Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 1/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Lehnt die beklagte Berufsgenossenschaft bei einer Anzeige des Verdachts auf Vorliegen einer Berufskrankheit die Feststellung eines Versicherungsfalls alleine deswegen ab, weil die Tätigkeit der Klägerin bei ihr nicht versichert sei, führt dies innerhalb der 6-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG zur Zurückverweisung an die Verwaltung, weil die Beklagte bezüglich der Feststellung, ob die Klägerin bei ihr versichert ist, den Untersuchungsgrundsatz verletzt hat und deshalb erhebliche Ermittlungen erforderlich sind, um diese Frage zu beantworten.
2. Die Zurückverweisung nach §§ 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 iVm Absatz 3 SGG ist unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich, weil die Beklagte nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung die Ermittlungen sowohl in tatsächlicher als auch arbeitstechnischer und medizinischer Hinsicht effizienter und damit schneller als das Gericht durchführen kann und das Gericht von den umfangreichen Sachverhaltsermittlungen, die wegen der behördlichen Verletzung der Amtsermittlungspflicht nun nachgeholt werden müssen, zu entlasten ist.
3. Die Beklagte wird aufgrund der Zurückverweisung bei ihren Ermittlungen und ihrer Entscheidung zu beachten haben, dass das Entfernen von Mäusekot und –urin in einem „normalen“ Haushalt nicht und schon gar nicht in dem hier angegebenen Umfang vorkommt, was für sich genommen schon für ein landwirtschaftliches Gepräge des eigenwirtschaftlichen Haushalts des Betriebsinhabers spricht. Allerdings wird die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als Ganze, zeitlich vom Beginn der Tätigkeit an bis zur Verdachtsanzeige, danach zu beurteilen haben, ob sie maßgeblich im landwirtschaftlich geprägten eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers oder in dessen Betriebsräumen geleistet wurde; eine Aufspaltung in Teilverrichtungen mit entsprechend differenzierter versicherungsrechtlicher Zuordnung ist nicht zulässig.
4. Die Beklagte wird den Sachverhalt nicht nur umfassend und abschließend in tatsächlicher Hinsicht unter Beachtung der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des Gerichts zu ermitteln haben, sondern auch in medizinischer Hinsicht, falls sich erweist, dass die Klägerin bei ihr – unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer – versichert ist. Sie wird die Klägerin je nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen zu bescheiden haben und für den Fall einer negativen Bescheidung mangels bei ihr versicherter Tätigkeit die Sache an die zuständige Berufsgenossenschaft abzugeben haben, die ihrerseits die Klägerin aufgrund der Verdachtsanzeige auf Vorliegen einer Berufskrankheit zu bescheiden hat.
5. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach §§ 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 iVm Absatz 3 SGG ist der Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt. Eine Klageabweisung im Übrigen im Hinblick auf den gestellten Sachantrag erfolgt deshalb nicht, weshalb die Beklagte ohne Einschränkung zur Kostenerstattung zu verpflichten ist.
2. Die Zurückverweisung nach §§ 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 iVm Absatz 3 SGG ist unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich, weil die Beklagte nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung die Ermittlungen sowohl in tatsächlicher als auch arbeitstechnischer und medizinischer Hinsicht effizienter und damit schneller als das Gericht durchführen kann und das Gericht von den umfangreichen Sachverhaltsermittlungen, die wegen der behördlichen Verletzung der Amtsermittlungspflicht nun nachgeholt werden müssen, zu entlasten ist.
3. Die Beklagte wird aufgrund der Zurückverweisung bei ihren Ermittlungen und ihrer Entscheidung zu beachten haben, dass das Entfernen von Mäusekot und –urin in einem „normalen“ Haushalt nicht und schon gar nicht in dem hier angegebenen Umfang vorkommt, was für sich genommen schon für ein landwirtschaftliches Gepräge des eigenwirtschaftlichen Haushalts des Betriebsinhabers spricht. Allerdings wird die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als Ganze, zeitlich vom Beginn der Tätigkeit an bis zur Verdachtsanzeige, danach zu beurteilen haben, ob sie maßgeblich im landwirtschaftlich geprägten eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers oder in dessen Betriebsräumen geleistet wurde; eine Aufspaltung in Teilverrichtungen mit entsprechend differenzierter versicherungsrechtlicher Zuordnung ist nicht zulässig.
4. Die Beklagte wird den Sachverhalt nicht nur umfassend und abschließend in tatsächlicher Hinsicht unter Beachtung der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des Gerichts zu ermitteln haben, sondern auch in medizinischer Hinsicht, falls sich erweist, dass die Klägerin bei ihr – unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer – versichert ist. Sie wird die Klägerin je nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen zu bescheiden haben und für den Fall einer negativen Bescheidung mangels bei ihr versicherter Tätigkeit die Sache an die zuständige Berufsgenossenschaft abzugeben haben, die ihrerseits die Klägerin aufgrund der Verdachtsanzeige auf Vorliegen einer Berufskrankheit zu bescheiden hat.
5. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach §§ 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 iVm Absatz 3 SGG ist der Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt. Eine Klageabweisung im Übrigen im Hinblick auf den gestellten Sachantrag erfolgt deshalb nicht, weshalb die Beklagte ohne Einschränkung zur Kostenerstattung zu verpflichten ist.
Der Bescheid vom 13.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Erkrankung eine Berufskrankheit ist.
Die Klägerin ist in der Burg D. seit dem 01.10.2006 (offenbar ohne schriftlichen Arbeitsvertrag) abhängig beschäftigt.
Bei der Burg D. handelt es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen des Ehemannes der Beigeladenen; der Ehemann ist Betriebsinhaber, die Beigeladene Arbeitgeberin der Klägerin. Das Unternehmen wurde zuletzt (Februar 2015, Schreiben der Beklagten vom 04.02.2015, Bl. 500 Unternehmensakte; vgl. auch Anlage zu den Beitragsbescheiden 2015 und 2016) bei der Beklagten mit 265,18 ha Forst, 8,41 h Almen, Alpen, Hutungen, 0,25 ha Grünland und 6,48 eingeschlagenen Festmetern veranlagt.
