L 4 SO 11/18 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 SO 31/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 11/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland im Falle des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 16. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Sozialhilfeleistungen für Deutsche im Ausland nach § 24 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) durch den Antragsgegner.

Der 1983 auf B-Stadt geborene Antragsteller lebt aktuell in A-Stadt (Spanien). Ausweislich des Staatsangehörigkeitsausweises des Salzland-Kreises, ausgestellt in C Stadt (Elbe) am 10. Februar 2015, besitzt der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Antragsteller war nach einer von ihm vorgelegten Meldebescheinigung von November 2006 bis 27. April 2014 und vom 6. bis 28. Februar 2015 in D-Stadt (Saale), Sachsen-Anhalt, gemeldet. Nach der Anamnese im MDK-Gutachten sei er in Mai 2014 nach B-Stadt gezogen und sei nach einer stationären psychiatrischen Behandlung auf B-Stadt im April 2016 nach Spanien eingereist. Er ist seit 29. Januar 2013 voll erwerbsgemindert. Am 16. Mai 2013 verstarb sein Lebenspartner; der Antragsteller bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine große Witwerrente mit einem Zahlbetrag seit 1. Januar 2017 in Höhe von 492,46 EUR monatlich. Das Amt für Versorgung und Integration Bremen bescheinigte dem Antragsteller in einem nach B-Stadt adressierten Schreiben vom 12. Oktober 2016 einen Grad der Behinderung von 70. Er ist gesetzlich kranken- und pflegeversichert und bezieht Pflegegeld aufgrund einer Einstufung in Pflegestufe I bzw. Pflegegrad 3 bei in erhöhtem Maße eingeschränkter Alltagskompetenz von der DAK-Gesundheit Pflegekasse in Höhe von 545,00 EUR. Das Geldvermögen bezifferte der Antragsteller am 5. April 2017 auf 40,43 EUR. Weiteres Einkommen oder Vermögen besteht nach den Angaben des Antragstellers nicht.

Nach den Feststellungen des MDK Nordrhein im Gutachten vom 1. Dezember 2016 nach Aktenlage seien die pflegebegründenden Diagnosen Schizophrenie, Persönlichkeit- und Verhaltensstörung aufgrund einer Kindheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns, depressives Syndrom, Reizblase. Es bestehe eine Schizophrenie mit Wahnideen und Halluzinationen. Der Antragsteller leide an Realitätsverlust. Er nehme optische und akustische Halluzinationen war. Der Antragsteller glaube, beim Schlafen zu sterben, habe z.B. Angst vor Wasser. Er erkenne nicht immer die Notwendigkeit hygienischer Maßnahmen. Der Antragsteller sei antriebslos. Er vernachlässige bei fehlendem Antrieb einzelne, regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen des täglichen Lebens, z.B. die Körperpflege, das Aufstehen und zu Bett gehen sowie das An- und Ausziehen. Die Stimmungslage des Antragstellers sei nach Angaben depressiv, abgeflacht, gleichgültig. Deutliche Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite seien beschrieben. Er sei verlangsamt, brauche Zeit. Das Sprachverständnis sei