L 4 KR 724/18 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2589/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 724/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde betrifft die Zahlung von EUR 50,00.

Der Kläger ist bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Die Beklagte ist als gemeinnützige GmbH Trägerin eines Kreisklinikums. In der Zeit vom 16. bis 20. Mai 2015 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilung der Beklagten.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 forderte die Beklagte den Kläger im Namen der Beigeladenen zur Zahlung von EUR 50,00 auf. Der Kläger habe sich anlässlich einer Behandlung fünf Tage im Krankenhaus der Beklagten aufgehalten. Damit sei er zur Zuzahlung von EUR 10,00 pro Tag verpflichtet. Die Beklagte sei gesetzlich verpflichtet, den Betrag im Auftrag der Beigeladenen einzuziehen. Wenn der Betrag nicht bis 9. Juni 2015 eingehe, werde der so genannte Leistungsbescheid erlassen, der gegebenenfalls auch mit Zwangsmitteln vollstreckt werden könne.

Nachdem kein entsprechender Zahlungseingang erfolgte, erließ die Beklagte am 3. Juli 2015 einen Leistungsbescheid, woraufhin der Kläger den geforderten Betrag zahlte.

Hiergegen erhob der Kläger am 17. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Das Sozialgericht Stuttgart verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Oktober 2017 wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Sozialgericht Reutlingen. Mit Beschluss vom 9. Januar 2018 trennte das Sozialgericht Reutlingen aus der Klage einen Antrag auf Feststellung der Unfreiwilligkeit des stationären Aufenthalts bei der Beklagten vom 16. bis 20. Mai 2015 ab. Dieser wird unter dem Aktenzeichen S 11 KR 95/18 fortgeführt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Beigeladene stellte keinen Antrag. Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 6. Oktober 2017, die Beklagte mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 mit, dass zwischen ihnen vereinbart worden sei, dass die Beigeladene auch den Zuzahlungsanteil des Klägers begleiche und somit auf die Zuzahlung des Klägers verzichtet worden sei. Die Rücküberweisung der ursprünglich vom Kläger eingezahlten EUR 50,00 an diesen sei seitens der Beklagten am 29. März 2017 erfolgt.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2018 ab. Die Klage sei gegen die richtige Beklagte, nämlich die Urheberin des angefochtenen Verwaltungsaktes, erhoben worden. Sie sei jedoch im Übrigen unzulässig, da dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger wende sich zum einen gegen den Leistungsbescheid der Beklagten vom 3. Juli 2015. Die von diesem ausgehende, ihn betreffende Beschwer bestehe in der Festsetzung einer Zuzahlungsverpflichtung in Höhe von EUR 50,00. Dieser Verwaltungsakt sei jedoch aufgrund der Vereinbarung der Beklagten mit der Beigeladenen hinsichtlich der Übernahme der Zuzahlung seitens der Beigeladenen und des Verzichts der Beklagten auf die Zuzahlung des Klägers gegenstandslos geworden und habe sich tatsächlich erledigt. Auch der vom Kläger geltend gemachte Leistungsanspruch auf Rückzahlung der von ihm zunächst eingezahlten EUR 50,00 habe sich mit der tatsächlich erfolgten Rücküberweisung erledigt. Ein darüberhinausgehendes Rechtsschutzinteresse des Klägers sei, jedenfalls nach Abtrennung des nunmehrigen Verfahrens S 11 KR 95/18, nicht ersichtlich.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihnen am 24. Januar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Februar 2018 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er begehre die Zulassung der Berufung und wende sich gegen die Kostenentscheidung. Das Sozialgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Es bestehe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Reutlingen sei zu spät erfolgt. Er begehre Zinsen für die Zeit, in der ihm die Zuzahlung entzogen gewesen sei. Abrechenbare Leistungen i. S. d. § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erbracht worden. Seine Unterbringung sei jedoch nicht freiwillig gewesen, weswegen die Behandlung nicht abrechenbar gewesen sei. I. Ü. verweise er auf sein Schreiben an das Sozialgericht vom 27. Januar 2018.

Die Kläger beantragt sachgerecht gefasst,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Januar 2018 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung und die aus ihrer Sicht zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Januar 2018 ist statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert beträgt EUR 50,00; in Höhe dieses Betrages begehrt eine Verurteilung der Beklagten.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).

Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die für das Urteil des Sozialgerichts – allein aus Sicht des Klägers - entscheidungserhebliche Frage, abrechenbare Leistungen i. S. d. § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erbracht worden, da die Unterbringung des Klägers nicht freiwillig gewesen sei, weswegen die Behandlung nicht abrechenbar gewesen sei, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Der Kläger macht damit allenfalls geltend, dass das Sozialgericht eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe, nicht aber, dass seine Entscheidung auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung nämlich einzig darauf gestützt, dass die Klage wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei, da sich der Rechtsstreit durch den Verzicht auf die Zuzahlung erledigt habe. Dies ist keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung.

b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.

Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2018 nicht aufgestellt. Etwas Anderes hat auch der Kläger nicht behauptet. Der Kläger hat lediglich dargetan, das Sozialgericht weiche von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, ohne dies allerdings für den Senat nachvollziehbar zu substantiieren.

c) Zudem liegt ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht vor. Die aus Sicht des Klägers zu spät erfolgte Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Reutlingen stellt einen Verfahrensmangel in diesem Sinn nicht dar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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