Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 39 R 485/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1965 in der Türkei geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, welche sie großgezogen hat. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in einer Mietwohnung. Sie kümmert sich überwiegend allein um den Haushalt, insbe-sondere wäscht sie die Wäsche, kümmert sich um die Böden und die warmen Mahlzeiten für ihre Familie. Sie kocht jeden Tag. Sie verfügt über eine Fahrerlaubnis. Auf ihren Na-men ist ein PKW angemeldet. Zwischenzeitlich wurde ihr ein Grad der Behinderung i.H.v. 50 zuerkannt. Gegenwärtig bezieht sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeit-suchende.
Am 17.10.2013 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Daraufhin zog diese medizinische Unterlagen über die Klägerin bei. Nach deren Auswertung lehnte sie den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.02.2014 ab. Zwar leide die Klägerin unter Minderbelastbarkeit der Hüftgelenke bei Zustand nach beidseiti-ger Prothesen-Implantation sowie Körperübergewicht. Allerdings sei ihre Leistungsfähig-keit hierdurch nicht auf ein rentenberechtigendes Maß abgesunken.
Hiergegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch. Zur Begründung wurde insbesondere geltend gemacht, dass die beidseitige Hüft-Totalendoprothese nicht zu ei-ner Besserung ihres Gesundheitszustandes geführt habe.
Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin durch Dr. T. (Arzt für Orthopädie und Gutach-tenwesen) – am 09.04.2014 – untersuchen. Nach seiner Ansicht sei die Klägerin in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeit, überwiegend sitzend und zeitweise stehend und gehend für sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Sodann wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 als unbe-gründet zurückgewiesen. Auch nach den im Widerspruchsverfahren weiter festgestellten Gesundheitseinschränkungen – Funktionsstörung der Wirbelsäule und Bronchitis – sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht auf ein rentenberechtigendes Maß abgesunken.
Mit ihrer – am 09.07.2014 erhobenen – Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren unter Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Widerspruch weiter. Insbesondere wird gel-tend gemacht, dass sie unter Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule leide.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 17.10.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsmin-derung, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre angegriffene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte der be-handelnden Ärzte Dr. M. (Facharzt für Innere Medizin), Dr. N. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie), Dr. H. (Arzt für Orthopädie) sowie Dr. H. (Facharzt für Allgemeinmedizin) eingeholt. Zudem sind Entlassungsberichte des St. B. in I. und des N. in H. beigezogen worden.
Sodann hat das Gericht Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen nervenärztlichen Hauptgut-achtens von Dr. C. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) sowie eines schriftlichen wissenschaftlich, fachorthopädisch, schmerztherapeutischen Zusatzgutachtens von Fr. Dr. O. (Fachärztin für Orthopädie, Spezielle Schmerztherapie).
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 05.06.2015 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 02.06.2015 betreffend den neurologischen Sektor keine relevanten Aus-fallerscheinungen feststellen können. In psychischer Hinsicht sei vom Vorliegen einer Neurasthenie als leichtester Prägnanztyp von psychischen Ausfallerscheinungen oder Beeinträchtigung auszugehen, die deutlich reaktiv getriggert seien und mit einem unzu-friedenen Hardern über situative Konstellationen und Belastungen unterlegt seien. Ein tiefergehendes psychisches Beeinträchtigungserlebnis liege nicht vor. Unter Berücksich-tigung des Zusatzgutachtens vom 11.04.2015 (klinische Untersuchung am 16.03.2015) seien auf orthopädischem Gebiet folgende Diagnosen zu nennen:
1. Zustand nach Einsatz eines Hüftkunstgelenkes beidseits, rechts einhergehend mit Komplikationen bei kindlicher Hüftdysplasie, mit gutem funktionellen postoperati-ven Ergebnis, 2. geringgradige Funktionsstörung des linken Schultergelenkes bei Schultergürtel-fehlstatik und Schultereckgelenksreizung, 3. X-Beinfehlstellung ab Knie beidseits, Überlastung beider Kniegelenke ohne Funk-tionsstörung, 4. Knick-Senk-Spreizfuß beidseits ohne Funktionsstörung und ohne korrigierende Maßnahmen, 5. geringe Funktionsstörung von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, Hohlkreuz-fehleinstellung der Lendenwirbelsäule.
Weiter sei eine deutliche Adipositas gegeben.
Auf schmerzmedizinischem Fachgebiet hat Frau Dr. Nentwig ergänzend Folgendes di-agnostiziert:
Vorrangig dysfunktionale Schmerzchronifizierungsgrad IV nach von Korff mit subjektiver Beeinträchtigung der allgemeinen Belastungsfähigkeit, Hinweisen auf ein sekundär neuropathisches Schmerzbild und Hinweisen auf eine biopsychosoziale Belastung oh-ne eindeutigen Nachweis einer hochgradigen, nicht mehr veränderlichen Schmerzstö-rung.
Beide Gutachter sind übereinstimmend der Ansicht, dass die Klägerin hiermit noch leich-te Arbeiten überwiegend im Sitzen, wechselweise auch im Stehen und Gehen, vorzugs-weise in geschlossenen Räumen und ohne Temperaturschwankungen wie Nässe, Kälte etc. an sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten könne. Sie sei noch in der Lage, Gewichte von 5 bis 10 kg zu heben, zu tragen und zu bewegen. Darüber hinaus sollten zumindest mechanische oder personelle Hilfsmittel möglich sein. Sie sei fähig geistig einfache bis mittelschwere Arbeiten, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an die Konzentration, Reaktion, Übersicht, Aufmerk-samkeit und Verantwortungsbewusstsein sowie mit moderatem Publikumsverkehr zu bewältigen. Die Gebrauchsfertigkeit der Hände sei gegeben. Allerdings seien der Kläge-rin Arbeiten im Knien, Hocken oder Bücken, in Wechselschicht, in Nachtschicht, auf Ge-rüsten oder Leitern nicht mehr zumutbar. Überkopf- und Überschulterarbeiten seien nur noch kurzfristig zumutbar. Treppensteigen könne sie bis zur zweiten, allerhöchstens bis zur dritten Etage. Ihre Gehfähigkeit sei aus orthopädisch schmerzmedizinischer Sicht zwar gering eingeschränkt. Allerdings sei die Klägerin noch in der Lage, viermal täglich mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmit-tel auch zur Hauptverkehrszeit zu nutzen und ein Kraftfahrzeug zu steuern.
Auf Antrag der Klägerin ist weiter Beweis erhoben worden durch Einholung eines schrift-lichen orthopädisch-chirurgischen Gutachtens von Dr. Asholt (Arzt für Orthopädie, spezi-elle orthopädische Chirurgie).
Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 10.01.2016 aufgrund körperlicher Untersuchung vom 06.01.2016 auf rein orthopädischem Gebiet folgende Diagnosen gestellt:
1. operiertes Hüftgelenksleiden beidseits mit angeborener Hüftdysplasie mit hoher Hüftluxation beidseits. Es besteht ein gutes postoperatives Ergebnis an den Hüft-gelenken, 2. Funktionsstörung der Kniegelenke bei X-Beinfehlstellung der Beine, 3. Fußfehlform ohne höhergradige Funktionsstörung, 4. schmerzhafte Funktionsminderung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und radiologisch nachweisbaren Ver-schleißprozessen, 5. Funktionsstörung des Schultergürtels mit schmerzhafter Bewegungseinschrän-kung und Muskeldysbalancen sowie aktenkundiger Schultergelenksarthrose.