Anmerkung der Verfasserin: § 123 Abs. 1 SGB VII enthält eine Legaldefinition des "landwirtschaftlichen Unternehmens". Hierzu gehören u. a. Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Burg D. besteht (vgl. von der Beigeladenen vorgelegte Skizze) aus der Burg, dem Torhaus, dem Nord-, Süd- und Westbau, dem Backhaus, dem Stall, dem Schuppen und der Remise. Die Burg ist die Wohnung der Beigeladenen und ihres Ehemannes. Nordbau, Südbau und Backhaus sind vermietet. Das Torhaus enthält das Büro und das Museum. Weitere Informationen hierzu sind nicht aktenkundig. Laut Angaben der Beigeladenen ist die Klägerin seit Beginn ihrer Arbeitstätigkeit für "Haushaltstätigkeiten in Haus und Hof" eingesetzt. Insbesondere ist sie für die Sauberhaltung der Burg und des Büros im Torhaus zuständig.
Im März 2015 zeigte der Ehemann der Beigeladenen bei der Beklagten den Verdacht an, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin (Husten, Asthma-Anfälle, Mäuse-Protein-Allergie) um eine Berufskrankheit handele, da die Klägerin bei ihrer Arbeitstätigkeit Mäusekot und Mäuseurin ausgesetzt sei.
Dem Ehemann der Beigeladenen teilte die Beklagte unter dem 10.04.2015 mit, dass die Klägerin, als Haushaltskraft für Haus und Hof eingestellt, nicht bei ihr versichert sei, da die Haushaltungen dem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht zuzurechnen seien. Dennoch führte die Beklagte Sachverhaltsermittlungen durch:
Im dem Ehemann der Beigeladenen übersandten "Fragebogen Haushaltung" gab dieser an, dass Wohn- und Wirtschaftsgebäude nicht unter einem Dach lägen, innerhalb des Gebäudes kein Zugang zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden möglich sei, sich in der Haushaltung keine Umkleideräume und Sanitäranlagen für Beschäftigte, aber Räume für Büro- und Verwaltungstätigkeiten sowie Lagerräume für Arbeitsgeräte befänden. Im Haushalt würden die Beigeladene sowie ihr Ehemann versorgt. Landwirtschaftliche Arbeitskleidung werde im Haushalt weder benutzt, noch gereinigt, aufbewahrt oder instandgesetzt.
Mit Bescheid vom 13.10.2015 lehnte es die Beklagte gegenüber der Klägerin ab, ihre Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen. Leistungsansprüche bestünden nicht. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kontakt mit Mäusekot und –urin keine berufsbedingte Einwirkung sei. Die Klägerin habe nicht in einem versicherten Haushalt gearbeitet. Aufgrund der Größe und der Struktur des bei ihr veranlagten Unternehmens des Ehemannes der Beigeladenen ergäben sich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Haushalt dem Unternehmen wesentlich diene. Dies sei aber Voraussetzung dafür, dass die dem Haushalt des Unternehmers dienende Tätigkeit unter Versicherungsschutz stehe. Daher blieben die für den Haushalt bestimmten Tätigkeiten unversichert.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, dass sie sich die Erkrankung bei der Tätigkeit in dem Unternehmen zugezogen habe und dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten gemeldet sei.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2016 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass vorliegend die Mindestgröße des Unternehmens nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nur durch Forstflächen überschritten werde, so dass grundsätzlich ein unversicherter Haushalt widerlegbar vermutet werde. Zwischen Haushalt und Unternehmen bestehe auch keine unmittelbare enge strukturelle Verknüpfung, die der Haushaltung ein besonderes Gepräge gebe. Die Voraussetzungen des § 124 Nr. 1 SGG, wonach auch dem Haushalt des Unternehmers dienende Tätigkeiten unter Versicherungsschutz stehen könnten, lägen damit nicht vor.
Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten am 02.01.2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Der Klägervertreter trägt vor,
die von der Klägerin geleistete Hauswirtschaftstätigkeit diene dem Unternehmen und werde direkt auch gegenüber den weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers erbracht. Sofern allerdings stattdessen Versicherungsschutz für die Tätigkeit der Klägerin bei einer anderen Berufsgenossenschaft bestehe, hätte die Beklagte dies feststellen müssen.
Die in der mündlichen Verhandlung anwesende Klägervertreterin beantragt,
den Bescheid vom 13.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren, hilfsweise, zum ersten Antrag: Den Bescheid vom 13.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Rechtsauffassung für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene hat schriftsätzlich Fragen der Kammervorsitzenden beantwortet.
Die Beiladung der Arbeitgeberin der Klägerin ist durch gerichtlichen Beschluss vom 30.05.2017 nach den §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG erfolgt.
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die dort geführte Unternehmensakte des Ehemannes der Beigeladenen zu dem Rechtsstreit beigezogen.
Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten sowie der Beigeladenen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht Frankfurt eingereicht worden.
Da die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGG iVm entsprechender Anwendung des Absatzes 3 vorliegen, hat das erkennende Gericht den Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 131 Rz. 20; zitiert nach beck-online), was dem gestellten Hilfsantrag entspricht.
So beschränkt führt die Klage in der Sache zum Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten, weil diese rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt; die Beklagte ist zudem verpflichtet, nach Durchführung weiterer Sachverhaltsermittlungen erneut darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung der Klägerin eine Berufskrankheit ist.
Diese Entscheidung resultiert daraus, dass nach der Überzeugung der erkennenden Kammer nach Art und Umfang erhebliche Ermittlungen erforderlich sind, um den Antrag auf Feststellung eines Versicherungsfalls zu bescheiden; zudem ist die Neubescheidung durch die Beklagte unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich.
Nach § 131 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 und Abs. 3 SGG kann das Gericht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich ansieht, und soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist, wobei eine derartige Entscheidung nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht möglich ist (§ 131 Abs. 5 Satz 5 SGG).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
1. Erforderlichkeit (weiterer) Sachverhaltsmittlungen: Weitere erhebliche Ermittlungen sind nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts erforderlich: Nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen, Umstände zu berücksichtigen.
Aus dem Untersuchungsgrundsatz und dem daraus folgenden Recht der Behörde, alle zulässigen Beweismittel zu benutzen, folgt, dass die Behörde das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich einer Beweisaufnahme unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände zu würdigen hat. Demzufolge hat die Behörde nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auch den Vortrag der Beteiligten, den Gesamteindruck aller Umstände, Zeugen und Beteiligte, amtsbekannte Tatsachen, zu würdigen. Ebenso wie im gerichtlichen Verfahren dürfen die Feststellungen der Behörde nur auf gewonnenen Überzeugungen beruhen. Hinsichtlich der Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen ist keine absolute Gewissheit erforderlich, jedoch müssen alle bei vernünftiger Betrachtung zu beachtenden objektiven Zweifelsgründe des Falles durch die für die Tatsache sprechenden Gesichtspunkte überwunden werden (Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB, 12/10, § 20 SGB X, Rn. 18 mwN).
