Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 159/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein nach Inkrafttreten des § 231 Abs. 4b SGB VI erteilter Bescheid über die rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf einen nach 1. Januar 2016 gestellten Antrag kann den streitgegenständlichen Bescheid, mit dessen Verfügungssatz ein vor Inkrafttreten des § 231 Abs. 4b SGB VI gestellter Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Beschäftigung als Syndikusanwalt abgelehnt wurde, weder ändern noch ersetzen. Die Voraussetzungen des § 96 SGG sind nicht erfüllt.
3. Aus den Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgericht vom 19. und 22. Juli 2016, Az.: 1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14, kann keine grundsätzliche Kostentragungspflicht der Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Befreiung der Syndikusanwälte nach der ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage abgeleitet werden. Hat die Beklagte die vor dem 1. Januar 2016 geltende Rechtslage rechtmäßig umgesetzt, können die gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht der Syndikusanwälte und die daraufhin erfolgte rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht allenfalls zu einer geringen Kostenquote zu Lasten der Beklagten führen.
3. Aus den Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgericht vom 19. und 22. Juli 2016, Az.: 1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14, kann keine grundsätzliche Kostentragungspflicht der Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Befreiung der Syndikusanwälte nach der ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage abgeleitet werden. Hat die Beklagte die vor dem 1. Januar 2016 geltende Rechtslage rechtmäßig umgesetzt, können die gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht der Syndikusanwälte und die daraufhin erfolgte rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht allenfalls zu einer geringen Kostenquote zu Lasten der Beklagten führen.
Die Beklagte hat der Klägerin 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Erstattungspflicht der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin streitig.
Die 1972 geborene Klägerin beantragte am 15. September 2014 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für ihre Tätigkeit als Syndikusanwältin bei der C. Bank. Dem Antrag fügte sie eine Stellen- und Funktionsbeschreibung zu. Seit 21. Dezember 2006 war sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer D-Stadt und sodann E-Stadt und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrein-Westfalen.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei zwar aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und zugleich des berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte. Diese Pflichtmitgliedschaft bestehe jedoch nicht wegen ihrer Beschäftigung als Syndikusanwältin bei der C. Bank AG. Sie sei nicht als Rechtsanwältin bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. Januar 2015 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2015 zurückgewiesen wurde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in drei Entscheidungen vom 3. April 2014 zu den Aktenzeichen B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R klargestellt, dass abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien seien. Dabei habe das BSG ausgeführt, dass nach gefestigter verfassungsrechtlicher und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der BRAO derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- und Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig werde. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt ist der Syndikus nur in seiner freiberuflichen Tätigkeit außerhalb des Dienstverhältnisses. Auf die "Vier-Kriterien-Theorie" komme es nicht an.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der sie die Befreiung von der Versicherungspflicht begehrte. Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die angekündigte Gesetzesänderung zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte sowie der anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: 1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14) angeordnet. Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte wurde die Klägerin am 13. September 2016 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 14. März 2017 befreite die Beklagte die Klägerin rückwirkend auf ihren Antrag vom 29. März 2016 von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei C. Bank AG ab 1. Juli 2014 gemäß § 231 Abs. 4b SGB VI.
Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit am 30. März 2017 wiederaufgerufen und zugleich für erledigt erklärt. Gleichzeitig hat sie beantragt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Mit der rückwirkenden Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei C. Bank AG habe die Beklagte ihrem Klagebegehren vollumfänglich entsprochen.
Die Beklagte geht davon aus, dass sie zur Kostenübernahme nicht verpflichtet ist. Nach dem vor 1. Januar 2016 bestandenem Recht habe kein Anspruch auf die Befreiung von der Versicherungspflicht bestanden.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Vorliegend wurde das Verfahren durch Erledigungserklärung der Klägerseite am 30. März 2017 beendet und zugleich ein entsprechender Kostenantrag gestellt.
Die Kostengrundentscheidung richtet sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen des Gerichts (Rechtsgedanke des § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) und des § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Grundsätzlich sind die Verfahrenskosten demjenigen aufzuerlegen, der im Verfahren unterliegt. Allerdings sind die Erfolgsaussichten sowie der tatsächliche Ausgang des Verfahrens keine alleinigen Kriterien für die Kostenentscheidung. Vielmehr hat das Gericht neben dem Ergebnis des Rechtsstreits billigerweise alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein möglicher Aspekt ist dabei das sog. Veranlassungsprinzip. Grundlage für die Heranziehung des sogenannten "Veranlassungsprinzips" als Ermessensgesichtspunkt ist die Vorstellung, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens demjenigen aufzuerlegen sind, der Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat (vgl. HLSG, Beschl. v. 30.01.1996, Az. L 4 B 24/95, juris-Rn. 8; Beschl. v. 13.05.1996, Az. L 5 B 64/94, juris-Rn. 23; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 193, Rn. 12b). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses ggf. zur Last zu legen ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht und der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen sind. Auch im Falle einer Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers ist das Veranlassungsprinzip heranzuziehen. Wenn der Verwaltungsträger einer Veränderung unverzüglich nach Kenntnis Rechnung trägt, kann es der Billigkeit entsprechen, eine Kostenerstattungspflicht zu verneinen (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 12c). Wenn sich die Verhältnisse erst während des Rechtstreits geändert haben, kommt eine teilweise Kostenerstattung in Betracht.