Seiner Ansicht nach sei die Klägerin in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. in frei wählbarer Körperhaltung, in geschlossenen Räumen, ohne Umwelteinflüsse lediglich unter drei Stunden regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Las-ten von 5 kg könne sie lediglich kurzfristig Heben und Tragen. Arbeiten im Knien, im Ho-cken und im Bücken, in Überkopf- und Überschulterhaltung, auf Gerüsten, Leitern und Regalleitern, in Wechselschicht und in Nachtschicht, mit zeitlichem Druck sowie häufi-gem Publikumsverkehr seien der Klägerin nicht mehr zumutbar. Ihre Gehfähigkeit sei eingeschränkt. Sie könne täglich insgesamt viermal mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten nicht mehr ohne unzumutbare Schmerzen zurücklegen. Ursächlich hier-für sei wiederum das heute nicht gefundene Schmerzbild, welches diagnostisch noch nicht ganz eindeutig zugeordnet werden könne. Auch sei ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit derzeit nicht zumutbar. Dies erscheine nicht wirk-lich realistisch. Die Klägerin laufe langsam am Rollator. Dagegen sei die Kfz-Benutzung nicht eingeschränkt. Insgesamt sei die Leistungsminderung vorrangig auf die allgemeine Schmerzproblematik zurückzuführen. Die Ursache hierfür sei jedoch noch nicht ab-schließend aufgeklärt. Diesbezüglich sei die Durchführung einer internistisch-rheumatologischen Zusatzbegutachtung zu empfehlen.
Zur Abklärung einer rheumatischen Grunderkrankung hat das Gericht weiter Beweis er-hoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihre Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen internistisch-rheumatologischen Gutachtens von Dr. G.-L. (Internist und Rheumatologe).
Dieser hat in seinem Gutachten vom 17.08.2016 (Untersuchung am 19.04.2016) – auf dessen Inhalt wegen der Diagnosen im Einzelnen Bezug genommen wird – bei der Klä-gerin auf orthopädischem Gebiet dieselben Diagnosen gestellt wie bereits Frau Dr. O ... Aus rheumatologischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage leichte körperliche Tätig-keiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Sitzen, wechselnd im Stehen und Gehen zu absolvieren. Tätigkeiten im Knien, Hocken und Bücken, auf Gerüsten, Leitern und auf Regalleitern, in Nachtschicht oder in Wechselschicht sowie unter be-sonderem Zeitdruck seien ihr nicht mehr zumutbar. Mit Hilfe von mechanischen oder personellen Hilfsmitteln sei sie in der Lage, Gewichte von 5 bis 10 kg zu heben, zu tra-gen und zu bewegen. Mit diesen Beeinträchtigungen sei sie nur noch in der Lage, weni-ge bis drei Stunden täglich zu arbeiten. Auch sei ihre Gehfähigkeit eingeschränkt. Nicht mehr zumutbar sei ihr, mehr als viermal täglich insgesamt 500 m in jeweils 20 Minuten zurückzulegen. Das Zumuten öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit sei nur bedingt möglich. Hingegen sei die Kfz-Nutzung nicht eingeschränkt. Die Leistungsmin-derung sei durch die Schmerzproblematik induziert. Die Ursache sei nicht rheumatologi-scher Art, sondern auf ein chronisches Schmerzsyndrom bei bestehender Polyarthrose zurückzuführen. Es habe sich kein Hinweis auf eine rheumatologische Grunderkran-kung bzw. eine entzündliche Gelenkserkrankung ergeben.
Gegen dieses Gutachten hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.09.2014 eingewendet, dass die Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar sei. Denn eine rheumatische Grun-d¬erkrankung werde ausgeschlossen. Im Übrigen seien wesentlich neue Gesund-heitseinschränkungen nicht diagnostiziert worden.
Auf Nachfrage des Gerichts führte Dr. G.-L. in seinen ergänzenden Stellungnahmen (vom 09.11.2016 und vom 17.11.2016) im Ergebnis aus, dass er nunmehr von einem mehr als sechsstündigen, täglichen Leistungsvermögen der Klägerin ausgehe. Jedoch sei ihr nicht mehr zumutbar, eine Wegstrecke von 500 Metern viermal täglich in jeweils 20 Minuten zurückzulegen.
Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2016 eingewendet, dass die nunmehr geänderte Leistungsbeurteilung nicht nachvollzogen werden könne.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Sachverständige Frau Dr. O. die Gutachten von Dr. B. und Dr. G.-L. diskutiert. In ihrer Stellungnahme vom 10.02.2017 – auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – hat sie insbesondere ausgeführt, dass die Klägerin zwar eine hohe Schmerzproblematik beschreibe. Jedoch könne den vorgenannten Gutachten "weder eine Kombination von nachvollziehbarer radiologischer Veränderung, nachvollziehbar körperlicher Veränderung plus Schmerz, noch eine Dar-stellung z.B. schmerzchronifizierender psychosozialer Belastungen, oder eine irgendwie verobjektivierbare Grundlage für den chronischen Schmerz" entnommen werden. Dies gelte auch für die jeweiligen Anamneseerhebungen.
Schließlich hat das Gericht weiter Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen neurologisch-psychiatrisch-sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. I. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin) sowie eines fachorthopädischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr. X. (Chefarzt der orthopädischen Abteilung des St. F.-Hospitals I./X.).
Prof. Dr. X. hat in seinem Zusatzgutachten vom 08.09.2017 aufgrund Untersuchung am 13.07.2017 bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:
1. Zustand nach Hüft-TEP-Implantation beidseits, 2. X-Beinfehlstellung am Knie beidseits mit Überbelastungsbeschwerden ohne Funktionsstörung, 3. Knick-Senk-Spreizfuß beidseits ohne Funktionsstörungen und ohne korrigierende Maßnahmen, 4. schmerzhafte Funktionsminderung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und radiologisch nachgewiesenen Verschleißprozessen, 5. Funktionsstörung des Schultergürtels mit endgradiger Bewegungseinschränkung beider Schultern ohne Nachweis höhergradigen Verschleißes.
Nach seiner Ansicht könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht leichte körperliche Tä-tigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. vorzugswürdig in frei wählbarer Körperhaltung so-wie in geschlossenen Räumen bis zu drei Stunden täglich verrichten. Nach eigenen Angaben könne sie maximal 5 kg heben oder tragen. Nicht zumutbar seien ihr Arbeiten im Knien, Hocken und Bücken, in Überkopf- und Überschultersituation, auf Gerüsten, Leitern, Regalleitern oder verbunden mit Treppensteigen sowie in Nacht- und Wechsel-schicht. Moderater Publikumsverkehr sei hingegen zumutbar. Die Gehfähigkeit der Klä-gerin sei eingeschränkt. Sie demonstriere ein verlangsamtes Gangbild am Rollator mit einem breitbasigen Schritt. Sie sei derzeit nicht mehr in der Lage, täglich insgesamt vier-mal mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, ohne unzumutba-re Schmerzen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigung zu erleiden. Ursächlich hierfür seien das Schmerzsyndrom sowie die Luftnot der Klägerin bei Anstrengung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit sei derzeit nicht möglich. Die Klägerin laufe langsam am Rollator, wobei das Einsteigen in Bus und Bahn zur Hauptverkehrszeit beschwerlich sei. Hingegen sei die Kfz Nutzung nicht eingeschränkt.
