Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 18/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
keinen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass Gesundheitsstörungen Folgen der festgestellten Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sind, sowie die Gewährung einer Rente.
Aufgrund der "Ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" durch die Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen in Greifenstein (beim Regierungspräsidium Darmstadt am 15.08.2014 eingegangen) nahm die Beklagte ihre Sachverhaltsermittlungen auf. Die Anzeige war Ausfluss der stationären Behandlung des Klägers in der "Klinik Elgershausen" im Zeitraum vom 04.08.2014 bis 12.08.2014. In der Anzeige wird, bei der Angabe, dass laut Patient an allen Arbeitsstellen Asbestkontakt bestanden habe, als in Betracht kommende Berufskrankheit eine Pleuraasbestose aufgeführt; als Krankheitserscheinungen werden genannt: "Belastungsdyspnoe, ventilatorische/oxygenatorische Insuffizienz, im HR-CT eindeutige Plaques sowie V. a. eine Pericarditis calcerea." Ein ursächlicher Zusammenhang könne mit der Erkrankung COPD bestehen. [COPD = chronic obstruktive pulmonary disease = chronisch obstruktive Lungenerkrankung; Anm. d. Verf.]
Auf die Fragen der ebenfalls aufgrund der o. g. ärztlichen Anzeige ermittelnden Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), deren Unterlagen teilweise Bestandteil der Verwaltungsakte der Beklagten sind, gab der Kläger im September 2014 an, dass sich die Lungenbeschwerden erstmals im Sommer 1956 mit einer Lungenentzündung bemerkbar gemacht hätten. Zu seinem Nikotinkonsum befragt, gab der Kläger an, dass er von 1957 bis 2010 geraucht habe im Umfang von zunächst einer Zigarette am Tag, später, bis zum Jahr 2010 10 Stück am Tag, was er danach wieder reduziert habe.
Die Beklagte ließ die in der Klinik Elgershausen angefertigten und ihr vorgelegten Röntgen- und CT-Thoraxaufnahmen durch den Internist und Lungenarzt Prof. C. auswerten. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 24.11.2014 zu dem Ergebnis, dass costale hyaline Pleuraplaques und ein Mediastinalplaque vorlägen. Die beschriebenen costalen Pleuraplaques seien nicht geeignet, kardiopulmonale Funktionseinschränkungen im Sinne der rechtlich wesentlichen Verschlimmerung der COPD herbeizuführen.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Hausarzt des Klägers, Herr D., unter dem 20.12.2014 ein ärztliches Attest vor, in dem er berichtet, dass der Kläger seit Dezember 1993 über Belastungsdyspnoe geklagt habe. Diagnostisch handele es sich um eine COPD. Kardiologische Mitbehandlung sei veranlasst worden. Der Kläger befinde sich deswegen in fortlaufender ambulanter und teilweise stationärer Behandlung. Der Kläger sei in seiner Alltagskompetenz extrem eingeschränkt und benötige eine 24-stündige Sauerstofftherapie.
Betreffend ihre Mitgliedsunternehmen (Tätigkeiten des Klägers vom 01.07.1958 bis 31.03.1960 sowie vom 01.04.1960 bis 31.12.1989) holte die Beklagte bei ihrem Präventionsdienst eine Stellungnahme Arbeitsplatzexposition, Asbesterkrankung BK 4103/4104, ein, die am 18.05.2015 vorlag. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit in Summe einer Exposition von 1,2 Faserjahren ausgesetzt gewesen sei.
Die BGHM legte - betreffend ihre Mitgliedsunternehmen (Tätigkeiten des Klägers vom 01.04.1952 bis 31.03.1956 sowie 01.04.1956 bis 30.06.1958) ihre Stellungnahme Arbeitsplatzexposition Asbestose BK 4103 vor. Danach liegt dort eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 1,1 Faserjahren vor.
Zur Frage des Vorliegens eines Versicherungsfalls und seiner etwaigen Erkrankungsfolgen beabsichtigte die Beklagte die Einholung eines Gutachtens. Die Ehefrau des Klägers teilte der Beklagten daraufhin mit, dass eine Untersuchung des Kläger wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (Gehstrecke maximal 10 m, starke Gewichtsabnahme, immer wieder Durchfall; pflegebedürftig) nicht möglich sei. Die Beklagte sagte die Prüfung der Beauftragung eines Gutachtens nach Aktenlage zu. Sie werde den Kläger über die weitere Vorgehensweise informieren (vgl. Aktennotiz vom 07.07.2015).
Zur Verwaltungsakte geheftet wurden im Juni 2015 eingegangene ärztliche Unterlagen (nachträgliche Vorlage durch Hausarzt D.), die im Folgenden teilweise auszugsweise zitiert werden.
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 17.12.1993 (schlecht lesbar und unvollständig): Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Der Patient raucht etwa 20 Zigaretten pro Tag. Die Arbeitsanamnese ist unauffällig."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 24.01.2005. Diagnose: Bakteriell exacerbierte COPD. "Der Patient raucht weiterhin 5-10 Zig./Tag."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 07.07.2006. Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Das Rauchen wurde noch nicht eingestellt. [ ] Zusammenfassend ergab sich bei dem Patienten eine ständig fortschreitende chronisch obstruktive Bronchitis, jetzt mit neu aufgetretener respiratorischer Globalinsuffizienz."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 14.03.2007: Diagnose: leicht exacerbierte COPD.
Bericht Kardiologe Dr. F. vom 15.06.2007: Diagnose: COPD, Nikotinabusus. "Beurteilung: Bei Herrn A. ist es bei schwerer COPD bereits zur Rechtsherzbeteiligung gekommen. Eine koronare Herzkrankheit zeigt sich nicht."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 10.06.2008. Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Zusammenfassend ergab sich bei dem Patienten leider erneut eine Verschlechterung gegenüber dem Vorbefund."
Bericht Klinikum Hanau vom 11.02.2009 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.12.2008 bis 10.12.2008. Diagnosen u. a.: Infektexacerbierte COPD bei chronischem Nikotinabusus, respiratorische Globalinsuffizienz. "In der Lungenfunktionsuntersuchung zeigten sich eine respiratorische Globalinsuffizienz sowie eine schwere obstruktive Ventilationsstörung. Es besteht eine Indikation zur Heimsauerstofftherapie, der Patient setzt seinen Nikotinabusus aber weiterhin fort, weshalb wir im Moment von einer Heimsauerstofftherapie absehen. Wir rieten dem Patienten dringend zur Nikotinkarenz [ ]" Bericht Kardiologe Dr. G. vom 11.05.2009: Diagnose u. a.: schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Nikotinabusus. "Beurteilung: Im Vordergrund steht die schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung. [ ] Die Notwendigkeit einer Nikotinkarenz wurde besprochen."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 07.08.2009: Diagnose: kortisonpflichtige chronisch obstruktive Bronchitis.
Bericht Klinikum Hanau vom 16.03.2010: Diagnose u. a.: sekundäre pulmonale Hypertonie bei COPD, Nikotinabusus. "[ ] hier ist dem Patienten dringend eine Nikotinkarenz anzuraten."
Bericht Klinikum Hanau vom 17.03.2010 betreffend stationären Aufenthalt des Klägers vom 09.03.2010 bis 17.03.2010: Diagnosen u. a.: Cor pulmonale, sekundäre leichtgradige pulmonale Hypertonie bei schwerer, exacerbierter COPD, Lungenemphysem, fortgesetzter Tabakkonsum (ca. 50 py) (= Packungsjahre; Anm. d. Verf.). Bericht Kerckhoff Klinik vom 02.04.2010 über den stationären Aufenthalt vom 29.03. bis 01.04.2010: Diagnosen u. a.: COPD mit Lungenemphysem und sekundärer leichtgradiger pulmonaler Hypertonie, Nikotinabusus.
Bericht Klinikum Hanau vom 09.09.2010 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26.06.2010 bis 16.07.2010: Diagnosen u. a.: respiratorische Globalinsuffizienz bei infektexazerbierter COPD mit Lungenemphysem, sekundäre leichtgradige pulmonale Hypertonie, fortgesetzter Tabakkonsum (ca. 50 py).
Bericht Kardiologe H. vom 24.08.2010: Diagnosen u. a. schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung, 02-Heimtherapie, chron. Cor pulmonale, Nikotinabusus. Bericht Ketteler Krankenhaus vom 15.09.2010 aufgrund stationären Aufenthalts vom 07.09.2010 bis 20.09.2010. Diagnosen u. a.: schwere COPD bei respiratorischer Globalinsuffizienz, Versorgung mit einem Heimbeatmungsgerät und einer O2- Langzeit-Therapie.