eingeschränkt. Schlafstörungen mit Zunahme von inadäquatem Verhalten seien beschrieben. Der Antragsteller benötige zur Körperpflege intermittierende Anleitung und Beaufsichtigung. Im Bereich der Ausscheidungen sei eine intermittierende Anleitung und Beaufsichtigung erforderlich. Bei der Nahrungsaufnahme sei eine Aufforderung ausreichend. Morgendliche Schwindelanfälle mit erforderlicher Sicherheitsbegleitung beim Gehen seien beschrieben (S.8 des Gutachtens). Nach der den Tagesverlauf beschreibenden Anamnese (S. 5 f. des Gutachtens) wirke die morgendliche Medikamenteneinnahme stimmungsaufhellend und antriebssteigernd. Die Gabe der Medikamente ermögliche die Durchführung der nachfolgenden Verrichtungen während des Tages und sei somit untrennbarer Bestandteil derer. Die Gabe des Medikaments erfolge in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Verrichtungen des täglichen Lebens. Es sei objektiv erforderlich, dass diese krankheitsspezifische Maßnahme unmittelbar vor den Verrichtungen des täglichen Lebens durchzuführen sei. Zum Aufstehen müsse der Versicherte zeitaufwändig motiviert werden, er lege sich danach wiederholt wieder hin. Es bedürfe einer eindringlichen Aufforderung und Überzeugung ins Bad zu gehen. Eine Beaufsichtigung während des Gehens wegen seiner Schwindelgefühle sei erforderlich. Auch bei der Darm- und Blasenentleerung sei der Antragsteller auf Anleitung und Beaufsichtigung angewiesen. Beim Duschen benötige der Antragsteller eine intensive Beaufsichtigung. Zum Essen und Trinken sei eine wiederholte Aufforderung und Motivation erforderlich. Wegen seiner Angst vor dem Verschlucken sei eine Anwesenheit erforderlich. Montags bis freitags suche der Antragsteller eine psychiatrische Ambulanz auf. Diese rehabilitative Maßnahme sei zu Behandlung der aktuellen Krankheit ärztlich verordnet worden. Die abendliche Medikamenteneinnahme habe eine beruhigende, entspannende und schlaffördernde Wirkung. Diese sichere demnach die Durchführung der noch anstehenden Verrichtungen und sei somit untrennbarer Bestandteil derer. Die Gabe des Medikaments werde in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den nachfolgenden Verrichtungen gesehen. Wegen der Angst, im Schlafen zu sterben, sei eine eindringliche Beruhigung und Überzeugung, ins Bett zu gehen erforderlich. Wegen der Nykturie sei es erforderlich, dass er mitten in der Nacht die Blase leere, er würde sonst wegen Somnolenz und Gleichgültigkeit die Notdurft im Bett verrichten. Es bestehe ein täglicher Zeitaufwand zur Steuerung und Strukturierung des Alltags bezogen auf die Beaufsichtigung und Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme der Verrichtungen des täglichen Lebens im Rahmen der aktivierenden Pflege. Vorausgegangen war ein Gutachten des MDK Hessen vom 13. Oktober 2016, das auf einer Untersuchung im häuslichen Wohnumfeld des Antragstellers in A-Stadt beruhte, und zu einer Einstufung "unterhalb Pflegestufe I" bei einer Einschränkung der Alltagskompetenz in erheblichem Maße gelangte.