Dr. I. hat in seinem Hauptgutachten vom 17.10.2017 aufgrund der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung am 12.05.2017 sowie unter Berücksichtigung des Zu-satzgutachtens Folgendes diagnostiziert:
1. Chronische Schmerzkrankheit aufgrund körperlicher und psychischer Faktoren, rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwere depressive Episode mit Somatisierung, 2. Hüftgelenksersatz beidseits, 3. Kniegelenksleiden, 4. Schultergelenksleiden, 5. Verschleißleiden der Wirbelsäule.
In der sozialmedizinischen Gesamtschau sei die Klägerin in der Lage, körperlich leichte und gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend in sitzender Körperhaltung oder aber vorzugsweise in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen an sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Die Klägerin sei noch in der Lage, Lasten mit einem Gewicht bis 5 kg regelmäßig zu heben und zu tragen und Lasten bis zu 10 kg kurzfristig zu heben und zu tragen. Auch sei das gelegentliche Besteigen einer zwei- bis dreistufigen Büroleiter sowie das Treppensteigen zumutbar. Die Gebrauchsfertigkeit der Hände sei nicht beeinträchtigt. Sie könne geistig einfache Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Konzentration, Reaktion, Übersicht und Aufmerksamkeit verrichten. Auch sei gelegentlicher Publikumsverkehr si-cherlich zumutbar. Hingegen sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, Arbeiten im Knien, Hocken, Bücken sowie Überkopf- und Überschulterarbeiten, in Wechselschicht und in Nachtschicht sowie Akkord- und Fließbandarbeiten zu verrichten. Ihre Gehfähigkeit sei zwar eingeschränkt, allerdings sei sie in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel auch zur Hauptverkehrszeit zu nutzen. Zwar berge die Benutzung des Rollator natürlich gewisse Schwierigkeiten, allerdings sei sie durchaus in der Lage, mit diesem adäquat umzuge-hen.
Sodann hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.11.2017 angeboten, die notwendigen Fahrtkosten für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen, sofern die Klägerin nicht über ein Kraftfahrzeug verfü-gen sollte. Weiter hat sie sich bereit erklärt, nach Aufnahme eines Arbeits- bzw. Beschäf-tigungsverhältnisses die nachgewiesenen Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort zu übernehmen, bis über andere zielführende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben -insbesondere Leistungen nach der Kfz-Hilfe-Verordnung – endgültig entschieden wer-den könne.
Schließlich hat die Klägerin eingewandt, dass neben Prof. Dr. Wittenberg auch bereits Dr. B. ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 02.07.2014 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die angegriffene Entscheidung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung liegen nicht vor.
Die Beklagte hat die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abge-lehnt. Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Da-nach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit au-ßerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min-destens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll er-werbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hingegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in Ansehung des festgestellten Gesundheitszustandes sowie ihres hieraus resultieren-den Leistungsvermögens weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der vor-genannten Vorschriften.
1. Zwar ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustandes ein-geschränkt. Denn sie leidet an den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Gesund-heitsstörungen, welche ihre Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben einschränken. Unter Berücksichtigung der Auswirkungen des festgestellten Gesundheitszustandes ist sie zur Überzeugung der Kammer jedoch noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkei-ten überwiegend im Sitzen, vorwiegend in geschlossen Räumen, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Arbeiten, wel-che die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände erfordern, sind ebenso möglich wie geistig einfache Arbeiten. Auch sind Tätigkeiten mit gelegentlichem Publikumsverkehr sowie das Treppensteigen zumutbar. Sie kann jedenfalls Lasten mit einem Gewicht bis 5 Kg heben und tragen. Hingegen ist ihr keine Arbeit in Wechselschicht, in Nachtschicht, auf Gerüsten oder Leitern, mit häufigem Bücken, in Überkopf- und Überschulterhaltung oder unter Witterungseinflüssen mehr zumutbar.
a) Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie des hieraus resultierenden Leistungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben stützt die Kammer auf die ausführli-chen und schlüssig begründeten Schlussfolgerungen der von Amts wegen beauftragten Sachverständigen Dr. C., Frau Dr. O. sowie Dr. I ... Diese Sachverständigen haben – als erfahrene und anerkannte Fachärzte – aufgrund eingehender ambulanter Untersu-chung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der im Untersuchungszeitraum aktenkundigen ärztlichen Unterlagen die oben genannten Gesundheitsstörungen sowie die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Leis-tungsfähigkeit der Klägerin festgestellt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Befun-derhebung oder eine unzutreffende Leistungsbeurteilung sind für die Kammer nicht er-sichtlich. Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchs-frei und überzeugend begründet.
Insbesondere sind die übereinstimmenden Leistungsbeurteilungen der vorgenannten Sachverständigen auch deswegen überzeugend, weil die festgestellten Diagnosen nicht so schwerwiegend sind, dass sie selbst leichte körperliche Tätigkeiten ausschließen. Beispielsweise handelt es sich bei den orthopädischen Leiden – die im Übrigen von sämtlichen Sachverständigen einheitlich diagnostiziert werden – um geringfügige Ein-schränkungen. Sie werden überwiegend mit den Zusätzen "ohne Funktionseinschrän-kung" oder "endgradiger Bewegungseinschränkung" beschrieben. Letzteres bedeutet, dass Schmerzen oder Funktionsbeeinträchtigungen erst zum Ende des maßgeblichen Bewegungsablaufes auftreten. Dies vermag jedoch eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich nicht zu rechtfertigten. Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit den psychischen Leiden. Insoweit wird ausdrück-lich auf die Ausführungen von Dr. Hinrichs Bezug genommen.
Den quantitativen Leistungseinschätzungen von Dr. C., Frau Dr. O. sowie Dr. I. ist im Er-gebnis auch der weitere von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. Fischer-Kahle gefolgt. Dieser hat eine rheumatische Grunderkrankung der Klägerin ausgeschlossen. Dieser Befund ist für die Kammer jedenfalls vor dem Hintergrund der von der Klägerin angegebenen, sie behandelnden Ärzte plausibel.
Auch der Tagesablauf der Klägerin spricht dafür, dass sie noch in der Lage ist, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Rahmen der Untersuchungen durch die gerichtlich bestellten Sachverständigen hat die Klägerin insbesondere gegenüber Frau Dr. O. sowie Dr. I. angegeben, dass sie sich um den Haushalt kümmere und dabei kaum Unterstützung von ihrer Familie bekomme. Auch wasche sie die Wäsche und bereite jeden Tag warme Mahlzeiten für die vierköpfige Fa-milie zu. Derartige regelmäßige Tätigkeiten wären bei einer Person, die nicht mehr in der Lage sein soll, körperlich leichte Tätigkeiten wenigstens drei Stunden am Tag zu verrich-ten, nicht zu erwarten.
