L 9 R 3007/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2165/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3007/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die 1959 in Polen geborene Klägerin und gelernte Schneiderin war seit 1990 in Deutschland in verschiedenen Krankenhäusern als Stationshilfe beschäftigt, zuletzt bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2013 im Service, Stations- und Wäschereidienst einer Klinik in S.

Am 14.10.2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit Bandscheiben- sowie psychosomatischen Beschwerden begründete. In einem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 10.10.2014 wurde der Klägerin unter den Diagnosen anhaltende chronifizierte somatoforme Schmerzstörung, Zustand nach Spinalkanalstenose (OP L4/5), aktivierte Daumensattelgelenksarthrose, depressive Anpassungsstörung aus medizinischer Sicht Arbeitsunfähigkeit auf Dauer bescheinigt. Nach Auswertung zahlreicher Befundunterlagen der behandelnden Ärzte (u.a. Entlassbericht über eine stationäre Behandlung in der Fachklinik für Analytische Psychotherapie, S.klinik, stationäre Behandlung vom 10.12.2013 bis 04.02.2014, Bericht der Federseeklinik Bad B. vom 30.10.2013 über eine stationäre Behandlung vom 15.10. bis 05.11.2013, Entlassbrief der R.klinik Bad W. vom 05.06.2013 über einen stationären Aufenthalt vom 21.05.2013 bis 02.06.2013) kam der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Sozialmedizin/Suchtmedizin G. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17.12.2014 zu folgenden Diagnosen: Rezidivierende Beschwerden bei Zustand nach operativer Dekompression (8/13), einer multisegmentalen Spinalkanalstenose und Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation 1993, Arthrose des Daumensattelgelenks rechts, Zustand nach Operation 12/14, depressive Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung/Schmerzmittelfehlgebrauch sowie Zustand nach mittelgradiger depressiver Episode (12/13). Die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs und mehr Stunden täglich verrichten und noch drei bis unter sechs Stunden als Stationshilfe tätig sein. Ein orthopädisch-psychosomatisches Heilverfahren in der Z.klinik St. B. werde empfohlen.

Mit Bescheid vom 07.01.2015 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente ab.