Vorliegend lässt die Aktenlage nach den Erkenntnissen des Gerichts eine solche Überzeugungsbildung bei der Beklagten nicht zu.
Dies liegt bereits daran, dass die Beklagte – ohne dies indes in ihrer Entscheidung deutlich zu machen – anhand der "Arbeitsanweisung Nr. AA-300-009" vom 28.05.2015 "Versicherter landwirtschaftlicher Haushalt nach § 124 Nr. 1 SGB VII" vorgegangen ist, was aber den Erfordernissen des Untersuchungsgrundsatzes nicht gerecht wird.
In der Arbeitsanweisung (auf Nachfrage der Kammervorsitzenden vorgelegt im Klageverfahren) ist unter Ziffer 3 in Bezug auf "Unternehmen ab der Mindestgröße nach dem ALG" ausgeführt:
"(1) Haushalte der Unternehmer Eine versicherte landwirtschaftliche Haushaltung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die Mindestgröße nach dem ALG erreicht wird. [ ... ] Abweichend von diesem Grundsatz ist eine versicherte landwirtschaftliche Haushaltung nicht anzunehmen, wenn nach Aktenlage folgende Feststellungen getroffen werden können:
- Der Haushalt befindet sich nicht an oder nicht in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle (örtliche Verbundenheit). In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt unterstellt.
- Die Mindestgröße eines Unternehmens wird nur durch Forstflächen überschritten oder es wird ein reines Forstunternehmen bewirtschaftet. In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt widerlegbar vermutet.
- Es handelt sich um die Haushaltung eines größeren landwirtschaftlichen Unternehmens, dessen Struktur im Regelfall eine Trennung von Haushalt und betrieblichen Abläufen beinhaltet (z. B. Gutshof, Domäne, Schlossgut). In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt unterstellt. [ ... ] [ ... ]"
Unter Annahme der "widerlegbaren Vermutung", dass es sich bei dem Haushalt der Beigeladenen und ihres Ehemannes um einen nicht versicherten Haushalt handelt (zweiter Spiegelstrich der soeben zitierten Arbeitsanweisung Ziffer 3 Abs. 1), hat die Beklagte ihre Pflicht aus § 20 SGB X vernachlässigt und eben gerade nicht von Amts wegen alle für den Fall bedeutsamen Umstände berücksichtigt.
Hierbei ist es unerheblich, ob die Beklagte rechtsirrig annahm, ihre Ermittlungspflicht sei durch die Arbeitsanweisung eingeschränkt. Denn die Beklagte hat zur Aufklärung des Sachverhalts lediglich den Unternehmer mit dem "Fragebogen Haushaltungen" befragt und auf dessen Antworten basierend ihre Entscheidung getroffen. Die anhand des "Fragebogens Haushaltungen" durchgeführten Ermittlungen der Beklagten bei dem Betriebsinhaber (siehe Tatbestand) sind allerdings nach dem oben Ausgeführten keinesfalls geeignet, im konkreten Einzelfall festzustellen, ob die Tätigkeit der Klägerin dem Haushalt des Unternehmers wesentlich dient. Teilweise sind die Frage ungeeignet, die Tätigkeit der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des § 124 Nr. 1 SGB VII zu erfassen, jedenfalls wurden aus den Antworten des Unternehmers von der Beklagten Schlüsse gezogen, die schon rechtlich nicht haltbar sind (die räumliche Nähe zwischen Haushalt und Betrieb mag ein Indiz für eine nach § 124 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit sein, die Forderung eines unmittelbaren räumlichen Zugangs zwischen Haushalts- und Betriebsräumen ist aber mit dem Schutzzweck des § 124 Nr. 1 SGG nicht vereinbar, s. u.).
Die Vorschrift des § 124 Nr. 1 SGB VII macht die an sich eigenwirtschaftlichen Haushalte der Unternehmer zu Bestandteilen des landwirtschaftlichen Unternehmens und bewirkt damit mittelbar Versicherungsschutz für die in ihm Tätigen und die mit dem Haushalt zusammenhängenden Tätigkeiten. Sie sind dann Bestandteil des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 131 Abs. 1 SGB VII. Bei Haushaltstätigkeit versicherte Personen sind: die Unternehmer und Ehegatten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst a SGB VII), mitarbeitende Familienangehörige (aaO Buchst b), wie Unternehmer Tätige (aaO Buchst c), Beschäftigte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ) und wie Beschäftigte Tätige (§ 2 Abs. 2 SGB VII) (vgl. KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 2, beck-online; Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 124 SGB VII, Rn. 4).
Zu den mit dem Haushalt zusammenhängenden Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten, die den Haushaltsangehörigen zugute kommen und nach allgemeinem Verständnis Haushaltstätigkeit sind (vgl. BSG SozR Nr. 2 zu § 777 RVO; BSG Breith 1995, 927). Erfasst werden sowohl die im engeren Sinne hauswirtschaftlichen Verrichtungen (Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse der Haushaltsangehörigen) als auch sonstige im weiteren Sinne damit zusammenhängende Handlungen wie – hier relevant – Pflege und Instandhaltung der Haushaltsräume einschließlich der Wohnung (KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 5, beck-online).
Die Haushaltung – als Ganze, nicht mit jeder einzelnen Teilverrichtung (vgl. KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 9-10, beck-online sowie Diel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 124 SGB VII, Rn. 4) – muss kraft gesetzlicher Forderung dem landwirtschaftlichen Unternehmen "wesentlich dienen". Der Haushalt dient dem landwirtschaftlichen Unternehmen dann wesentlich (dies muss nicht überwiegend sein), wenn eine enge Beziehung wirtschaftlicher Art vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Landwirtschaft dem Haushalt ein besonderes Gepräge gibt. Das ist im Einzelfall wertend zu ermitteln. Das besondere Gepräge ist unter funktionellen Gesichtspunkten zu betrachten. Der Haushalt selbst kann dabei hinsichtlich technischer und räumlicher Gestaltung einem üblichen Privathaushalt entsprechen (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 124 SGB VII, Rn. 13, 15).
