebers, über den Erstattungsbetrag auf der Grundlage von Daten aus dem Risikostrukturausgleich zu entscheiden, aber nur, wenn die Daten und Auswertungen vorher allen Beteiligten gleichermaßen zur Verfügung gestanden haben. Die Bezugnahme auf die Daten ohne vorherige Weitergabe an die Beteiligten entspricht folglich nicht der Vorstellung des Gesetzgebers von einem ordnungsgemäßen Ablauf der nach § 130b Abs. 1 SGB V zu führenden Verhandlungen. Die für die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer maßgebenden Verfahrensregeln gelten im Schiedsverfahren gleichermaßen, weil die Schiedsstelle bei ihrem Verfahren nicht den allgemein für die Preisvereinbarung bestimmten gesetzlichen Rahmen verlassen darf (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 71).
Die Verfahrensweise der Beklagten würde nur dann keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründen, wenn die betroffenen Daten und Auswertungen auch der Klägerin ohne Weiteres zugänglich gewesen wären und für sie erkennbar die Möglichkeit bestand, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung auf diese Daten zurückgreifen würde. Jedenfalls die letztere Voraussetzung ist aber nicht gegeben. Eine Rahmenvereinbarung über die Weitergabe von Risikostrukturausgleichsdaten, die nach dem Gesetz gerade Voraussetzung für die Verwendung der Daten bei der Bestimmung des Erstattungsbetrages sein sollte, gab es zum Zeitpunkt des Schiedsspruches noch nicht, die entsprechende Regelung ist in § 13 Abs. 6 der Rahmenvereinbarung erst auf der Grundlage eines Schiedsspruches vom 25. Juni 2015 eingefügt worden. Deswegen musste die Klägerin nicht damit rechnen, dass die Beklagte gleichwohl ihre Schiedsentscheidung auf solche Daten stützen würde, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beigeladenen kann die unterbliebene Gewährung rechtlichen Gehörs nicht durch die weitere Verhandlung vor der Beklagten am 16. Juni 2015 ausgeglichen werden. Die Verletzung des Gebotes zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines Schiedsspruches nach § 130b SGB V ist einer Heilung nach § 41 SGB X nicht zugänglich. Zwar liegt in der Festsetzung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rn 73; Baierl in jurisPK SGB V, 3. Aufl., § 130b Rn 134). Ist das Verfahren vor der Schiedsstelle damit ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 76), könnten grundsätzlich auch die allgemein im SGB X für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens formulierten Vorschriften Anwendung finden. Neben die in § 24 SGB X formulierte Verpflichtung zur Anhörung Beteiligter würde damit die Möglichkeit zur Heilung einer unterbliebenen Anhörung nach § 41 SGB X treten. Die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften des SGB X finden aber nur insoweit Anwendung, als sich aus den Regelungen über das Schiedsstellenverfahren nach § 130b SGB V nicht abweichende speziellere Regelungen ergeben. Eine ausdrückliche Sonderregelung zur Möglichkeit der Heilung eines Verstoßes gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens findet sich weder in § 130b SGB V noch in der Schiedsstellenverordnung oder der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Vor dem Hintergrund, dass das für die Beklagte geltende Verfahrensrecht speziell und abweichend von dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht geregelt ist, spricht das Schweigen des Normgebers dann gegen die Möglichkeit zur Nachbesserung. Denn ein eigenes Verfahren für die Heilung ist nicht vorgesehen und die besonderen Verfahrensvorschriften sind als abschließende Normierung der von der Schiedsstelle zu beachtenden Verfahrensweise anzusehen. Dann kann für die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrensfehlern nicht ergänzend auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zurückgegriffen werden. Allerdings würde die Möglichkeit einer Heilung nicht daran scheitern, dass der Schiedsantrag nach Erlass des Schiedsspruches als "verbraucht" anzusehen wäre. Die Beklagte bleibt für den von ihr erlassenen Schiedsspruch weiter zuständig, ohne dass es dafür der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens bedürfte. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Schiedsspruch im Wege einer gegen die Beklagte gerichteten Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Als Prozesssubjekt muss die Beklagte aber die Möglichkeit haben, ihren angefochtenen Schiedsspruch selbst wieder aufzuheben, was die Befugnis einschließt, über die Notwendigkeit einer solchen Aufhebung zu befinden.
