L 16 R 455/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 1473/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 455/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Umsetzung eines Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2010 durch einen Rentenbescheid der Beklagten vom 26. Juli 2016.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen; das entsprechende Urteil vom 6. Februar 2017 ist der Klägerin mit einem Einschreiben übermittelt und ausweislich der von ihr eingereichten Sendungsverfolgung am 8. März 2017 zugestellt worden. Eine elektronisch eingelegte und nicht mit einer Signatur versehene Berufung der Klägerin ist im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des LSG am 7. Juni 2017 eingegangen und am selben Tag ausgedruckt worden. Die letzte Zeile des ausgedruckten Dokuments lautete "M G". Im Transfervermerk des LSG war als Absender des Dokuments "Anonymer Einreicher" angegeben. Nachdem die Klägerin mit der Eingangsverfügung vom 8. Juni 2017 vom LSG daraufhin gewiesen worden war, dass mit dieser Berufung die Berufungsfrist nicht gewahrt werden könne, hat die Klägerin mit einer ebenfalls ohne Signatur am 15. Juni 2017 in das EGVP übertragenen und ausgedruckten Datei unter Bezugnahme auf die Berufung vom 7. Juni 2017 um Mitteilung des gerichtlichen Aktenzeichen gebeten. Auf den Hinweis des Berichterstatters vom 16. Juni 2017, dass wegen der fehlenden qualifizierten Signatur der übermittelten Dateien keine formgerechte Berufungseinlegung vorliege, hat sie sich mit dem postalisch übermittelten, am 28. Juli 2017 eingegangenen und von ihr unterschriebenen Schreiben vom 25. Juli 2017 erneut gegen das Urteil vom 6. Februar 2017 gewandt.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 26. Juli 2016 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. Juli 2014 höhere Rente zu gewähren.

Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Die Gerichtsakte hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die Berufung ist unzulässig und war - nach Anhörung der Beteiligten - entsprechend durch Beschluss (vgl. § 158 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zu verwerfen; denn sie wurde nicht form- und fristgerecht eingelegt.

Die Berufung konnte am 7. bzw. 15. Juni 2017 nicht formwirksam durch Übermittlung der unsignierten Datei in das EGVP des LSG eingelegt werden.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG verlängert sich die Berufungsfrist bei Bekanntgabe im Ausland auf drei Monate.

Nach § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG kann eine Berufung - soweit entsprechende Rechtsverordnungen erlassen wurden - auch in elektronischer Form eingelegt werden. Es handelt sich bei der elektronischen Form im Sinne des § 65a SGG um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber "als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form" (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 14. März 2013 - B 13 R 19/12 R -, juris Rn. 18 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung) bzw. als "Gegenstück" zur Schriftform (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 13. Mai 2015 - III R 26/14 -, juris Rn. 21) eingeführt hat.

Durch Übermittlung der Dateien in das EGVP des LSG am 7. bzw. 15. Juni 2017 wurden die Anforderungen an die elektronische Form nicht gewahrt.

Nach § 65a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGG können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Die Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind. Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) in der bis 28. Juli 2017 geltenden Fassung durch Artikel 3 Abs. 9 des Gesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) - SigG - vorgeschrieben. Nach § 1 Nr. 6 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen auf dem Gebiet des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung vom 19. Dezember 2006 (GVBl. Berlin, S. 1167) hat das Land Berlin die dem Land in § 65a SGG erteilte Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die für Justiz zuständige Senatsverwaltung übertragen.

Für den Zuständigkeitsbereich des LSG ist durch Rechtsverordnung die Übermittlung elektronischer Dokumente seit dem 1. November 2007 zugelassen. Gemäß § 1 Satz 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Land Berlin vom 27. Dezember 2006 - ERVJustizV - (GVBl. Berlin, S. 1183) können bei den in der Anlage zu dieser Verordnung bezeichneten Gerichten in den dort jeweils bezeichneten Verfahren und von den dort angegebenen Zeitpunkten an elektronische Dokumente eingereicht werden. Gemäß der Anlage zur ERVJustizV in der Fassung vom 27. Dezember 2006 war zum 1. Juli 2007 der elektronische Rechtsverkehr zunächst nur mit dem Amtsgericht Charlottenburg sowie mit dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg eröffnet. Die Anlage zur ERVJustizV wurde mit der Ersten Verordnung zur Änderung der ERVJustizV vom 11. Oktober 2007 (GVBl. Berlin, S. 539) dahingehend ergänzt, dass mit Wirkung zum 1. November 2007 auch in allen Verfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg elektronische Dokumente eingereicht werden können.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVJustizV erfolgt die Einreichung durch die Übertragung eines elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des jeweiligen Gerichts. Die Übertragungen am 7. bzw. 15. Juni 2017 in das EGVP des LSG waren nicht formwirksam. Die Einbindung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist Voraussetzung für eine wirksame Berufungseinlegung. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ERVJustizV waren die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektroni-schen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG zu versehen, wenn für Einreichungen die Schriftform vorgeschrieben ist und kein Fall des § 12 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz des Handelsgesetzbuches (HGB) vorliegt. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist für die Berufungseinlegung - neben der Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - die Schriftform vorgesehen. Ein Fall des § 12 Abs. 2 Satz 2 HGB, welcher Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister betrifft, liegt nicht vor.