Nach den von Rechtsprechung und Schrifttum (Mell in HS-UV § 70 RdNr. 78 bis 80; BSG, 15. 6. 1976, 2 RU 141/75, SozSich 1976, S. 316; Bayerisches LSG, 30. 7. 1997, L 2 U 150/95, HVBG-Info 1998 S. 623; LSG NRW, 20. 9. 2000, L 17 U 108/99, HVBG-Info 2001, S. 966; dies und das Folgende zitiert nach Diel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 124 SGB VII, Rn. 6) entwickelten Grundsätzen dient ein Haushalt wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen, wenn zwischen dem Haushalt und dem Betrieb eine enge räumliche und sachliche Beziehung besteht, die Haushaltung dem Betrieb dient. Dies hängt zum einen vom Umfang und der Bedeutung der der Landwirtschaft zugute kommenden Arbeiten und zum anderen vom Anteil dieser Arbeiten am gesamten Haushaltungsaufwand ab. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Haushalt und Unternehmen und die ständige wechselseitige Beschäftigung von Versicherten kann ein Indiz darstellen, dass die Haushaltung wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen dient. Ein dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienender Haushalt liegt nicht vor, wenn er mehrere Kilometer vom Hof entfernt ist (LSG Rheinland-Pfalz, 1. 12. 1982, Breith 1984, S. 40). Gibt das landwirtschaftliche Unternehmen dem Haushalt ein gewisses Gepräge (unterscheidet sich also der Haushalt nach Art und Umfang der anfallenden Arbeiten von einem normalen privaten Haushalt), so ist der Haushalt regelmäßig dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzurechnen. Die Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens ist allein nicht maßgebend; auch bei Kleinbetrieben kann der Haushalt dem Unternehmen wesentlich dienen. Allerdings ist eine der Landwirtschaft dienende Haushaltung umso eher anzunehmen, desto größer das landwirtschaftliche Unternehmen ist (LSG NRW, 20. 9. 2000, L 17 U 108/99, HVBG-Info 2001, S. 966).
Vorliegend ist allein schon anhand der Aktenlage zu konstatieren, dass das Entfernen von Mäusekot und-urin, das Ausgangspunkt der geltend gemachten berufsbedingten Einwirkung ist, in keinem "normalen" Haushalt vorkommt, schon gar nicht in dem vorgetragenen Umfang (fast täglich im Herbst und Winter, etwa wöchentlich im Sommer). Ob aber tatsächlich eine Versicherung der Klägerin nach § 124 Nr. 1 SGB VII vorliegt, ist erst durch weitere Sachverhaltsermittlungen zu klären:
In einem ersten Schritt wird die Beklagte durch geeignete Sachverhaltsermittlungen entsprechend den obigen Rechtsausführungen des Gerichts (in jedem Fall: Befragen der Klägerin sowie der Beigeladenen und des Betriebsinhabers, ggf. ergänzend: Ortsbegehung) zu ermitteln haben, ob und ggf. in welchem Umfang jeweils die Tätigkeit der Klägerin im landwirtschaftlichen Betrieb und in einem vom landwirtschaftlichen Betrieb geprägten eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers erbracht wurde. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse bis zur Anzeige des Verdachts auf Vorliegen einer Berufskrankheit im März 2015. Hierzu ist zunächst zweifelsfrei festzustellen, in welchen Räumen die Klägerin ihre Tätigkeit überhaupt ausübte und welche Funktion diese Räume hatten (dies gilt insbesondere für das "Büro im Torhaus" und die "Nebengebäude", in denen die Klägerin ihre Tätigkeit hauptsächlich ausgeübt haben soll; vgl. etwa E-Mail der Beigeladenen an die Beklagte vom 01.05.2015).
Denn je nach Tätigkeitsort kommt nicht nur eine mittelbare Versicherung der Klägerin bei der Beklagten als im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers Beschäftigte nach § 124 Nr. 1 SGB VII in Betracht, sondern auch eine unmittelbare Versicherung der Klägerin als Beschäftigte in einem landwirtschaftlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 123 Abs. 1 Nr. 1 und den §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 SGB VII. Soweit die Beklagte diese Möglichkeiten im Klageverfahren selbst erkannt hat (vgl. ihr Schriftsatz vom 29.06.2017, Seite 2 unten und Seite 3 oben), kann sie den Versicherungsschutz der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGBG VII i. V. m. § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht lapidar mit dem Argument verneinen, dass "ein Großteil der Gebäude fremdvermietet sei bzw. anderen Geschäftsbereichen als dem landwirtschaftlichen Unternehmen" diene. Auch insoweit muss die Beklagte erst einmal die konkreten Umstände des Einzelfalles – wie oben ausgeführt – ermitteln.
Für die abschließende Einordnung der Tätigkeit der Klägerin nach dem oben Ausgeführten ist zu klären, an welchen Orten die Klägerin ihre Tätigkeiten als Ganze maßgeblich ausgeführt hat: im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers mit landwirtschaftlicher Prägung oder in dessen Betriebsräumen. Eine Aufspaltung in Teilverrichtungen mit entsprechend differenzierter versicherungsrechtlicher Zuordnung ist nicht zulässig (s. o.).
Für den Fall, dass die Beklagte aufgrund ihrer Sachverhaltsermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin bei ihr versichert ist, wird sie in einem zweiten Schritt – unter Zuhilfenahme des Präventionsdienstes bzw. eines "arbeitstechnischen" Sachverständigen – zu ermitteln haben, in welchem Umfang (zeitlich, mengenmäßig und örtlich – Körperstellen – ) die Klägerin der geltend gemachten schädigenden Einwirkung von Mäusekot und –urin bis März 2015 ausgesetzt war.
In einem dritten Schritt wird die Beklagte dann medizinisch umfassend und abschließend (voraussichtlich wird hierzu ein Sachverständigengutachten notwendig sein) zu ermitteln haben, ob die stattgehabte Einwirkung von Mäusekot und –urin ursächlich für die geltend gemachten Gesundheitsschäden ist.
2. Erheblicher Aufwand Wie sich aus dem unter Ziffer 1 Ausgeführten ergibt, sind die von der Beklagten durchzuführenden Ermittlungen erheblich.
