L 19 R 298/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 258/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 298/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Einordnung einer in Rumänien ausgeübten Heimarbeit als Beschäftigungszeit im Sinne von § 16 FRG.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.04.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob bei der Klägerin weitere Zeiten einer Tätigkeit in Rumänien als Zeiten nach dem Fremdrentengesetz - FRG - anzuerkennen sind.

Die 1954 geborene Klägerin ist am 02.04.1985 aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Sie verfügt über einen Vertriebenenausweis A.

Am 28.07.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage entsprechender Unterlagen die Anerkennung weiterer Zeiten nach dem FRG, die sie von 1970 - 1978 in Rumänien beim gleichen Arbeitgeber in Heimarbeit als Strickerin verrichtet habe, bei dem sie ab 1978 versicherungspflichtig gearbeitet habe. Mit Schriftsatz vom 28.11.2014 zeigte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an und gab an, dass trotz Nachfrage bei der Firma keine Unterlagen über die Ableistung der Heimarbeit vorhanden seien. Das Arbeitsbuch habe ausgehändigt werden können, zeige aber leider nur eine Mitgliedschaft in der Handwerkergenossenschaft ab dem 01.09.1978 an. Dem Arbeitsbuch sei eine Bescheinigung mit Verdiensten von September 1978 bis zum 31.12.1984 beigefügt gewesen (Adeverinta Nr 1393/29.09.2014). Die Klägerin habe aber bereits seit 1970 bei dieser Firma in Heimarbeit gearbeitet. Dies könnten Frau M. Z. und Frau K. B. bezeugen.

Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Feststellungsbescheid nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - vom 22.01.2015 u. a. die Anerkennung der Zeit vom 01.06.1970 - 31.08.1978 ab, weil die vorgelegten Unterlagen aus dem Herkunftsland keine Eintragungen enthielten. Heimarbeit habe in Rumänien aufgrund eines Arbeitsvertrages oder aufgrund einer Zivilvereinbarung geleistet werden können. Sofern die Heimarbeit aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet worden sei, sei diese auch vom Arbeitgeber in das Arbeitsbuch eingetragen worden. Nachdem keine Eintragung im Arbeitsbuch erfolgt sei, werde davon ausgegangen, dass die Heimarbeit aufgrund einer Zivilvereinbarung geleistet worden sei. Dies bestätige auch die vorgelegte Adeverinta und decke sich mit den früheren eigenen Angaben der Klägerin und den vorliegenden Zeugenaussagen von Frau Z. und Frau B. in früheren Kontenklärungsverfahren. Sei die Heimarbeit aufgrund einer Zivilvereinbarung erbracht worden, hätte der Heimarbeiter den Arbeitsumfang im Wesentlichen selbst bestimmen können. Es liege deshalb keine Arbeitnehmereigenschaft vor, so dass auch die Anerkennung einer Beschäftigungszeit nach § 16 FRG nicht in Betracht komme.

Der hiergegen vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 09.02.2015 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2015 als unbegründet zurückgewiesen. In früheren Kontenklärungsverfahren seien mehrere Zeugen zu diesem Zeitraum vernommen worden. Frau Z. und Frau S. hätten bestätigt, dass die Klägerin während ihrer Heimarbeit nicht versichert gewesen sei, sondern dass erst seit 01.09.1978 Versicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die Klägerin habe selbst angegeben, dass am Anfang der Heimarbeit niemand versichert worden sei, bis sicher gewesen sei, dass die Arbeit ständig gemacht und die Sollzahlen erreicht würden. Mangels Arbeitnehmereigenschaft komme auch die Anerkennung einer Beschäftigungszeit nach § 16 FRG nicht in Betracht.