Bericht Ketteler Krankenhaus vom 24.11.2010 aufgrund stationären Aufenthalts vom 20.09.2010 bis 24.11.2010.
Bericht Ketteler Krankenhaus vom 19.08.2011 aufgrund stationären Aufenthalts vom 17.08.2011 bis 19.08.2011.
Bericht Kardiologe H. vom 27.06.2012.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 04.12.2012: Diagnosen u. a.: COPD GOLD stad. IV mit respiratorischer Insuffizienz und chronisch ventilatorischer Insuffizienz, Nicht-invasive Beatmung seit 2012, O2- Therapie, Nikotinkonsum von ca. 30 py bis 2010, Z. n. beruflichem Asbestkontakt, Z. n. beruflichem Kontakt zu ionisierenden Stoffen. "Zusammenfassung: [ ] Hinweise für eine Berufserkrankung auf dem pneumologischen Fachgebiet liegen nicht vor [ ]."
Bericht Kardiologe H. vom 26.06.2013.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 01.07.2013.
Bericht Kardiologe H. vom 18.06.2014.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 02.07.2014: "[ ] Lungenfunktionell zeigte sich eine weitere Verschlechterung der Obstruktion."
Bericht Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen vom 11.08.2014 über den stationären Aufenthalt vom 04.08.2014 bis 12.08.2014. Diagnosen u. a.: COPD, GOLD IV, kombiniert ventilatorische-oxygenatorische Insuffizienz, Z. n. Nikotinabusus (kumulativ 20 py) sistiert seit 2004, Chron. Cor pulmonale, Asbestose bei beruflicher Exposition, BK-Anzeige erstattet. Bildgebende Diagnostik: HR-CT des Thorax vom 05.08.2014: [ ] "Ausgeprägtes oberlappenbetontes panlobuläres Lungenemphysem. Kein Nachweis einer pulmonalen Konsolidierung oder Raumforderung. Soweit bei deutlich veratmeter Untersuchung beurteilbar, auch kein Nachweis einer fibrosierenden interstitiellen Lungenerkrankung, wobei eine Veränderung hier komplett entgehen könnte. Es zeigen sich Kriterien einer pulmonalen Hypertonie. Es besteht eine koronare Gefäßsklerose und eine Verkalkung der Taschen der Aortenklappe. Auffällig sind dann charakteristische plateauförmige, weichteildichte Verkalkungen an der Pleura beider Unterlappen paravertebral. In Kenntnis einer Asbestfaserexposition sind diese Befunde hoch charakteristisch für das Vorliegen einer asbestfaserinduzierten Erkrankung der Pleura. Zusätzlich zeigen sich dann grobschollige Verkalkungen am Perikard sowohl anterior an der Grenze zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel als auch an der Hinterwand in Höhe des Vorhofohres und basal. Diese Befunde sind jedoch bei deutlich veratmeter Untersuchung nicht eindeutig zuzuordnen. Hier ist bei Berücksichtigung der basalen Veränderungen in erster Linie an eine Perikarditis calcarea zu denken. Die Befunde sind jedoch in ihrer Morphologie nicht eindeutig zu beurteilen. Bei entsprechender beruflicher Asbestfaserexposition ist aus radiologischer Sicht dringend zu empfehlen, eine Niedrigdosis-Volumen-CT-Untersuchung mit einem Mehrzeilengerät durchzuführen, um auch diese Veränderungen am Perikard sicher beurteilen zu können und ggf. fibrosierende Veränderungen besser ausschließen zu können, als das mit der vorliegenden Untersuchung gelingt. [ ] Zusammenfassung: In Zusammenschau der Befunde bestätigt sich das Vorliegen einer schweren obstruktiven Ventilationsstörung mit erschöpfter Atempumpe und Lungenemphysem. [ ] Bildgebend bestätigte sich bei vorbekannter beruflicher Asbestexposition das Vorliegen einer asbestfaserinduzierten Pleuritis. Es erfolgte die BK-Anzeige. [ ]"
Bericht Klinikum Hanau vom 06.10.2014 über den stationären Aufenthalt vom 29.09.2014 bis 06.10.2014: Diagnosen u. a.: Infektexazerbation bei COPD D mit Langzeitsauerstofftherapie, chronisches Cor pulmonale.
Bericht Hufeland-Klinik Bad Ems vom 20.10.2014 über den stationären Aufenthalt vom 28.08.2014 bis 18.09.2014. Diagnosen u. a.: COPD Stadium IV nach GOLD, chronisches Cor pulmonale, Verdacht auf Asbestose.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 18.12.2014.
Bericht Klinikum Hanau vom 13.01.2015 über den stationären Aufenthalt vom 30.12.2014 bis 21.01.2015.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 27.04.2015.
Bericht Kardiologe H. vom 27.05.2015.
Bei zunächst ungeklärter Zuständigkeit der Beklagten für den gesamten Zeitraum von 1958 bis 1989, erließ die Beklagte in "vorläufiger Zuständigkeit" unter dem 14.08.2015 gegenüber dem Kläger einen Bescheid, in dem sie eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Berufskrankheiten-Liste (Asbeststaublungenerkrankung – Asbestose) anerkannte. Der zweite Satz der bescheidmäßigen Verfügung lautet dahingehend, dass Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit nicht bestehen. Im Begründungsteil des Bescheids führte die Beklagte aus, dass die Berufskrankheit des Klägers zu nachstehenden Beeinträchtigungen geführt habe, die sie bei der Bewertung der MdE berücksichtigt habe: "Durch die Einwirkung von Asbeststaub verursachte, nicht behandlungsbedürftige Pleuraplaques (Kalkablagerungen auf dem Brustfell) ohne hieraus resultierende Einschränkungen der Lungenfunktion." Folgende Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Klägers lägen unabhängig von der Berufskrankheit vor: "schwere chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD Grad IV) mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie, chronisches Cor pulmonale, koronare Herzerkrankung, Diabetes Typ 2." Die Berufskrankheit des Klägers sei nicht behandlungsbedürftig und habe eine rentenberechtigende MdE nicht zur Folge.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und bemängelte, dass keine Untersuchung und Begutachtung des Klägers oder jedenfalls eine Begutachtung nach Aktenlage stattgefunden habe. In der medizinischen Literatur werde die Meinung vertreten, dass ein Zusammenhang zwischen Asbestose und COPD im Sinne einer Ursächlichkeit bestehen könne.
Unter dem 03.11.2015 legte die BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 03.11.2015 ihres Präventionsdienstes vor. Hierin werden die Faserjahre für die Tätigkeit des Klägers vom 01.07.1958 bis 31.12.1989 (anders als in der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition der Beklagten vom 18.05.2015, s. o.) mit 9,4 angegeben. Aus einem internen Schreiben und einem Aktenvermerk vom 24.11.2015 bzw. 04.12.2015 ergibt sich, dass die Beklagte nun ihre Zuständigkeit für den gesamten Zeitraum annahm.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.08.2015 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Zahlung einer Rente abgelehnt worden sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, weil nach der Auswertung der Bildbefunde bei dem Kläger durch die Einwirkungen von Asbeststaub verursachte, nicht behandlungsbedürftige Pleuraplaques bestünden. Nach allgemeinen medizinischen Erfahrungen verursachten aber auf das Rippenfell beschränkte asbestassoziierte Veränderungen keine wesentlichen Funktionseinbußen. Die beschriebenen Veränderungen seien auch nicht geeignet, eine rechtlich wesentliche Verschlimmerung der COPD herbeizuführen, welche nach der Befundlage eindeutig den Rauchgewohnheiten des Klägers zuzuordnen sei. Da eine Auswertung der medizinischen Befunde und der Röntgenaufnahmen bereits durch einen in der Begutachtung erfahrenen Arzt erfolgt sei, sei kein Gutachten nach Aktenlage erforderlich gewesen.
Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 01.02.2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Der Kläger wiederholt seinen Vortrag aus dem Vorverfahren.
