Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 125/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 51/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Vorfalls am 30.08.2010 als von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Nach der amtlichen Auskunft der Kasa Roniczego Ubezpieczenia Spolecznego (Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung - KRUS) vom 08.04.2015 war der Kläger in Polen als Landwirt vom 03.02.1998 bis 02.05.2004, vom 21.06.2004 bis 16.05.2005 und vom 16.07.2005 bis 04.12.2012 landwirtschaftlich sozialversichert. Seit dem 05.12.2012 unterliegt der Kläger nicht mehr der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, weil er einen Anspruch auf Rentenleistung aus der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung KRUS erworben hat.
Der Kläger sollte im Zeitraum 01.09.2010 bis 31.10.2010 eine saisonale Tätigkeit beim Beigeladenen wahrnehmen. Am 30.08.2010 traf er auf dem Hofgelände des Beigeladenen ein in der Absicht, eine Saisonarbeit bei der Obsternte ab dem 31.08.2010 oder früher für einen Zeitraum von 2 Monaten aufzunehmen. Der Kläger stürzte am 30.08.2010 abends auf dem Gelände des Beigeladenen von einer Treppe und verletzte sich dort. Zur Arbeitsaufnahme kam es nicht mehr, weil die damals noch erforderliche Arbeitsgenehmigung infolge des Unfalls beim Arbeitsamt nicht mehr eingeholt werden konnte. Die damals ebenfalls noch erforderliche Einstellungszusage hatte der Beigeladene bereits etwa 6 bis 8 Wochen zuvor beim zuständigen Arbeitsamt eingereicht.
Mit Bescheid vom 10.12.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung des Versicherungsfalls ab. Entschädigungsleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Nach Art. 11 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliege eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübe, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates. Aufgrund des fehlenden Arbeitsverhältnisses zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger auch dem Grunde nach nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Das Arbeitsverhältnis habe erst zum 01.09.2010 beginnen sollen. Somit habe das Arbeitsverhältnis als Saisonarbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Darüber hinaus sei das Unfallereignis nicht während einer dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienlichen Tätigkeit eingetreten. Folglich habe der Kläger aufgrund der selbständigen Tätigkeit in Polen zum Unfallzeitpunkt allein den polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterlegen.
Dagegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.12.2014 am 18.12.2014 Widerspruch ein. Nach Rücksprache mit der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, welche unter dem 08.04.2015 mitteilte, der Kläger habe als Landwirt weiterhin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unterlegen, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2015 zurück.
Dagegen hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2015 am selben Tag Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, der Unfall stehe im Zusammenhang mit der Beschäftigung. Der Vorfall habe sich in den frühen Morgenstunden vom 30.08.2010 geeignet, als er sich habe für die Arbeit vorbereiten und den Lagerraum aufsuchen wollen. Er sei auch mit dem Beigeladenen ein abhängiges und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass er bereits auf dem Weg gewesen sei, um seine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, sei der Rückgriff auf die von der Beklagten in Bezug genommen EG-Verordnung nicht zutreffend. Der Kläger könne nicht in Deutschland als Arbeitnehmer tätig sein und gleichzeitig eine selbständige Tätigkeit als Landwirt in Polen ausüben. Faktisch habe er seit längerer Zeit keine Tätigkeit als Landwirt mehr ausgeübt. Gerade deshalb sei er befristeten Arbeitsverhältnissen in Deutschland nachgegangen, um eine Einkunftsquelle zu haben. In Polen beziehe er keine Einkünfte aus selbständiger landwirtschaftlicher Tätigkeit, so dass davon auszugehen sei, dass er einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland nachgegangen sei. Er habe sich bereits auf der deutschen Betriebsstätte befunden und sei auf dem Weg zur Arbeit verunfallt. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den die Klage begründenden Schriftsatz vom 01.09.2015 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2015 zu verpflichten, den Vorfall vom 30.08.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang (1 Hefter) verwiesen.
Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Für den Streitfall ist die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 in der konsolidierten Fassung – Abl. Nr. L 28 - vom 30. Januar 1997 von Bedeutung. Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten:
Artikel 2 Persönlicher Geltungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.
(2) Diese Verordnung gilt für Hinterbliebene von Arbeitnehmern und Selbständigen sowie von Studierenden, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Personen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen.