Die Dokumente waren nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. § 2 SigG unterschied elektronische Signaturen, fortgeschrittene elektronische Signaturen und qualifizierte elektronische Signaturen. Elektronische Signaturen sind Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen. Fortgeschritten sind elektronische Signaturen, wenn sie ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet sind, die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen, mit Mitteln erzeugt werden, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, und mit den Daten, auf die sie sich beziehen, so verknüpft sind, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann. Fortgeschrittene elektronische Signaturen sind qualifiziert, wenn sie zusätzlich auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden.

Durch die Übermittlung der Dateien in das EGPV des LSG am 7. bzw. 15. Juni 2015 wurde auch die für die Berufungseinlegung gemäß § 151 Abs. 1 SGG erforderliche Schriftform nicht gewahrt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R -, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2015 - L 25 1511/15 -, juris).

Die Klägerin übermittelte am 7. bzw. 15. Juni 2017 elektronisch eine Berufungsschrift in das EGVP des LSG, ohne eine Signatur zu verwenden. Diese Übermittlung bewirkte keine formgemäße Einlegung der Berufung, weil es sich bei der Berufung gemäß § 151 Abs. 1 SGG um ein grundsätzlich schriftlich zu unterzeichnendes Dokument handelt; im Falle der Übermittlung in elektronischer Form bedarf dieses einer qualifizierten elektronischen Signatur, die hier nicht verwendet wurde.

Die Berufung ist auch nicht - ungeachtet des Fehlens der besonderen Voraussetzungen nach § 65a SGG iVm dem Verordnungsrecht - deshalb als formgerecht zu werten, weil die am 7. bzw. 15. Juni 2017 elektronisch übermittelten Dateien noch am jeweiligen Tag beim LSG ausgedruckt wurden. Allein der Ausdruck eines elektronisch über das EGVP als Datei übermittelten Schriftsatzes entspricht nicht den Anforderungen des § 151 Abs. 1 SGG an die Schriftform einer Berufungsschrift (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016, aaO Rn. 16 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob die übermittelte Datei - wie hier - eine Unterschrift bzw. Namensangabe enthält oder auf welche Weise die Unterschrift generiert wurde. Denn wenn ein Absender zur Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes als prozessualen Weg die elektronische Übermittlung eines Dokuments wählt, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend. Ein Rückgriff auf Rechtsprechungsgrundsätze, die entwickelt wurden, um bei Nutzung technischen Übermittlungsformen wie Telefax oder Computerfax die Einhaltung der Schriftform begründen zu können, kommt zur "Heilung" von Mängeln der elektronischen Übermittlung iS von § 65a SGG nicht in Betracht.