Entscheidend gegen die Möglichkeit der Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs wie nach einer unterbliebenen Anhörung gemäß § 41 SGB X in einem Schiedsverfahren nach § 130b Abs. 5 SGB V spricht, dass die vom Gesetzgeber im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht vorgesehene Möglichkeit der Heilung eines Verfahrensfehlers Ausdruck der dienenden Funktion des Verfahrensrechts ist und entsprechend eine Konzentration auf die materielle Richtigkeit der getroffenen Entscheidung ermöglichen soll (Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 41 Rn 2; Scheider-Danwitz in jurisPK SGB X, § 41 Rn 16). Bei einem Schiedsverfahren ist die gerichtliche Kontrolle aber weitgehend auf die ordnungsgemäße Einhaltung der Verfahrensvorschriften beschränkt. Damit wäre nicht vereinbar, die Effektivität dieser Kontrolle durch die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur von Verfahrensfehlern noch weiter einzuschränken. Wenn die Rechtmäßigkeit einer Schiedsstellenentscheidung wesentlich durch die Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprägt wird, sind Maßstab der gerichtlichen Überprüfung die tatsächlichen Gegebenheiten, unter deren unwiederholbaren Bedingungen die getroffene Entscheidung zustande gekommen ist. Die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur von Verfahrensfehlern durch schlichte Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs ist dann ausgeschlossen. Möglich erscheint lediglich, dass entsprechend den für die Gerichte geltendes Vorschriften über eine Anhörungsrüge (vgl. etwa § 178a SGG) der verfahrensfehlerhaft ergangene Schiedsspruch aufgehoben und erneut in eine Schiedsverhandlung eingetreten wird.
Ausweislich des Ergebnisprotokolls der Verhandlung vor der Schiedsstelle am 16. Juni 2015 ist eine erneute Schiedsverhandlung aber gerade nicht durchgeführt worden. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der entsprechenden Angabe des (damaligen) Vorsitzenden der Beklagten, wie sie auf Seite 3 des Ergebnisprotokolls der Sitzung vom 16. Juni 2015 dokumentiert ist. Die Beklagte hat ihren bereits ergangenen Schiedsspruch vom 8. September 2014 nicht aufgehoben und ist nicht in eine erneute Schiedsverhandlung eingetreten. In der Sache ist nicht erneut entschieden worden, was sich aus der Formulierung des Beschlusses vom 16. Juni 2015 ergibt, dass kein Anlass gesehen werde, die bisherige Entscheidung zu ändern. Das zielt indessen auf eine unzulässige Entscheidungsalternative. Die Beklagte war nämlich nicht berechtigt, auf sich aus der Gewährung rechtlichen Gehörs möglicherweise ergebende neue Aspekte mit einer Änderung ihres Schiedsspruches zu reagieren. Schon bei einer Ermessensentscheidung gilt, dass sie im Klageverfahren als solche nicht nachgeholt werden kann und unterlaufene Ermessensfehler nicht geheilt werden können (BSG v. 1. März 2011 – B 7 AL 2/10 R – juris Rn 14). Das muss erst recht für die Entscheidung einer Schiedsstelle nach § 130b SGB V gelten. Die Beklagte hatte aus Rechtsgründen nicht die Möglichkeit, eine auf die Heilung des Schiedsspruches vom 8. September 2014 beschränkte weitere Verhandlung durchzuführen. Der erneute Beschluss vom 16. Juni 2015 vermochte daher die dem Schiedsspruch vom 8. September 2014 anhaftenden Mängel nicht zu beseitigen.
Nach alledem war der Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Beschlusses vom 16. Juni 2015 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Schiedsspruch des Beklagten vom 8. September 2014.
Die Klägerin bringt in Deutschland als pharmazeutischer Unternehmer das Arzneimittel Stribild in den Verkehr. Stribild ist ein aus den Wirkstoffen Elvitegravir, Cobicistat, Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zusammengesetztes, von der Europäischen Kommission zugelassenes Arzneimittel, das zur HIV-Therapie eingesetzt wird. Es wurde in Deutschland erstmals am 15. Juni 2013 in den Verkehr gebracht. Durch Beschluss vom 5. Dezember 2013 bewertete der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechend § 35a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – den Nutzen des Arzneimittels. Ein Zusatznutzen gegenüber anderen zweckmäßigen Vergleichstherapien wurde weder für therapienaive noch für therapieerfahrene Patienten festgestellt.