Am 5. April 2017 stellte der Antragsteller über die Deutsche Botschaft in A-Stadt einen Sozialhilfeantrag. Mit Schreiben vom 16. Mai 2017 bestimmte das Bundesverwaltungsamt den Antragsgegner zum zuständigen überörtlichen Träger nach § 24 Abs. 4 Satz 3 SGB XII.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Grundsätzlich obliege die Fürsorgepflicht entsprechend dem Territorialprinzip den für den Aufenthalt des Antragstellers zuständigen Stellen im Aufenthaltsland, nicht den Heimatbehörden. Im Rahmen des Nachranges der Sozialhilfe werde diese nicht geleistet, soweit sie von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland oder von anderen gewährt oder zu erwarten sei. Spanien sei dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) beigetreten, so dass der Antragsteller bei einem Hilfebedarf vorrangig bei den dortigen Sozialleistungsbehörden Hilfe beantragen müsse. Ob eine solche Antragstellung vom Antragsteller vorgenommen worden sei, lasse sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht schließen. Aus der Stellungnahme der Deutschen Botschaft gehe aber hervor, dass eine Bewilligung von Leistungen unwahrscheinlich wäre, da die Einkünfte des Antragstellers erheblich über den spanischen Sozialhilfesätzen liegen würden. Von einer außergewöhnlichen Notlage könne der Antragsgegner daher nicht ausgehen. Diese könne dann unterstellt werden, wenn eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter, wie Leben, körperliche Integrität und Gesundheit oder eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder ein bedeutender Schaden für die Gesundheit oder ein anderes vergleichbares existenzielles Rechtsgut drohen würde. Neben dieser außergewöhnlichen Notlage müsse aber auch noch das Rückkehrhindernis nach Deutschland entsprechend den aufgeführten Gründen gegeben sein. Im Falle des Antragstellers wäre lediglich der Punkt bezüglich der Schwere der Pflegebedürftigkeit zu prüfen. Nach den vorliegenden Gutachten des medizinischen Dienstes sei bei dem Antragsteller ein Pflegebedarf in der Pflegestufe I sowie eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt worden. Nach dem im Gutachten aufgeführten Sachverhalt müsse der Antragsgegner aber davon ausgehen, dass diese Pflegebedürftigkeit nicht so schwer sei, dass es dem Antragsteller nicht möglich wäre, nach Deutschland zurückzureisen und gegebenenfalls erforderliche Hilfen, auch im Rahmen der Eingliederungshilfe, in Deutschland in Anspruch zu nehmen. Auch der Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfen im Rahmen eines ambulant betreuten Einzelwohnens laufe ins Leere, da eine unmittelbare Anwendung sonstiger Vorschriften des Leistungsrechtes des SGB XII im Ausland nicht möglich sei. Unabhängig davon, ob dem Antragsteller die spanischen Sozialleistungsbehörden Hilfen bewilligen würden oder nicht, könne eine Hilfeleistung durch den Antragsgegner auf der Grundlage des § 24 SGB XII nicht erfolgen, da dem Antragsteller die Rückkehr nach Deutschland zugemutet werden könne. Bei der Rückführung nach Deutschland könne dem Antragsteller auf Antrag die Deutsche Auslandsvertretung behilflich sein. Im Rahmen der Amtshilfe könne Kontakt zu demjenigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe hergestellt werden, der für den künftigen Wohnort zuständig wäre. Eine direkte Hilfeleistung durch den Antragsgegner komme aus den genannten Gründen aber nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2017 widersprach der Antragsteller dieser Entscheidung und machte geltend, entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei eine außergewöhnliche Notlage gegeben. Die Witwerrente reiche nicht aus, um die Grundvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz zu sichern. Eine Rückkehr nach Deutschland sei unmöglich. Denn eine Rückkehr würde einen Schaden hervorrufen, der bei wertender Abwägung ein Rückkehrverlangen der Behörde schlechthin ausschließe. Im Gutachten des MDK sei bei ihm in erhöhtem Maße eine Einschränkung der Alltagskompetenz festgestellt worden und ein Betreuungsbedarf rund um die Uhr. Es bestehe auch eine Rufbereitschaft für die Pflegeperson in der Nacht. Für die Hilfeleistungen sei eine sprachliche Verständigung zwischen der Pflegeperson und dem Pflegebedürftigen unerlässlich. Die Psychiaterin Frau Dr. E. habe am 31. März 2017 bescheinigt (eine Bescheinigung vom 31. März 2016 befindet sich auf Bl. 48 der Verwaltungsakte in spanischer Sprache), dass bei ihm aufgrund krankheitsbedingter kognitiver Defizite die deutsche Sprache weitestgehend verlernt worden sei und dass die Pflege nur in spanischer Sprache sichergestellt werden könne. Daher begründe dies die Unmöglichkeit seiner Rückkehr nach Deutschland wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit. Die Anleitung und Beaufsichtigung in deutscher Sprache könne seinen Pflegebedarf nicht sichern; ihm drohe daher gesundheitlicher Schaden.