3. Sachdienlichkeit unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten Da der Fall in keiner Hinsicht ausermittelt wurde, ist es sachdienlich, die Sache zur Entscheidung an die Beklagte zurückzuverweisen. Die Beklagte hat dem Gericht mit ihrer bisherigen Entscheidung keinerlei Entscheidungsgrundlage verschafft. Würde das Klageverfahren fortgeführt, müsste das Gericht nun die umfangreichen Sachverhaltsermittlungen, die der Beklagten oblegen haben, für diese durchführen ("nachholen"). Damit würde das Gericht mit Ermittlungen belastet, die bei ihm gar nicht anfielen, hätte die Beklagte dem Untersuchungsgrundsatz Rechnung getragen. Dies gilt sowohl für die Ermittlungen betreffend das Vorliegen einer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als auch für die sich daran ggf. anschließenden Ermittlungen in medizinischer Hinsicht, wobei schon alleine die eklatanten Versäumnisse der Beklagten im Hinblick auf das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit für eine Zurückverweisung ausreichend wären.
Zudem kann die Beklagte nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung die Ermittlungen sowohl in tatsächlicher, in arbeitstechnischer als auch in medizinischer Hinsicht effizienter als das Gericht durchführen, denn in all den Bereichen, in denen nach dem oben Ausgeführten Sachverhaltsermittlungen und Bewertungen/Begutachtungen notwendig sind, verfügt sie entweder selbst über entsprechende "Einrichtungen", die diese Tätigkeiten für sie durchführen (Präventionsdienst, Beratungsärzte) und sie kann sich etwaig benötigte Hilfestellung hierbei über ihre zahlreichen Kontakte zu Ärzten und Sachverständigen innerhalb und außerhalb ihrer Behörde holen. Etwaige anderweitige Interessen der Beklagten treten hinter dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung des Gerichts von umfangreichen Sachverhaltsermittlungen zurück. Die Klägervertreterin hat sich in der mündlichen Verhandlung für die Zurückverweisung offen gezeigt; entgegenstehende Interessen hat sie nicht geäußert (vgl. Sitzungsniederschrift).
4. Die 6-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG ist gewahrt (Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten bei Gericht war am 08.05.2017).
Daher war die angefochtene Entscheidung der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war nicht zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass ihrem Hauptantrag nicht entsprochen wurde, da das Gericht den Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt hat (s. o.; vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 131 Rz. 20; zitiert nach beck-online).
Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, erfolgt eine Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
Sollte sich nach Durchführung der oben beschriebenen Sachverhaltsermittlungen erweisen, dass die Klägerin unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt bei der Beklagte versichert ist (sondern als abhängig Beschäftigte im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers ohne landwirtschaftliche Prägung), hat die Beklagte nach entsprechend ablehnender Bescheidung die Sache an die hierfür zuständige Berufsgenossenschaft abzugeben (vgl. auch Ziffer 5 der Arbeitsanweisung "Abgabe wegen Unzuständigkeit"), die die Klägerin ebenfalls zu bescheiden hat.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Erkrankung eine Berufskrankheit ist.
Die Klägerin ist in der Burg D. seit dem 01.10.2006 (offenbar ohne schriftlichen Arbeitsvertrag) abhängig beschäftigt.
Bei der Burg D. handelt es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen des Ehemannes der Beigeladenen; der Ehemann ist Betriebsinhaber, die Beigeladene Arbeitgeberin der Klägerin. Das Unternehmen wurde zuletzt (Februar 2015, Schreiben der Beklagten vom 04.02.2015, Bl. 500 Unternehmensakte; vgl. auch Anlage zu den Beitragsbescheiden 2015 und 2016) bei der Beklagten mit 265,18 ha Forst, 8,41 h Almen, Alpen, Hutungen, 0,25 ha Grünland und 6,48 eingeschlagenen Festmetern veranlagt.
Anmerkung der Verfasserin: § 123 Abs. 1 SGB VII enthält eine Legaldefinition des "landwirtschaftlichen Unternehmens". Hierzu gehören u. a. Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Burg D. besteht (vgl. von der Beigeladenen vorgelegte Skizze) aus der Burg, dem Torhaus, dem Nord-, Süd- und Westbau, dem Backhaus, dem Stall, dem Schuppen und der Remise. Die Burg ist die Wohnung der Beigeladenen und ihres Ehemannes. Nordbau, Südbau und Backhaus sind vermietet. Das Torhaus enthält das Büro und das Museum. Weitere Informationen hierzu sind nicht aktenkundig. Laut Angaben der Beigeladenen ist die Klägerin seit Beginn ihrer Arbeitstätigkeit für "Haushaltstätigkeiten in Haus und Hof" eingesetzt. Insbesondere ist sie für die Sauberhaltung der Burg und des Büros im Torhaus zuständig.
Im März 2015 zeigte der Ehemann der Beigeladenen bei der Beklagten den Verdacht an, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin (Husten, Asthma-Anfälle, Mäuse-Protein-Allergie) um eine Berufskrankheit handele, da die Klägerin bei ihrer Arbeitstätigkeit Mäusekot und Mäuseurin ausgesetzt sei.
Dem Ehemann der Beigeladenen teilte die Beklagte unter dem 10.04.2015 mit, dass die Klägerin, als Haushaltskraft für Haus und Hof eingestellt, nicht bei ihr versichert sei, da die Haushaltungen dem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht zuzurechnen seien. Dennoch führte die Beklagte Sachverhaltsermittlungen durch:
Im dem Ehemann der Beigeladenen übersandten "Fragebogen Haushaltung" gab dieser an, dass Wohn- und Wirtschaftsgebäude nicht unter einem Dach lägen, innerhalb des Gebäudes kein Zugang zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden möglich sei, sich in der Haushaltung keine Umkleideräume und Sanitäranlagen für Beschäftigte, aber Räume für Büro- und Verwaltungstätigkeiten sowie Lagerräume für Arbeitsgeräte befänden. Im Haushalt würden die Beigeladene sowie ihr Ehemann versorgt. Landwirtschaftliche Arbeitskleidung werde im Haushalt weder benutzt, noch gereinigt, aufbewahrt oder instandgesetzt.
Mit Bescheid vom 13.10.2015 lehnte es die Beklagte gegenüber der Klägerin ab, ihre Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen. Leistungsansprüche bestünden nicht. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kontakt mit Mäusekot und –urin keine berufsbedingte Einwirkung sei. Die Klägerin habe nicht in einem versicherten Haushalt gearbeitet. Aufgrund der Größe und der Struktur des bei ihr veranlagten Unternehmens des Ehemannes der Beigeladenen ergäben sich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Haushalt dem Unternehmen wesentlich diene. Dies sei aber Voraussetzung dafür, dass die dem Haushalt des Unternehmers dienende Tätigkeit unter Versicherungsschutz stehe. Daher blieben die für den Haushalt bestimmten Tätigkeiten unversichert.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, dass sie sich die Erkrankung bei der Tätigkeit in dem Unternehmen zugezogen habe und dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten gemeldet sei.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2016 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass vorliegend die Mindestgröße des Unternehmens nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nur durch Forstflächen überschritten werde, so dass grundsätzlich ein unversicherter Haushalt widerlegbar vermutet werde. Zwischen Haushalt und Unternehmen bestehe auch keine unmittelbare enge strukturelle Verknüpfung, die der Haushaltung ein besonderes Gepräge gebe. Die Voraussetzungen des § 124 Nr. 1 SGG, wonach auch dem Haushalt des Unternehmers dienende Tätigkeiten unter Versicherungsschutz stehen könnten, lägen damit nicht vor.
Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten am 02.01.2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Der Klägervertreter trägt vor,
die von der Klägerin geleistete Hauswirtschaftstätigkeit diene dem Unternehmen und werde direkt auch gegenüber den weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers erbracht. Sofern allerdings stattdessen Versicherungsschutz für die Tätigkeit der Klägerin bei einer anderen Berufsgenossenschaft bestehe, hätte die Beklagte dies feststellen müssen.
Die in der mündlichen Verhandlung anwesende Klägervertreterin beantragt,
den Bescheid vom 13.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren, hilfsweise, zum ersten Antrag: Den Bescheid vom 13.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Rechtsauffassung für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene hat schriftsätzlich Fragen der Kammervorsitzenden beantwortet.
Die Beiladung der Arbeitgeberin der Klägerin ist durch gerichtlichen Beschluss vom 30.05.2017 nach den §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG erfolgt.
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die dort geführte Unternehmensakte des Ehemannes der Beigeladenen zu dem Rechtsstreit beigezogen.
Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten sowie der Beigeladenen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht Frankfurt eingereicht worden.
Da die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGG iVm entsprechender Anwendung des Absatzes 3 vorliegen, hat das erkennende Gericht den Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 131 Rz. 20; zitiert nach beck-online), was dem gestellten Hilfsantrag entspricht.
So beschränkt führt die Klage in der Sache zum Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten, weil diese rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt; die Beklagte ist zudem verpflichtet, nach Durchführung weiterer Sachverhaltsermittlungen erneut darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung der Klägerin eine Berufskrankheit ist.
Diese Entscheidung resultiert daraus, dass nach der Überzeugung der erkennenden Kammer nach Art und Umfang erhebliche Ermittlungen erforderlich sind, um den Antrag auf Feststellung eines Versicherungsfalls zu bescheiden; zudem ist die Neubescheidung durch die Beklagte unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich.
Nach § 131 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 und Abs. 3 SGG kann das Gericht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich ansieht, und soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist, wobei eine derartige Entscheidung nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht möglich ist (§ 131 Abs. 5 Satz 5 SGG).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
1. Erforderlichkeit (weiterer) Sachverhaltsmittlungen: Weitere erhebliche Ermittlungen sind nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts erforderlich: Nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen, Umstände zu berücksichtigen.
Aus dem Untersuchungsgrundsatz und dem daraus folgenden Recht der Behörde, alle zulässigen Beweismittel zu benutzen, folgt, dass die Behörde das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich einer Beweisaufnahme unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände zu würdigen hat. Demzufolge hat die Behörde nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auch den Vortrag der Beteiligten, den Gesamteindruck aller Umstände, Zeugen und Beteiligte, amtsbekannte Tatsachen, zu würdigen. Ebenso wie im gerichtlichen Verfahren dürfen die Feststellungen der Behörde nur auf gewonnenen Überzeugungen beruhen. Hinsichtlich der Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen ist keine absolute Gewissheit erforderlich, jedoch müssen alle bei vernünftiger Betrachtung zu beachtenden objektiven Zweifelsgründe des Falles durch die für die Tatsache sprechenden Gesichtspunkte überwunden werden (Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB, 12/10, § 20 SGB X, Rn. 18 mwN).
Vorliegend lässt die Aktenlage nach den Erkenntnissen des Gerichts eine solche Überzeugungsbildung bei der Beklagten nicht zu.
Dies liegt bereits daran, dass die Beklagte – ohne dies indes in ihrer Entscheidung deutlich zu machen – anhand der "Arbeitsanweisung Nr. AA-300-009" vom 28.05.2015 "Versicherter landwirtschaftlicher Haushalt nach § 124 Nr. 1 SGB VII" vorgegangen ist, was aber den Erfordernissen des Untersuchungsgrundsatzes nicht gerecht wird.
In der Arbeitsanweisung (auf Nachfrage der Kammervorsitzenden vorgelegt im Klageverfahren) ist unter Ziffer 3 in Bezug auf "Unternehmen ab der Mindestgröße nach dem ALG" ausgeführt:
"(1) Haushalte der Unternehmer Eine versicherte landwirtschaftliche Haushaltung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die Mindestgröße nach dem ALG erreicht wird. [ ... ] Abweichend von diesem Grundsatz ist eine versicherte landwirtschaftliche Haushaltung nicht anzunehmen, wenn nach Aktenlage folgende Feststellungen getroffen werden können:
- Der Haushalt befindet sich nicht an oder nicht in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle (örtliche Verbundenheit). In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt unterstellt.
- Die Mindestgröße eines Unternehmens wird nur durch Forstflächen überschritten oder es wird ein reines Forstunternehmen bewirtschaftet. In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt widerlegbar vermutet.
- Es handelt sich um die Haushaltung eines größeren landwirtschaftlichen Unternehmens, dessen Struktur im Regelfall eine Trennung von Haushalt und betrieblichen Abläufen beinhaltet (z. B. Gutshof, Domäne, Schlossgut). In diesen Fällen wird ein unversicherter Haushalt unterstellt. [ ... ] [ ... ]"
Unter Annahme der "widerlegbaren Vermutung", dass es sich bei dem Haushalt der Beigeladenen und ihres Ehemannes um einen nicht versicherten Haushalt handelt (zweiter Spiegelstrich der soeben zitierten Arbeitsanweisung Ziffer 3 Abs. 1), hat die Beklagte ihre Pflicht aus § 20 SGB X vernachlässigt und eben gerade nicht von Amts wegen alle für den Fall bedeutsamen Umstände berücksichtigt.