Das Gericht hält unter Beachtung dieser Grundsätze in Ausübung seines Ermessens eine Kostenübernahme von 1/5 der Kosten durch die Beklagte für sachgerecht.
Zum einen hält die Kammer den § 96 SGG auf den Bescheid vom 14. März 2017 über die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei der C. Bank AG – entgegen der Auffassung der Klägerseite – vorliegend nicht für anwendbar. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch Neuregelung ersetzt wird; eine Ersetzung, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (vgl. Schmidt in: a.a.O. § 96 Rn. 4 m.w.N. aus der Rspr.). Abändern oder Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden (vgl. Schmidt in: a.a.O. § 96 Rn. 5 m.w.N.). Keine Abänderung oder Ersetzung liegt deshalb grundsätzlich bei anderem Streitstoff oder veränderten Tatsachen und unter Umständen auch nicht bei veränderten Rechtsgrundlagen vor (Schmidt in: a.a.O., § 96 Rn. 5).
Mit dem Verfügungssatz des Bescheides vom 10. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15. September 2014 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Beschäftigung als Syndikusanwältin bei der C. Bank AG ab. Mit Bescheid vom 14. März 2017 entsprach die Beklagte demgegenüber dem Antrag vom 29. März 2016 und befreite die Klägerin rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zum einen erfolgten die Entscheidungen auf zwei unterschiedliche Anträge, zum anderen wäre eine rückwirkende Befreiung auf Antrag vom 15. September 2014 rechtlich nicht möglich gewesen, sodass allein der Vergleich der Verfügungssätze die Annahme desselben Streitgegenstandes im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG verbietet. Abgesehen davon liegen der Entscheidung vom 14. März 2017 veränderte Rechtsgrundlagen zugrunde. Die Rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des § 231 Abs. 4b SGB VI setzt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt voraus, die zuvor gesetzlich nicht vorgeschrieben war.
In den Fällen, in denen eine Änderung der Rechtslage zur Erledigung führt, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Es entspricht der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten der Klage vor dem erledigenden Ereignis abzustellen. Demgegenüber wäre es unbillig, allgemein anzunehmen, dass der von einer Rechtsänderung betroffene Beteiligte stets dieses Risiko tragen müsste (Schmidt in: a.a.O, § 193, Rn. 13a m.w.N.). Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2015 erging unter zutreffender Anwendung der bis zum 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage. Insbesondere wendete die Beklagte nicht die von ihr entwickelte sog. "Vier-Kriterien-Theorie", die vom BSG für nicht anwendbar erklärt wurde, an, sondern stellte zutreffend darauf ab, dass die Klägerin bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber in einem festen Arbeitsverhältnis stand. Hierfür war sie nicht von der Versicherungspflicht zu befreien. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides war die Gesetzesänderung noch nicht beschlossen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die Beklagte die zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene Rechtslage entsprechend umgesetzt hat.
Demgegenüber war zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie mit ihrem Begehren, für die Tätigkeit bei der 10. Dezember 2014 ab Juli 2014 befreit zu werden, obsiegt hat. Der Gesetzgeber hat als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht der Syndikusanwälte aus rechtspolitischen Gründen die Gesetzeslage im Sinne des Klagebegehrens geändert. Durch die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht durch Bescheid vom 14. März 2017 ist ihr Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Klageverfahrens entfallen. Die Veranlassung zur Klageerhebung sieht die Kammer in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung ungeklärter Rechtslage, was allenfalls zu einer geringen Kostenquotelung zugunsten der Klägerin führen kann.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Kammer eine Kostentragung durch die Beklagte nicht – wie teilweise vertreten – aufgrund des Umstands für zwingend hält, dass das Bundesverfassungsgericht in zwei Nichtannahmebeschlüssen vom 19. und 22. Juli 2016, Az.: 1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14, die Kostentragung durch die zuständige Gebietskörperschaft aus Billigkeitsgründen für sachgerecht hielt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber aus rechtspolitischen Gründen die Befreiung der als Syndizi beschäftigten Rechtsanwälte im Nachgang an die Rechtsprechung des BSG ermöglichte, ändert im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen eines Leistungsträgers, der gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an das geltende Gesetz und Recht gebunden ist, nichts daran, dass – sofern die streitgegenständliche Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses den geltenden Rechtsnormen entspricht – dieser Leistungsträger aufgrund der Gesetzesänderung nicht grundlos der Kostentragungspflicht ausgesetzt werden kann. Das Risiko einer solchen Gesetzesänderung ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entsprechend zu verteilen. Eine Veranlassung zur Klageerhebung durch den Erlass einer rechtmäßigen Entscheidung durch die Beklagte sieht die Kammer nicht.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen (§ 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Erstattungspflicht der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin streitig.