Mit Telefax vom selben Tag beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung - S 26 SO 88/17 ER -. Auf den Hinweis des Sozialgerichts Wiesbaden zur örtlichen Unzuständigkeit und beabsichtigten Verweisung des Verfahrens an das Sozialgericht Kassel nahm der Antragsteller mit Telefax vom 28. Juli 2017 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurück.

Ebenfalls mit Telefax vom 28. Juli 2017 nahm der Antragsteller seinen Antrag auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII gegenüber dem Antragsgegner zurück.

Mit am 5. September 2017 beim Sozialgericht Wiesbaden eingegangenem Telefax teilte der Antragsteller mit, er widerrufe seine Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 28. Juli 2017 und bitte das Gericht, das Verfahren fortzuführen. Er widerrufe auch die Rücknahme seines Antrags nach § 24 SGB XII gegenüber dem Antragsgegner vom 28. Juli 2017 und bitte das Gericht, dies an den Antragsgegner weiterzuleiten.

Mit Beschluss vom 20. September 2017 hat das Sozialgericht Wiesbaden das Verfahren an das Sozialgericht Kassel verwiesen.

Der Antragsteller wiederholte im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Er habe über die Witwenrente hinaus kein Einkommen. Sein Vater sei nicht mehr bereit, ihm Geld für die ungedeckten Kosten zu leihen. Ein Anordnungsgrund bestehe, da ohne die existenzsichernden Leistungen sein Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verletzt werde. Er wandte sich gegen die Verfahrensweise, machte Rechtsausführungen zum Gebot des fairen Verfahrens und zum Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und bat um richterlichen Hinweis, wie er Anschrift und Zahlungsfähigkeit seines Vaters glaubhaft machen könne.

Der Antragsgegner könne u.a. wegen der Antragsrücknahmen kein Antragsbegehren erkennen, welches er erfüllen könne. Wegen der Vorwahl xxx1 der vom Antragsteller übersandten Telefaxe bestünden Zweifel, ob sich der Antragsteller tatsächlich in A-Stadt aufhalte. Er weist zudem auf eine Mitteilung aus Rheinland-Pfalz hin, nach der ein in B Stadt gebürtiger deutscher Staatsangehöriger, der in Spanien wohne, mit einer mutmaßlich gefälschten Meldebestätigung in Rheinland-Pfalz Blindengeld beantragt habe.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 erhob der Antragsteller Untätigkeitsklage bezüglich des Widerspruches gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017.

Das Sozialgericht Kassel hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des Antragsgegners im angefochtenen Bescheid und im Vortrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, es sei weder dargetan, noch bewiesen, dass der Antragsteller erfolglos Leistungen in Spanien beantragt habe, noch habe er überprüfbare Angaben zur fehlenden Realisierbarkeit von Unterhaltsansprüchen gegenüber seinem Vater gemacht. Unabhängig davon scheitere das Begehren des Antragstellers indessen an der Annahme einer Rückkehrmöglichkeit nach Deutschland. Allein die Behauptung des Antragstellers, krankheitsbedingt verlerne er immer mehr die Fähigkeit, sich in deutscher Sprache zu verständigen, reiche nicht aus, einen deutschen Sozialhilfeträger zu verpflichten, begehrte Sozialhilfe- bzw. Eingliederungsleistungen am aktuellen Wohnort des Antragstellers in A-Stadt zu erbringen. Jedenfalls reichten die behaupteten Sprachprobleme des Antragstellers nicht aus, hierin ein anspruchsbegründendes Rückkehrhindernis nach Deutschland anzuerkennen. Im Übrigen sei es den vom MDK Hessen beauftragten Gutachtern, die den Antragsteller in seiner Wohnung in A-Stadt aufgesucht haben, durchaus möglich gewesen, mit dem Antragsteller in deutscher Sprache in Kontakt zu treten. Dabei seien die gutachterlicherseits beschriebenen Kommunikationsschwierigkeiten in erster Linie dem Krankheitsbild geschuldet und nicht der fehlenden bzw. abnehmenden deutschen Sprachkenntnis gewesen. Selbst bei völligem Unvermögen, sich in deutscher Sprache zu verständigen, könne hierin ein Rückkehrhindernis nach Deutschland im Sinne von § 24 SGB XII, das leistungsauslösend sein könnte, nicht gesehen werden.

Die gegen den am 20. Oktober 2017 zugestellten Beschluss erhobene Beschwerde ist am 15. Januar 2018 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Antragsteller trägt vor, die Faxnummern mit deutscher Vorwahl beruhten auf zwei Verträgen mit Computerfax-Dienstleistern, die Versendung und Empfang via E-Mail ermöglichten. Er habe seinen ständigen Wohnsitz in A-Stadt bereits mit einer Meldebescheinigung und einer polizeilichen Anmeldebescheinigung als Unionsbürger belegt.

Er habe nur zwischen Dezember 2006 und April 2014 in Deutschland gelebt. In dieser Zeit sei er keiner Erwerbsarbeit nachgegangen. Da sein verstorbener Lebenspartner schwerbehindert gewesen sei, hätte er mit ihm vereinbart, dass er sich um den Haushalt und seine Unterstützung kümmere. Bezüglich der deutschen Sprache habe er nur 2007 den Integrationskurs mit dem Niveau A2 abgeschlossen. Sein Lebenspartner habe spanisch gesprochen, so dass sie sich zu Hause in spanischer Sprache unterhalten hätten. Seinerzeit habe er keine deutschen Bekannten gehabt.