Artikel 4 (10) Sachlicher Geltungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen: ( ...) e) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, ( )
Artikel 13 (9) Allgemeine Regelung (1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
c) eine Person, die ihre Erwerbstätigkeit an Bord eines Schiffes ausübt, das unter der Flagge eines Mitgliedstaats fährt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates;
d) Beamte und ihnen gleichgestellte Personen unterliegen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Behörde sie beschäftigt sind;
e) eine zum Wehrdienst oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates. Ist die Inanspruchnahme dieser Rechtsvorschriften von dem Nachweis von Versicherungszeiten vor der Einberufung bzw. der Wiedereinberufung zum Wehrdienst oder Zivildienst oder nach der Entlassung aus dem Wehrdienst oder Zivildienst abhängig, so werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, soweit erforderlich, wie Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates zurückgelegt worden sind. Zum Wehrdienst oder Zivildienst einberufene oder wiedereinberufene Arbeitnehmer bzw. Selbständige behalten ihre Arbeitnehmereigenschaft bzw. Selbständigeneigenschaft;
f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.
Artikel 14a Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine selbständige Tätigkeit ausüben Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
1. a) Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet;
b) geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich der Betreffende für die Arbeit begeben hat, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; diese Genehmigung ist vor Ablauf der ersten zwölf Monate zu beantragen. Sie darf nicht für länger als zwölf Monate erteilt werden.
2. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt. Übt sie keine Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats aus, in dem sie wohnt, so unterliegt sie den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie ihre Haupttätigkeit ausübt. Die Kriterien zur Bestimmung der Haupttätigkeit sind in der in Artikel 98 vorgesehenen Verordnung festgelegt.
3. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit in einem Unternehmen ausübt, das seinen Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaats hat und durch dessen Betrieb die gemeinsame Grenze von zwei Mitgliedstaaten verläuft, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat.
4. Besteht nach den Rechtsvorschriften, die nach den Absätzen 2 oder 3 für eine Person gelten müssten, für diese Person auch nicht die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft in einem Altersversicherungssystem, so gelten für den Betreffenden die Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, die unabhängig von den vorgenannten Bestimmungen für ihn gelten würden, oder, falls dann die Rechtsvorschriften zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten für ihn gelten würden, die Rechtsvorschriften, die diese Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden in gegenseitigem Einvernehmen bestimmen.
Nach Maßgabe dessen ist zugrunde zu legen, dass gemäß Art. 2 der Verordnung der Kläger zum von der Verordnung betroffenen Personenkreis gehört. Da es sich vorliegend um Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten handelt, ist auch der sachliche Geltungsbereich der Verordnung gegeben. Aus den Artikeln 13 und 14 a der Verordnung folgt, dass die Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht gegeben ist. Der Kläger war nach Auskunft der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 08.04.2015 im Zeitpunkt des Unfalls landwirtschaftlich sozialversichert. Aus Art. 13 Abs. 1 ergibt sich, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates unterliegen. Abs. 2 a des Art. 13 bestimmt zudem, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt. Vorliegend ist ein Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen nicht zustande gekommen, es fehlte nach wie vor die erforderliche Arbeitsgenehmigung. Überdies hat der Kläger in Polen eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Staates. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich vorliegend aus Art. 14 a der Verordnung nicht. Nach Abs. 1 Buchstabe a dieser Vorschrift unterliegt eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedsstaates ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates ausführt, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreitet. Vorliegend sollte die Tätigkeit des Klägers die Dauer von 2 Monaten nicht übersteigen. Die Kammer legt daher zugrunde, dass ausschließlich polnisches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Dies legt auch die Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zugrunde. Diese führt in ihrer Auskunft vom 08.04.2015 aus, der Kläger habe kein Dokument, das die Beschäftigung bestätige, weil kein Vertrag abgeschlossen worden sei. Wegen der fehlenden Unterlagen, die eine andere Versicherung bestätigen würden, habe der Kläger weiterhin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (in Polen) unterlegen. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a vorgenannter Verordnung. Nur für den Fall, dass eine abhängige Beschäftigung vorgelegen hätte, wäre überhaupt die Zuständigkeit der deutschen Sozialversicherung möglich gewesen. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die erforderliche Arbeitsgenehmigung zum Zeitpunkt des streitigen Vorfalls noch nicht erteilt war. Vor diesem Hintergrund konnte bereits nicht die Zuständigkeit der deutschen Sozialversicherung begründet werden. Überdies verbleibt es bei Art. 14 a Abs. 1 Buchstabe a, wonach der damals in Polen als selbständiger Landwirt tätige Kläger lediglich beabsichtigt hat, eine Tätigkeit über einen Zeitraum von 2 Monaten aufzunehmen. In derartigen Fällen unterliegt er aber weiterhin dem Recht des Landes, in dem er seine selbständige Tätigkeit ausübt. Dass er diese gewinnbringend schon damals nicht mehr ausgeübt haben will, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn Merkmal der Selbständigkeit ist lediglich die Absicht, da mit auch einen Gewinn zu erzielen und nicht nur ein Hobby zu betreiben, nicht aber, dass ein Gewinn auch tatsächlich verbleibt (vgl. sinngemäß z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 K 546/12 E –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Vorfalls am 30.08.2010 als von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Nach der amtlichen Auskunft der Kasa Roniczego Ubezpieczenia Spolecznego (Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung - KRUS) vom 08.04.2015 war der Kläger in Polen als Landwirt vom 03.02.1998 bis 02.05.2004, vom 21.06.2004 bis 16.05.2005 und vom 16.07.2005 bis 04.12.2012 landwirtschaftlich sozialversichert. Seit dem 05.12.2012 unterliegt der Kläger nicht mehr der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, weil er einen Anspruch auf Rentenleistung aus der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung KRUS erworben hat.