Vom 11.02. bis 18.03.2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Z.klinik St. B. teil. Im Entlassungsbericht vom 26.03.2015 wurden die Diagnosen eines Wirbelsäulensyndroms mit belastungsabhängigen Restbeschwerden mit endgradiger Funktionseinschränkung, einer Arthrose des Daumensattelgelenks rechts, Zustand nach Operation 12/2014, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einer Hypertonie gestellt. Unter Beachtung näher aufgeführter qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr pro Tag verrichten. Sie sei auch in der Lage, als Raumpflegerin sechs Stunden und mehr täglich tätig zu sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2015 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin, der vor allem mit Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, der linken Hüfte, Schmerzen im Bein und in der Halswirbelsäule, im linken Arm, in den Schultern, in der Brustwirbelsäule, im Magen, in den Gelenken sowie mit starken Depressionen und dadurch bedingter fehlender Konzentrationsfähigkeit, Sprachstörungen und Problemen mit sozialen Kontakten begründet worden war, zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.07.2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben mit der Begründung, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen ließen keinerlei Erwerbstätigkeit über drei Stunden täglich zu. Sie leide noch immer unter starken Wirbelsäulenschmerzen und könne nur 15 Minuten sitzen, stehen oder laufen und müsse sich dann hinlegen. Sie leide an hohem Blutdruck, könne mit ihrer rechten Hand kaum mehr ein Glas festhalten oder irgendetwas drehen, leide unter einem Carpaltunnelsyndrom der linken Hand, unter Magenschmerzen und Sodbrennen, einer chronischen Schmerzstörung und an einer mittelgradigen Depression. Hierzu hat die Klägerin einen Befundbericht der Psychologischen Psychotherapeutin P. vom 02.08.2015 vorgelegt, wonach die Klägerin wegen einer depressiven Episode und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nur eingeschränkt zu einer Teilhabe am sozialen Leben in der Lage sei. Ein positiver Bescheid für die Rente sei zu befürworten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. hat in seinem Bericht vom 01.09.2015 als aktuelle Diagnosen Restbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne Radikulopathie lokal nach Nukleotomie und Dekompression diagnostiziert und der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt. In seinem Bericht vom 08.09.2015 hat der Neurologe und Psychiater Dr. S. eine komplexe Störung, die gleichermaßen orthopädische, schmerztherapeutische Aspekte beinhalte, beschrieben. Die berufliche Leistungsfähigkeit könne nur im Rahmen einer umfangreicheren gutachterlichen Stellungnahme beurteilt werden. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. hat im September 2015 ausgeführt, im Vordergrund der Beschwerden stünden eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger Episode mit Antriebsstörungen, Freudlosigkeit, innerer Leere und Einschränkung der sozialen Kontakte. Hinzu kämen eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der LWS und HWS mit Verspannungen, Schmerzen im rechten Daumensattel- und Grundgelenk sowie ein arthrotisches Reiben in beiden Kniegelenken. Aufgrund der psychischen Erkrankung sei eine Tätigkeit nicht mehr möglich. Nach Angaben der Klägerin könne diese auch keine 500 m in 20 Minuten mehr zurücklegen und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel bzw. ein privates Kfz benutzen. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. hat in ihrem Bericht vom 14.09.2015 entzündlich rheumatische Prozesse verneint. Es lägen degenerative Veränderungen vor allem im Bereich der Wirbelsäule vor. Die berufliche Leistungsfähigkeit könne sie nicht beurteilen, da das Krankheitsbild nicht auf rheumatologischem Sektor liege, sondern im orthopädischen und psychiatrischen Bereich. Unter dem 10.09.2015 hat die Fachärztin für Anästhesie und Spezielle Schmerztherapie Dr. S. Osteochondrosen der HWS und LWS, Fingerpolyarthrose, AC-Gelenksarthrose rechts, Gonarthrose beidseits, Großzehengrundgelenksarthrose beidseits, Arthrosen im Bereich der Handwurzeln und Fußwurzeln sowie ein depressives Syndrom diagnostiziert. Nach einer Akupunkturbehandlung von November 2014 bis Januar 2015 sei es zu einer Besserung der Beschwerden um 30 bis 40% gekommen, doch seien die Schmerzen im unteren Rücken unbeeinflusst geblieben, sodass eine Procain-Basen-Infusion durchgeführt werde. Unter dieser Therapie bestehe zeitweise Schmerzfreiheit. Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nicht festgestellt worden. Ob die Klägerin einen Fußweg von 500 m in 20 Minuten zurücklegen bzw. in der Lage sei, einen PKW zu führen, sei ihr nicht bekannt. Öffentliche Verkehrsmittel könne sie benutzen. Der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. S. hat in seinem Bericht vom 18.09.2015 ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin bejaht.

Im Anschluss hieran hat das SG den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betraut, der darin am 29.02.2016 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin folgende Diagnosen gestellt hat: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, Dranginkontinenz, Hypertonie. Die Klägerin sei aktuell nicht in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Raumpflegerin und Serviererin noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, doch könne sie eine leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben, sofern das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, dauerndes Stehen und Gehen, gleichförmige Körperhaltungen mit Zwangshaltungen im HWS- und LWS-Bereich, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vermieden würden. Auch seien Arbeiten unter Zeitdruck und Stressbelastung (Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit) nicht mehr möglich, ebenso wenig wie Arbeiten bei Publikumsverkehr und unter nervlicher Belastung. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Die von der Klägerin geschilderten Ängste vor Menschen und in beengenden Situationen ließen sich mit den gestellten Diagnosen nicht begründen. Auch sei davon auszugehen, dass diese Ängste überwindbar seien. Auf Einwendungen der Klägerin hat Dr. N. in einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 03.06.2016 hinzugefügt, im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf die von der Klägerin beklagten Konzentrationsstörungen finden lassen. Bei den Fragebögen Beck’sches Depressionsinventar und Deutscher Schmerzfragebogen handle es sich um subjektive Angaben der Betroffenen, die gutachterlich auf Plausibilität und Konsistenz zu prüfen seien. Insofern könnten die subjektiven Angaben nicht 1:1 für den Schweregrad der Gesundheitsstörung und die Leistungsbeurteilung übernommen werden. Bei der neurologischen Befunderhebung hätten sich keine so wesentlichen pathologischen Befunde gezeigt, die die beklagten Schmerzen hinreichend begründen könnten. Die Angaben der Klägerin zur Tagesstruktur sprächen gegen die von ihr beklagte wesentliche Antriebsstörung und dafür, dass leichte körperliche Arbeiten verrichtet werden könnten. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit lasse sich mit den gestellten Diagnosen nicht plausibel begründen.