Allein die Pflegebedürftigkeit sei ausreichend, um die Rückkehrunmöglichkeit zu begründen. Der Antragsteller beruft sich auf das Pflegegutachten des MDK Nordrhein vom 1. Dezember 2016 nach Aktenlage und zitiert aus einem Pflegegutachten des MDK Nordrhein vom 20. September 2017, mit dem Pflegegrad 3 festgestellt worden sei. Dieser Befund korreliere mit den vorangegangenen Begutachtungen. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sei nach wie vor unverzichtbar, insbesondere wegen der sozialen Betreuung und des Schutzes vor Fremd- und Eigengefährdung. Bereits der MDK Hessen habe in seinem Pflegegutachten festgestellt, dass die Pflegeperson den gesamten Haushalt übernehme und mit zu allen Verrichtungen des täglichen Lebens anleite. Die vom MDK festgestellten umfangreichen Hilfeleistungen bei Tag und bei Nacht im Rahmen der Rund-um-die-Uhr-Betreuung repräsentierten das höchste Ausmaß der Pflegebedürftigkeit. Für all diese Hilfeleistungen sei ebenfalls die Sprache als Vermittlungsmedium maßgebend. Bei einer Übersiedlung nach Deutschland drohten dem Antragsteller angesichts dieses Pflegeausmaßes und der aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse nicht sicherzustellen Pflege und Betreuung schwerwiegende Schäden.

Die kognitiven Defizite beeinträchtigten die Sprachfähigkeit des Antragstellers über die semantische Ebene hinaus. Für den Prozess der Sinnkontinuität benötige der Mensch u.a. Exekutivfunktionen im Sinne der Kognitionswissenschaft, nämlich die Fähigkeit, die Kapazitäten von Aufmerksamkeit und Gedächtnis steuern zu können. Diese sind für die flexible Planung und Koordination von Handlungen notwendig. Ohne sie ist die erfolgreiche Bewältigung des Alltags nicht möglich.

Er habe alle möglichen Anträge auf die ihm nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zustehenden Sozialleistungen gestellt, diese seien wegen seines Einkommens abgelehnt worden.

Der Antragsteller ist der Rechtsauffassung, auch der Anspruch aus § 24 SGB XII, insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff der "außergewöhnlichen Notlage", sei im Lichte des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auszulegen. Die Vorschrift des Art. 1 Abs. 3 GG statuiere eine umfassende Grundrechtsbindung aller öffentlicher Gewalt und sehe dabei keine räumliche Beschränkung der Grundrechtsgeltung vor. Von Belang sei hier die Personalhoheit, da der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger sei.

Die Rücknahme seines Antrages müsse wirkungslos bleiben, da diese ohnehin nur ex nunc möglich sei. Auch könne auf Sozialleistungen nach § 46 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nicht verzichtet werden.

Das Sozialgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. Ob die kognitiven Defizite der sprachlichen Fähigkeit, sich für die Ermöglichung der Pflege und Betreuung in deutscher Sprache im ausreichenden Maß auszudrücken, so erheblich beeinträchtigten, dass eine Rückkehr nach Deutschland objektiv unmöglich sei, könne nur ein Psychiater mit hinreichender Sachkunde beurteilen. Pflegefachkräfte seien dafür trotz ihrer allgemeinmedizinischen Kenntnisse nicht in der Lage. Der Bemerkung der Pflegefachkraft, dass sie mit dem Antragsteller auf Deutsch kommunizieren konnten, sei nicht Teil des Sachverständigenauftrags gewesen, sondern nur eine Nebenbemerkung im Gutachten. Ihr komme kein Sachverständigenwert zu. Das Gericht hätte sich vielmehr mit dem ärztlichen Attest der Psychiaterin auseinandersetzen müssen. Da die kognitiven Defizite sich medikamentös als therapieresistent erwiesen hätten, habe die behandelnde Psychiaterin einen Platz in einer Rehabilitationseinrichtung beantragt. Im Vorfeld habe sie den Antragsteller einer intensiven Untersuchung unterzogen, um ihren Bericht zu schreiben. Hiervon habe der Antragsteller aber bislang keine Kopie gehabt. Nunmehr habe die Psychiaterin ihm aber den relevanten Teil zur Verfügung gestellt.

Das Gericht habe gegen seine Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, da sich zur Frage der Realisierbarkeit von Unterhaltsansprüchen gegenüber seinem Vater nicht habe äußern können.

Der Antragsteller ergänzt sein Vorbringen unter umfangreicher Bezugnahme auf medizinisch-fachwissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Literatur.