Der Kläger beantragt wörtlich,
den Bescheid vom 14.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2016 insofern abzuändern, als dass die schwere chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD Grad IV) mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie sowie das chronische Cor pulmonale als Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festgestellt werden und dem Kläger die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Rechtsstreit beigezogen. Eine an die Beklagte gerichtete Frage hat diese – trotz Erinnerung und Fristsetzung nach § 106 a SGG – nicht bzw. nicht sachgerecht beantwortet.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Soweit die Beklagte im Verfügungssatz des Bescheids vom 14.08.2015 "Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit" allgemein abgelehnt hat und die Klage dementsprechend allgemein auf Leistungsgewährung gerichtet ist, ist sie unzulässig. Bei dem diesbezüglichen Verfügungssatz handelt es sich um eine rechtlich unbeachtliche Leerformel (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Februar 2014 – L 3 U 208/12 –, juris unter Verweis auf Bundessozialgericht, BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Die belastende Behördenentscheidung war unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass damit die Rentengewährung abgelehnt wurde, die zulässig mit der Leistungsklage verfolgt werden kann: Die Klage ist zulässig, soweit sie auf Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folge der anerkannten BK Nr. 4103 und auf Rentengewährung gerichtet bzw. dahingehend auszulegen ist. Dem Verfügungssatz des Bescheids vom 14.08.2015 ist zwar keine Entscheidung über die Feststellung von Unfallfolgen und keine Entscheidung über die Rentengewährung zu entnehmen; aus der Entscheidungsbegründung des angefochtenen Bescheids ergibt sich aber, dass die Entscheidung sich auch auf die Frage der Rentengewährung bezieht ("keine rentenberechtigende MdE"), was durch die Begründung des Widerspruchsbescheids bekräftigt wird (siehe Tatbestand). Auch hat sich die angefochtene Entscheidung im Begründungsteil mit den im Verwaltungsverfahren (und auch im Klageverfahren) geltend gemachten Unfallfolgen auseinandergesetzt. Die auf Feststellung von Unfallfolgen und "Leistungsgewährung" gerichtete Klage ist in Form der kombinierten Anfechtungs-, Feststellungs-, und Leistungsklage (§§ 54, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG), letztere gerichtet auf Rentengewährung, statthaft. Ein Feststellungsinteresse besteht schon deshalb, weil die Entscheidung über die Rentengewährung unmittelbar mit der Frage verknüpft ist, welche Gesundheitsstörungen durch die anerkannte Berufskrankheit verursacht sind bzw. welche Gesundheitsstörungen bei der Bestimmung der MdE zu berücksichtigen sind und weil die Beklagte im Begründungsteil ihres Bescheides ausdrücklich die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als "unabhängig von der Berufskrankheit" bezeichnet hat.
Die Klage führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der COPD als Folge der anerkannten Berufskrankheit Asbestose; ebenso wenig hat er Anspruch auf Feststellung des Cor pulmonale als Folge dieser Berufskrankheit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG i. V. m. § 9 SGB VII). Auch die negative Entscheidung der Beklagten über die Rentengewährung hat Bestand (§ 56 SGB VII).
Da im Falle des Klägers das Vorliegen einer chronisch obstruktiven Bronchitis schon 1993 dokumentiert ist (vgl. Bericht Dr. E. vom 17.12.1993) und die Diagnose COPD aktenkundig erstmals durch Dr. E. im Bericht vom 24.01.2005 gestellt wurde, wohingegen der Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit mit Auswirkung auf die COPD erst 2014 formuliert wurde, kam hier ohnehin nur die Frage der Verschlimmerung der COPD durch die Berufskrankheit in Betracht. Dass diesbezüglich eine Verschlimmerung tatsächlich stattgefunden hat (mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeittherapie), ist an den chronologischen Arztberichten eindrucksvoll abzulesen.
Bei der COPD handelt es sich um eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, bei der eine bronchiale Obstruktion durch eine chronische Bronchitis (vermehrte Schleimsekretion; nach WHO: Husten und Auswurf über mindestens drei Monate im Jahr in zwei aufeinander folgenden Jahren) und/oder ein Lungenemphysem besteht (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 1060; A. Gillissen/ E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen Therapie – Prognose – Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). Es ist ein weit verbreitetes Krankheitsbild, welches vorwiegend nach dem 40. Lebensjahr auftritt; Hauptrisikofaktor für die Entstehung und Persistenz der Erkrankung ist das inhalative Rauchen von Zigaretten (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Thieme Verlag 2006, Abschnitt 4 Risikofaktoren und Pathogenese; Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl., S. 218; zu den Auswirkungen des Rauchens: www.lungenaerzte-im-netz.de, herausgegeben (hrsg.) von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [DGP] und dem Bundesverband der Pneumologen e. V. [BdP]; A. Gillissen/ E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen Therapie – Prognose – Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). So enthält der Zigarettenrauch weit über 1.000 verschiedene Stoffe, von denen viele toxisch wirken (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, a.a.O.; "COPD und Rauchen" in AOK-Curaplan COPD, veröffentlicht unter www.aok.de). Bereits das regelmäßige Rauchen von wenigen Zigaretten täglich wirkt sich nachhaltig negativ auf die Lungenfunktion aus. So sinkt das Ausatmenvolumen in der ersten Sekunde (FEV 1 ) stärker ab als bei Nichtrauchern; Studien haben ergeben, dass der jährliche Verlust des Ausatmungsvolumens bei Nichtrauchern 36 ml, bei Rauchern in Abhängigkeit von der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten dagegen 44 ml (1 - 4 Zigaretten täglich), 46 ml (5 - 15 Zigaretten täglich) bzw. 54 ml (16 - 20 Zigaretten täglich) beträgt (vgl. zu den Auswirkungen des Rauchens: www.lungenaerzte-im-netz.de, hrsg. von der DGP und dem BdP). Ebenso wie das Inhalieren von Zigarettenrauch kann aber auch eine langjährige Gas- (insbesondere SO 2 -) und Staubinhalation mit bronchialbaumgängigen Partikelgrößen isoliert eine COPD auslösen oder bei Kombination mit Nikotinkonsum den Krankheitsverlauf
beschleunigen (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, a.a.O.) (zitiert nach Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02. Dezember 2010 – L 3 U 227/07 –, Rn. 38, juris).
Cor pulmonale (lat.: "Lungenherz") bezeichnet ein druckbelastetes rechtes Herz infolge einer Drucksteigerung im Lungenkreislauf (pulmonale Hypertonie oder sekundäre pulmonale Hypertonie), wenn deren Ursache in der Lunge und nicht am Herzen zu finden ist. Diese Drucksteigerung kann verschiedene Ursachen haben, von der Lungenembolie über die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bis hin zu der weltweit verbreiteten Wurmerkrankung Schistosomiasis (Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 30.01.2017 in wikipedia).
Erforderlich für die begehrte gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Ursachenzusammenhangs zwischen der als Berufskrankheit anerkannten Asbestose und der Verschlimmerung der COPD sowie des Cor pulmonale nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und der Berufskrankheit als auch zwischen der Berufskrankheit und der Gesundheitsstörung besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). (zitiert nach SG Karlsruhe, Urteil vom 27. Juni 2014 – S 4 U 1782/13 –, Rn. 25, juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.).
Diese Beweisvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Zwar enthält das Merkblatt zur BK 4103, Seite 3, den Hinweis, dass als Zeichen einer Asbestose "nicht selten die Symptome einer chronischen Bronchitis, emphysematösen Lungenveränderungen und Rechtsherzhypertrophie (Cor pulmonale)" eintreten (wobei hieraus nicht deutlich wird, ob mit den Worten "chronische Bronchitis, emphysematöse Lungenveränderungen" (auch) das Krankheitsbild der COPD umschrieben sein soll und (falls ja), ob mit diesen Worten ein Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung Asbestose einerseits und den Erkrankungen COPD und dem Cor pulmonale andererseits hergestellt sein soll, oder ob die beiden Erkrankungen – wie es in dem Zitat wörtlich heißt – nur als "Symptome" der Krankheit Asbestose zugeordnet sind, ohne hier eigenständige Krankheiten zu sein; Anm. d. Verf.).