Hierbei ist es unerheblich, ob die Beklagte rechtsirrig annahm, ihre Ermittlungspflicht sei durch die Arbeitsanweisung eingeschränkt. Denn die Beklagte hat zur Aufklärung des Sachverhalts lediglich den Unternehmer mit dem "Fragebogen Haushaltungen" befragt und auf dessen Antworten basierend ihre Entscheidung getroffen. Die anhand des "Fragebogens Haushaltungen" durchgeführten Ermittlungen der Beklagten bei dem Betriebsinhaber (siehe Tatbestand) sind allerdings nach dem oben Ausgeführten keinesfalls geeignet, im konkreten Einzelfall festzustellen, ob die Tätigkeit der Klägerin dem Haushalt des Unternehmers wesentlich dient. Teilweise sind die Frage ungeeignet, die Tätigkeit der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des § 124 Nr. 1 SGB VII zu erfassen, jedenfalls wurden aus den Antworten des Unternehmers von der Beklagten Schlüsse gezogen, die schon rechtlich nicht haltbar sind (die räumliche Nähe zwischen Haushalt und Betrieb mag ein Indiz für eine nach § 124 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit sein, die Forderung eines unmittelbaren räumlichen Zugangs zwischen Haushalts- und Betriebsräumen ist aber mit dem Schutzzweck des § 124 Nr. 1 SGG nicht vereinbar, s. u.).
Die Vorschrift des § 124 Nr. 1 SGB VII macht die an sich eigenwirtschaftlichen Haushalte der Unternehmer zu Bestandteilen des landwirtschaftlichen Unternehmens und bewirkt damit mittelbar Versicherungsschutz für die in ihm Tätigen und die mit dem Haushalt zusammenhängenden Tätigkeiten. Sie sind dann Bestandteil des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 131 Abs. 1 SGB VII. Bei Haushaltstätigkeit versicherte Personen sind: die Unternehmer und Ehegatten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst a SGB VII), mitarbeitende Familienangehörige (aaO Buchst b), wie Unternehmer Tätige (aaO Buchst c), Beschäftigte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ) und wie Beschäftigte Tätige (§ 2 Abs. 2 SGB VII) (vgl. KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 2, beck-online; Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 124 SGB VII, Rn. 4).
Zu den mit dem Haushalt zusammenhängenden Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten, die den Haushaltsangehörigen zugute kommen und nach allgemeinem Verständnis Haushaltstätigkeit sind (vgl. BSG SozR Nr. 2 zu § 777 RVO; BSG Breith 1995, 927). Erfasst werden sowohl die im engeren Sinne hauswirtschaftlichen Verrichtungen (Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse der Haushaltsangehörigen) als auch sonstige im weiteren Sinne damit zusammenhängende Handlungen wie – hier relevant – Pflege und Instandhaltung der Haushaltsräume einschließlich der Wohnung (KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 5, beck-online).
Die Haushaltung – als Ganze, nicht mit jeder einzelnen Teilverrichtung (vgl. KassKomm/Ricke SGB VII § 124 Rn. 9-10, beck-online sowie Diel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 124 SGB VII, Rn. 4) – muss kraft gesetzlicher Forderung dem landwirtschaftlichen Unternehmen "wesentlich dienen". Der Haushalt dient dem landwirtschaftlichen Unternehmen dann wesentlich (dies muss nicht überwiegend sein), wenn eine enge Beziehung wirtschaftlicher Art vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Landwirtschaft dem Haushalt ein besonderes Gepräge gibt. Das ist im Einzelfall wertend zu ermitteln. Das besondere Gepräge ist unter funktionellen Gesichtspunkten zu betrachten. Der Haushalt selbst kann dabei hinsichtlich technischer und räumlicher Gestaltung einem üblichen Privathaushalt entsprechen (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 124 SGB VII, Rn. 13, 15).
Nach den von Rechtsprechung und Schrifttum (Mell in HS-UV § 70 RdNr. 78 bis 80; BSG, 15. 6. 1976, 2 RU 141/75, SozSich 1976, S. 316; Bayerisches LSG, 30. 7. 1997, L 2 U 150/95, HVBG-Info 1998 S. 623; LSG NRW, 20. 9. 2000, L 17 U 108/99, HVBG-Info 2001, S. 966; dies und das Folgende zitiert nach Diel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 124 SGB VII, Rn. 6) entwickelten Grundsätzen dient ein Haushalt wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen, wenn zwischen dem Haushalt und dem Betrieb eine enge räumliche und sachliche Beziehung besteht, die Haushaltung dem Betrieb dient. Dies hängt zum einen vom Umfang und der Bedeutung der der Landwirtschaft zugute kommenden Arbeiten und zum anderen vom Anteil dieser Arbeiten am gesamten Haushaltungsaufwand ab. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Haushalt und Unternehmen und die ständige wechselseitige Beschäftigung von Versicherten kann ein Indiz darstellen, dass die Haushaltung wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen dient. Ein dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienender Haushalt liegt nicht vor, wenn er mehrere Kilometer vom Hof entfernt ist (LSG Rheinland-Pfalz, 1. 12. 1982, Breith 1984, S. 40). Gibt das landwirtschaftliche Unternehmen dem Haushalt ein gewisses Gepräge (unterscheidet sich also der Haushalt nach Art und Umfang der anfallenden Arbeiten von einem normalen privaten Haushalt), so ist der Haushalt regelmäßig dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzurechnen. Die Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens ist allein nicht maßgebend; auch bei Kleinbetrieben kann der Haushalt dem Unternehmen wesentlich dienen. Allerdings ist eine der Landwirtschaft dienende Haushaltung umso eher anzunehmen, desto größer das landwirtschaftliche Unternehmen ist (LSG NRW, 20. 9. 2000, L 17 U 108/99, HVBG-Info 2001, S. 966).
Vorliegend ist allein schon anhand der Aktenlage zu konstatieren, dass das Entfernen von Mäusekot und-urin, das Ausgangspunkt der geltend gemachten berufsbedingten Einwirkung ist, in keinem "normalen" Haushalt vorkommt, schon gar nicht in dem vorgetragenen Umfang (fast täglich im Herbst und Winter, etwa wöchentlich im Sommer). Ob aber tatsächlich eine Versicherung der Klägerin nach § 124 Nr. 1 SGB VII vorliegt, ist erst durch weitere Sachverhaltsermittlungen zu klären:
In einem ersten Schritt wird die Beklagte durch geeignete Sachverhaltsermittlungen entsprechend den obigen Rechtsausführungen des Gerichts (in jedem Fall: Befragen der Klägerin sowie der Beigeladenen und des Betriebsinhabers, ggf. ergänzend: Ortsbegehung) zu ermitteln haben, ob und ggf. in welchem Umfang jeweils die Tätigkeit der Klägerin im landwirtschaftlichen Betrieb und in einem vom landwirtschaftlichen Betrieb geprägten eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers erbracht wurde. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse bis zur Anzeige des Verdachts auf Vorliegen einer Berufskrankheit im März 2015. Hierzu ist zunächst zweifelsfrei festzustellen, in welchen Räumen die Klägerin ihre Tätigkeit überhaupt ausübte und welche Funktion diese Räume hatten (dies gilt insbesondere für das "Büro im Torhaus" und die "Nebengebäude", in denen die Klägerin ihre Tätigkeit hauptsächlich ausgeübt haben soll; vgl. etwa E-Mail der Beigeladenen an die Beklagte vom 01.05.2015).