Er hat einen ärztlichen Bericht der Psychiaterin E. vom 27. Dezember 2017, einen ablehnenden Bescheid über einen Antrag auf Invalidenbeihilfe vom 20. April 2017 und einen ablehnenden Bescheid bezüglich einer Sozialhilfeleistung (Renta mínima de inserción) vom 4. Oktober 2017, alle in spanischer Sprache vorgelegt (Bl. 99 ff. d.A.).

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 16. Oktober 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm im Rahmen von § 24 SGB XII Sozialhilfeleistungen in gesetzlichem Umfang an seinem aktuellen Wohnort in A-Stadt zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und hält es für widersprüchliches Verhalten, wenn der Antragsteller einerseits seinen Antrag zurücknehme und andererseits ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Sozialgerichts einlege.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Sachbericht in der angegriffenen Entscheidung, auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Sozialgerichts Wiesbaden S 26 SO 88/17 ER und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners (1 Band) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist fristgemäß eingelegt worden. Ob der im Vordringen begriffenen Auffassung zu folgen ist, dass die Beschwerde auch bei Bekanntgabe im Ausland ein Monat betrage, da eine analoge Anwendung von § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seit der unterbliebenen Änderung von § 173 SGG durch das 6. SGG-Änderungsgesetz ausscheide (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 173 Rn. 5 m.w.N.), kann hier offen bleiben. Im Falle der Monatsfrist wäre nämlich die Rechtsmittelbelehrung über die Drei-Monats-Frist unrichtig, so dass eine Jahresfrist liefe.

Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners fehlt es nicht an der Statthaftigkeit oder am Rechtsschutzbedürfnis, weil das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei. Auch wenn kein Anfechtungsgrund bezüglich der Rücknahme des Antrags ersichtlich ist, durfte der Antragsgegner die als "Widerruf" bezeichnete Willenserklärung vom 28. Juli 2017 nicht einfach ignorieren. Vielmehr drängt es sich auf – ebenso wie beim verfristet eingelegten Widerspruch (vgl. BSG Urteil vom 31. August 2000 – B 3 P 18/99 R –, juris, Rn. 19; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 16) – den "Widerruf" entweder als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) oder als Neuantrag auszulegen. Dass eine solche Auslegung angesichts des Gesamtzusammenhangs des Schreibens nahegelegen hat, bestätigen auch die nachfolgenden Schreiben des Antragstellers bis hin zur Erhebung der Untätigkeitsklage.

Die Beschwerde ist indes nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Es fehlt bereits an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland keine Leistungen der Sozialhilfe. Abweichend von diesem Leistungsausschluss können Leistungen der Sozialhilfe nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Einzelfall nur gewährt werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus den dort abschließend aufgeführten Gründen nicht möglich ist. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII ist ein solcher Grund die längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit. Der Tatbestand setzt daher eine außergewöhnliche Notlage, die Unabweisbarkeit eines Bedarfes aufgrund dieser Notlage, sowie eine Rückkehrunmöglichkeit aus einem der abschließend in § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII aufgezählten Gründe voraus (vgl. zur Eigenständigkeit des Merkmals der Unabweisbarkeit BSG, Urteil vom 21. September 2017 – B 8 SO 5/16 R –, juris Rn. 28). Darüber hinaus müssen die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen der Sozialhilfe vorliegen, von denen der Nachranggrundsatz in § 24 Abs. 2 SGB XII eine besondere Regelung erfahren hat. Nach § 24 Abs. 4 SGB XII ist die Leistung antragsgebunden.