Die 1972 geborene Klägerin beantragte am 15. September 2014 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für ihre Tätigkeit als Syndikusanwältin bei der C. Bank. Dem Antrag fügte sie eine Stellen- und Funktionsbeschreibung zu. Seit 21. Dezember 2006 war sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer D-Stadt und sodann E-Stadt und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrein-Westfalen.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei zwar aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und zugleich des berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte. Diese Pflichtmitgliedschaft bestehe jedoch nicht wegen ihrer Beschäftigung als Syndikusanwältin bei der C. Bank AG. Sie sei nicht als Rechtsanwältin bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. Januar 2015 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2015 zurückgewiesen wurde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in drei Entscheidungen vom 3. April 2014 zu den Aktenzeichen B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R klargestellt, dass abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien seien. Dabei habe das BSG ausgeführt, dass nach gefestigter verfassungsrechtlicher und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der BRAO derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- und Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig werde. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt ist der Syndikus nur in seiner freiberuflichen Tätigkeit außerhalb des Dienstverhältnisses. Auf die "Vier-Kriterien-Theorie" komme es nicht an.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der sie die Befreiung von der Versicherungspflicht begehrte. Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die angekündigte Gesetzesänderung zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte sowie der anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: 1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14) angeordnet. Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte wurde die Klägerin am 13. September 2016 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 14. März 2017 befreite die Beklagte die Klägerin rückwirkend auf ihren Antrag vom 29. März 2016 von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei C. Bank AG ab 1. Juli 2014 gemäß § 231 Abs. 4b SGB VI.
Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit am 30. März 2017 wiederaufgerufen und zugleich für erledigt erklärt. Gleichzeitig hat sie beantragt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Mit der rückwirkenden Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei C. Bank AG habe die Beklagte ihrem Klagebegehren vollumfänglich entsprochen.
Die Beklagte geht davon aus, dass sie zur Kostenübernahme nicht verpflichtet ist. Nach dem vor 1. Januar 2016 bestandenem Recht habe kein Anspruch auf die Befreiung von der Versicherungspflicht bestanden.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Vorliegend wurde das Verfahren durch Erledigungserklärung der Klägerseite am 30. März 2017 beendet und zugleich ein entsprechender Kostenantrag gestellt.
Die Kostengrundentscheidung richtet sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen des Gerichts (Rechtsgedanke des § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) und des § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Grundsätzlich sind die Verfahrenskosten demjenigen aufzuerlegen, der im Verfahren unterliegt. Allerdings sind die Erfolgsaussichten sowie der tatsächliche Ausgang des Verfahrens keine alleinigen Kriterien für die Kostenentscheidung. Vielmehr hat das Gericht neben dem Ergebnis des Rechtsstreits billigerweise alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein möglicher Aspekt ist dabei das sog. Veranlassungsprinzip. Grundlage für die Heranziehung des sogenannten "Veranlassungsprinzips" als Ermessensgesichtspunkt ist die Vorstellung, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens demjenigen aufzuerlegen sind, der Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat (vgl. HLSG, Beschl. v. 30.01.1996, Az. L 4 B 24/95, juris-Rn. 8; Beschl. v. 13.05.1996, Az. L 5 B 64/94, juris-Rn. 23; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 193, Rn. 12b). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses ggf. zur Last zu legen ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht und der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen sind. Auch im Falle einer Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers ist das Veranlassungsprinzip heranzuziehen. Wenn der Verwaltungsträger einer Veränderung unverzüglich nach Kenntnis Rechnung trägt, kann es der Billigkeit entsprechen, eine Kostenerstattungspflicht zu verneinen (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 12c). Wenn sich die Verhältnisse erst während des Rechtstreits geändert haben, kommt eine teilweise Kostenerstattung in Betracht.