Die Klägerin und der Beigeladene (GKV-Spitzenverband) führten von Januar bis April 2014 Verhandlungen nach § 130b SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu leistenden Erstattungsbetrag. Nachdem sich die Beteiligten nicht einigen konnten, rief der Beigeladene mit Schreiben vom 5. Juni 2014 die Beklagte an und beantragte, die streitig gebliebenen Vertragsinhalte festzusetzen.
Nach einer mündlichen Verhandlung vom 14. August 2014 fällte die Beklagte am 8. September 2014 folgenden Schiedsspruch, der der Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2014 zugestellt wurde:
I. Die zwischen den Parteien konsentierten Vertragsinhalte werden entsprechend der als Anlage I des Schriftsatzes des GKV Spitzenverbandes vom 5. Juni 2014 übermittelten Vereinbarung festgesetzt. II. § 3 wird wie folgt festgesetzt: Die Parteien vereinbaren einen einheitlichen Erstattungsbetrag von EUR 30,6650 je angenommener täglicher Erhaltungsdosis, die nach § 2 Abs. 2 ermittelt wird. Die Anzahl der angenommenen täglichen Erhaltungsdosen nach § 2 Abs. 2 in einer Fertigarzneimittelpackung Stribild bestimmt die Höhe des Erstattungsbetrages. Der Erstattungsbetrag für Stribild beträgt somit je Fertigarzneimittel-Packung mit der PZN 04704011 EUR 919,95 und je Fertigarzneimittel-Packung mit der PZN 04704028 EUR 2.759,85. Er fällt ab dem 15.06.2014 an. Für Neueinführungen wird zusätzlich auf die Regelungen des § 6 Abs. 1 und 2 verwiesen. III. § 4 der Vereinbarung wird wie folgt gefasst: Durch die in § 3 vereinbarten Erstattungsbeträge werden die gesetzlichen Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V sowie die dementsprechenden Abschläge gemäß § 1 AMRabattG ab dem 15.06.2014 nicht abgelöst. IV. § 7 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt: G meldet den vereinbarten Erstattungsbetrag sowie die Nicht-Ablösung der Herstellerabschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V zur Erfüllung ihrer Pflichten aus § 131 Abs. 4 SGB V an die IFA GmbH. Gstellt sicher, dass der Erstattungsbetrag mit der im Redaktionskalender der I GmbH für die nächstmögliche Veröffentlichung nach Abschluss der Vereinbarung vorgesehenen Termin in die IFA-Datenbank übernommen wird, sofern bis zum maßgeblichen Redaktionstermin ein Erstattungsbetrag vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgesetzt worden ist. Ansonsten ist der nächstmögliche Meldetermin nach Abschluss der Vereinbarung bzw. nach Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle maßgebend. G übermittelt dem GKV-Spitzenverband eine Kopie der entsprechenden Meldung spätestens am Tag des Redaktionsschlusses. V. § 8 Abs. 4 der Vereinbarung (bzw. § 8 Abs. 5 in der Textfassung des GKV-Spitzenverbandes) wird wie folgt gefasst: Soweit gesetzliche Krankenkassen für die Abgabe von Stribild in Apotheken zwischen dem 15.06.2014 und der erstmaligen Veröffentlichung des Erstattungsbetrages und des Rabattes in der Datenbank der IFA-GmbH (§ 7 Abs. 1) Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V erhalten haben, werden diese bei der Nacherstattung (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2) insoweit mindernd berücksichtigt, wie sich die Herstellerabschläge ohne Umsatzsteuer durch die ab 15.06.2014 wirksam werdende Absenkung der Bemessungsgrundlage (Ersetzung des ApU durch den Erstattungsbetrag nach § 78 Abs. 3a AMG) ermäßigt haben. VI. § 10 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt: Die Vereinbarung kann frühestens zum 15.06.2015 mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Danach kann die Vereinbarung jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Bei Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung nach § 35a SGB V (auch im Falle einer Nutzenbewertung eines neuen Anwendungsgebietes nach § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 2 AM-Nutzen-V) oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b Abs. 3 SGB V sowie bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 SGB V ist die Kündigung bereits vor dem 15.06.2015 und ohne Einhaltung einer Frist möglich.