Nach seinem Sinn und Zweck ist § 65a SGG als abschließende Regelung aller Fallgestaltungen elektronischer Kommunikation anzusehen. § 65a Abs. 1 Satz 3 SGG sieht ausdrücklich vor, dass elektronisch übermittelte Dokumente nur bei Einhaltung besonderer Sicherheitsanforderungen einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück "gleichstehen", nämlich wenn eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG verwendet wird. Die Signatur ist als Funktionsäquivalent zur Unterschrift anzusehen (so BFH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - XI R 22/06 = BFHE 215, 47; vgl. auch BSG Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2 Rn 11). Konkretisiert werden diese Anforderungen an die Sicherheit durch § 65a Abs. 1 Satz 4 SGG, der verlangt, die Authentizität und Integrität von elektronisch übermittelten bestimmenden Schriftsätzen sicherzustellen. Die verwendeten Verfahren müssen also gewährleisten, dass das elektronische Dokument, wenn es bei Gericht eingeht, dem angegebenen Absender zuzurechnen ist (Authentizität) und inhaltlich (Integrität) durch die Übermittlung nicht verändert werden konnte. Authentizität und Integrität eines elektronischen Dokuments werden bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur dadurch sichergestellt, dass diese einen öffentlichen und einen persönlichen Signaturschlüssel erfordert, welche von einer Zertifizierungsstelle ausgegeben werden. Der Inhaber dieser Schlüssel erhält eine Smartcard, welche beide Schlüssel enthält und mit einer PIN nur durch den Inhaber berechtigt verwendet werden kann. Nur dadurch ist bei Verwendung der Signatur die Integrität und die Authentizität des Dokuments in einer Weise gewährleistet, die es rechtfertigt, die handschriftliche Unterzeichnung zu ersetzen. Der mit diesem Verfahren verbundene Aufwand ist durch den damit verfolgten Zweck gerechtfertigt und erschwert den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007 - 1 BvR 110/07 - Rn. 22).

Bei dem Ausdruck eines nicht nach diesem Verfahren übermittelten Dokuments ist dessen Authentizität und Integrität keinesfalls in gleicher Weise gewährleistet, selbst wenn das Dokument eine eingescannte Unterschrift enthält. Den besonderen Risiken der digitalen Form im Hinblick auf die Veränderbarkeit und die Urheberschaft von Dokumenten, denen der Gesetzgeber begegnen will, kann ein Ausdruck nicht in gleicher Weise Rechnung tragen, wie eine Signatur. Dies gilt im Hinblick auf die vorhandenen Manipulationsmöglichkeiten auch dann, wenn der Ausdruck eine - wie auch immer generierte - Unterschrift oder Namensangabe abbildet. Der Zweck der besonderen (Sicherheits-)Anforderungen würde letztlich verfehlt, wenn allein die eingescannte Unterschrift oder Namensangabe bei elektronischer Übermittlung eine Verletzung dieser spezifisch in § 65a SGG iVm dem Verordnungsrecht geregelten Anforderungen "heilen" und die Form wahren könnte. Es ist deshalb ohne Bedeutung, ob bezogen auf das Unterschriftserfordernis sachlich gerechtfertigte Unterschiede zwischen der Übersendung per normalem Fax, per Computerfax oder per EGVP bestehen. Auf die Unterschrift kommt es nicht an, wenn Dokumente auf elektronischem Weg übermittelt werden, weil an ihre Stelle die qualifizierte elektronische Signatur tritt. Für eine Rechtsfortbildung, wie sie mit dem Ziel, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, durch die - den Begriff der Schriftform erweiternden - Rechtsprechung zu Telefax und Computerfax erfolgt ist, besteht wegen der mittlerweile geschaffenen gesetzlichen Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr kein Bedürfnis und daher auch kein Raum mehr.

§ 65a Abs. 1 Satz 3 SGG würde im Übrigen weitgehend leerlaufen, wenn der Ausdruck bei elektronischer Übermittlung in der Regel die Schriftform des Dokuments wahren könnte (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Juni 2013 - L 6 AS 194/13 B - Rn. 13). Denn gerade in der Phase des Übergangs vom gewohnten, der Schriftform verbundenen, Rechtsverkehr zum elektronischen Rechtsverkehr wird ein Ausdruck elektronischer Dokumente noch regelmäßig erfolgen. Die Rechtssicherheit erfordert es zudem, dass die Formwirksamkeit nicht von Faktoren abhängt, auf die der Urheber des Dokuments keinen Einfluss hat. Eine "Heilung" von Mängeln der elektronischen Form durch den Ausdruck hätte aber gerade dies zur Folge, denn der Absender hat es - anders als etwa in der Regel bei der Übermittlung per Telefax - nicht in der Hand, ob und wann ein elektronisch übermitteltes Dokument vom Empfänger ausgedruckt wird (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Juni 2012 - L 3 R 801/11 -, juris Rn. 38). Solche Unsicherheiten sind ebenso wenig hinzunehmen, wie die oben beschriebenen Abstriche an die Sicherheitsanforderungen (so schon Bundesverwaltungsgericht – BVerwG -, Urteil vom 25. April 2012 - 8 C 18/11 = BVerwGE 143, 50).