Der Kläger sollte im Zeitraum 01.09.2010 bis 31.10.2010 eine saisonale Tätigkeit beim Beigeladenen wahrnehmen. Am 30.08.2010 traf er auf dem Hofgelände des Beigeladenen ein in der Absicht, eine Saisonarbeit bei der Obsternte ab dem 31.08.2010 oder früher für einen Zeitraum von 2 Monaten aufzunehmen. Der Kläger stürzte am 30.08.2010 abends auf dem Gelände des Beigeladenen von einer Treppe und verletzte sich dort. Zur Arbeitsaufnahme kam es nicht mehr, weil die damals noch erforderliche Arbeitsgenehmigung infolge des Unfalls beim Arbeitsamt nicht mehr eingeholt werden konnte. Die damals ebenfalls noch erforderliche Einstellungszusage hatte der Beigeladene bereits etwa 6 bis 8 Wochen zuvor beim zuständigen Arbeitsamt eingereicht.
Mit Bescheid vom 10.12.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung des Versicherungsfalls ab. Entschädigungsleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Nach Art. 11 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliege eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübe, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates. Aufgrund des fehlenden Arbeitsverhältnisses zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger auch dem Grunde nach nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Das Arbeitsverhältnis habe erst zum 01.09.2010 beginnen sollen. Somit habe das Arbeitsverhältnis als Saisonarbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Darüber hinaus sei das Unfallereignis nicht während einer dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienlichen Tätigkeit eingetreten. Folglich habe der Kläger aufgrund der selbständigen Tätigkeit in Polen zum Unfallzeitpunkt allein den polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterlegen.
Dagegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.12.2014 am 18.12.2014 Widerspruch ein. Nach Rücksprache mit der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, welche unter dem 08.04.2015 mitteilte, der Kläger habe als Landwirt weiterhin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unterlegen, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2015 zurück.
Dagegen hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2015 am selben Tag Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, der Unfall stehe im Zusammenhang mit der Beschäftigung. Der Vorfall habe sich in den frühen Morgenstunden vom 30.08.2010 geeignet, als er sich habe für die Arbeit vorbereiten und den Lagerraum aufsuchen wollen. Er sei auch mit dem Beigeladenen ein abhängiges und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass er bereits auf dem Weg gewesen sei, um seine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, sei der Rückgriff auf die von der Beklagten in Bezug genommen EG-Verordnung nicht zutreffend. Der Kläger könne nicht in Deutschland als Arbeitnehmer tätig sein und gleichzeitig eine selbständige Tätigkeit als Landwirt in Polen ausüben. Faktisch habe er seit längerer Zeit keine Tätigkeit als Landwirt mehr ausgeübt. Gerade deshalb sei er befristeten Arbeitsverhältnissen in Deutschland nachgegangen, um eine Einkunftsquelle zu haben. In Polen beziehe er keine Einkünfte aus selbständiger landwirtschaftlicher Tätigkeit, so dass davon auszugehen sei, dass er einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland nachgegangen sei. Er habe sich bereits auf der deutschen Betriebsstätte befunden und sei auf dem Weg zur Arbeit verunfallt. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den die Klage begründenden Schriftsatz vom 01.09.2015 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2015 zu verpflichten, den Vorfall vom 30.08.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang (1 Hefter) verwiesen.
Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Für den Streitfall ist die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 in der konsolidierten Fassung – Abl. Nr. L 28 - vom 30. Januar 1997 von Bedeutung. Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten:
Artikel 2 Persönlicher Geltungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.
(2) Diese Verordnung gilt für Hinterbliebene von Arbeitnehmern und Selbständigen sowie von Studierenden, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Personen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen.