Zur Begründung der hiergegen am 19.03.2015 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klägerin behaupte, in der Zeit vom 01.06.1970 bis 31.08.1978 in Heimarbeit gearbeitet zu haben. Eine Beitragsentrichtung sei von der Klägerin verneint worden, die Leistung sei nach den gefertigten Stücken entlohnt worden. Eine Stundenaufstellung habe es nicht gegeben, deshalb könne auch kein Nachweis einer Arbeitszeit erfolgen. Es seien 30 - 50 Stunden in der Woche gearbeitet worden. Die erste Zeit habe die Klägerin mit der Zeugin Z. gearbeitet und habe von dieser auch eine Maschine zur Verfügung gestellt bekommen. Nach einiger Zeit habe die Klägerin eine eigene Maschine gekauft. Für die Anerkennung von Beschäftigungszeiten in Rumänien komme es nicht auf die Gesetze in Rumänien an, sondern auf die Gesetze im Bundesgebiet. Für eine Beschäftigung von wöchentlich mindestens 30 Stunden mit Bezahlung hätte in der Bundesrepublik nach dem 1957 geltenden Recht Versicherungspflicht bestanden.

In einem Erörterungstermin vom 06.08.2015 wurde eine Adeverinta Nr. 446 vom 01.04.2015 mit deutscher Übersetzung vorgelegt, wonach die Klägerin Heimarbeit aufgrund eines Arbeitsvertrages für die Fertigung von Produkten und die Ausführung von Arbeiten durchgeführt habe. Der Vertrag zwischen der Genossenschaft und dem Produktfertiger sei für den Zeitraum 01.01.1971 - 31.08.1978 geschlossen worden. Ausgeführt ist des weiteren, dass die "Produktfertiger" aufgrund der damals bestehenden gesetzlichen Regelungen weder die Eigenschaft als Genossenschaftsmitglied noch als Angestellte erhalten hätten, sondern lediglich für die ausgeführten und von der Genossenschaft nach deren Prüfung abgenommenen Arbeiten entlohnt worden seien. Die Zeit für die Ausführung der Arbeiten habe keine Versicherungszeit dargestellt und werde unter keinen Umständen ins Arbeitsbuch eingetragen. Unter Hinweis auf Art 39 der gleichen Vorschrift ist vermerkt, dass Personen, denen aufgrund eines solchen Rahmenvertrages Arbeiten zugeteilt worden seien, diese Arbeiten auch durch Familienmitglieder, mit denen sie zusammenwohnten, ausführen lassen könnten. Vorgelegt wurde ferner eine Verdienstbescheinigung für die Zeit vom 01.01.1971 bis 31.08.1978. Für folgende Monate ist ein Verdienst nicht bescheinigt: 08/1971, 01 - 03/1972, 07/1974, 12/1974, 04/1976, 07/1976, 09 - 12/1978.

Mit Schriftsatz vom 25.08.2015 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sich aus der neu vorgelegten Bescheinigung Nr. 446 vom 01.04.2015 keine neuen Erkenntnisse ergäben. Vielmehr ergebe sich eindeutig, dass eine Beitragszeit nach § 15 FRG nicht vorliegen könne. Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG könnten nur dann anerkannt werden, wenn die im Herkunftsland ausgeübte Beschäftigung nach dem am 01.03.1957 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätte. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis erfordere eine persönliche (Eingliederung in den Betrieb, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung usw.) und wirtschaftliche (Lohnzahlung) Abhängigkeit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Die Klägerin sei nicht in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert gewesen und sie hätte Arbeiten auch von Familienangehörigen verrichten lassen können. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 03.09.2015 darauf hingewiesen, dass die Klägerin in der Zeit von 1971 - 1978 ein vergleichbares Entgelt erzielt habe wie in ihrer Tätigkeit als Mitglied der Handwerkergenossenschaft. Sie habe von der Handwerkergenossenschaft Aufträge erhalten. Dies sei eine Weisung. Sie habe dafür Geld von der Handwerkergenossenschaft erhalten. Die Familienhilfe sei gestattet gewesen, um den Ablauf der Produktion nicht zu stören. Nach Angaben der Klägerin sei eine Familienhilfe aber nicht erfolgt. Auch nach dem 01.09.1978 - also während der versicherungspflichtigen Zeit - sei der Arbeitsplatz weiterhin das Wohnzimmer der Klägerin gewesen. Das Material habe sie von der Firma abgeholt, die Ware sei auf der Maschine der Klägerin hergestellt und die Ware wieder zur Firma gebracht worden. Die Bezahlung sei nach Leistung erfolgt. Die Vorstellung der Beklagten, dass eine Firma oder eine Werkstatt vorhanden gewesen sei und die Mitglieder der Genossenschaft unter Aufsicht gestanden hätten, sei nicht zutreffend.