Das Gericht hält unter Beachtung dieser Grundsätze in Ausübung seines Ermessens eine Kostenübernahme von 1/5 der Kosten durch die Beklagte für sachgerecht.
Zum einen hält die Kammer den § 96 SGG auf den Bescheid vom 14. März 2017 über die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei der C. Bank AG – entgegen der Auffassung der Klägerseite – vorliegend nicht für anwendbar. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch Neuregelung ersetzt wird; eine Ersetzung, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (vgl. Schmidt in: a.a.O. § 96 Rn. 4 m.w.N. aus der Rspr.). Abändern oder Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden (vgl. Schmidt in: a.a.O. § 96 Rn. 5 m.w.N.). Keine Abänderung oder Ersetzung liegt deshalb grundsätzlich bei anderem Streitstoff oder veränderten Tatsachen und unter Umständen auch nicht bei veränderten Rechtsgrundlagen vor (Schmidt in: a.a.O., § 96 Rn. 5).
Mit dem Verfügungssatz des Bescheides vom 10. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15. September 2014 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Beschäftigung als Syndikusanwältin bei der C. Bank AG ab. Mit Bescheid vom 14. März 2017 entsprach die Beklagte demgegenüber dem Antrag vom 29. März 2016 und befreite die Klägerin rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zum einen erfolgten die Entscheidungen auf zwei unterschiedliche Anträge, zum anderen wäre eine rückwirkende Befreiung auf Antrag vom 15. September 2014 rechtlich nicht möglich gewesen, sodass allein der Vergleich der Verfügungssätze die Annahme desselben Streitgegenstandes im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG verbietet. Abgesehen davon liegen der Entscheidung vom 14. März 2017 veränderte Rechtsgrundlagen zugrunde. Die Rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des § 231 Abs. 4b SGB VI setzt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt voraus, die zuvor gesetzlich nicht vorgeschrieben war.
In den Fällen, in denen eine Änderung der Rechtslage zur Erledigung führt, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Es entspricht der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten der Klage vor dem erledigenden Ereignis abzustellen. Demgegenüber wäre es unbillig, allgemein anzunehmen, dass der von einer Rechtsänderung betroffene Beteiligte stets dieses Risiko tragen müsste (Schmidt in: a.a.O, § 193, Rn. 13a m.w.N.). Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2015 erging unter zutreffender Anwendung der bis zum 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage. Insbesondere wendete die Beklagte nicht die von ihr entwickelte sog. "Vier-Kriterien-Theorie", die vom BSG für nicht anwendbar erklärt wurde, an, sondern stellte zutreffend darauf ab, dass die Klägerin bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber in einem festen Arbeitsverhältnis stand. Hierfür war sie nicht von der Versicherungspflicht zu befreien. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides war die Gesetzesänderung noch nicht beschlossen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die Beklagte die zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene Rechtslage entsprechend umgesetzt hat.
Demgegenüber war zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie mit ihrem Begehren, für die Tätigkeit bei der 10. Dezember 2014 ab Juli 2014 befreit zu werden, obsiegt hat. Der Gesetzgeber hat als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht der Syndikusanwälte aus rechtspolitischen Gründen die Gesetzeslage im Sinne des Klagebegehrens geändert. Durch die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht durch Bescheid vom 14. März 2017 ist ihr Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Klageverfahrens entfallen. Die Veranlassung zur Klageerhebung sieht die Kammer in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung ungeklärter Rechtslage, was allenfalls zu einer geringen Kostenquotelung zugunsten der Klägerin führen kann.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Kammer eine Kostentragung durch die Beklagte nicht – wie teilweise vertreten – aufgrund des Umstands für zwingend hält, dass das Bundesverfassungsgericht in zwei Nichtannahmebeschlüssen vom 19. und 22. Juli 2016, Az.: 1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14, die Kostentragung durch die zuständige Gebietskörperschaft aus Billigkeitsgründen für sachgerecht hielt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber aus rechtspolitischen Gründen die Befreiung der als Syndizi beschäftigten Rechtsanwälte im Nachgang an die Rechtsprechung des BSG ermöglichte, ändert im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen eines Leistungsträgers, der gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an das geltende Gesetz und Recht gebunden ist, nichts daran, dass – sofern die streitgegenständliche Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses den geltenden Rechtsnormen entspricht – dieser Leistungsträger aufgrund der Gesetzesänderung nicht grundlos der Kostentragungspflicht ausgesetzt werden kann. Das Risiko einer solchen Gesetzesänderung ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entsprechend zu verteilen. Eine Veranlassung zur Klageerhebung durch den Erlass einer rechtmäßigen Entscheidung durch die Beklagte sieht die Kammer nicht.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen (§ 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
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