Mit Urteil vom 15.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen, da das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden betrage. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide mangels Berufsschutzes aus.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.08.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, es sei bei ihr im Rahmen einer Operation im August 2013 zu einer Verletzung der Dura gekommen, die noch näher aufzuklären sei. Auch bestehe eine Harn- und Stuhlinkontinenz, die eine normale Erwerbstätigkeit nicht mehr ermögliche. Auch die Arthrose im rechten Kniegelenk sei bisher nicht berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich sei die Klägerin auch nicht mehr bei dem Orthopäden Dr. B. in Behandlung, sondern bei Dr. B. in B., der vom SG nicht befragt worden sei. Neben etlichen Berichten der behandelnden Ärzte hat die Klägerin u.a. auch eine sozialmedizinische Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit (Dr. M.) vom 03.11.2016 vorgelegt, wonach die Entscheidung des Gerichts zur Rentenablehnung abzuwarten bleibe. Bis dahin sei von Leistungsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2015 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil sowie auf beigefügte sozialmedizinische Stellungnahmen der Ärztin für Chirurgie/Sozialmedizin Dr. L. vom 16.12.2016, 06.02.2017 sowie 02.06.2017 verwiesen.

Der Senat hat den behandelnden Urologen Dr. F. als sachverständigen Zeugen befragt, der unter dem 26.04.2017 die Diagnose einer sensorischen Dranginkontinenz aufgrund einer neurogenen Harnblasenstörung gestellt hat. Es sei von einer ca. zweistündlichen Toilettenfrequenz auszugehen. Erhebliche Einschränkungen seien damit nicht verbunden, doch sei die Klägerin auf eine gut erreichbare Toilette angewiesen. Zur Stuhlinkontinenz könne er keine Angaben machen. Eine leichte Tätigkeit von sechs Stunden und mehr sei bezüglich der urologischen Beschwerden möglich. Mit Schreiben vom 03.05.2017 hat der behandelnde Orthopäde Dr. B. aufgrund der Rhizarthrose, der Lumboischialgie sowie der aktivierten Gonarthrose beidseits eine Berufsunfähigkeit als Reinigungskraft bejaht, im Übrigen aber leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr täglich aus orthopädischer Sicht für möglich gehalten.

Im Anschluss hieran hat der Senat den Facharzt für Neurologie und Direktor der Neurologischen Klinik Städtisches Klinikum K. Prof. Dr. G. auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens betraut. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.01.2018 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ein leichtes L5/S1-Syndrom rechts diagnostiziert hat. Hierbei handle es sich um eine alte, zurückliegende leichte Schädigung der Nervenwurzel ohne funktionelle Beeinträchtigung. Zusätzlich bestehe an der linken Hand ein sogenanntes Karpaltunnelsyndrom. Hierbei handle es sich um einen operationsbedürftigen und potentiell vollständig reversiblen Befund, der nicht zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Funktion der linken Hand führe. Die von der Klägerin gezeigten Abweichungen im Finger-Nase-Versuch seien nicht zu erklären. Eine objektivierbare Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer neurologischen Erkrankung oder einer neurologisch bedingten Schädigung liege nicht vor. Die Klägerin sei vollschichtig leistungsfähig. Eine Beeinträchtigung der Wegstrecke liege nicht vor.