Zur Vermeidung von Überschneidungen und den damit verbundenen Rechtsunsicherheiten für die Beurteilung der Formwirksamkeit bestimmender Dokumente ist daher allein auf die Art der Kommunikation abzustellen, der sich der Absender bedient. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin durch die Nutzung des EGVP zur Übermittlung ihrer Berufungsschrift ausdrücklich den elektronischen Weg zur Berufungseinlegung gewählt, sodass sich - trotz des Ausdrucks des übermittelnden Dokuments - die formellen Anforderungen allein nach § 65a Abs. 1 SGG iVm den entsprechenden Rechtsverordnungen richten. Diese sind, wie oben dargelegt, mangels der Verwendung einer elektronischen Signatur nicht erfüllt.

Durch die per Post übersandte, von der Klägerin persönlich unterschriebene Berufungsschrift vom 25. Juli 2017, die am 28. Juli 2017 beim LSG eingegangen ist, konnte die Berufungsfrist, über die die Klägerin vom SG zutreffend belehrt worden war, nicht gewahrt werden, denn zum Zeitpunkt des Eingangs dieses Schriftsatzes war diese bereits abgelaufen. Das angefochtene Urteil wurde der Klägerin am 8. März 2017 zugestellt. Die dreimonatige Berufungsfrist (vgl. §§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1 iVm § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG) lief somit vom 9. März 2017 bis zum Donnerstag, 8. Juni 2017 24.00 Uhr (vgl. § 64 SGG).

Der Klägerin war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 67 Abs. 1 SGG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Es sind keine Gründe ersichtlich, welche die Klägerin vorliegend gehindert haben könnten, die Frist zur Einlegung der Berufung zu wahren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Rechtsbehelfsfristen zwar bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden dürfen, dann aber erhöhte Sorgfaltsanforderungen bestehen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 67 Rn. 9n mwN).

Wiedereinsetzung kommt auch nicht wegen Verletzung einer gerichtlichen Mitteilungspflicht in Betracht. Nach § 65a Abs. 2 Satz 3 SGG hat das Gericht dem Absender einer elektronischen Nachricht unverzüglich mitzuteilen, wenn das übersandte Dokument den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Das ist auch hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur und nicht nur bezüglich technischer Erfordernisse der Übersendung, etwa bei Übermittlung einer Datei in einem nicht zugelassenen Format, anzunehmen. Unverzüglich ist eine Mitteilung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Da die Klägerin vorliegend die Berufungsschrift (erst) am vorletzten Tag der Berufungsfrist übermittelt hat, wäre sie nur durch einen Hinweis noch an diesem bzw. am folgenden Tag in die Lage versetzt worden, Weiteres zur Wahrung der Frist zu veranlassen.

Ein dem Gericht zurechenbares schuldhaftes Zögern liegt aber nicht darin, dass am Tag des Eingangs der Berufungsschrift am 7. Juni 2017 ein richterlicher Hinweis unterblieben ist. Denn die richterliche Erstbearbeitung eines Dokuments nicht bereits am Tag seines Eingangs entspricht jedenfalls dann, wenn dieses keinen Hinweis auf eine besondere Dringlichkeit erhält, wegen der regelmäßig erforderlichen verwaltungstechnischen Vorarbeiten (Zuordnung des Dokuments zu einer Akte oder Anlegen der Akte; Zuständigkeitsbestimmung; Zutrag) dem üblichen Geschäftsgang. Die Gerichte sind im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zugunsten des Betroffenen zu ergreifen (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Juli 2012 - B 13 R 280/12 B - Rn. 6 mwN). Schließlich kann dahinstehen, ob der besondere gerichtliche Hinweis in der Eingangsverfügung des erkennenden Senats am Folgetag auf die Formwidrigkeit der Berufung geboten und ausreichend war. Denn eine Benachrichtigung der Klägerin noch an diesem Tag, welche der Klägerin u.U. eine fristgerechte Berufungseinlegung noch hätte ermöglichen können, war nicht möglich. Das in das EGVP des LSG am 7. Juni 2017 übertragene Dokument enthielt nämlich lediglich einen Hinweis auf den Namen der Klägerin und das erstinstanzliche Aktenzeichen. Eine Telefon- bzw. Telefaxnummer oder E-Mail-Adresse der Klägerin war weder diesem Dokument zu entnehmen noch waren für das LSG zum damaligen Zeitpunkt andere Anhaltspunkte ersichtlich, die es ermöglicht hätten, der Klägerin noch im Laufe des 8. Juni 2017 einen Hinweis auf die Formwidrigkeit ihrer Berufung zukommen zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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