Artikel 4 (10) Sachlicher Geltungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen: ( ...) e) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, ( )
Artikel 13 (9) Allgemeine Regelung (1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
c) eine Person, die ihre Erwerbstätigkeit an Bord eines Schiffes ausübt, das unter der Flagge eines Mitgliedstaats fährt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates;
d) Beamte und ihnen gleichgestellte Personen unterliegen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Behörde sie beschäftigt sind;
e) eine zum Wehrdienst oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates. Ist die Inanspruchnahme dieser Rechtsvorschriften von dem Nachweis von Versicherungszeiten vor der Einberufung bzw. der Wiedereinberufung zum Wehrdienst oder Zivildienst oder nach der Entlassung aus dem Wehrdienst oder Zivildienst abhängig, so werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, soweit erforderlich, wie Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates zurückgelegt worden sind. Zum Wehrdienst oder Zivildienst einberufene oder wiedereinberufene Arbeitnehmer bzw. Selbständige behalten ihre Arbeitnehmereigenschaft bzw. Selbständigeneigenschaft;
f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.
Artikel 14a Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine selbständige Tätigkeit ausüben Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
1. a) Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet;
b) geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich der Betreffende für die Arbeit begeben hat, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; diese Genehmigung ist vor Ablauf der ersten zwölf Monate zu beantragen. Sie darf nicht für länger als zwölf Monate erteilt werden.
2. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt. Übt sie keine Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats aus, in dem sie wohnt, so unterliegt sie den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie ihre Haupttätigkeit ausübt. Die Kriterien zur Bestimmung der Haupttätigkeit sind in der in Artikel 98 vorgesehenen Verordnung festgelegt.
3. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit in einem Unternehmen ausübt, das seinen Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaats hat und durch dessen Betrieb die gemeinsame Grenze von zwei Mitgliedstaaten verläuft, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat.
4. Besteht nach den Rechtsvorschriften, die nach den Absätzen 2 oder 3 für eine Person gelten müssten, für diese Person auch nicht die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft in einem Altersversicherungssystem, so gelten für den Betreffenden die Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, die unabhängig von den vorgenannten Bestimmungen für ihn gelten würden, oder, falls dann die Rechtsvorschriften zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten für ihn gelten würden, die Rechtsvorschriften, die diese Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden in gegenseitigem Einvernehmen bestimmen.
Nach Maßgabe dessen ist zugrunde zu legen, dass gemäß Art. 2 der Verordnung der Kläger zum von der Verordnung betroffenen Personenkreis gehört. Da es sich vorliegend um Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten handelt, ist auch der sachliche Geltungsbereich der Verordnung gegeben. Aus den Artikeln 13 und 14 a der Verordnung folgt, dass die Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht gegeben ist. Der Kläger war nach Auskunft der Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 08.04.2015 im Zeitpunkt des Unfalls landwirtschaftlich sozialversichert. Aus Art. 13 Abs. 1 ergibt sich, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates unterliegen. Abs. 2 a des Art. 13 bestimmt zudem, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt. Vorliegend ist ein Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen nicht zustande gekommen, es fehlte nach wie vor die erforderliche Arbeitsgenehmigung. Überdies hat der Kläger in Polen eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Staates. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich vorliegend aus Art. 14 a der Verordnung nicht. Nach Abs. 1 Buchstabe a dieser Vorschrift unterliegt eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedsstaates ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates ausführt, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreitet. Vorliegend sollte die Tätigkeit des Klägers die Dauer von 2 Monaten nicht übersteigen. Die Kammer legt daher zugrunde, dass ausschließlich polnisches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Dies legt auch die Kasse der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zugrunde. Diese führt in ihrer Auskunft vom 08.04.2015 aus, der Kläger habe kein Dokument, das die Beschäftigung bestätige, weil kein Vertrag abgeschlossen worden sei. Wegen der fehlenden Unterlagen, die eine andere Versicherung bestätigen würden, habe der Kläger weiterhin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (in Polen) unterlegen. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a vorgenannter Verordnung. Nur für den Fall, dass eine abhängige Beschäftigung vorgelegen hätte, wäre überhaupt die Zuständigkeit der deutschen Sozialversicherung möglich gewesen. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die erforderliche Arbeitsgenehmigung zum Zeitpunkt des streitigen Vorfalls noch nicht erteilt war. Vor diesem Hintergrund konnte bereits nicht die Zuständigkeit der deutschen Sozialversicherung begründet werden. Überdies verbleibt es bei Art. 14 a Abs. 1 Buchstabe a, wonach der damals in Polen als selbständiger Landwirt tätige Kläger lediglich beabsichtigt hat, eine Tätigkeit über einen Zeitraum von 2 Monaten aufzunehmen. In derartigen Fällen unterliegt er aber weiterhin dem Recht des Landes, in dem er seine selbständige Tätigkeit ausübt. Dass er diese gewinnbringend schon damals nicht mehr ausgeübt haben will, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn Merkmal der Selbständigkeit ist lediglich die Absicht, da mit auch einen Gewinn zu erzielen und nicht nur ein Hobby zu betreiben, nicht aber, dass ein Gewinn auch tatsächlich verbleibt (vgl. sinngemäß z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 K 546/12 E –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.
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