Am 10. Oktober 2014 hat die Klägerin beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die vorliegende Klage mit dem Antrag erhoben, den Schiedsspruch aufzuheben. Ziffer 1 des Schiedsspruches verletze die Dispositionsmaxime, weil insoweit schon Konsens zwischen den Beteiligten bestanden habe und entsprechend kein Raum für ein Schiedsverfahren gewesen sei. Weiter sei der Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, weil die Beklagte das für die Preisbildung maßgebliche untere Preisdrittel einer Vergleichstherapie unter Zugrundelegung von Risikostrukturausgleichsdaten ermittelt habe, welche der Beigeladene ausgewertet und der Beklagten unter Umgehung der Klägerin zur Verfügung gestellt habe. Weder die Daten noch die Auswertungen der Beigeladenen seien förmlich in das Schiedsverfahren eingeführt worden. Die Daten hätten auch erhebliche Auswirkungen auf das von der Beklagten gefundene Ergebnis gehabt. Viel spreche dafür, dass die von der Beklagten zugrunde gelegten Rechenwerte sich nur ergeben würden, wenn man die Versorgungsrealitäten ausblende. Zudem liege ein erheblicher Begründungsfehler vor, weil die Beklagte die der Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen nicht angegeben habe. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte auf ein unteres Preisdrittel abgestellt habe, obwohl nach der Konzeption des § 130b SGB V auf die realen Versorgungsverhältnisse abzustellen sei. Der tatsächliche Ablauf des Schiedsverfahrens begründe den Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen den unparteiischen Mitgliedern der Beklagten und der Beigeladenen. Die Festsetzung des Erstattungsbetrags verstoße auch materiell gegen § 130b SGB V. Die Preisobergrenze für Stribild müsse die Bewertung des Arzneimittels für zwei unterschiedliche Patientengruppen widerspiegeln, nämlich für die therapienaiven und die therapieerfahrenen Patienten. Der Erstattungsbetrag sei unter Zusammenführung der Vergleichskosten für beide Patientengruppen festzusetzen. Bei den therapienaiven Patienten habe die Beklagte zu Unrecht ausschließlich auf eine vergleichbare Therapie abgestellt, die in der Versorgungsrealität lediglich einen Anteil von 20 Prozent habe. Bei den therapieerfahrenen Patienten habe sie dagegen zu Unrecht nicht die durchschnittlichen Kosten einer Vergleichstherapie, sondern das untere Preisdrittel zugrunde gelegt.
Auf den am 19. Dezember 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Senat durch Beschluss vom 19. März 2015 die aufschiebende Wirkung der gegen den Schiedsspruch erhobenen Anfechtungsklage angeordnet. Der Schiedsspruch sei erkennbar verfahrensfehlerhaft ergangen. Die gerichtliche Kontrolle eines Schiedsspruchs erstrecke sich darauf, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden sei. Dies setze insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs voraus. Die Beklagten habe ihre Entscheidung aber auf Verbrauchsdaten gegründet, die aus dem Risikostrukturausgleich stammten, obwohl diese Daten nicht Gegenstand der Verhandlung vor der Schiedsstelle gewesen seien. Mit ihrer Verwertung habe die Klägerin auch nicht aus anderen Gründen rechnen müssen. Damit liege ein offensichtlicher Verfahrensfehler vor.
Am 16. Juni 2015 fand vor der Beklagten eine erneute Verhandlung wegen des Antrags auf Festsetzung des Vertragsinhaltes für Stribild statt. Diese sollte nach Auffassung des Vorsitzenden der Beklagten nicht einer umfassenden Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens, sondern der Heilung des Verfahrensfehlers dienen. Als Ergebnis der Sitzung beschloss die Beklagte, dass sie aufgrund der durchgeführten Erörterungen keinen Anlass sehe, den Schiedsspruch vom 8. September 2014 zu ändern.
Am 14. August 2015 ist bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein Antrag des Beigeladenen auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 19. März 2015 eingegangen. Die Anhörung sei mittlerweile nachgeholt worden. Damit werde der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich. Das Schiedsstellenverfahren sei ein Verwaltungsverfahren, auf das die Vorschriften des SGB X über die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern anwendbar seien. Eine unterbliebene Anhörung könne auch für eine Ermessensentscheidung noch nachgeholt werden. Die nachträgliche Anhörung am 16. Juni 2015 sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass sich aus der Anhörung ergebende neue Erkenntnisse zu einer Neubewertung der Schiedsstellenentscheidung führen könnten. Wesentlicher Zweck der Heilungsvorschriften des SGB X sei die Verfahrensökonomie. Verwaltungsakte sollten nicht wegen fehlerhaften Verfahrens aufgehoben werden, wenn sie das materielle Recht nicht beeinträchtigten. Das sozialgerichtliche Verfahren sei in der Tatsacheninstanz bisher noch nicht abgeschlossen. Auch die Eigenart eines Schiedsverfahrens biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass § 41 SGB X unanwendbar sein könne. Die Beklagte setze den Vertragsinhalt durch einen Verwaltungsakt fest. Nicht nachzuvollziehen sei, dass die Klägerin nunmehr erneut streitig stelle, ob die Jahrestherapiekosten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichsten Ausprägung jedes Wirkstoffes zu ermitteln seien. In der Sitzung am 16. Juni 2015 sei dieser Aspekt nämlich nicht mehr streitig gewesen. Auch habe die Klägerin keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, den Abgabepreis sofort nach dem Beschluss des Senats vom 19. März 2015 zu erhöhen. Dieses Rechtes habe sie sich damit begeben.