b) Dagegen vermag zunächst die quantitative Leistungsbeurteilung des auf Antrag der Klägerin beauftragten Sachverständigen Dr. B. nicht zu überzeugen. Für die Annahme, dass die Klägerin täglich nur noch drei Stunden regelmäßig arbeiten könne, fehlt es an ausreichenden objektiven Anhaltspunkten. Denn Dr. B. hat dieselben gesundheitlichen Leiden wie bereits Frau Dr. O. diagnostiziert. Diese sind – wie oben bereits ausgeführt – nur von geringem Ausmaß. Zudem begründet Dr. B. seine Schlussfolgerungen zum quantitativen Leistungsvermögen mit der "allgemeinen Schmerzproblematik". Hierbei handelt es sich jedoch nicht um sein Fachgebiet, sondern um das von Frau Dr. O ... Diese hat in ihrem Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme bereits die Scherzthema-tik zutreffend und überzeugend erfasst. So hat sie beispielsweise einzelne qualitative Einschränkungen explizit auf die Schmerzempfindlichkeit zurückgeführt. Zudem wird ihre Leistungseinschätzung – wie unten noch ausgeführt wird – auch von Dr. I., welcher ebenfalls Sozialmediziner ist, bestätigt. Dagegen bleibt Dr. B. einer eingehenden Be-gründung schuldig. Inwiefern von der Klägerin geschilderte Schmerzen das quantitative Leistungsvermögen konkret einschränken sollen, erklärt er nicht. Auch fehlt es – im Ge-gensatz zur Begutachtung von Fr. Dr. O. – an objektiven Erhebungen zum Scherzemp-finden der Klägerin. Im Übrigen hat sich auch der von Dr. Asholt angeregte Verdacht ei-ner rheumatischen Grunderkrankung nicht bestätigt.
c) Weiter überzeugt auch die quantitative Einschätzung von Prof. Dr. X. nicht. Denn die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens wird nicht schlüssig begründet. Prof. Dr. X. nimmt ein unter dreistündiges Leistungsvermögen an, obwohl er dieselben orthopädischen Leiden diagnostiziert wie bereits Frau Dr. O. Eine eingehende Begrün-dung für seine Leistungseinschätzung fehlt jedoch. Zur Begründung führt er lediglich ein "Schmerzsyndrom" an. Insofern gelten die Ausführungen zum Gutachten von Dr. B. entsprechend. Prof. Dr. X. erhebt – im Gegensatz zu Frau Dr. O. – auch keine objektivier-baren Befunde zum Schmerzempfinden der Klägerin. Zudem setzt er sich nicht mit der Leistungsbeurteilung von Fr. Dr. O. auseinander. Überdies erweckt es Zweifel an seinen Schlussfolgerungen, soweit er qualitative Leistungseinschränkungen lediglich auf die subjektiven Angaben der Klägerin stützt (so beispielsweise hinsichtlich des Hebens und Bewegens von Lasten).
d) Letztlich spricht gegen die Leistungsbeurteilungen von Dr. B. sowie Prof. Dr. X. auch, dass die Leistungsbeurteilung von Frau Dr. O. durch die sozialmedizinische Gesamt-schau von Dr. I. bestätigt wird. Seine Leistungsbeurteilung berücksichtigt – im Gegensatz zu den primär orthopädisch geprägten Gutachten von Dr. B. und Prof. Dr. X. – fachge-bietsübergreifend die gesundheitlichen Leiden der Klägerin in der Gesamtschau.
2. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungsein-schränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung kommt ein An-spruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.
Zwar ist trotz eines Leistungsvermögens von sechs Stunden und mehr für leichte Arbei-ten – wie hier – ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann gegeben, wenn bei eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und dem Versicherten keine Tätig-keit benannt werden kann, die er trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann (zusammenfassend Freuden-berg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 166 ff. m.w.N. zur höchstrichtlichen Rspr.). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint da-bei Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rn. 28 m.w.N.). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen (a.a.O.).
Hingegen meint "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" die Fall-gruppe, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrich-tungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können (zusammenfassend Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 173 m.w.N.).
Vorliegend ist weder eine schwere spezifische Behinderung noch eine Summierung un-gewöhnlicher Leistungseinschränkungen gegeben. Denn die Klägerin ist mit ihrem ver-bliebenen Restleistungsvermögen insbesondere in der Lage, noch mindestens sechs Stunden am Tag einfache auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anfallende Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. auszuüben. Die von den Sach-verständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen stehen einer Ein-satzfähigkeit der Klägerin in den vorgenannten Arbeitsfeldern nicht in der Weise entge-gen, dass ernstliche Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen bestünden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 – juris Rn. 17 ff.). Insbesondere ist sie – wie oben ausgeführt – nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen sämtlicher Sachverständigen in der Lage, einfache geistige Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit einfachen Anforderungen an die Reaktion, die Übersicht, die Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit auszuüben. Auch ist ihr Sehvermögen nicht eingeschränkt, die Ge-brauchsfähigkeit ihrer Hände gegeben, und Tätigkeiten mit moderatem Publikumsver-kehr sind möglich.
3. Schließlich kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Wegefähigkeit ein Rentenan-spruch nicht in Betracht. Zwar gilt der Arbeitsmarkt nach höchstrichterlicher Rechtspre-chung als verschlossen, wenn der Versicherte den Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückle-gen kann. Maßgeblich ist, ob der Versicherte noch in der Lage ist, entweder viermal täg-lich eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurück-zulegen und öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen oder ihm al-ternativ ein Kraftfahrzeug zur Verfügung steht (eingehend Freudenberg in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 209 ff. m.w.N.). Im hiesigen Fall ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in der Lage, viermal täglich mehr als 500 m in jeweils höchstens 20 Minuten, also zumutbarem Zeitaufwand, zurückzulegen. Auch kann sie öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen sowie ein Kraftfahrzeug führen.
Dies folgt aus den schlüssigen und überzeugenden Feststellungen von Dr. C., Dr. Hinrichs sowie Frau Dr. O ... Warum die Klägerin in Ansehung der eher geringfügigen Gesundheitseinschränkungen nicht in der Lage sein soll, die Wegstrecke von mehr als 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen, wird von Dr. B. sowie Prof. Dr. X. nicht weiter begründet. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der Ausführungen von Frau Dr. O. (Schmerzmedizinerin) sowie von Dr. I. (Sozialmedizin) nicht nachvollziehbar. Insofern gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
Zwar mag die Verwendung eines Hilfsmittels in Form eines Rollators die Benutzung öf-fentlicher Verkehrsmittel im Verhältnis zu einem gesunden Menschen sicherlich er-schweren. Gleichwohl führt dies nicht grundsätzlich zur Unfähigkeit, solche zur Haupt-verkehrszeit zu benutzen. Bereits nach den allgemeinen Beförderungsbedingungen soll auch Personen, die in ihrer Gehfähigkeit beeinträchtigt sind, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich sein (vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 Verordnung über die Allgemeinen Beför-derungsbedingungen für Straßenbahnen- und Omnibusverkehr sowie den Linienver-kehr mit Kraftfahrzeugen).
Überdies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Nach eigenen Angaben ist sie im Jahr 2016 "schwarzgefah-ren". Auch hat sie erklärt, einen PKW nutzen zu können, der auf ihren Namen angemel-det ist. Im Übrigen wäre die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2017 zugesicherten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2011 – B 13 R 79/11 R – juris Rn. 28 f.). Denn die Beklagte hat sich bereit erklärt, die notwenigen Fahrtkosten für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche sowie nach Aufnahme eines konkreten Ar-beitsverhältnisses auch die nachgewiesenen Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeits-ort zu übernehmen.