Mit Schreiben vom 21.02.2018 bzw. 09.04.2018 haben die Beteiligten einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat über die Berufung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 15.07.2016 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und sonstigen medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet sowie im psychosomatischen/nervenärztlichen Bereich. Orthopädischerseits leidet die Klägerin vor allem an Wirbelsäulenbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, teilweise auch der Halswirbelsäule, weiterhin an Rhizarthrose sowie Gonarthrose beidseits. Eine quantitative Leistungsminderung folgt hieraus indes nicht. Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat zum einen auf den Rehaentlassungsbericht vom 26.03.2015 der Z.klinik St. B. und zum anderen auf die Berichte der behandelnden Orthopäden Dr. B. vom 03.05.2017 bzw. Dr. B. vom 01.09.2015. Wie sich dem Rehaentlassungsbericht vom 26.03.2015 nachvollziehbar entnehmen lässt, bedingen die orthopädischen Veränderungen in der Lendenwirbelsäule zwar insofern eine Leistungsminderung, als das Heben und Tragen von schweren Lasten unterbleiben und auch dauernde Zwangshaltungen, Torsionshaltungen und Überkopftätigkeiten vermieden werden müssen. Auch ergeben sich leistungsmindernde Funktionseinschränkungen durch die Beschwerden der Rhizarthrose. Quantitative Leistungsminderungen lassen sich mit diesen orthopädischen Beschwerden indes nicht begründen. Dies entspricht auch der Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. B., der im Schreiben vom 01.09.2015 in Bezug auf die Lendenwirbelsäule nur noch Restbeschwerden ohne Radiculopathie lokal nach Nucleotomie und Dekompression beschreibt und von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgeht. Diese Beurteilung teilt auch der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. S., der die Klägerin einmalig im März 2015 behandelt hat und in seinem Bericht vom 18.09.2015 eine fortgeschrittene Osteochondrose und Spondylarthrose L3/L4 und L4/L5 mit Sklerosierung und Einengung des Zwischenwirbelräume angegeben hat. Ein vollschichtiges Leistungsvermögen hat auch der die Klägerin seit Januar 2016 behandelnde Orthopäde Dr. B. im Bericht vom 03.05.2017 bestätigt, der zwar wegen der Rhizarthrose, Lumboischialgie sowie aktivierten Gonarthrose die Tätigkeit als Reinigungskraft ausgeschlossen, ausdrücklich aber leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr pro Tag für möglich gehalten hat. Angesichts dieser übereinstimmenden Einschätzungen sieht der Senat im Ergebnis keine Veranlassung, wegen orthopädischer Beschwerden eine quantitative Leistungsminderung anzunehmen. Eine quantitative Leistungsminderung folgt auch nicht aus der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die Dr. N. in seinem Gutachten vom 29.02.2016 diagnostiziert hat und die auch bereits im Rehaentlassungsbericht der Z.klinik erwähnt wird. Hierbei handelt es sich um anhaltende körperliche Schmerzen, die primär auf eine somatische Ursache zurückzuführen sind, bei denen aber im weiteren Verlauf psychischen Faktoren für Aufrechterhaltung, Exazerbation und Schweregrad eine maßgebliche Rolle zukommt. Nachvollziehbar verneinten indes sowohl die Ärzte der Z.klinik als auch Dr. N. aus dieser Schmerzstörung resultierende zeitliche Leistungsminderungen, zumal sich im Rahmen der Plausibilität und Konsistenzprüfung bei der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. N. teilweise Hinweise auf eine Beschwerdeverdeutlichung und Diskrepanzen zwischen den beklagten Schmerzen und der körperlichen Untersuchung ergaben. Insofern können – worauf Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.06.2016 richtigerweise hingewiesen hat - die im Rahmen der Begutachtung gemachten subjektiven Angaben nicht 1:1 für den Schweregrad der Gesundheitsstörung und die Leistungsbeurteilung übernommen werden. Gegen eine quantitative Leistungsminderung aufgrund der Schmerzstörung spricht auch der Tagesablauf der Klägerin, die ausweislich des Gutachtens des Dr. N. zwischen 6:00 und 7:00 Uhr aufstehe, sich im Bad fertigmache, anschließend die Katzen füttere und mit ihnen spiele, dann gegen 10:30 Uhr zusammen mit ihrem Mann frühstücke und anschließend mit diesem etwa 20 Minuten spazieren gehe. Danach versuche sie, einige Hausarbeiten zu machen, zu lesen oder zu schlafen. Am Abend koche man zusammen, um 18:00 Uhr gebe es Abendessen, anschließend räume die Klägerin die Küche auf, spiele danach mit ihren Katzen oder lese noch etwas. Dieser strukturierte Tagesablauf beweist zugleich, wie Dr. N. schlüssig darlegt, dass keine schwerwiegenden psychischen Einschränkungen vorliegen. Dementsprechend hat Dr. N. eine zum damaligen Zeitpunkt nur leichtgradige depressive Episode diagnostiziert. Hierzu passend beschreibt Dr. N. die Klägerin als wach bewusstseinsklar und allseitig orientiert und es fanden sich kognitiv keine Aufmerksamkeit-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen und auch keine Gedächtnisstörungen. Der formale Gedankengang war geordnet, inhaltliche Störungen traten nicht auf. Allerdings wirkte die Klägerin im Kontaktverhalten eingeengt, wenig zugewandt und es stand affektiv eine depressive Stimmungsauslenkung mit Freudlosigkeit, Interessenverlust, eingeschränkter emotionaler Mitschwingungsfähigkeit und einer resignativ verbitterten Grundstimmung im Vordergrund, weshalb der Gutachter auch eine Verschlechterung des psychischen Zustandes im Vergleich zum Bericht der Z.klinik aus März 2015 statuierte und wegen des schwankenden Verlaufs und im Hinblick auf den Bericht der S. Klinik aus Mai 2014, dem sich noch eine mittelgradige Episode der depressiven Störung entnehmen lässt, insgesamt von einer rezidivierenden depressiven Störung ausging. Auch dies ist für den Senat nachvollziehbar. Hinweise auf die von der Klägerin beklagte Angststörung in Bezug auf beengende Situationen konnte Dr. N. nicht finden und lassen sich auch im Übrigen den Akten nicht entnehmen.