Mit Schriftsatz vom 24.09.2015 wies die Beklagte nochmals darauf hin, dass die Möglichkeit der Weitergabe der übertragenen Arbeiten an Familienangehörige - auch wenn dies nach Angaben der Klägerin tatsächlich nicht erfolgt sei - , die Nutzung eigener Maschinen und eigener Räumlichkeiten sowie die Bezahlung nach Leistung für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprächen. Die Annahme bzw. der Erhalt von Aufträgen sei kein Indiz für das Bestehen von Weisungsabhängigkeit. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 22.04.2016 die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Beitragszeit nach § 15 FRG komme mangels Beitragsabführung offensichtlich nicht in Betracht. Eine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG könne ebenfalls nicht anerkannt werden. Die Klägerin sei keine Heimarbeiterin im Sinne der in Deutschland am 01.03.1957 geltenden Gesetze und sie sie auch nicht abhängig beschäftigt gewesen. Die Klägerin sei nach Stückzahl entlohnt worden. Hinsichtlich der Arbeitszeiten habe es keine Vorgaben gegeben. Stundenaufzeichnungen seien nicht erfolgt. Die Klägerin habe den Arbeitsumfang im Wesentlichen selbst bestimmen können. Sie habe eine eigene Maschine bzw. von einer dritten Person zur Verfügung gestellte Maschine benutzt. Die Adeverinta Nr. 446 habe bestätigt, dass die Klägerin nicht die Eigenschaft einer Angestellten erlangt habe und sie habe Familienangehörige einsetzen können.

Zur Begründung der hiergegen am 09.05.2016 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass die Tätigkeit als Heimarbeiter in Deutschland als abhängige Beschäftigung gelte und hierfür Versicherungspflicht bestehe. Es werde nach Leistung bezahlt, in der Regel könne der Arbeitgeber keinen Einfluss auf Arbeitszeit oder Arbeitsplatz nehmen. Die Tätigkeit als Heimarbeiter gelte in Rumänien nicht als Versicherungszeit. Es sei jedoch eine Beschäftigung zum Nutzen des Arbeitgebers. Eine selbständige Tätigkeit der Klägerin könne nicht angenommen werden, da sie gerade keine Arbeitskräfte habe einstellen können. Es sei deshalb eine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG anzuerkennen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.04.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2015 zu verurteilen, die Zeiten vom 01.02.1971 - 31.07.1971, vom 01.09.1971 - 31.12.1971, vom 01.04.1972 - 30.06.1974, vom 01.08.1974 - 30.11.1974, vom 01.01.1975 - 31.03.1976, vom 01.05.1976 - 30.06.1976 und vom 01.08.1976 - 31.08.1978 als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.04.2016 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 22.04.2016 entschieden, dass die hier streitgegenständlichen Zeiten nicht als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG im Versicherungsverlauf der Klägerin anerkannt werden können.

Die Anerkennung einer Beitragszeit im Sinne des § 15 FRG kommt vorliegend offensichtlich nicht in Betracht, da die Klägerin unstreitig bis zum 01.09.1978 keine Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung in Rumänien entrichtet hat. Dies entspricht ihren eigenen Angaben, den vorgelegten Bescheinigungen und den Eintragungen im Arbeitsbuch sowie den Angaben der angehörten Zeugen in früheren Kontenklärungsverfahren. Zudem lässt sich der Rentenakte der Beklagten eine Erklärung "E 205" vom 17.03.2015, ausgestellt von der rumänischen Sozialversicherungsbehörde, entnehmen, die Beitragszeiten erst ab dem 01.09.1978 bestätigt. Die hier streitigen Zeiten sind auch keine Zeiten, für die Beiträge als entrichtet gelten.