Da die Beklagte nicht unterliegt, hat sie auch keine Kosten zu tragen (§§ 193, 183 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1965 in der Türkei geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, welche sie großgezogen hat. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in einer Mietwohnung. Sie kümmert sich überwiegend allein um den Haushalt, insbe-sondere wäscht sie die Wäsche, kümmert sich um die Böden und die warmen Mahlzeiten für ihre Familie. Sie kocht jeden Tag. Sie verfügt über eine Fahrerlaubnis. Auf ihren Na-men ist ein PKW angemeldet. Zwischenzeitlich wurde ihr ein Grad der Behinderung i.H.v. 50 zuerkannt. Gegenwärtig bezieht sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeit-suchende.
Am 17.10.2013 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Daraufhin zog diese medizinische Unterlagen über die Klägerin bei. Nach deren Auswertung lehnte sie den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.02.2014 ab. Zwar leide die Klägerin unter Minderbelastbarkeit der Hüftgelenke bei Zustand nach beidseiti-ger Prothesen-Implantation sowie Körperübergewicht. Allerdings sei ihre Leistungsfähig-keit hierdurch nicht auf ein rentenberechtigendes Maß abgesunken.
Hiergegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch. Zur Begründung wurde insbesondere geltend gemacht, dass die beidseitige Hüft-Totalendoprothese nicht zu ei-ner Besserung ihres Gesundheitszustandes geführt habe.
Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin durch Dr. T. (Arzt für Orthopädie und Gutach-tenwesen) – am 09.04.2014 – untersuchen. Nach seiner Ansicht sei die Klägerin in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeit, überwiegend sitzend und zeitweise stehend und gehend für sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Sodann wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 als unbe-gründet zurückgewiesen. Auch nach den im Widerspruchsverfahren weiter festgestellten Gesundheitseinschränkungen – Funktionsstörung der Wirbelsäule und Bronchitis – sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht auf ein rentenberechtigendes Maß abgesunken.
Mit ihrer – am 09.07.2014 erhobenen – Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren unter Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Widerspruch weiter. Insbesondere wird gel-tend gemacht, dass sie unter Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule leide.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 17.10.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsmin-derung, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre angegriffene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte der be-handelnden Ärzte Dr. M. (Facharzt für Innere Medizin), Dr. N. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie), Dr. H. (Arzt für Orthopädie) sowie Dr. H. (Facharzt für Allgemeinmedizin) eingeholt. Zudem sind Entlassungsberichte des St. B. in I. und des N. in H. beigezogen worden.
Sodann hat das Gericht Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen nervenärztlichen Hauptgut-achtens von Dr. C. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) sowie eines schriftlichen wissenschaftlich, fachorthopädisch, schmerztherapeutischen Zusatzgutachtens von Fr. Dr. O. (Fachärztin für Orthopädie, Spezielle Schmerztherapie).
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 05.06.2015 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 02.06.2015 betreffend den neurologischen Sektor keine relevanten Aus-fallerscheinungen feststellen können. In psychischer Hinsicht sei vom Vorliegen einer Neurasthenie als leichtester Prägnanztyp von psychischen Ausfallerscheinungen oder Beeinträchtigung auszugehen, die deutlich reaktiv getriggert seien und mit einem unzu-friedenen Hardern über situative Konstellationen und Belastungen unterlegt seien. Ein tiefergehendes psychisches Beeinträchtigungserlebnis liege nicht vor. Unter Berücksich-tigung des Zusatzgutachtens vom 11.04.2015 (klinische Untersuchung am 16.03.2015) seien auf orthopädischem Gebiet folgende Diagnosen zu nennen:
1. Zustand nach Einsatz eines Hüftkunstgelenkes beidseits, rechts einhergehend mit Komplikationen bei kindlicher Hüftdysplasie, mit gutem funktionellen postoperati-ven Ergebnis, 2. geringgradige Funktionsstörung des linken Schultergelenkes bei Schultergürtel-fehlstatik und Schultereckgelenksreizung, 3. X-Beinfehlstellung ab Knie beidseits, Überlastung beider Kniegelenke ohne Funk-tionsstörung, 4. Knick-Senk-Spreizfuß beidseits ohne Funktionsstörung und ohne korrigierende Maßnahmen, 5. geringe Funktionsstörung von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, Hohlkreuz-fehleinstellung der Lendenwirbelsäule.
Weiter sei eine deutliche Adipositas gegeben.
Auf schmerzmedizinischem Fachgebiet hat Frau Dr. Nentwig ergänzend Folgendes di-agnostiziert:
Vorrangig dysfunktionale Schmerzchronifizierungsgrad IV nach von Korff mit subjektiver Beeinträchtigung der allgemeinen Belastungsfähigkeit, Hinweisen auf ein sekundär neuropathisches Schmerzbild und Hinweisen auf eine biopsychosoziale Belastung oh-ne eindeutigen Nachweis einer hochgradigen, nicht mehr veränderlichen Schmerzstö-rung.
Beide Gutachter sind übereinstimmend der Ansicht, dass die Klägerin hiermit noch leich-te Arbeiten überwiegend im Sitzen, wechselweise auch im Stehen und Gehen, vorzugs-weise in geschlossenen Räumen und ohne Temperaturschwankungen wie Nässe, Kälte etc. an sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten könne. Sie sei noch in der Lage, Gewichte von 5 bis 10 kg zu heben, zu tragen und zu bewegen. Darüber hinaus sollten zumindest mechanische oder personelle Hilfsmittel möglich sein. Sie sei fähig geistig einfache bis mittelschwere Arbeiten, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an die Konzentration, Reaktion, Übersicht, Aufmerk-samkeit und Verantwortungsbewusstsein sowie mit moderatem Publikumsverkehr zu bewältigen. Die Gebrauchsfertigkeit der Hände sei gegeben. Allerdings seien der Kläge-rin Arbeiten im Knien, Hocken oder Bücken, in Wechselschicht, in Nachtschicht, auf Ge-rüsten oder Leitern nicht mehr zumutbar. Überkopf- und Überschulterarbeiten seien nur noch kurzfristig zumutbar. Treppensteigen könne sie bis zur zweiten, allerhöchstens bis zur dritten Etage. Ihre Gehfähigkeit sei aus orthopädisch schmerzmedizinischer Sicht zwar gering eingeschränkt. Allerdings sei die Klägerin noch in der Lage, viermal täglich mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmit-tel auch zur Hauptverkehrszeit zu nutzen und ein Kraftfahrzeug zu steuern.
Auf Antrag der Klägerin ist weiter Beweis erhoben worden durch Einholung eines schrift-lichen orthopädisch-chirurgischen Gutachtens von Dr. Asholt (Arzt für Orthopädie, spezi-elle orthopädische Chirurgie).
Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 10.01.2016 aufgrund körperlicher Untersuchung vom 06.01.2016 auf rein orthopädischem Gebiet folgende Diagnosen gestellt:
1. operiertes Hüftgelenksleiden beidseits mit angeborener Hüftdysplasie mit hoher Hüftluxation beidseits. Es besteht ein gutes postoperatives Ergebnis an den Hüft-gelenken, 2. Funktionsstörung der Kniegelenke bei X-Beinfehlstellung der Beine, 3. Fußfehlform ohne höhergradige Funktionsstörung, 4. schmerzhafte Funktionsminderung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und radiologisch nachweisbaren Ver-schleißprozessen, 5. Funktionsstörung des Schultergürtels mit schmerzhafter Bewegungseinschrän-kung und Muskeldysbalancen sowie aktenkundiger Schultergelenksarthrose.