Neurologische Beschwerden bedingen ebenfalls keine zeitliche Leistungsminderung. Diesbezügliche gravierende Einschränkungen konnte Dr. N. nicht feststellen und ergeben sich auch nicht aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Prof. Dr. G. vom 15.01.2018. Hiernach leidet die Klägerin sogar nur an einem leichten L5/S1-Syndrom rechts in Form einer alten, zurückliegenden leichten Schädigung der Nervenwurzel ohne funktionelle Beeinträchtigung. Dementsprechend hat Prof. Dr. G. Beeinträchtigungen neurologischer Art auf das berufliche Leistungsvermögen verneint. Soweit Dr. G. an der linken Hand ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert hat, lässt sich auch hieraus keine quantitative Leistungsminderung herleiten. Gleiches gilt für die bei der Klägerin diagnostizierte Hypertonie, die bereits während der Rehabilitationsmaßnahme in der Z.klinik bestand und als weiterhin überwachungs- und behandlungsbedürftig eingestuft wurde, ohne aber Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu zeitigen.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben kann.

Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit wegen des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bedarf es vorliegend nicht. Bei der Prüfung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung sowie einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und hierbei Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu würdigen. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist die Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu begründen (BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, Juris). Hierbei ist auf der vom BSG vorgeschlagenen ersten Prüfstufe festzustellen, ob das Restleistungsvermögen der Klägerin noch Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen (BSG, a.a.O.). In diesem Fall genügt die Benennung von Arbeitsfeldern bzw. von Tätigkeiten der Art, die der Versicherte ausfüllen könnte. Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann, und insofern ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Liegen diese vor, besteht die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit (BSG a.a.O.; BSGE 80, 24, 39). Vorliegend ist die Klägerin nach dem Gutachten des Dr. N. noch dazu in der Lage, leichte sechsstündige Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten mehr als 10 kg, ohne dauerndes Stehen und Gehen, gleichförmige Körperhaltungen mit Zwangshaltung im HWS-und LWS-Bereich, häufiges Bücken, Treppensteigen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Zeitdruck, Stressbelastung, Publikumsverkehr und unter nervlicher Belastung auszuüben. Damit reicht das Restleistungsvermögen der Klägerin noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen oder auch Bürohilfsarbeiten aus. Dr. N. hält ausdrücklich einfache Zureich-, Montier- oder Etikettierungsarbeiten sowie Tätigkeiten an einer Pforte oder leichte Büroarbeiten für möglich. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es daher vorliegend nicht. Der Ausübung solcher Tätigkeiten stehen auch die Rhizarthrose (Sattelgelenkarthrose), die arthrotischen Veränderungen in den Fingergrundgelenken bzw. PIP-Gelenken beidseits bzw. das Karpaltunnelsyndrom nicht entgegen. Eine Daumensattelgelenksarthrose rechts wird erstmals 2002 erwähnt (Bericht des Prof. S. vom 12.08.2002, Bl. 213 V-Akte, damals minimal) und erneut 2012 diagnostiziert (vgl. Bericht der Radiologie, Dr. K., vom 26.10.2012, Bl. 127 V-Akte). Eine operative Versorgung erfolgte im Dezember 2012 (Bericht der S. Kliniken Bad W. vom 06.12.2014, Bl. 237 V-Akte). 2015 fanden sich aktivierte Arthrosen beider Daumensattelgelenke, rechts mehr als links (Bericht der Radiologie, Dr. L., vom 29.06.2015, Bl. 14 SG-Akte). Das Karpaltunnelsyndrom besteht mindestens seit 2013 (vgl. Entlassbrief der R.klinik vom 05.06.2013, Bl. 103, 113 V-Akte), die arthrotischen Veränderungen in den Fingergrundgelenken bzw. PIP-Gelenken wurden ebenfalls bereits 2011 festgestellt (vgl. Bericht des S. Gelenk- und Rheumazentrums, Dr. S., vom 09.02.2011, Bl. 147 V-Akte; s. hierzu auch Bericht der Radiologie, Dr. K., a.a.O.). Im Rehaentlassungsbericht der Z.klinik vom 26.03.2015 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem soweit ersichtlich die Finger- und Handbeschwerden bereits bestanden, wird eine freie Beweglichkeit der Ellenbogen- und Handgelenke beschrieben bei seitengleicher Hohlhandbeschwielung. Der Finger-Faust-Schluss war komplett und kräftig, allerdings rechts deutlich weniger als links. Extension und Spreizen der Langfinger gegen Widerstand war ohne Beeinträchtigung möglich. Laut Entlassbericht bestand eine Beeinträchtigung durch die Affektion der rechten Hand, hierdurch ergaben sich leistungsmindernde Funktionseinschränkungen. Dass diese ein Ausmaß erreichen, das die oben geschilderten leichten Tätigkeiten unmöglich macht, ergibt sich aus dem Rehaentlassbericht nicht. Im Gegenteil wurde darin sogar noch eine Tätigkeit als Raumpflegerin für möglich erachtet. Nach dem Gutachten des Dr. N. vom 29.02.2016 war die Daumenopposition rechts vermindert, doch bestanden ansonsten keine Atrophien, keine Paresen bei unauffälligem Muskeltonus. Auch war die Klägerin ausweislich des Gutachtens des Dr. N. noch in der Lage, mit ihrem Ehemann zusammen zu kochen und anschließend die Küche aufzuräumen. Eine zwischenzeitlich diagnostizierte Tendovaginitis stenosans am rechten Daumen (schnellender Finger, vgl. Bericht der S. Kliniken Bad W. vom 24.03.2016 über eine Untersuchung am 23.02.2016, Bl. 72 LSG-Akte) wurde am 14.03.2016 operativ behandelt (Ringbandspaltung, vgl. Bericht des Dr. B. vom 21.06.2016, Bl. 172 SG-Akte). Mit dem Ergebnis war die Klägerin "hoch zufrieden", so dass diesbezüglich von einer Besserung auszugehen ist. Aktuell wurde am linken Daumensattelgelenk im März 2017 eine Röntgenentzündungsbestrahlung durchgeführt (Bericht der Dr. D. vom 16.03.2017, Bl. 74 LSG-Akte), ohne dass eine Beschwerdebesserung eintrat. Prof. Dr. G. beschreibt an der linken Hand ein operationsbedürftiges Karpaltunnelsyndrom, das aber – wie oben ausgeführt - auch 2013 schon bestand. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit diesen Beschwerden an beiden Händen leichte Verrichtungen der oben genannten Art nicht mehr ausführen kann, ergeben sich indes aus den Gutachten und sonstigen Berichten der behandelnden Ärzte nicht. Insbesondere ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen auch für die linke Hand keine wesentlichen Funktionseinbußen.