Der Senat hat den Antrag des Beigeladenen auf Aufhebung des Beschlusses vom 19. März 2015 durch Beschluss vom 3. März 2016 zurückgewiesen. Selbst wenn die unterbliebene Anhörung auch in einem Schiedsverfahren nachgeholt werden könne, ermögliche sie doch keine Nachbesserung der Ermessensausübung. Es sei ohnehin weiter zweifelhaft, ob die Beklagte alle für die Abwägung wesentlichen Umstände ermittelt habe und ob sich ihr Ergebnis im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewege. Die Beklagte habe ihre Annahme nicht nachvollziehbar begründet, dass bei therapieerfahrenen Patienten im Regelfall eine Wirkstoffkombination gewählt werde, die im unteren Bereich der Preisverteilung angesiedelt sei. Sie sei auch nicht auf den Vortrag der Klägerin eingegangen, dass die Therapien des unteren Preisdrittels bestimmte Wirkstoffklassen, welche der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich benannt habe, nicht erfassen würden, und dass die zweckmäßige Vergleichstherapie durch die Bezugnahme auf das untere Preisdrittel falsch abgebildet werde.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014, 130b-SSt. 6-14, in der Gestalt des Beschlusses vom 16. Juni 2015 zur Festsetzung des Vertragsinhalts für das Arzneimittel Stribild aufzuheben.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Sie hat ursprünglich erklärt, dass sie die Klage für unbegründet halte. Zwar sei es der eigentliche Zweck eines Schiedsverfahrens, über streitige Anträge zu entscheiden, es sei aber nicht verboten, bei Vorliegen entsprechender Anträge auch über unstreitige Dinge zu entscheiden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Sie – die Beklagte – habe auf die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zurückgegriffen, die ihr am überzeugendsten erschienen seien. Die Daten hätten auch der Klägerin zur Verfügung gestanden. Sie – die Beklagte - habe die Daten des Risikostrukturausgleichs einholen und verwerten dürfen, ohne dies mit der Klägerin erörtern zu müssen. Der Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit werde zurückgewiesen. Es werde davon ausgegangen, dass im Regelfall eine Wirkstoffkombination aus dem unteren Bereich der Preisverteilung gewählt werden könne. Herangezogen werden die im Gesetz an anderer Stelle, nämlich in § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V gewählte Lösung des unteren Preisdrittels. Aus der Schnittlinie zwischen dem preisgünstigsten und dem mittelpreisigen Drittel sei der Erstattungsbetrag berechnet worden. Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zunächst auf seine in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgegebenen Stellungnahmen. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Schiedsspruch auch in Bezug auf die therapienaiven Patienten rechtmäßig sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss mache Therapiealternativen in seinen Nutzenbewertungsbeschlüssen regelmäßig durch die Verwendung des Wortes "oder" deutlich. Er habe in den tragenden Gründen seines Nutzenbewertungsbeschlusses darauf hingewiesen, dass beide Kombinationen – sowohl Emtricitabin plus Tenofovirdisoproxil als auch Lamivudin plus Abacavir - eine gute Wirksamkeit zeigen würden. Es handele sich um gleichermaßen zweckmäßige Alternativen. Der Erstattungsbetrag sei so zu bestimmen, dass er nicht zu höheren Kosten als die wirtschaftlichste Alternativen führe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Gerichtsakte aus dem Verfahren L 1 KR 499/14 KL ER und L 1 KR 345/15 KL ER sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG ausschließlich zuständig für eine Klage gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach den §§ 129 und 130b SGB V ist. Mit ihrer am 10. Oktober 2014 erhobenen Anfechtungsklage wendet sich die Antragstellerin gegen den von der Antragsgegnerin als Schiedsstelle gemäß § 130b Abs. 5 SGB V erlassenen Schiedsspruch vom 8. September 2014. Ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht statt. Richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG (Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 135). In der Festsetzung eines Erstattungsbetrags liegt ein Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X - (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rn 73; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 134). Die Antragsgegnerin ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 74). Denn ihre Zuständigkeitsbereiche gehören dem Recht der Krankenversicherung und damit dem öffentlichen Recht an, ihre personelle Zusammensetzung wird vom Gesetzgeber in § 130b Abs. 5 SGB V vorgeschrieben, sie ist auf dauerhaften Bestand angelegt und ihre Arbeitsweise wird gemäß § 130b Abs. 6 SGB V durch eine öffentlich-rechtliche Verfahrensordnung geregelt (vgl. BSG Urt. v. 25. November 2010 – B 1 KR 1/10 R und v. 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R).