Der Senat ist nicht von einer Rückkehrunmöglichkeit aufgrund der Schwere der Pflegebedürftigkeit überzeugt. Es kommt bei der Prüfung, ob die Pflegebedürftigkeit an einer Rückkehr hindert, nicht auf die subjektive Zumutbarkeit der Rückkehr, sondern ausschließlich auf die Unmöglichkeit einer Rückkehr aus objektivierbaren (medizinischen) Gründen an (BSG, Urteil vom 21. September 2017 – B 8 SO 5/16 R –, juris Rn. 17). Dabei ist nicht schematisch auf die Pflegestufe abzustellen, sondern darauf, ob die erforderliche Pflege die Rückkehr nicht zulässt. Die Pflegebedürftigkeit muss also kausal für das Unvermögen sein, in das Inland zurückzukehren (Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 14.12.2016, § 24 SGB XII, Rn. 40). Die Einstufung in Pflegestufe I nach alter Rechtslage wird allgemein als ein Indiz dafür angesehen, dass der geforderte Schweregrad der Pflegebedürftigkeit nicht erreicht ist (Hessisches LSG, Beschluss vom 4. April 2006 – L 7 SO 12/06 ER –; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2014 – L 8 SO 146/12 –, juris; Hohm, in: Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 24 Rn. 18; Schlette, in: Hauck/Noftz, Stand: 09/16, § 24 SGB XII Rn. 31; Dillmann, ZfF 2011, 265 (268)). Eine allein auf die Pflegebedürftigkeit zurückzuführende Transportunfähigkeit rechtfertigt die Annahme der Unmöglichkeit der Rückkehr, ebenso die Gefahr gesundheitlicher Schädigung bereits bei der oder durch die Heimführung (vgl. Coseriu a.a.O.). Ob und inwieweit allein nach Rückkehr eintretende Folgen eine objektive Unmöglichkeit begründen können, ist zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt (ausdrücklich offenlassend bereits bezüglich Schäden, "die im Falle einer Rückkehr zu erwarten" seien: BSG Urteil vom 21. September 2017 – B 8 SO 5/16 R –, juris Rn. 17). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, den Leistungsexport auf die unabdingbaren Fälle objektiver Unmöglichkeit (und nicht Unzumutbarkeit) der Rückkehr zu beschränken, ist davon nach Auffassung des Senats nur auszugehen, wenn eine bedarfsdeckende Pflege im Bundesgebiet unmöglich ist (so auch Berlit, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 24 Rn. 10).

Objektive Hindernisse, die die Reise als solche betreffen, werden vom Antragsteller nicht vorgetragen. Insoweit indiziert die nach alter Rechtslage festgestellte Pflegestufe I bzw. jetzt Pflegegrad 3 die Reisefähigkeit. Auch den MDK-Gutachten sind keine Hindernisse zu entnehmen, die die Reisefähigkeit, gegebenenfalls mit einer Begleitperson, betreffen. Da der Antragsteller ausweislich des MDK-Gutachtens unter Hilfestellung durch eine Pflegeperson die gebotene Medikation zu sich nimmt, spricht nichts dagegen, dass er in der Lage ist, für die Reisezeit von A-Stadt nach Deutschland in einem Zustand zu verbleiben, der ihn keiner erheblichen Selbstgefährdung aussetzt. Gegen die Unmöglichkeit der Rückkehr als solcher spricht auch sein bisheriger Lebensweg; so war der Antragsteller in der Lage, im Jahr 2016 seine Ausreise aus B-Stadt zu organisieren und sich um die Sicherstellung seiner Pflege in Spanien zu kümmern oder Personen hierzu heranzuziehen.

Alle vom Antragsteller vorgebrachten Umstände beziehen sich vielmehr darauf, dass er meint, in Deutschland nicht in gleicher Weise seine Pflege sicherstellen zu können und hierdurch Risiken für seine körperliche und psychische Integrität besorgen müsse, auch weil er wegen seiner kognitiven Defizite seine Kenntnisse der deutschen Sprache weitgehend verloren habe (vgl. den Bericht der Psychiaterin E. vom 31. März 2016, Bl. 48 der Verwaltungsakte). Dieser Bericht, der offenbar unmittelbar nach Einreise aus B-Stadt und nicht – wie von Antragsteller behauptet – ein Jahr später gefertigt wurde, belegt indes nicht die objektive Unmöglichkeit der Pflege in Deutschland. Da der Antragsteller im Bundesgebiet weiterhin Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen kann, kann er das nach § 37 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) gewährte Pflegegeld für Pflegegrad 3 i.H.v. 545 EUR auch zur Finanzierung einer spanischsprechenden Pflegeperson aufwenden. Zudem wurden zum 1. Januar 2017 die Leistungen zur Unterstützung im Alltag erweitert (§ 46a SGB XI), sodass in der Bundesrepublik Deutschland auch entsprechende Pflegesachleistungen zur Verfügung stehen, während der Antragsteller in Spanien allein auf das exportierte Pflegegeld angewiesen war. Hinzu kämen die vom Antragsgegner erwähnten Teilhabeleistungen.