Die bei der Klägerin diagnostizierte Harninkontinenz steht einer Tätigkeit unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen nicht entgegen. Wie sich der Stellungnahme des behandelnden Urologen Dr. F. entnehmen lässt, wird die Harninkontinenz adäquat medikamentös beherrscht und ist nur von einer ca. zweistündlichen Toilettenfrequenz auszugehen, die der Senat nicht für ungewöhnlich hält. Gemäß § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) steht vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zu. Die Ruhepause kann nach Satz 2 dieser Bestimmung in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Diese Pausen kann die Klägerin somit für Toilettengänge nutzen. Über die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch sogenannte Verteilzeiten zugestanden (Zeiten z. B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten beziehungsweise Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw.; vgl. hierzu ausführlich Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.12.2017, L 5 R 20/16 mit zahlreichen weiteren NachweisenJuris; s. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2016, L 13 R 937/14, Juris). Die Klägerin kann damit diese Verteilzeiten ebenfalls für Toilettengänge nutzen, so dass ein unüblicher Pausenbedarf nicht vorliegt. Anhaltspunkte für eine eine höhere Toilettenfrequenz verursachende Stuhlinkontinenz ergeben sich aus den Akten nicht. Wie Dr. F. ausgeführt hat, wurde die Diagnose einer Stuhlinkontinenz nur aufgrund der Anamnese gestellt und findet eine gesonderte Behandlung derselben offensichtlich nicht statt.

Schließlich besteht auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (jeweils unter 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG, Urteile vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, und vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf Großer Senat in BSGE 80, 24, 35). Eine solche Beschränkung der Wegstrecke liegt nicht vor, wie Dr. N. nachvollziehbar ausgeführt hat. Auch der behandelnde Orthopäde Dr. B. hat eine Einschränkung der Wegefähigkeit im Schreiben vom 01.09.2015 verneint. Dies entspricht auch der Einschätzung des Prof. Dr. G. im Gutachten vom 15.01.2018, demzufolge Kniestreckung und Kniebeugung normal und Atrophien nicht feststellbar waren. Im Übrigen scheiterte die Erwerbsfähigkeit ohnehin nicht an der eingeschränkten Wegefähigkeit, da die Klägerin über einen Führerschein sowie einen PKW verfügt (s. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2001, B 13 R 21/10 R, Juris, m.w.N.). Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Gutachten des Dr. N., demgegenüber die Klägerin angegeben hat, "nur noch selten Auto zu fahren". Mit schlüssigen Argumenten hat Dr. N. ergänzt, dass die von der Klägerin angegebenen Ängste im Zusammenhang mit der Führung eines PKW überwindbar seien.

Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich erhalten konnte bzw. kann, kommt es nicht an. Vielmehr ist die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, für die Feststellung von voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung unerheblich, wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI).

Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf eine solche Rente haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bei der Frage, ob Versicherte berufsunfähig sind, ist von ihrem bisherigen Beruf, das ist in der Regel die zuletzt und nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit, auszugehen (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 107, 130, 164, 169). Dabei liegt Berufsunfähigkeit nicht schon dann vor, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr sind anhand des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes zumutbare Tätigkeiten zu ermitteln, auf die die Versicherten verwiesen werden können. Das BSG hat in dem Zusammenhang das so genannte Mehrstufenschema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikation oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6). Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (siehe hierzu insgesamt Urteil des BSG vom 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R). Nach diesen Grundsätzen war vorliegend keine Verweisungstätigkeit zu benennen, da die Klägerin zuletzt als Stationshilfe in einer Klinik beschäftigt und damit als Ungelernte bzw. allenfalls Angelernte der ersten Stufe des Mehrstufenschemas angehört. Die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet damit ebenfalls aus.

Da das SG somit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus zutreffenden Gründen abgelehnt hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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