Seiner Ansicht nach sei die Klägerin in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. in frei wählbarer Körperhaltung, in geschlossenen Räumen, ohne Umwelteinflüsse lediglich unter drei Stunden regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Las-ten von 5 kg könne sie lediglich kurzfristig Heben und Tragen. Arbeiten im Knien, im Ho-cken und im Bücken, in Überkopf- und Überschulterhaltung, auf Gerüsten, Leitern und Regalleitern, in Wechselschicht und in Nachtschicht, mit zeitlichem Druck sowie häufi-gem Publikumsverkehr seien der Klägerin nicht mehr zumutbar. Ihre Gehfähigkeit sei eingeschränkt. Sie könne täglich insgesamt viermal mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten nicht mehr ohne unzumutbare Schmerzen zurücklegen. Ursächlich hier-für sei wiederum das heute nicht gefundene Schmerzbild, welches diagnostisch noch nicht ganz eindeutig zugeordnet werden könne. Auch sei ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit derzeit nicht zumutbar. Dies erscheine nicht wirk-lich realistisch. Die Klägerin laufe langsam am Rollator. Dagegen sei die Kfz-Benutzung nicht eingeschränkt. Insgesamt sei die Leistungsminderung vorrangig auf die allgemeine Schmerzproblematik zurückzuführen. Die Ursache hierfür sei jedoch noch nicht ab-schließend aufgeklärt. Diesbezüglich sei die Durchführung einer internistisch-rheumatologischen Zusatzbegutachtung zu empfehlen.
Zur Abklärung einer rheumatischen Grunderkrankung hat das Gericht weiter Beweis er-hoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihre Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen internistisch-rheumatologischen Gutachtens von Dr. G.-L. (Internist und Rheumatologe).
Dieser hat in seinem Gutachten vom 17.08.2016 (Untersuchung am 19.04.2016) – auf dessen Inhalt wegen der Diagnosen im Einzelnen Bezug genommen wird – bei der Klä-gerin auf orthopädischem Gebiet dieselben Diagnosen gestellt wie bereits Frau Dr. O ... Aus rheumatologischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage leichte körperliche Tätig-keiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Sitzen, wechselnd im Stehen und Gehen zu absolvieren. Tätigkeiten im Knien, Hocken und Bücken, auf Gerüsten, Leitern und auf Regalleitern, in Nachtschicht oder in Wechselschicht sowie unter be-sonderem Zeitdruck seien ihr nicht mehr zumutbar. Mit Hilfe von mechanischen oder personellen Hilfsmitteln sei sie in der Lage, Gewichte von 5 bis 10 kg zu heben, zu tra-gen und zu bewegen. Mit diesen Beeinträchtigungen sei sie nur noch in der Lage, weni-ge bis drei Stunden täglich zu arbeiten. Auch sei ihre Gehfähigkeit eingeschränkt. Nicht mehr zumutbar sei ihr, mehr als viermal täglich insgesamt 500 m in jeweils 20 Minuten zurückzulegen. Das Zumuten öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit sei nur bedingt möglich. Hingegen sei die Kfz-Nutzung nicht eingeschränkt. Die Leistungsmin-derung sei durch die Schmerzproblematik induziert. Die Ursache sei nicht rheumatologi-scher Art, sondern auf ein chronisches Schmerzsyndrom bei bestehender Polyarthrose zurückzuführen. Es habe sich kein Hinweis auf eine rheumatologische Grunderkran-kung bzw. eine entzündliche Gelenkserkrankung ergeben.
Gegen dieses Gutachten hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.09.2014 eingewendet, dass die Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar sei. Denn eine rheumatische Grun-d¬erkrankung werde ausgeschlossen. Im Übrigen seien wesentlich neue Gesund-heitseinschränkungen nicht diagnostiziert worden.
Auf Nachfrage des Gerichts führte Dr. G.-L. in seinen ergänzenden Stellungnahmen (vom 09.11.2016 und vom 17.11.2016) im Ergebnis aus, dass er nunmehr von einem mehr als sechsstündigen, täglichen Leistungsvermögen der Klägerin ausgehe. Jedoch sei ihr nicht mehr zumutbar, eine Wegstrecke von 500 Metern viermal täglich in jeweils 20 Minuten zurückzulegen.
Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2016 eingewendet, dass die nunmehr geänderte Leistungsbeurteilung nicht nachvollzogen werden könne.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Sachverständige Frau Dr. O. die Gutachten von Dr. B. und Dr. G.-L. diskutiert. In ihrer Stellungnahme vom 10.02.2017 – auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – hat sie insbesondere ausgeführt, dass die Klägerin zwar eine hohe Schmerzproblematik beschreibe. Jedoch könne den vorgenannten Gutachten "weder eine Kombination von nachvollziehbarer radiologischer Veränderung, nachvollziehbar körperlicher Veränderung plus Schmerz, noch eine Dar-stellung z.B. schmerzchronifizierender psychosozialer Belastungen, oder eine irgendwie verobjektivierbare Grundlage für den chronischen Schmerz" entnommen werden. Dies gelte auch für die jeweiligen Anamneseerhebungen.
Schließlich hat das Gericht weiter Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen neurologisch-psychiatrisch-sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. I. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin) sowie eines fachorthopädischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr. X. (Chefarzt der orthopädischen Abteilung des St. F.-Hospitals I./X.).
Prof. Dr. X. hat in seinem Zusatzgutachten vom 08.09.2017 aufgrund Untersuchung am 13.07.2017 bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:
1. Zustand nach Hüft-TEP-Implantation beidseits, 2. X-Beinfehlstellung am Knie beidseits mit Überbelastungsbeschwerden ohne Funktionsstörung, 3. Knick-Senk-Spreizfuß beidseits ohne Funktionsstörungen und ohne korrigierende Maßnahmen, 4. schmerzhafte Funktionsminderung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und radiologisch nachgewiesenen Verschleißprozessen, 5. Funktionsstörung des Schultergürtels mit endgradiger Bewegungseinschränkung beider Schultern ohne Nachweis höhergradigen Verschleißes.
Nach seiner Ansicht könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht leichte körperliche Tä-tigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. vorzugswürdig in frei wählbarer Körperhaltung so-wie in geschlossenen Räumen bis zu drei Stunden täglich verrichten. Nach eigenen Angaben könne sie maximal 5 kg heben oder tragen. Nicht zumutbar seien ihr Arbeiten im Knien, Hocken und Bücken, in Überkopf- und Überschultersituation, auf Gerüsten, Leitern, Regalleitern oder verbunden mit Treppensteigen sowie in Nacht- und Wechsel-schicht. Moderater Publikumsverkehr sei hingegen zumutbar. Die Gehfähigkeit der Klä-gerin sei eingeschränkt. Sie demonstriere ein verlangsamtes Gangbild am Rollator mit einem breitbasigen Schritt. Sie sei derzeit nicht mehr in der Lage, täglich insgesamt vier-mal mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, ohne unzumutba-re Schmerzen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigung zu erleiden. Ursächlich hierfür seien das Schmerzsyndrom sowie die Luftnot der Klägerin bei Anstrengung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit sei derzeit nicht möglich. Die Klägerin laufe langsam am Rollator, wobei das Einsteigen in Bus und Bahn zur Hauptverkehrszeit beschwerlich sei. Hingegen sei die Kfz Nutzung nicht eingeschränkt.