Denn je nach Tätigkeitsort kommt nicht nur eine mittelbare Versicherung der Klägerin bei der Beklagten als im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers Beschäftigte nach § 124 Nr. 1 SGB VII in Betracht, sondern auch eine unmittelbare Versicherung der Klägerin als Beschäftigte in einem landwirtschaftlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 123 Abs. 1 Nr. 1 und den §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 SGB VII. Soweit die Beklagte diese Möglichkeiten im Klageverfahren selbst erkannt hat (vgl. ihr Schriftsatz vom 29.06.2017, Seite 2 unten und Seite 3 oben), kann sie den Versicherungsschutz der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGBG VII i. V. m. § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht lapidar mit dem Argument verneinen, dass "ein Großteil der Gebäude fremdvermietet sei bzw. anderen Geschäftsbereichen als dem landwirtschaftlichen Unternehmen" diene. Auch insoweit muss die Beklagte erst einmal die konkreten Umstände des Einzelfalles – wie oben ausgeführt – ermitteln.
Für die abschließende Einordnung der Tätigkeit der Klägerin nach dem oben Ausgeführten ist zu klären, an welchen Orten die Klägerin ihre Tätigkeiten als Ganze maßgeblich ausgeführt hat: im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers mit landwirtschaftlicher Prägung oder in dessen Betriebsräumen. Eine Aufspaltung in Teilverrichtungen mit entsprechend differenzierter versicherungsrechtlicher Zuordnung ist nicht zulässig (s. o.).
Für den Fall, dass die Beklagte aufgrund ihrer Sachverhaltsermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin bei ihr versichert ist, wird sie in einem zweiten Schritt – unter Zuhilfenahme des Präventionsdienstes bzw. eines "arbeitstechnischen" Sachverständigen – zu ermitteln haben, in welchem Umfang (zeitlich, mengenmäßig und örtlich – Körperstellen – ) die Klägerin der geltend gemachten schädigenden Einwirkung von Mäusekot und –urin bis März 2015 ausgesetzt war.
In einem dritten Schritt wird die Beklagte dann medizinisch umfassend und abschließend (voraussichtlich wird hierzu ein Sachverständigengutachten notwendig sein) zu ermitteln haben, ob die stattgehabte Einwirkung von Mäusekot und –urin ursächlich für die geltend gemachten Gesundheitsschäden ist.
2. Erheblicher Aufwand Wie sich aus dem unter Ziffer 1 Ausgeführten ergibt, sind die von der Beklagten durchzuführenden Ermittlungen erheblich.
3. Sachdienlichkeit unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten Da der Fall in keiner Hinsicht ausermittelt wurde, ist es sachdienlich, die Sache zur Entscheidung an die Beklagte zurückzuverweisen. Die Beklagte hat dem Gericht mit ihrer bisherigen Entscheidung keinerlei Entscheidungsgrundlage verschafft. Würde das Klageverfahren fortgeführt, müsste das Gericht nun die umfangreichen Sachverhaltsermittlungen, die der Beklagten oblegen haben, für diese durchführen ("nachholen"). Damit würde das Gericht mit Ermittlungen belastet, die bei ihm gar nicht anfielen, hätte die Beklagte dem Untersuchungsgrundsatz Rechnung getragen. Dies gilt sowohl für die Ermittlungen betreffend das Vorliegen einer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als auch für die sich daran ggf. anschließenden Ermittlungen in medizinischer Hinsicht, wobei schon alleine die eklatanten Versäumnisse der Beklagten im Hinblick auf das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit für eine Zurückverweisung ausreichend wären.
Zudem kann die Beklagte nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung die Ermittlungen sowohl in tatsächlicher, in arbeitstechnischer als auch in medizinischer Hinsicht effizienter als das Gericht durchführen, denn in all den Bereichen, in denen nach dem oben Ausgeführten Sachverhaltsermittlungen und Bewertungen/Begutachtungen notwendig sind, verfügt sie entweder selbst über entsprechende "Einrichtungen", die diese Tätigkeiten für sie durchführen (Präventionsdienst, Beratungsärzte) und sie kann sich etwaig benötigte Hilfestellung hierbei über ihre zahlreichen Kontakte zu Ärzten und Sachverständigen innerhalb und außerhalb ihrer Behörde holen. Etwaige anderweitige Interessen der Beklagten treten hinter dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung des Gerichts von umfangreichen Sachverhaltsermittlungen zurück. Die Klägervertreterin hat sich in der mündlichen Verhandlung für die Zurückverweisung offen gezeigt; entgegenstehende Interessen hat sie nicht geäußert (vgl. Sitzungsniederschrift).
4. Die 6-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG ist gewahrt (Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten bei Gericht war am 08.05.2017).
Daher war die angefochtene Entscheidung der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war nicht zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass ihrem Hauptantrag nicht entsprochen wurde, da das Gericht den Streitgegenstand auf den Anfechtungs- und Bescheidungsteil beschränkt hat (s. o.; vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 131 Rz. 20; zitiert nach beck-online).
Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, erfolgt eine Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
Sollte sich nach Durchführung der oben beschriebenen Sachverhaltsermittlungen erweisen, dass die Klägerin unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt bei der Beklagte versichert ist (sondern als abhängig Beschäftigte im eigenwirtschaftlichen Haushalt des Unternehmers ohne landwirtschaftliche Prägung), hat die Beklagte nach entsprechend ablehnender Bescheidung die Sache an die hierfür zuständige Berufsgenossenschaft abzugeben (vgl. auch Ziffer 5 der Arbeitsanweisung "Abgabe wegen Unzuständigkeit"), die die Klägerin ebenfalls zu bescheiden hat.
Rechtskraft
Aus
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