Diese Fragen müssen jedoch vorliegend nicht beantwortet werden, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen COPD und Asbestexposition bzw. Asbestose schon nach den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht anerkannt ist. Es bestehen allenfalls Ansätze, die COPD mit einer Reihe von beruflichen Expositionen in Verbindung zu bringen (u. a. mit Asbest), was anhand des folgenden Zitats zu ersehen ist: "Der berufliche (und damit im Prinzip präventable) Anteil an COPD-Erkrankungen wird hierzulande zu wenig beachtet. Dabei ist eine ganze Reihe von Expositionen geeignet, zu einer COPD beizutragen (Tab. 2.4) [dort ist u. a. Asbest aufgeführt; am Ende der Tabelle erfolgt der Hinweis, dass der Ursachenzusammenhang nicht allgemein anerkannt ist; Anm. d. Verf.]. Daraus resultiert die Forderung, weite Bereiche mit beruflichen COPD-Risiken wissenschaftlich und in der Umsetzung aufzuarbeiten." (Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege", Epidemiologische Forschung und Umsetzung in der Praxis, Workshop vom 10.11.2004 in Berlin, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Tagungsbericht 143, Seite 15; Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 30.01.2017; http://www.baua.de/de/Publikationen/ Schriftenreihe/Tagungsberichte/2000-/Tb143.html).
Auch der Klägervertreter hat nichts Abweichendes vorgetragen.
Abgesehen davon hat im Falle des Klägers nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts der fortgesetzte Nikotinabusus den wesentlichen Beitrag zur Verschlimmerung der COPD geleistet, wie aus den zahlreichen Arztberichten zweifelsfrei ersichtlich ist:
Dr. E. spricht in seinem Bericht vom 17.12.1993 von 20 Zigaretten pro Tag (und unauffälliger Arbeitsplatzanamnese!). Auch in den weiteren Berichten des Lungenfacharztes E. (vom 14.01.2005 und 07.07.2006) wird das fortgesetzte Rauchen beschrieben. Die Kardiologen Dr. F., Dr. G. und Herr H. führen in ihren Berichten vom 15.06.2007, 11.05.2009 und 24.08.2010 Nikotinabusus als Diagnose an. Das Klinikum Hanau wird in seinen Berichten vom 11.02.2009, 16.03.2010 und 09.09.2010 noch deutlicher: hier wird mit der diagnostischen Formulierung "Infektexacerbierte COPD bei [Hervorh. durch die Verfasserin] chronischem Nikotinkonsum die Erkrankung/Verschlimmerung der COPD unmittelbar mit dem Nikotinkonsum in Verbindung gebracht und es wird dem Kläger dringend zur Nikotinkarenz geraten. Sogar von einer an sich notwendigen Heimsauerstofftherapie sah die Klinik seinerzeit ab, weil der Kläger seinen Nikotinabusus weiterhin fortsetzte. Der fortgesetzte Tabakkonsum wird in diesem Bericht im Hinblick auf das Ausmaß mit 50 py bezeichnet. Die Kerckhoff Klinik führt in ihrem Bericht vom 02.04.2010 die Diagnose Nikotinabusus auf. Der Lungenfacharzt Dr. J. gibt in seinem Bericht vom 04.12.2012 den Nikotinkonsum mit ca. 30 py bis 2010 an (und sieht keine Hinweise für eine Berufserkrankung auf pneumologischem Fachgebiet!). Im Bericht der Klinik Elgershausen vom 11.08.2014 wird (erstmals) zwar ein Zusammenhang zwischen der Asbestfaserexposition und der Erkrankung der Pleura herstellt (verwaltungsseitig wurde das Bestehen dieses Kausalzusammenhanges durch die Feststellung der BK 4103 bestätigt und ist unstreitig); lediglich in ihrer "ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" stellt die Klinik einen fraglichen Zusammenhang zwischen der COPD und der Asbestose her, allerdings ohne Begründung, die eben auch dem Bericht vom 11.08.2014 nicht entnommen werden kann. Berücksichtigt man, dass in dem Bericht vom 11.08.2014 von einem (anamnestischen?) Nikotinabusus "kumulativ 20 py, sistiert seit 2004" ausgegangen wird, so ist insoweit festzuhalten, dass dies mit der zuvor referierten Aktenlage nicht in Einklang steht, da der fortgesetzte Nikotinkonsum dort schon ab 1993 dokumentiert ist und die Packungsjahre mit 50 bzw. 30 py angegeben worden waren. Der ärztlicherseits geäußerte Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen COPD und Asbestose durch die Klinik Elgershausen konnte gerichtlicherseits beim Abweichen von der sonstigen Aktenlage im Hinblick auf die Dauer und die Häufigkeit des Nikotinkonsums sowie bei fehlender medizinischer Begründung nicht nachvollzogen werden, zumal der Verdacht des Kausalzusammenhangs von den zahlreichen übrigen behandelnden Ärzten nicht gesehen, vielmehr von diesen stets der Nikotinabusus im Zusammenhang mit der COPD hervorgehoben wurde, was auch den oben dargestellten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Entstehung (bzw. Verschlimmerung) der COPD entspricht.
Bei dieser Sachlage ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Verschlimmerung der COPD und der Asbestose nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Es spricht deutlich mehr gegen als für den reklamierten Ursachenzusammenhang und ernstliche Zweifel hieran bestehen nicht; anders gewendet spricht deutlich mehr dafür, dass die COPD durch den fortgesetzten Nikotinabusus entstanden ist. Insofern ist nach dem oben Referierten auch die im Verwaltungsverfahren abgegebene Selbstauskunft des Klägers ("maximal 10 Zigaretten pro Tag bis 2010") nicht glaubwürdig.
Was das Cor pulmonale anbetrifft, wird von den behandelnden Ärzten (vgl. Kardiologe Dr. K. im Bericht vom 15.06.2007, Klinikum Hanau, Berichte vom 17.03.2010 und 09.09.2010, Kerkhoff-Klinik, Bericht vom 02.04.2010) nur ein Ursachenzusammenhang mit der COPD, nicht aber mit der Asbestose, gesehen. Anderweitige Erkenntnisse sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach alldem konnte also ein Kausalzusammenhang zwischen den als BK-Folgen geltend gemachten Erkrankungen des Klägers und der anerkannten BK 4103 nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Da vom Kläger nicht die Asbestose selbst, sondern die COPD und das Cor pulmonale, insbesondere die Einschränkungen der Lungenfunktion, als Gründe für das Vorliegen eines Leistungsanspruchs (auf Rente) gegenüber der Beklagten angeführt werden, scheidet, da beide Erkrankungen keine BK-Folgen sind, auch ein Rentenanspruch (§ 56 SGB VII) aus.
Bei entsprechend eindeutiger Aktenlage war – ohne die Notwendigkeit der Erhebung eines Sachverständigenbeweises von Amts wegen – die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und erfolgt, obwohl die Klage abgewiesen wurde, zu Lasten der Beklagten. Die Beklagte hat Veranlassung zur Klageerhebung dadurch gegeben, dass sie in ihrer Entscheidung unscharfe Formulierungen gewählt hat, die sie auch auf rechtliche Hinweise der Kammervorsitzenden vom 04.05.2016 und 28.07.2016 nicht bzw. nicht sachgerecht ergänzt bzw. klargestellt hat. Der Entscheidung mangelt es daher an Transparenz. Insbesondere die gegenüber der Ehefrau des Klägers getroffene Aussage, ggf. ein Gutachten nach Aktenlage in Auftrag zu geben und den Kläger über die weitere Vorgehensweise zu informieren, wurde ohne jede weitere Information gegenüber dem Kläger (innerhalb oder außerhalb des Bescheids vom 14.08.2015) gänzlich aufgegeben. Dies hat die Beklagte erst im Widerspruchsbescheid damit begründet, dass "eine Auswertung der medizinischen Befunde und der Röntgenaufnahmen bereits durch einen in der Begutachtung erfahrenen Arzt erfolgt" sei. Dieser Satz kann sich – mangels namentlicher Kenntlichmachung und fehlender anderweitiger medizinischer Auswertungen – nur auf die Stellungnahme von Prof. C. vom 24.11.2014 beziehen. Diese hatte allerdings schon vorgelegen, bevor die Beklagte der Ehefrau des Klägers die Prüfung der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage versprach. Die Begründung im Widerspruchsbescheid kann daher weder aufgrund der Chronologie, noch inhaltlich nachvollzogen werden kann. Zudem bietet der Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Prof. C. die erst ein halbes Jahr nach Erstattung seiner Stellungnahme vorgelegten umfangreichen Arztbriefe überhaupt gesehen, geschweige denn, ausgewertet hat. Dennoch behauptet die Beklagte gerade dies in ihrem Widerspruchsbescheid. Worauf die Bewertung der medizinischen Befunde tatsächlich zurückgeht, kann anhand Behördenentscheidung nicht nachvollzogen werden.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass Gesundheitsstörungen Folgen der festgestellten Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sind, sowie die Gewährung einer Rente.