Der hier streitgegenständliche Zeitraum vom 01.02.1971 - 31.08.1978 kann aber auch nicht als Beschäftigungszeit im Sinne des § 16 FRG anerkannt werden. Gemäß § 16 Abs 1 FRG steht eine nach vollendetem 17. Lebensjahr vor der Vertreibung in Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien, China, der Tschechoslowakei oder der Sowjetunion verrichtete Beschäftigung, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungsrechtlichen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt. Dies gilt nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 01.März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichten worden wäre; dabei sind Vorschriften über die Beschränkung der Versicherungspflicht nach der Stellung des Beschäftigten im knappschaftlichen Betrieb, nach der Höhe des Arbeitsverdienstes, wegen der Gewährleistung von Versorgungsanwartschaften oder wegen der Eigenschaft als Beamter oder Soldat nicht anzuwenden. Die Klägerin ist Vertriebene im Sinne des § 1 FRG, sie verfügt über einen Vertriebenenausweis A. Die Beklagte hat Zeiten der Vertreibung/Flucht bei der Klägerin im Versicherungsverlauf auch anerkannt.

Die Klägerin hat in dem hier streitigen Zeitraum von 1971 bis 31.08.1978 keine Beiträge zu einem Rentenversicherungssystem in Rumänien entrichtet. Eine Beitragsabführung ist erst ab dem 01.09.1978 anzunehmen aufgrund einer Mitgliedschaft der Klägerin in der Handwerkergenossenschaft. Ab dem 01.09.1978 hat die Beklagte im Versicherungsverlauf der Klägerin Pflichtbeitragszeiten anerkannt.

Eine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG kann nur dann anerkannt werden, wenn es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine Beschäftigung gehandelt hat, die nach dem am 01.03.1957 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht als versicherungspflichtige Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuerkennen gewesen wäre. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Sinne würde eine entsprechend abhängige Tätigkeit erfordern, wie sie der Beschäftigungsbegriff im Sinne des § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - fordert. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Der Begriff des Heimarbeiters ist arbeitsrechtlich in § 2 Heimarbeitsgesetz - HAG - definiert. Danach ist Heimarbeiter, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen (die gemäß § 2 Abs 5 HAG mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben) im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt.

Das Bundesarbeitsgericht - BAG - hat mit Urteil vom 24.08.2016 (Az 7 AZR 625/15, veröffentlicht bei juris) festgestellt, dass zwischen dem Begriff des Arbeitnehmers und dem des Heimarbeiters zu unterscheiden ist. Arbeitnehmer ist danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Ein Arbeitsverhältnis ist demnach dann anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Zu den Arbeitnehmern zählen auch die sogenannten Außenarbeitnehmer, die zwar aus betrieblichen oder persönlichen Gründen in eigener Wohnung oder Werkstatt arbeiten, aber die Leistungen fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit erbringen (BAG, a.a.O., Rdnr. 14 m. w. N.).

Hiervon unterscheidet sich der Heimarbeiter dahin gehend, dass er seinen Arbeitsplatz sowie Zeitpunkt und Zeitdauer seiner Tätigkeit frei bestimmen, Hilfspersonen hinzuziehen und seine Werkzeuge und Geräte sowie seine Arbeitsmethode selbständig wählen kann (BAG unter Bezugnahme auf ein Urteil vom 19.06.1957, Az 2 AZR 84/55, Ziff. 5 der Urteilsgründe). Er gestaltet damit seine Tätigkeit im Wesentlichen frei. Er schuldet - anders als ein Arbeitnehmer - nicht eine bestimmte Dienstleistung als solche, sondern ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Er ist wegen fehlender Weisungsabhängigkeit als Selbständiger einzustufen, auch wenn er vielfach in arbeitsrechtliche Schutzgesetze einbezogen ist (BAG, a.a.O., Rdnr. 15 m.w.N.).