Die Klage ist auch begründet. Zwar ist die gerichtliche Überprüfung einer nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangenen Schiedsentscheidung nur eingeschränkt möglich. Der Beklagten ist für ihren Schiedsspruch eine Entscheidungsprärogative einzuräumen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf reduziert, ob die Interessen der am Schiedsverfahren Beteiligten sowie alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände ermittelt worden sind, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden ist und ob die materiellen gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidungsfindung beachtet worden sind (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V K § 130b Rn 72; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 134). Auch unter Beachtung dieser Einschränkungen unterliegt der Schiedsspruch der Beklagten aber der Aufhebung. Denn er ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Die Beklagte hat ihn unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gefällt.
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist Bestandteil eines fairen und willkürfreien Verfahrens (Luthe in Hauck/Noftz. SGB V, K § 130b Rn 76). Die Geltung dieses Gebotes im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht wird bestätigt durch die in § 24 SGB X formulierte Verpflichtung zur Anhörung Beteiligter. Diese Vorgabe hat Bedeutung auch für das Verfahren vor der Schiedsstelle, weil es Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X ist (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 76).
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wie er etwa für das sozialgerichtliche Verfahren in § 128 Abs. 2 SGG normiert worden ist, beinhaltet, dass eine Entscheidung nur auf Tatsachen gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten haben äußern können. Für einen Schiedsspruch bedeutet das, dass der von der Schiedsstelle für die Entscheidung als wesentlich angesehene Tatsachenstoff zum Gegenstand des Schiedsverfahrens gemacht werden muss und keine überraschenden Entscheidungen getroffen werden dürfen.
Dagegen hat die Beklagte verstoßen, weil sie ihre Entscheidung über den Erstattungsbetrag unter Bezugnahme auf von dem Beigeladenen nach § 217f Abs: 7 SGB V iVm § 268 Abs. 3 Satz 14 SGB V erhobene, ausgewertete und ihr zur Verfügung gestellte Verbrauchsdaten aus dem Risikostrukturausgleich begründet hat. Die Beklagte hat den Rückgriff auf diese Daten damit begründet, dass sie am verlässlichsten die reale Verbrauchstruktur abbilden würden. Sie hat dabei aber übersehen, dass diese Daten nicht Gegenstand der Verhandlung vor der Schiedsstelle gewesen sind und dort auch nicht thematisiert worden ist, dass sie Grundlage der Preisfindung werden könnten. Dem entsprechenden Vortrag der Klägerin hat die Beklagte nicht widersprochen. Auch dem Ergebnisprotokoll der Verhandlung vor der Schiedsstelle ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass auf die aus dem Risikostrukturausgleich stammenden Daten hingewiesen worden ist. Zudem hat die Beklagte im Klageverfahren ausdrücklich vorgetragen, dass sie sich für berechtigt halte, die Daten des Risikostrukturausgleichs für die Berechnung des Erstattungsbetrages heranzuziehen, ohne diese Möglichkeit und/oder die Daten vorher mit der Klägerin zu erörtern. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht, weil keine Gründe für eine Einschränkung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs erkennbar sind, Der Senat vermag insbesondere nicht nachzuvollziehen, warum schon der Hinweis auf die Möglichkeit, dass bestimmte Daten entscheidungsrelevant werden könnten, eine unerträgliche Einengung des Entscheidungsermessens der Beklagten bedeuten würde. Demnach legte die Beklagte ihrem hier streitgegenständlichen Schiedsspruch Tatsachen zugrunde, die der Klägerin nicht bekannt gegeben worden waren, ohne dass es dafür einen rechtfertigenden Grund gab.