Aufgrund der "Ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" durch die Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen in Greifenstein (beim Regierungspräsidium Darmstadt am 15.08.2014 eingegangen) nahm die Beklagte ihre Sachverhaltsermittlungen auf. Die Anzeige war Ausfluss der stationären Behandlung des Klägers in der "Klinik Elgershausen" im Zeitraum vom 04.08.2014 bis 12.08.2014. In der Anzeige wird, bei der Angabe, dass laut Patient an allen Arbeitsstellen Asbestkontakt bestanden habe, als in Betracht kommende Berufskrankheit eine Pleuraasbestose aufgeführt; als Krankheitserscheinungen werden genannt: "Belastungsdyspnoe, ventilatorische/oxygenatorische Insuffizienz, im HR-CT eindeutige Plaques sowie V. a. eine Pericarditis calcerea." Ein ursächlicher Zusammenhang könne mit der Erkrankung COPD bestehen. [COPD = chronic obstruktive pulmonary disease = chronisch obstruktive Lungenerkrankung; Anm. d. Verf.]
Auf die Fragen der ebenfalls aufgrund der o. g. ärztlichen Anzeige ermittelnden Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), deren Unterlagen teilweise Bestandteil der Verwaltungsakte der Beklagten sind, gab der Kläger im September 2014 an, dass sich die Lungenbeschwerden erstmals im Sommer 1956 mit einer Lungenentzündung bemerkbar gemacht hätten. Zu seinem Nikotinkonsum befragt, gab der Kläger an, dass er von 1957 bis 2010 geraucht habe im Umfang von zunächst einer Zigarette am Tag, später, bis zum Jahr 2010 10 Stück am Tag, was er danach wieder reduziert habe.
Die Beklagte ließ die in der Klinik Elgershausen angefertigten und ihr vorgelegten Röntgen- und CT-Thoraxaufnahmen durch den Internist und Lungenarzt Prof. C. auswerten. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 24.11.2014 zu dem Ergebnis, dass costale hyaline Pleuraplaques und ein Mediastinalplaque vorlägen. Die beschriebenen costalen Pleuraplaques seien nicht geeignet, kardiopulmonale Funktionseinschränkungen im Sinne der rechtlich wesentlichen Verschlimmerung der COPD herbeizuführen.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Hausarzt des Klägers, Herr D., unter dem 20.12.2014 ein ärztliches Attest vor, in dem er berichtet, dass der Kläger seit Dezember 1993 über Belastungsdyspnoe geklagt habe. Diagnostisch handele es sich um eine COPD. Kardiologische Mitbehandlung sei veranlasst worden. Der Kläger befinde sich deswegen in fortlaufender ambulanter und teilweise stationärer Behandlung. Der Kläger sei in seiner Alltagskompetenz extrem eingeschränkt und benötige eine 24-stündige Sauerstofftherapie.
Betreffend ihre Mitgliedsunternehmen (Tätigkeiten des Klägers vom 01.07.1958 bis 31.03.1960 sowie vom 01.04.1960 bis 31.12.1989) holte die Beklagte bei ihrem Präventionsdienst eine Stellungnahme Arbeitsplatzexposition, Asbesterkrankung BK 4103/4104, ein, die am 18.05.2015 vorlag. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit in Summe einer Exposition von 1,2 Faserjahren ausgesetzt gewesen sei.
Die BGHM legte - betreffend ihre Mitgliedsunternehmen (Tätigkeiten des Klägers vom 01.04.1952 bis 31.03.1956 sowie 01.04.1956 bis 30.06.1958) ihre Stellungnahme Arbeitsplatzexposition Asbestose BK 4103 vor. Danach liegt dort eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 1,1 Faserjahren vor.
Zur Frage des Vorliegens eines Versicherungsfalls und seiner etwaigen Erkrankungsfolgen beabsichtigte die Beklagte die Einholung eines Gutachtens. Die Ehefrau des Klägers teilte der Beklagten daraufhin mit, dass eine Untersuchung des Kläger wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (Gehstrecke maximal 10 m, starke Gewichtsabnahme, immer wieder Durchfall; pflegebedürftig) nicht möglich sei. Die Beklagte sagte die Prüfung der Beauftragung eines Gutachtens nach Aktenlage zu. Sie werde den Kläger über die weitere Vorgehensweise informieren (vgl. Aktennotiz vom 07.07.2015).
Zur Verwaltungsakte geheftet wurden im Juni 2015 eingegangene ärztliche Unterlagen (nachträgliche Vorlage durch Hausarzt D.), die im Folgenden teilweise auszugsweise zitiert werden.
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 17.12.1993 (schlecht lesbar und unvollständig): Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Der Patient raucht etwa 20 Zigaretten pro Tag. Die Arbeitsanamnese ist unauffällig."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 24.01.2005. Diagnose: Bakteriell exacerbierte COPD. "Der Patient raucht weiterhin 5-10 Zig./Tag."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 07.07.2006. Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Das Rauchen wurde noch nicht eingestellt. [ ] Zusammenfassend ergab sich bei dem Patienten eine ständig fortschreitende chronisch obstruktive Bronchitis, jetzt mit neu aufgetretener respiratorischer Globalinsuffizienz."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 14.03.2007: Diagnose: leicht exacerbierte COPD.
Bericht Kardiologe Dr. F. vom 15.06.2007: Diagnose: COPD, Nikotinabusus. "Beurteilung: Bei Herrn A. ist es bei schwerer COPD bereits zur Rechtsherzbeteiligung gekommen. Eine koronare Herzkrankheit zeigt sich nicht."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 10.06.2008. Diagnose: chronisch obstruktive Bronchitis. "Zusammenfassend ergab sich bei dem Patienten leider erneut eine Verschlechterung gegenüber dem Vorbefund."
Bericht Klinikum Hanau vom 11.02.2009 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.12.2008 bis 10.12.2008. Diagnosen u. a.: Infektexacerbierte COPD bei chronischem Nikotinabusus, respiratorische Globalinsuffizienz. "In der Lungenfunktionsuntersuchung zeigten sich eine respiratorische Globalinsuffizienz sowie eine schwere obstruktive Ventilationsstörung. Es besteht eine Indikation zur Heimsauerstofftherapie, der Patient setzt seinen Nikotinabusus aber weiterhin fort, weshalb wir im Moment von einer Heimsauerstofftherapie absehen. Wir rieten dem Patienten dringend zur Nikotinkarenz [ ]" Bericht Kardiologe Dr. G. vom 11.05.2009: Diagnose u. a.: schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Nikotinabusus. "Beurteilung: Im Vordergrund steht die schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung. [ ] Die Notwendigkeit einer Nikotinkarenz wurde besprochen."
Bericht Lungenfacharzt Dr. E. vom 07.08.2009: Diagnose: kortisonpflichtige chronisch obstruktive Bronchitis.
Bericht Klinikum Hanau vom 16.03.2010: Diagnose u. a.: sekundäre pulmonale Hypertonie bei COPD, Nikotinabusus. "[ ] hier ist dem Patienten dringend eine Nikotinkarenz anzuraten."
Bericht Klinikum Hanau vom 17.03.2010 betreffend stationären Aufenthalt des Klägers vom 09.03.2010 bis 17.03.2010: Diagnosen u. a.: Cor pulmonale, sekundäre leichtgradige pulmonale Hypertonie bei schwerer, exacerbierter COPD, Lungenemphysem, fortgesetzter Tabakkonsum (ca. 50 py) (= Packungsjahre; Anm. d. Verf.). Bericht Kerckhoff Klinik vom 02.04.2010 über den stationären Aufenthalt vom 29.03. bis 01.04.2010: Diagnosen u. a.: COPD mit Lungenemphysem und sekundärer leichtgradiger pulmonaler Hypertonie, Nikotinabusus.
Bericht Klinikum Hanau vom 09.09.2010 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26.06.2010 bis 16.07.2010: Diagnosen u. a.: respiratorische Globalinsuffizienz bei infektexazerbierter COPD mit Lungenemphysem, sekundäre leichtgradige pulmonale Hypertonie, fortgesetzter Tabakkonsum (ca. 50 py).
Bericht Kardiologe H. vom 24.08.2010: Diagnosen u. a. schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung, 02-Heimtherapie, chron. Cor pulmonale, Nikotinabusus. Bericht Ketteler Krankenhaus vom 15.09.2010 aufgrund stationären Aufenthalts vom 07.09.2010 bis 20.09.2010. Diagnosen u. a.: schwere COPD bei respiratorischer Globalinsuffizienz, Versorgung mit einem Heimbeatmungsgerät und einer O2- Langzeit-Therapie.