Welches Rechtsverhältnis vorliegt ist nach zutreffender Ansicht des BAG anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Wesentlich ist hierbei, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der Heimarbeiter in einen vom Auftraggeber organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist. Zwar stehe - so das BAG - einem Auftraggeber gegenüber dem Heimarbeiter das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Davon abzugrenzen sei aber die Ausübung von Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis bezögen, könnten im Rahmen eines Heimarbeitsverhältnisses erteilt werden. Werde die Tätigkeit aber durch den "Auftraggeber" geplant und organisiert und werde der "Heimarbeiter" in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Erstellung des vereinbarten "Arbeitsergebnisses" faktisch ausschließe, liege ein Arbeitsverhältnis nahe (BAG, a.a.O., Rdnr 16 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin selbst unter dem Datum 10.11.1986 erklärt, dass sie 48 Stunden als Maschinenstrickerin gearbeitet habe. Jede Woche habe sie von der Fabrik Wolle holen und die gestrickte Ware abgeben müssen (sie habe meistens Kindersachen gestrickt). Sie sei nach der Anzahl der Stücke bezahlt worden. In der im SG-Verfahren übergebenen neuen Adeverinta Nr 446 vom 01.04.2015 ist beschrieben, dass die Heimarbeit aufgrund eines Rahmenvertrages zur Fertigung von Produkten und Ausführung von Arbeiten erfolgt ist und durch den Abschluss der Rahmenverträge die Personen, die Arbeiten für die Genossenschaft ausführen, nicht die Eigenschaft als Angestellte oder Genossenschaftsmitglieder erwerben. Sie bekommen von der Genossenschaft lediglich die Entlohnung für die ausgeführten und von der Genossenschaft nach deren Prüfung auch abgenommenen Arbeiten.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 03.09.2015 gegenüber dem SG darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin in der Zeit von 1971 bis August 1978 Aufträge der Genossenschaft erhalten habe und dass diese Aufträge Weisungen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Das BAG hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass allein das Erteilen von Aufträgen nicht dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers im Hinblick auf Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung entspricht, sondern vielmehr nur als Anweisung hinsichtlich des erwarteten Arbeitsergebnisses zu werten ist. Wann, wo und durch wen die Strickarbeiten geleistet wurden, die die Klägerin für die Genossenschaft erstellte, unterlag gerade keiner Kontrolle und Weisung durch die Genossenschaft, auch erfolgte eine Bezahlung nur für die abgenommenen Stücke und nicht für alle von der Klägerin in einem bestimmten Zeitraum erstellten Stücke. Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung wäre arbeitsrechtlich die Vertretung eines Arbeitnehmers durch einen zufällig im Haushalt mit anwesenden Familienangehörigen unzulässig. Dies war aber nach dem Rahmenvertrag offensichtlich zulässig und stellt auch ein wesentliches Kriterium für die arbeitsrechtliche Einstufung als Heimarbeiter und damit als faktisch Selbständiger dar. Ob die Klägerin von der Möglichkeit des Einsatzes von Familienangehörigen tatsächlich Gebrauch machte oder nicht, ist unerheblich.

Das Rechtsverhältnis der Klägerin zu ihrem Auftraggeber beschränkte sich somit offensichtlich bis zum 01.09.1978, dem Zeitpunkt, ab dem die Abführung von Versicherungsbeiträgen für die Mitgliedschaft der Klägerin in der Handwerksgenossenschaft dokumentiert und nachgewiesen ist, auf ein Tätigwerden der Klägerin innerhalb der Rahmenvereinbarung. Sie erstellte Produkte (Strickwaren) in eigenen Räumlichkeiten zu Hause, mit einer ausgeliehenen bzw. später auch eigenen Maschine, mit der Möglichkeit, Familienangehörige hierbei mit einzusetzen. Die Klägerin hat in der hier streitigen Zeit auch 2 Kinder geboren, was bei durchgehend bescheinigtem Verdienst dafür spricht, dass ein mit im Haushalt lebender Familienangehöriger wohl mit eingesetzt worden sein dürfte. Sie wurde für die von ihr erstellten Produkte erst nach Überprüfung durch die Genossenschaft nach Anzahl der gefertigten (und abgenommenen) Strickwarenstücke bezahlt. Die Verwertung dieser Produkte wurden der Genossenschaft überlassen. Der Umstand, dass die Klägerin vorträgt, anschließend ab dem 01.09.1978 auch von zu Hause aus tätig geworden zu sein und Heimarbeit ausgeübt zu haben, ist kein Argument, das eine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG in der hier streitigen Zeit begründen könnte. Zum 01.09.1978 wurde die Klägerin als Mitglied der Handwerksgenossenschaft kooptiert, so dass für ihre Arbeit von der Genossenschaft auch nach rumänischem Recht Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden mussten. Hier hat sich der rechtliche Status der Klägerin im Verhältnis zur Genossenschaft verändert, so dass ab diesem Zeitpunkt von einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin im Sinne eines Arbeitsverhältnisses mit Beitragsabführung, und damit von einer Beitragszeit im Sinne des § 15 FRG auszugehen ist.