Das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird auch durch § 130b Abs. 9 Satz 4 SGB V bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist in einer Rahmenvereinbarung über das Verfahren nach § 130b Abs. 1 SGB V nämlich auch das Nähere zu Inhalt, Form, Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Abs. 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat dazu erklärt, dass die aus dem Risikostrukturausgleich herrührenden Daten aus dem tatsächlichen Versorgungsgeschehen Grundlage für die Vereinbarung eines angemessenen Erstattungsbetrags sein könnten. Es sei durch die Rahmenvereinbarung sicherzustellen, dass den Verhandlungspartnern dieselben Auswertungen zu Verfügung gestellt würden (BT-Drucks- 17/8005 S. 120). Dann entspricht es zwar dem Willen des Gesetzgebers, über den Erstattungsbetrag auf der Grundlage von Daten aus dem Risikostrukturausgleich zu entscheiden, aber nur, wenn die Daten und Auswertungen vorher allen Beteiligten gleichermaßen zur Verfügung gestanden haben. Die Bezugnahme auf die Daten ohne vorherige Weitergabe an die Beteiligten entspricht folglich nicht der Vorstellung des Gesetzgebers von einem ordnungsgemäßen Ablauf der nach § 130b Abs. 1 SGB V zu führenden Verhandlungen. Die für die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer maßgebenden Verfahrensregeln gelten im Schiedsverfahren gleichermaßen, weil die Schiedsstelle bei ihrem Verfahren nicht den allgemein für die Preisvereinbarung bestimmten gesetzlichen Rahmen verlassen darf (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 71).
Die Verfahrensweise der Beklagten würde nur dann keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründen, wenn die betroffenen Daten und Auswertungen auch der Klägerin ohne Weiteres zugänglich gewesen wären und für sie erkennbar die Möglichkeit bestand, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung auf diese Daten zurückgreifen würde. Jedenfalls die letztere Voraussetzung ist aber nicht gegeben. Eine Rahmenvereinbarung über die Weitergabe von Risikostrukturausgleichsdaten, die nach dem Gesetz gerade Voraussetzung für die Verwendung der Daten bei der Bestimmung des Erstattungsbetrages sein sollte, gab es zum Zeitpunkt des Schiedsspruches noch nicht, die entsprechende Regelung ist in § 13 Abs. 6 der Rahmenvereinbarung erst auf der Grundlage eines Schiedsspruches vom 25. Juni 2015 eingefügt worden. Deswegen musste die Klägerin nicht damit rechnen, dass die Beklagte gleichwohl ihre Schiedsentscheidung auf solche Daten stützen würde, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beigeladenen kann die unterbliebene Gewährung rechtlichen Gehörs nicht durch die weitere Verhandlung vor der Beklagten am 16. Juni 2015 ausgeglichen werden. Die Verletzung des Gebotes zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines Schiedsspruches nach § 130b SGB V ist einer Heilung nach § 41 SGB X nicht zugänglich. Zwar liegt in der Festsetzung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rn 73; Baierl in jurisPK SGB V, 3. Aufl., § 130b Rn 134). Ist das Verfahren vor der Schiedsstelle damit ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X (Luthe in Hauch/Noftz, SGB V, K § 130b, Rn. 76), könnten grundsätzlich auch die allgemein im SGB X für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens formulierten Vorschriften Anwendung finden. Neben die in § 24 SGB X formulierte Verpflichtung zur Anhörung Beteiligter würde damit die Möglichkeit zur Heilung einer unterbliebenen Anhörung nach § 41 SGB X treten. Die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften des SGB X finden aber nur insoweit Anwendung, als sich aus den Regelungen über das Schiedsstellenverfahren nach § 130b SGB V nicht abweichende speziellere Regelungen ergeben. Eine ausdrückliche Sonderregelung zur Möglichkeit der Heilung eines Verstoßes gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens findet sich weder in § 130b SGB V noch in der Schiedsstellenverordnung oder der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Vor dem Hintergrund, dass das für die Beklagte geltende Verfahrensrecht speziell und abweichend von dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht geregelt ist, spricht das Schweigen des Normgebers dann gegen die Möglichkeit zur Nachbesserung. Denn ein eigenes Verfahren für die Heilung ist nicht vorgesehen und die besonderen Verfahrensvorschriften sind als abschließende Normierung der von der Schiedsstelle zu beachtenden Verfahrensweise anzusehen. Dann kann für die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrensfehlern nicht ergänzend auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zurückgegriffen werden. Allerdings würde die Möglichkeit einer Heilung nicht daran scheitern, dass der Schiedsantrag nach Erlass des Schiedsspruches als "verbraucht" anzusehen wäre. Die Beklagte bleibt für den von ihr erlassenen Schiedsspruch weiter zuständig, ohne dass es dafür der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens bedürfte. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Schiedsspruch im Wege einer gegen die Beklagte gerichteten Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Als Prozesssubjekt muss die Beklagte aber die Möglichkeit haben, ihren angefochtenen Schiedsspruch selbst wieder aufzuheben, was die Befugnis einschließt, über die Notwendigkeit einer solchen Aufhebung zu befinden.