Dr. I. hat in seinem Hauptgutachten vom 17.10.2017 aufgrund der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung am 12.05.2017 sowie unter Berücksichtigung des Zu-satzgutachtens Folgendes diagnostiziert:
1. Chronische Schmerzkrankheit aufgrund körperlicher und psychischer Faktoren, rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwere depressive Episode mit Somatisierung, 2. Hüftgelenksersatz beidseits, 3. Kniegelenksleiden, 4. Schultergelenksleiden, 5. Verschleißleiden der Wirbelsäule.
In der sozialmedizinischen Gesamtschau sei die Klägerin in der Lage, körperlich leichte und gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend in sitzender Körperhaltung oder aber vorzugsweise in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen an sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Die Klägerin sei noch in der Lage, Lasten mit einem Gewicht bis 5 kg regelmäßig zu heben und zu tragen und Lasten bis zu 10 kg kurzfristig zu heben und zu tragen. Auch sei das gelegentliche Besteigen einer zwei- bis dreistufigen Büroleiter sowie das Treppensteigen zumutbar. Die Gebrauchsfertigkeit der Hände sei nicht beeinträchtigt. Sie könne geistig einfache Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Konzentration, Reaktion, Übersicht und Aufmerksamkeit verrichten. Auch sei gelegentlicher Publikumsverkehr si-cherlich zumutbar. Hingegen sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, Arbeiten im Knien, Hocken, Bücken sowie Überkopf- und Überschulterarbeiten, in Wechselschicht und in Nachtschicht sowie Akkord- und Fließbandarbeiten zu verrichten. Ihre Gehfähigkeit sei zwar eingeschränkt, allerdings sei sie in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel auch zur Hauptverkehrszeit zu nutzen. Zwar berge die Benutzung des Rollator natürlich gewisse Schwierigkeiten, allerdings sei sie durchaus in der Lage, mit diesem adäquat umzuge-hen.
Sodann hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.11.2017 angeboten, die notwendigen Fahrtkosten für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen, sofern die Klägerin nicht über ein Kraftfahrzeug verfü-gen sollte. Weiter hat sie sich bereit erklärt, nach Aufnahme eines Arbeits- bzw. Beschäf-tigungsverhältnisses die nachgewiesenen Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort zu übernehmen, bis über andere zielführende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben -insbesondere Leistungen nach der Kfz-Hilfe-Verordnung – endgültig entschieden wer-den könne.
Schließlich hat die Klägerin eingewandt, dass neben Prof. Dr. Wittenberg auch bereits Dr. B. ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 02.07.2014 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die angegriffene Entscheidung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung liegen nicht vor.
Die Beklagte hat die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abge-lehnt. Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Da-nach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit au-ßerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min-destens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll er-werbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hingegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in Ansehung des festgestellten Gesundheitszustandes sowie ihres hieraus resultieren-den Leistungsvermögens weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der vor-genannten Vorschriften.
1. Zwar ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustandes ein-geschränkt. Denn sie leidet an den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Gesund-heitsstörungen, welche ihre Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben einschränken. Unter Berücksichtigung der Auswirkungen des festgestellten Gesundheitszustandes ist sie zur Überzeugung der Kammer jedoch noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkei-ten überwiegend im Sitzen, vorwiegend in geschlossen Räumen, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Arbeiten, wel-che die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände erfordern, sind ebenso möglich wie geistig einfache Arbeiten. Auch sind Tätigkeiten mit gelegentlichem Publikumsverkehr sowie das Treppensteigen zumutbar. Sie kann jedenfalls Lasten mit einem Gewicht bis 5 Kg heben und tragen. Hingegen ist ihr keine Arbeit in Wechselschicht, in Nachtschicht, auf Gerüsten oder Leitern, mit häufigem Bücken, in Überkopf- und Überschulterhaltung oder unter Witterungseinflüssen mehr zumutbar.
a) Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie des hieraus resultierenden Leistungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben stützt die Kammer auf die ausführli-chen und schlüssig begründeten Schlussfolgerungen der von Amts wegen beauftragten Sachverständigen Dr. C., Frau Dr. O. sowie Dr. I ... Diese Sachverständigen haben – als erfahrene und anerkannte Fachärzte – aufgrund eingehender ambulanter Untersu-chung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der im Untersuchungszeitraum aktenkundigen ärztlichen Unterlagen die oben genannten Gesundheitsstörungen sowie die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Leis-tungsfähigkeit der Klägerin festgestellt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Befun-derhebung oder eine unzutreffende Leistungsbeurteilung sind für die Kammer nicht er-sichtlich. Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchs-frei und überzeugend begründet.
Insbesondere sind die übereinstimmenden Leistungsbeurteilungen der vorgenannten Sachverständigen auch deswegen überzeugend, weil die festgestellten Diagnosen nicht so schwerwiegend sind, dass sie selbst leichte körperliche Tätigkeiten ausschließen. Beispielsweise handelt es sich bei den orthopädischen Leiden – die im Übrigen von sämtlichen Sachverständigen einheitlich diagnostiziert werden – um geringfügige Ein-schränkungen. Sie werden überwiegend mit den Zusätzen "ohne Funktionseinschrän-kung" oder "endgradiger Bewegungseinschränkung" beschrieben. Letzteres bedeutet, dass Schmerzen oder Funktionsbeeinträchtigungen erst zum Ende des maßgeblichen Bewegungsablaufes auftreten. Dies vermag jedoch eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich nicht zu rechtfertigten. Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit den psychischen Leiden. Insoweit wird ausdrück-lich auf die Ausführungen von Dr. Hinrichs Bezug genommen.
Den quantitativen Leistungseinschätzungen von Dr. C., Frau Dr. O. sowie Dr. I. ist im Er-gebnis auch der weitere von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. Fischer-Kahle gefolgt. Dieser hat eine rheumatische Grunderkrankung der Klägerin ausgeschlossen. Dieser Befund ist für die Kammer jedenfalls vor dem Hintergrund der von der Klägerin angegebenen, sie behandelnden Ärzte plausibel.
Auch der Tagesablauf der Klägerin spricht dafür, dass sie noch in der Lage ist, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Rahmen der Untersuchungen durch die gerichtlich bestellten Sachverständigen hat die Klägerin insbesondere gegenüber Frau Dr. O. sowie Dr. I. angegeben, dass sie sich um den Haushalt kümmere und dabei kaum Unterstützung von ihrer Familie bekomme. Auch wasche sie die Wäsche und bereite jeden Tag warme Mahlzeiten für die vierköpfige Fa-milie zu. Derartige regelmäßige Tätigkeiten wären bei einer Person, die nicht mehr in der Lage sein soll, körperlich leichte Tätigkeiten wenigstens drei Stunden am Tag zu verrich-ten, nicht zu erwarten.