Auch aus der vorgelegten Übersetzung des Arbeitsbuches geht hervor, dass ab Beitritt der Klägerin in die Genossenschaft am 01.09.1978 von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist. Der Eintritt in die Genossenschaft erfolgte als unqualifizierte Arbeiterin Strickwaren 1. Kategorie Grundstufe, ab 1978 hatte die Klägerin eine geregelte Arbeitszeit und eine entsprechende Vergütung - unabhängig von der Anzahl der gefertigten Stücke - , die in den Folgejahren auch 1980 und 1984 erhöht wurde.

Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist der Begriff des Heimarbeiters erstmals in § 12 Abs 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - definiert worden. Danach sind Heimarbeiter sonstige Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen. Gemäß § 12 Abs 2 2. Hs SGB IV gelten sie als Beschäftigte und unterliegen deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. § 12 Abs 2 SGB IV wird als Ausnahmevorschrift zu § 7 SGB IV interpretiert, wobei im Gegensatz zu § 2 HAG sozialversicherungsrechtlich die mögliche Erbringung der Arbeitsleistung durch den Einsatz von Familienangehörigen der Einordnung als Heimarbeiter entgegenstehen kann und zumindest als Indiz für eine selbständige Tätigkeit interpretiert wird.

Die Regelung des § 12 Abs 2 SGB IV ist aber erstmals zum 01.07.1977 in Kraft getreten und war damit zu dem hier nach § 16 Abs 1 S 2 FRG maßgebenden Zeitpunkt 01.03.1957 noch nicht geltendes Recht. In der sog. "Vorgängervorschrift" des § 162 Reichsversicherungsordnung - RVO - waren lediglich die Hausgewerbetreibenden erfasst, die nach § 1226 RVO rentenversicherungspflichtig waren. Nach der in § 162 RVO enthaltenen Begriffsbestimmung galten als Hausgewerbetreibende im Sinne der RVO die selbständigen Gewerbetreibenden, die in eigenen Betriebsstätten im Auftrag und für Rechnung anderer Gewerbetreibender gewerbliche Erzeugnisse herstellten oder bearbeiteten. Ferner galten nach Abs 2 der Vorschrift auch diejenigen als Hausgewerbetreibende, die in gleicher Weise wie die nach Abs 1 Bezeichneten mit der Maßgabe tätig waren, dass sie im Auftrag und für Rechnung öffentlicher Verbände, öffentlicher Körperschaften oder gemeinnütziger Unternehmungen arbeiteten. Eine dem § 12 Abs 2 2. Hs SGB IV entsprechende Fiktion der Beschäftigung und daraus folgende Sozialversicherungspflicht für Heimarbeiter existierte damals nicht, eine Gleichstellung mit Hausgewerbetreibenden ebenfalls nicht. Der während des laufenden Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene weitere Feststellungsbescheid vom 06.06.2016, der mit der Rechtsbehelfsbelehrung "Widerspruch" versehen war und von der Klägerin nicht angefochten wurde, wurde nicht Gegenstand des laufenden Verfahrens, weil dieser Bescheid keine Regelungen zu der hier streitgegenständlichen Rechtsfrage getroffen hat. Aus dem Schweigen des Bescheids allein kann nicht gefolgert werden, dass die Beklagte die Feststellung dieser Zeiten erneut abgelehnt hätte.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.04.2016 als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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