Entscheidend gegen die Möglichkeit der Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs wie nach einer unterbliebenen Anhörung gemäß § 41 SGB X in einem Schiedsverfahren nach § 130b Abs. 5 SGB V spricht, dass die vom Gesetzgeber im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht vorgesehene Möglichkeit der Heilung eines Verfahrensfehlers Ausdruck der dienenden Funktion des Verfahrensrechts ist und entsprechend eine Konzentration auf die materielle Richtigkeit der getroffenen Entscheidung ermöglichen soll (Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 41 Rn 2; Scheider-Danwitz in jurisPK SGB X, § 41 Rn 16). Bei einem Schiedsverfahren ist die gerichtliche Kontrolle aber weitgehend auf die ordnungsgemäße Einhaltung der Verfahrensvorschriften beschränkt. Damit wäre nicht vereinbar, die Effektivität dieser Kontrolle durch die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur von Verfahrensfehlern noch weiter einzuschränken. Wenn die Rechtmäßigkeit einer Schiedsstellenentscheidung wesentlich durch die Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprägt wird, sind Maßstab der gerichtlichen Überprüfung die tatsächlichen Gegebenheiten, unter deren unwiederholbaren Bedingungen die getroffene Entscheidung zustande gekommen ist. Die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur von Verfahrensfehlern durch schlichte Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs ist dann ausgeschlossen. Möglich erscheint lediglich, dass entsprechend den für die Gerichte geltendes Vorschriften über eine Anhörungsrüge (vgl. etwa § 178a SGG) der verfahrensfehlerhaft ergangene Schiedsspruch aufgehoben und erneut in eine Schiedsverhandlung eingetreten wird.
Ausweislich des Ergebnisprotokolls der Verhandlung vor der Schiedsstelle am 16. Juni 2015 ist eine erneute Schiedsverhandlung aber gerade nicht durchgeführt worden. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der entsprechenden Angabe des (damaligen) Vorsitzenden der Beklagten, wie sie auf Seite 3 des Ergebnisprotokolls der Sitzung vom 16. Juni 2015 dokumentiert ist. Die Beklagte hat ihren bereits ergangenen Schiedsspruch vom 8. September 2014 nicht aufgehoben und ist nicht in eine erneute Schiedsverhandlung eingetreten. In der Sache ist nicht erneut entschieden worden, was sich aus der Formulierung des Beschlusses vom 16. Juni 2015 ergibt, dass kein Anlass gesehen werde, die bisherige Entscheidung zu ändern. Das zielt indessen auf eine unzulässige Entscheidungsalternative. Die Beklagte war nämlich nicht berechtigt, auf sich aus der Gewährung rechtlichen Gehörs möglicherweise ergebende neue Aspekte mit einer Änderung ihres Schiedsspruches zu reagieren. Schon bei einer Ermessensentscheidung gilt, dass sie im Klageverfahren als solche nicht nachgeholt werden kann und unterlaufene Ermessensfehler nicht geheilt werden können (BSG v. 1. März 2011 – B 7 AL 2/10 R – juris Rn 14). Das muss erst recht für die Entscheidung einer Schiedsstelle nach § 130b SGB V gelten. Die Beklagte hatte aus Rechtsgründen nicht die Möglichkeit, eine auf die Heilung des Schiedsspruches vom 8. September 2014 beschränkte weitere Verhandlung durchzuführen. Der erneute Beschluss vom 16. Juni 2015 vermochte daher die dem Schiedsspruch vom 8. September 2014 anhaftenden Mängel nicht zu beseitigen.
Nach alledem war der Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Beschlusses vom 16. Juni 2015 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
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