Bericht Ketteler Krankenhaus vom 24.11.2010 aufgrund stationären Aufenthalts vom 20.09.2010 bis 24.11.2010.
Bericht Ketteler Krankenhaus vom 19.08.2011 aufgrund stationären Aufenthalts vom 17.08.2011 bis 19.08.2011.
Bericht Kardiologe H. vom 27.06.2012.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 04.12.2012: Diagnosen u. a.: COPD GOLD stad. IV mit respiratorischer Insuffizienz und chronisch ventilatorischer Insuffizienz, Nicht-invasive Beatmung seit 2012, O2- Therapie, Nikotinkonsum von ca. 30 py bis 2010, Z. n. beruflichem Asbestkontakt, Z. n. beruflichem Kontakt zu ionisierenden Stoffen. "Zusammenfassung: [ ] Hinweise für eine Berufserkrankung auf dem pneumologischen Fachgebiet liegen nicht vor [ ]."
Bericht Kardiologe H. vom 26.06.2013.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 01.07.2013.
Bericht Kardiologe H. vom 18.06.2014.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 02.07.2014: "[ ] Lungenfunktionell zeigte sich eine weitere Verschlechterung der Obstruktion."
Bericht Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen vom 11.08.2014 über den stationären Aufenthalt vom 04.08.2014 bis 12.08.2014. Diagnosen u. a.: COPD, GOLD IV, kombiniert ventilatorische-oxygenatorische Insuffizienz, Z. n. Nikotinabusus (kumulativ 20 py) sistiert seit 2004, Chron. Cor pulmonale, Asbestose bei beruflicher Exposition, BK-Anzeige erstattet. Bildgebende Diagnostik: HR-CT des Thorax vom 05.08.2014: [ ] "Ausgeprägtes oberlappenbetontes panlobuläres Lungenemphysem. Kein Nachweis einer pulmonalen Konsolidierung oder Raumforderung. Soweit bei deutlich veratmeter Untersuchung beurteilbar, auch kein Nachweis einer fibrosierenden interstitiellen Lungenerkrankung, wobei eine Veränderung hier komplett entgehen könnte. Es zeigen sich Kriterien einer pulmonalen Hypertonie. Es besteht eine koronare Gefäßsklerose und eine Verkalkung der Taschen der Aortenklappe. Auffällig sind dann charakteristische plateauförmige, weichteildichte Verkalkungen an der Pleura beider Unterlappen paravertebral. In Kenntnis einer Asbestfaserexposition sind diese Befunde hoch charakteristisch für das Vorliegen einer asbestfaserinduzierten Erkrankung der Pleura. Zusätzlich zeigen sich dann grobschollige Verkalkungen am Perikard sowohl anterior an der Grenze zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel als auch an der Hinterwand in Höhe des Vorhofohres und basal. Diese Befunde sind jedoch bei deutlich veratmeter Untersuchung nicht eindeutig zuzuordnen. Hier ist bei Berücksichtigung der basalen Veränderungen in erster Linie an eine Perikarditis calcarea zu denken. Die Befunde sind jedoch in ihrer Morphologie nicht eindeutig zu beurteilen. Bei entsprechender beruflicher Asbestfaserexposition ist aus radiologischer Sicht dringend zu empfehlen, eine Niedrigdosis-Volumen-CT-Untersuchung mit einem Mehrzeilengerät durchzuführen, um auch diese Veränderungen am Perikard sicher beurteilen zu können und ggf. fibrosierende Veränderungen besser ausschließen zu können, als das mit der vorliegenden Untersuchung gelingt. [ ] Zusammenfassung: In Zusammenschau der Befunde bestätigt sich das Vorliegen einer schweren obstruktiven Ventilationsstörung mit erschöpfter Atempumpe und Lungenemphysem. [ ] Bildgebend bestätigte sich bei vorbekannter beruflicher Asbestexposition das Vorliegen einer asbestfaserinduzierten Pleuritis. Es erfolgte die BK-Anzeige. [ ]"
Bericht Klinikum Hanau vom 06.10.2014 über den stationären Aufenthalt vom 29.09.2014 bis 06.10.2014: Diagnosen u. a.: Infektexazerbation bei COPD D mit Langzeitsauerstofftherapie, chronisches Cor pulmonale.
Bericht Hufeland-Klinik Bad Ems vom 20.10.2014 über den stationären Aufenthalt vom 28.08.2014 bis 18.09.2014. Diagnosen u. a.: COPD Stadium IV nach GOLD, chronisches Cor pulmonale, Verdacht auf Asbestose.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 18.12.2014.
Bericht Klinikum Hanau vom 13.01.2015 über den stationären Aufenthalt vom 30.12.2014 bis 21.01.2015.
Bericht Lungenfacharzt Dr. J. vom 27.04.2015.
Bericht Kardiologe H. vom 27.05.2015.
Bei zunächst ungeklärter Zuständigkeit der Beklagten für den gesamten Zeitraum von 1958 bis 1989, erließ die Beklagte in "vorläufiger Zuständigkeit" unter dem 14.08.2015 gegenüber dem Kläger einen Bescheid, in dem sie eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Berufskrankheiten-Liste (Asbeststaublungenerkrankung – Asbestose) anerkannte. Der zweite Satz der bescheidmäßigen Verfügung lautet dahingehend, dass Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit nicht bestehen. Im Begründungsteil des Bescheids führte die Beklagte aus, dass die Berufskrankheit des Klägers zu nachstehenden Beeinträchtigungen geführt habe, die sie bei der Bewertung der MdE berücksichtigt habe: "Durch die Einwirkung von Asbeststaub verursachte, nicht behandlungsbedürftige Pleuraplaques (Kalkablagerungen auf dem Brustfell) ohne hieraus resultierende Einschränkungen der Lungenfunktion." Folgende Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Klägers lägen unabhängig von der Berufskrankheit vor: "schwere chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD Grad IV) mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie, chronisches Cor pulmonale, koronare Herzerkrankung, Diabetes Typ 2." Die Berufskrankheit des Klägers sei nicht behandlungsbedürftig und habe eine rentenberechtigende MdE nicht zur Folge.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und bemängelte, dass keine Untersuchung und Begutachtung des Klägers oder jedenfalls eine Begutachtung nach Aktenlage stattgefunden habe. In der medizinischen Literatur werde die Meinung vertreten, dass ein Zusammenhang zwischen Asbestose und COPD im Sinne einer Ursächlichkeit bestehen könne.
Unter dem 03.11.2015 legte die BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 03.11.2015 ihres Präventionsdienstes vor. Hierin werden die Faserjahre für die Tätigkeit des Klägers vom 01.07.1958 bis 31.12.1989 (anders als in der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition der Beklagten vom 18.05.2015, s. o.) mit 9,4 angegeben. Aus einem internen Schreiben und einem Aktenvermerk vom 24.11.2015 bzw. 04.12.2015 ergibt sich, dass die Beklagte nun ihre Zuständigkeit für den gesamten Zeitraum annahm.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.08.2015 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Zahlung einer Rente abgelehnt worden sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, weil nach der Auswertung der Bildbefunde bei dem Kläger durch die Einwirkungen von Asbeststaub verursachte, nicht behandlungsbedürftige Pleuraplaques bestünden. Nach allgemeinen medizinischen Erfahrungen verursachten aber auf das Rippenfell beschränkte asbestassoziierte Veränderungen keine wesentlichen Funktionseinbußen. Die beschriebenen Veränderungen seien auch nicht geeignet, eine rechtlich wesentliche Verschlimmerung der COPD herbeizuführen, welche nach der Befundlage eindeutig den Rauchgewohnheiten des Klägers zuzuordnen sei. Da eine Auswertung der medizinischen Befunde und der Röntgenaufnahmen bereits durch einen in der Begutachtung erfahrenen Arzt erfolgt sei, sei kein Gutachten nach Aktenlage erforderlich gewesen.
Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 01.02.2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Der Kläger wiederholt seinen Vortrag aus dem Vorverfahren.