b) Dagegen vermag zunächst die quantitative Leistungsbeurteilung des auf Antrag der Klägerin beauftragten Sachverständigen Dr. B. nicht zu überzeugen. Für die Annahme, dass die Klägerin täglich nur noch drei Stunden regelmäßig arbeiten könne, fehlt es an ausreichenden objektiven Anhaltspunkten. Denn Dr. B. hat dieselben gesundheitlichen Leiden wie bereits Frau Dr. O. diagnostiziert. Diese sind – wie oben bereits ausgeführt – nur von geringem Ausmaß. Zudem begründet Dr. B. seine Schlussfolgerungen zum quantitativen Leistungsvermögen mit der "allgemeinen Schmerzproblematik". Hierbei handelt es sich jedoch nicht um sein Fachgebiet, sondern um das von Frau Dr. O ... Diese hat in ihrem Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme bereits die Scherzthema-tik zutreffend und überzeugend erfasst. So hat sie beispielsweise einzelne qualitative Einschränkungen explizit auf die Schmerzempfindlichkeit zurückgeführt. Zudem wird ihre Leistungseinschätzung – wie unten noch ausgeführt wird – auch von Dr. I., welcher ebenfalls Sozialmediziner ist, bestätigt. Dagegen bleibt Dr. B. einer eingehenden Be-gründung schuldig. Inwiefern von der Klägerin geschilderte Schmerzen das quantitative Leistungsvermögen konkret einschränken sollen, erklärt er nicht. Auch fehlt es – im Ge-gensatz zur Begutachtung von Fr. Dr. O. – an objektiven Erhebungen zum Scherzemp-finden der Klägerin. Im Übrigen hat sich auch der von Dr. Asholt angeregte Verdacht ei-ner rheumatischen Grunderkrankung nicht bestätigt.
c) Weiter überzeugt auch die quantitative Einschätzung von Prof. Dr. X. nicht. Denn die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens wird nicht schlüssig begründet. Prof. Dr. X. nimmt ein unter dreistündiges Leistungsvermögen an, obwohl er dieselben orthopädischen Leiden diagnostiziert wie bereits Frau Dr. O. Eine eingehende Begrün-dung für seine Leistungseinschätzung fehlt jedoch. Zur Begründung führt er lediglich ein "Schmerzsyndrom" an. Insofern gelten die Ausführungen zum Gutachten von Dr. B. entsprechend. Prof. Dr. X. erhebt – im Gegensatz zu Frau Dr. O. – auch keine objektivier-baren Befunde zum Schmerzempfinden der Klägerin. Zudem setzt er sich nicht mit der Leistungsbeurteilung von Fr. Dr. O. auseinander. Überdies erweckt es Zweifel an seinen Schlussfolgerungen, soweit er qualitative Leistungseinschränkungen lediglich auf die subjektiven Angaben der Klägerin stützt (so beispielsweise hinsichtlich des Hebens und Bewegens von Lasten).
d) Letztlich spricht gegen die Leistungsbeurteilungen von Dr. B. sowie Prof. Dr. X. auch, dass die Leistungsbeurteilung von Frau Dr. O. durch die sozialmedizinische Gesamt-schau von Dr. I. bestätigt wird. Seine Leistungsbeurteilung berücksichtigt – im Gegensatz zu den primär orthopädisch geprägten Gutachten von Dr. B. und Prof. Dr. X. – fachge-bietsübergreifend die gesundheitlichen Leiden der Klägerin in der Gesamtschau.
2. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungsein-schränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung kommt ein An-spruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.
Zwar ist trotz eines Leistungsvermögens von sechs Stunden und mehr für leichte Arbei-ten – wie hier – ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann gegeben, wenn bei eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und dem Versicherten keine Tätig-keit benannt werden kann, die er trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann (zusammenfassend Freuden-berg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 166 ff. m.w.N. zur höchstrichtlichen Rspr.). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint da-bei Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rn. 28 m.w.N.). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen (a.a.O.).
Hingegen meint "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" die Fall-gruppe, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrich-tungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können (zusammenfassend Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 173 m.w.N.).
Vorliegend ist weder eine schwere spezifische Behinderung noch eine Summierung un-gewöhnlicher Leistungseinschränkungen gegeben. Denn die Klägerin ist mit ihrem ver-bliebenen Restleistungsvermögen insbesondere in der Lage, noch mindestens sechs Stunden am Tag einfache auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anfallende Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. auszuüben. Die von den Sach-verständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen stehen einer Ein-satzfähigkeit der Klägerin in den vorgenannten Arbeitsfeldern nicht in der Weise entge-gen, dass ernstliche Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen bestünden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 – juris Rn. 17 ff.). Insbesondere ist sie – wie oben ausgeführt – nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen sämtlicher Sachverständigen in der Lage, einfache geistige Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit einfachen Anforderungen an die Reaktion, die Übersicht, die Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit auszuüben. Auch ist ihr Sehvermögen nicht eingeschränkt, die Ge-brauchsfähigkeit ihrer Hände gegeben, und Tätigkeiten mit moderatem Publikumsver-kehr sind möglich.
3. Schließlich kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Wegefähigkeit ein Rentenan-spruch nicht in Betracht. Zwar gilt der Arbeitsmarkt nach höchstrichterlicher Rechtspre-chung als verschlossen, wenn der Versicherte den Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückle-gen kann. Maßgeblich ist, ob der Versicherte noch in der Lage ist, entweder viermal täg-lich eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurück-zulegen und öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen oder ihm al-ternativ ein Kraftfahrzeug zur Verfügung steht (eingehend Freudenberg in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 209 ff. m.w.N.). Im hiesigen Fall ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in der Lage, viermal täglich mehr als 500 m in jeweils höchstens 20 Minuten, also zumutbarem Zeitaufwand, zurückzulegen. Auch kann sie öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen sowie ein Kraftfahrzeug führen.
Dies folgt aus den schlüssigen und überzeugenden Feststellungen von Dr. C., Dr. Hinrichs sowie Frau Dr. O ... Warum die Klägerin in Ansehung der eher geringfügigen Gesundheitseinschränkungen nicht in der Lage sein soll, die Wegstrecke von mehr als 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen, wird von Dr. B. sowie Prof. Dr. X. nicht weiter begründet. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der Ausführungen von Frau Dr. O. (Schmerzmedizinerin) sowie von Dr. I. (Sozialmedizin) nicht nachvollziehbar. Insofern gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
Zwar mag die Verwendung eines Hilfsmittels in Form eines Rollators die Benutzung öf-fentlicher Verkehrsmittel im Verhältnis zu einem gesunden Menschen sicherlich er-schweren. Gleichwohl führt dies nicht grundsätzlich zur Unfähigkeit, solche zur Haupt-verkehrszeit zu benutzen. Bereits nach den allgemeinen Beförderungsbedingungen soll auch Personen, die in ihrer Gehfähigkeit beeinträchtigt sind, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich sein (vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 Verordnung über die Allgemeinen Beför-derungsbedingungen für Straßenbahnen- und Omnibusverkehr sowie den Linienver-kehr mit Kraftfahrzeugen).
Überdies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Nach eigenen Angaben ist sie im Jahr 2016 "schwarzgefah-ren". Auch hat sie erklärt, einen PKW nutzen zu können, der auf ihren Namen angemel-det ist. Im Übrigen wäre die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2017 zugesicherten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2011 – B 13 R 79/11 R – juris Rn. 28 f.). Denn die Beklagte hat sich bereit erklärt, die notwenigen Fahrtkosten für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche sowie nach Aufnahme eines konkreten Ar-beitsverhältnisses auch die nachgewiesenen Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeits-ort zu übernehmen.
Da die Beklagte nicht unterliegt, hat sie auch keine Kosten zu tragen (§§ 193, 183 SGG).
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