Dass der Antragsteller die Betreuung durch seine Pflegeperson in A-Stadt offenbar als optimal empfindet und er fürchtet, dieses Optimum in Deutschland nicht aufrecht erhalten zu können, muss im Rahmen des hier anzuwendenden objektiven Maßstabs außer Betracht bleiben.

Weitergehende Ansprüche aus Unions-, Verfassungs- oder Völkerrecht sind nicht gegeben.

Ein weitergehender Anspruch auf existenzsichernde Leistungen folgt nicht aus der VO (EG) 883/2004. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Antragsteller infolge seiner seit 2013 bestehenden vollen Erwerbsminderung dem Adressatenkreis des Vierten Kapitels des SGB XII unterfiele, dessen Leistungen nach Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Anhang X in den sachlichen Anwendungsbereich der europäischen Sozialrechtskoordinierung fallen, so könnte er eine solche Leistung allein in der Bundesrepublik Deutschland als Wohnstaat beanspruchen; ein Leistungsexport nach Spanien ist unionsrechtlich nicht geboten (Art. 70 Abs. 3 und Abs. 4 VO (EG) 883/2004).

Auch Art. 1 EFA gewährleistet nur einen gleichen Zugang zur Sozialhilfe im Staat des gegenwärtigen erlaubten Aufenthalts und sieht keinen Leistungsexport vor. Das EFA verweist den Antragsteller daher auf die Inanspruchnahme spanischer Leistungen, die er ausweislich des ablehnenden Bescheides mangels Bedürftigkeit nicht erhält. Aufstockende Leistungen sind daher wiederum nur auf der Grundlage von § 24 SGB XII denkbar.

Der grundsätzliche Ausschluss des Leistungsexports von Sozialhilfe an im Ausland lebende deutsche Staatsangehörige und die enge Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 24 SGB XII begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar ist die Rechtsauffassung des Antragstellers zutreffend, dass aus Art. 1 Abs. 3 GG nicht zwingend eine räumliche Beschränkung der Grundrechtsbindung öffentlicher Gewalt auf Sachverhalte auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet werden kann. Vielmehr binden die Grundrechte die gesamte deutsche Staatsgewalt, auch wenn sich ihr Handeln im Ausland auswirkt (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09 –, juris, Rn. 326, = BVerfGE 141, 220; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-Grundgesetz, Stand 15.11.2017, Art. 1 Rn. 76). Auch begrenzt das Territorialprinzip allein, d.h. ohne normative Grundlage im jeweiligen Grundrecht, nach heutigem Verständnis nicht die Grundrechtsbindung (vgl. Becker, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., § 240, Rn. 8). Daraus folgt aber nicht, dass jede Bedürftigkeit eines deutschen Staatsangehörigen im Ausland eine zurechenbare Auswirkung hoheitlichen Verhaltens, insbesondere nicht des deutschen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, sein muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –, juris, Rn. 63, = BVerfGE 132, 134) steht das Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Diese Aussage wird als räumlichen Beschränkung der Gewährleistung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gelesen, mit der Folge, dass deutsche Staatsangehörige im Ausland nicht vom Gewährleistungsbereich des Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG erfasst sind (so Kempny/Krüger, SGb 2013, 384 (386)). Dafür spricht, dass bei einem Leistungsgrundrecht eine die Grundrechtsbindung begründende zurechenbare Wirkung im Ausland schwer konstruierbar scheint. Ob dieser Interpretation uneingeschränkt zu folgen ist, muss hier nicht entschieden werden. Der Senat ist aber der Überzeugung, dass allenfalls eingriffsähnliche Wirkungen von einem gewissen Gewicht oder Ingerenzen eine Grundrechtsbindung auslösen könnten, die hier nicht erkennbar sind. Allein die Personalhoheit kraft Staatsangehörigkeit kann keine weltweite Verantwortung begründen. Die Personalhoheit ist zudem bei einem Menschenrecht auch kein taugliches Abgrenzungskriterium. Im Übrigen hat die deutsche Gesetzgebung mit dem Konsulargesetz ein hinreichendes Instrumentarium geschaffen, um bedürftige Personen aus dem Ausland auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu bringen und so eine Anspruchsverwirklichung im Inland zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung resultiert aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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