Der Kläger beantragt wörtlich,
den Bescheid vom 14.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2016 insofern abzuändern, als dass die schwere chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD Grad IV) mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie sowie das chronische Cor pulmonale als Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festgestellt werden und dem Kläger die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Rechtsstreit beigezogen. Eine an die Beklagte gerichtete Frage hat diese – trotz Erinnerung und Fristsetzung nach § 106 a SGG – nicht bzw. nicht sachgerecht beantwortet.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Soweit die Beklagte im Verfügungssatz des Bescheids vom 14.08.2015 "Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit" allgemein abgelehnt hat und die Klage dementsprechend allgemein auf Leistungsgewährung gerichtet ist, ist sie unzulässig. Bei dem diesbezüglichen Verfügungssatz handelt es sich um eine rechtlich unbeachtliche Leerformel (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Februar 2014 – L 3 U 208/12 –, juris unter Verweis auf Bundessozialgericht, BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Die belastende Behördenentscheidung war unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass damit die Rentengewährung abgelehnt wurde, die zulässig mit der Leistungsklage verfolgt werden kann: Die Klage ist zulässig, soweit sie auf Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folge der anerkannten BK Nr. 4103 und auf Rentengewährung gerichtet bzw. dahingehend auszulegen ist. Dem Verfügungssatz des Bescheids vom 14.08.2015 ist zwar keine Entscheidung über die Feststellung von Unfallfolgen und keine Entscheidung über die Rentengewährung zu entnehmen; aus der Entscheidungsbegründung des angefochtenen Bescheids ergibt sich aber, dass die Entscheidung sich auch auf die Frage der Rentengewährung bezieht ("keine rentenberechtigende MdE"), was durch die Begründung des Widerspruchsbescheids bekräftigt wird (siehe Tatbestand). Auch hat sich die angefochtene Entscheidung im Begründungsteil mit den im Verwaltungsverfahren (und auch im Klageverfahren) geltend gemachten Unfallfolgen auseinandergesetzt. Die auf Feststellung von Unfallfolgen und "Leistungsgewährung" gerichtete Klage ist in Form der kombinierten Anfechtungs-, Feststellungs-, und Leistungsklage (§§ 54, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG), letztere gerichtet auf Rentengewährung, statthaft. Ein Feststellungsinteresse besteht schon deshalb, weil die Entscheidung über die Rentengewährung unmittelbar mit der Frage verknüpft ist, welche Gesundheitsstörungen durch die anerkannte Berufskrankheit verursacht sind bzw. welche Gesundheitsstörungen bei der Bestimmung der MdE zu berücksichtigen sind und weil die Beklagte im Begründungsteil ihres Bescheides ausdrücklich die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als "unabhängig von der Berufskrankheit" bezeichnet hat.
Die Klage führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der COPD als Folge der anerkannten Berufskrankheit Asbestose; ebenso wenig hat er Anspruch auf Feststellung des Cor pulmonale als Folge dieser Berufskrankheit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG i. V. m. § 9 SGB VII). Auch die negative Entscheidung der Beklagten über die Rentengewährung hat Bestand (§ 56 SGB VII).
Da im Falle des Klägers das Vorliegen einer chronisch obstruktiven Bronchitis schon 1993 dokumentiert ist (vgl. Bericht Dr. E. vom 17.12.1993) und die Diagnose COPD aktenkundig erstmals durch Dr. E. im Bericht vom 24.01.2005 gestellt wurde, wohingegen der Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit mit Auswirkung auf die COPD erst 2014 formuliert wurde, kam hier ohnehin nur die Frage der Verschlimmerung der COPD durch die Berufskrankheit in Betracht. Dass diesbezüglich eine Verschlimmerung tatsächlich stattgefunden hat (mit der Notwendigkeit einer Sauerstoff-Langzeittherapie), ist an den chronologischen Arztberichten eindrucksvoll abzulesen.
Bei der COPD handelt es sich um eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, bei der eine bronchiale Obstruktion durch eine chronische Bronchitis (vermehrte Schleimsekretion; nach WHO: Husten und Auswurf über mindestens drei Monate im Jahr in zwei aufeinander folgenden Jahren) und/oder ein Lungenemphysem besteht (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 1060; A. Gillissen/ E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen Therapie – Prognose – Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). Es ist ein weit verbreitetes Krankheitsbild, welches vorwiegend nach dem 40. Lebensjahr auftritt; Hauptrisikofaktor für die Entstehung und Persistenz der Erkrankung ist das inhalative Rauchen von Zigaretten (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Thieme Verlag 2006, Abschnitt 4 Risikofaktoren und Pathogenese; Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl., S. 218; zu den Auswirkungen des Rauchens: www.lungenaerzte-im-netz.de, herausgegeben (hrsg.) von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [DGP] und dem Bundesverband der Pneumologen e. V. [BdP]; A. Gillissen/ E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen Therapie – Prognose – Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). So enthält der Zigarettenrauch weit über 1.000 verschiedene Stoffe, von denen viele toxisch wirken (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, a.a.O.; "COPD und Rauchen" in AOK-Curaplan COPD, veröffentlicht unter www.aok.de). Bereits das regelmäßige Rauchen von wenigen Zigaretten täglich wirkt sich nachhaltig negativ auf die Lungenfunktion aus. So sinkt das Ausatmenvolumen in der ersten Sekunde (FEV 1 ) stärker ab als bei Nichtrauchern; Studien haben ergeben, dass der jährliche Verlust des Ausatmungsvolumens bei Nichtrauchern 36 ml, bei Rauchern in Abhängigkeit von der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten dagegen 44 ml (1 - 4 Zigaretten täglich), 46 ml (5 - 15 Zigaretten täglich) bzw. 54 ml (16 - 20 Zigaretten täglich) beträgt (vgl. zu den Auswirkungen des Rauchens: www.lungenaerzte-im-netz.de, hrsg. von der DGP und dem BdP). Ebenso wie das Inhalieren von Zigarettenrauch kann aber auch eine langjährige Gas- (insbesondere SO 2 -) und Staubinhalation mit bronchialbaumgängigen Partikelgrößen isoliert eine COPD auslösen oder bei Kombination mit Nikotinkonsum den Krankheitsverlauf
beschleunigen (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, a.a.O.) (zitiert nach Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02. Dezember 2010 – L 3 U 227/07 –, Rn. 38, juris).
Cor pulmonale (lat.: "Lungenherz") bezeichnet ein druckbelastetes rechtes Herz infolge einer Drucksteigerung im Lungenkreislauf (pulmonale Hypertonie oder sekundäre pulmonale Hypertonie), wenn deren Ursache in der Lunge und nicht am Herzen zu finden ist. Diese Drucksteigerung kann verschiedene Ursachen haben, von der Lungenembolie über die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bis hin zu der weltweit verbreiteten Wurmerkrankung Schistosomiasis (Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 30.01.2017 in wikipedia).
Erforderlich für die begehrte gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Ursachenzusammenhangs zwischen der als Berufskrankheit anerkannten Asbestose und der Verschlimmerung der COPD sowie des Cor pulmonale nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und der Berufskrankheit als auch zwischen der Berufskrankheit und der Gesundheitsstörung besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). (zitiert nach SG Karlsruhe, Urteil vom 27. Juni 2014 – S 4 U 1782/13 –, Rn. 25, juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.).
Diese Beweisvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Zwar enthält das Merkblatt zur BK 4103, Seite 3, den Hinweis, dass als Zeichen einer Asbestose "nicht selten die Symptome einer chronischen Bronchitis, emphysematösen Lungenveränderungen und Rechtsherzhypertrophie (Cor pulmonale)" eintreten (wobei hieraus nicht deutlich wird, ob mit den Worten "chronische Bronchitis, emphysematöse Lungenveränderungen" (auch) das Krankheitsbild der COPD umschrieben sein soll und (falls ja), ob mit diesen Worten ein Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung Asbestose einerseits und den Erkrankungen COPD und dem Cor pulmonale andererseits hergestellt sein soll, oder ob die beiden Erkrankungen – wie es in dem Zitat wörtlich heißt – nur als "Symptome" der Krankheit Asbestose zugeordnet sind, ohne hier eigenständige Krankheiten zu sein; Anm. d. Verf.).
Diese Fragen müssen jedoch vorliegend nicht beantwortet werden, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen COPD und Asbestexposition bzw. Asbestose schon nach den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht anerkannt ist. Es bestehen allenfalls Ansätze, die COPD mit einer Reihe von beruflichen Expositionen in Verbindung zu bringen (u. a. mit Asbest), was anhand des folgenden Zitats zu ersehen ist: "Der berufliche (und damit im Prinzip präventable) Anteil an COPD-Erkrankungen wird hierzulande zu wenig beachtet. Dabei ist eine ganze Reihe von Expositionen geeignet, zu einer COPD beizutragen (Tab. 2.4) [dort ist u. a. Asbest aufgeführt; am Ende der Tabelle erfolgt der Hinweis, dass der Ursachenzusammenhang nicht allgemein anerkannt ist; Anm. d. Verf.]. Daraus resultiert die Forderung, weite Bereiche mit beruflichen COPD-Risiken wissenschaftlich und in der Umsetzung aufzuarbeiten." (Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege", Epidemiologische Forschung und Umsetzung in der Praxis, Workshop vom 10.11.2004 in Berlin, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Tagungsbericht 143, Seite 15; Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 30.01.2017; http://www.baua.de/de/Publikationen/ Schriftenreihe/Tagungsberichte/2000-/Tb143.html).
Auch der Klägervertreter hat nichts Abweichendes vorgetragen.
Abgesehen davon hat im Falle des Klägers nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts der fortgesetzte Nikotinabusus den wesentlichen Beitrag zur Verschlimmerung der COPD geleistet, wie aus den zahlreichen Arztberichten zweifelsfrei ersichtlich ist:
Dr. E. spricht in seinem Bericht vom 17.12.1993 von 20 Zigaretten pro Tag (und unauffälliger Arbeitsplatzanamnese!). Auch in den weiteren Berichten des Lungenfacharztes E. (vom 14.01.2005 und 07.07.2006) wird das fortgesetzte Rauchen beschrieben. Die Kardiologen Dr. F., Dr. G. und Herr H. führen in ihren Berichten vom 15.06.2007, 11.05.2009 und 24.08.2010 Nikotinabusus als Diagnose an. Das Klinikum Hanau wird in seinen Berichten vom 11.02.2009, 16.03.2010 und 09.09.2010 noch deutlicher: hier wird mit der diagnostischen Formulierung "Infektexacerbierte COPD bei [Hervorh. durch die Verfasserin] chronischem Nikotinkonsum die Erkrankung/Verschlimmerung der COPD unmittelbar mit dem Nikotinkonsum in Verbindung gebracht und es wird dem Kläger dringend zur Nikotinkarenz geraten. Sogar von einer an sich notwendigen Heimsauerstofftherapie sah die Klinik seinerzeit ab, weil der Kläger seinen Nikotinabusus weiterhin fortsetzte. Der fortgesetzte Tabakkonsum wird in diesem Bericht im Hinblick auf das Ausmaß mit 50 py bezeichnet. Die Kerckhoff Klinik führt in ihrem Bericht vom 02.04.2010 die Diagnose Nikotinabusus auf. Der Lungenfacharzt Dr. J. gibt in seinem Bericht vom 04.12.2012 den Nikotinkonsum mit ca. 30 py bis 2010 an (und sieht keine Hinweise für eine Berufserkrankung auf pneumologischem Fachgebiet!). Im Bericht der Klinik Elgershausen vom 11.08.2014 wird (erstmals) zwar ein Zusammenhang zwischen der Asbestfaserexposition und der Erkrankung der Pleura herstellt (verwaltungsseitig wurde das Bestehen dieses Kausalzusammenhanges durch die Feststellung der BK 4103 bestätigt und ist unstreitig); lediglich in ihrer "ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" stellt die Klinik einen fraglichen Zusammenhang zwischen der COPD und der Asbestose her, allerdings ohne Begründung, die eben auch dem Bericht vom 11.08.2014 nicht entnommen werden kann. Berücksichtigt man, dass in dem Bericht vom 11.08.2014 von einem (anamnestischen?) Nikotinabusus "kumulativ 20 py, sistiert seit 2004" ausgegangen wird, so ist insoweit festzuhalten, dass dies mit der zuvor referierten Aktenlage nicht in Einklang steht, da der fortgesetzte Nikotinkonsum dort schon ab 1993 dokumentiert ist und die Packungsjahre mit 50 bzw. 30 py angegeben worden waren. Der ärztlicherseits geäußerte Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen COPD und Asbestose durch die Klinik Elgershausen konnte gerichtlicherseits beim Abweichen von der sonstigen Aktenlage im Hinblick auf die Dauer und die Häufigkeit des Nikotinkonsums sowie bei fehlender medizinischer Begründung nicht nachvollzogen werden, zumal der Verdacht des Kausalzusammenhangs von den zahlreichen übrigen behandelnden Ärzten nicht gesehen, vielmehr von diesen stets der Nikotinabusus im Zusammenhang mit der COPD hervorgehoben wurde, was auch den oben dargestellten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Entstehung (bzw. Verschlimmerung) der COPD entspricht.
Bei dieser Sachlage ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Verschlimmerung der COPD und der Asbestose nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Es spricht deutlich mehr gegen als für den reklamierten Ursachenzusammenhang und ernstliche Zweifel hieran bestehen nicht; anders gewendet spricht deutlich mehr dafür, dass die COPD durch den fortgesetzten Nikotinabusus entstanden ist. Insofern ist nach dem oben Referierten auch die im Verwaltungsverfahren abgegebene Selbstauskunft des Klägers ("maximal 10 Zigaretten pro Tag bis 2010") nicht glaubwürdig.
Was das Cor pulmonale anbetrifft, wird von den behandelnden Ärzten (vgl. Kardiologe Dr. K. im Bericht vom 15.06.2007, Klinikum Hanau, Berichte vom 17.03.2010 und 09.09.2010, Kerkhoff-Klinik, Bericht vom 02.04.2010) nur ein Ursachenzusammenhang mit der COPD, nicht aber mit der Asbestose, gesehen. Anderweitige Erkenntnisse sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach alldem konnte also ein Kausalzusammenhang zwischen den als BK-Folgen geltend gemachten Erkrankungen des Klägers und der anerkannten BK 4103 nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Da vom Kläger nicht die Asbestose selbst, sondern die COPD und das Cor pulmonale, insbesondere die Einschränkungen der Lungenfunktion, als Gründe für das Vorliegen eines Leistungsanspruchs (auf Rente) gegenüber der Beklagten angeführt werden, scheidet, da beide Erkrankungen keine BK-Folgen sind, auch ein Rentenanspruch (§ 56 SGB VII) aus.
Bei entsprechend eindeutiger Aktenlage war – ohne die Notwendigkeit der Erhebung eines Sachverständigenbeweises von Amts wegen – die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und erfolgt, obwohl die Klage abgewiesen wurde, zu Lasten der Beklagten. Die Beklagte hat Veranlassung zur Klageerhebung dadurch gegeben, dass sie in ihrer Entscheidung unscharfe Formulierungen gewählt hat, die sie auch auf rechtliche Hinweise der Kammervorsitzenden vom 04.05.2016 und 28.07.2016 nicht bzw. nicht sachgerecht ergänzt bzw. klargestellt hat. Der Entscheidung mangelt es daher an Transparenz. Insbesondere die gegenüber der Ehefrau des Klägers getroffene Aussage, ggf. ein Gutachten nach Aktenlage in Auftrag zu geben und den Kläger über die weitere Vorgehensweise zu informieren, wurde ohne jede weitere Information gegenüber dem Kläger (innerhalb oder außerhalb des Bescheids vom 14.08.2015) gänzlich aufgegeben. Dies hat die Beklagte erst im Widerspruchsbescheid damit begründet, dass "eine Auswertung der medizinischen Befunde und der Röntgenaufnahmen bereits durch einen in der Begutachtung erfahrenen Arzt erfolgt" sei. Dieser Satz kann sich – mangels namentlicher Kenntlichmachung und fehlender anderweitiger medizinischer Auswertungen – nur auf die Stellungnahme von Prof. C. vom 24.11.2014 beziehen. Diese hatte allerdings schon vorgelegen, bevor die Beklagte der Ehefrau des Klägers die Prüfung der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage versprach. Die Begründung im Widerspruchsbescheid kann daher weder aufgrund der Chronologie, noch inhaltlich nachvollzogen werden kann. Zudem bietet der Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Prof. C. die erst ein halbes Jahr nach Erstattung seiner Stellungnahme vorgelegten umfangreichen Arztbriefe überhaupt gesehen, geschweige denn, ausgewertet hat. Dennoch behauptet die Beklagte gerade dies in ihrem Widerspruchsbescheid. Worauf die Bewertung der medizinischen Befunde tatsächlich zurückgeht, kann anhand Behördenentscheidung nicht nachvollzogen werden.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG.
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