Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2029/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4353/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.09.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger höhere Altersrente zusteht.
Der am 1951 geborene Kläger legte von September 1968 bis September 1988 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Pflichtbeitragszeiten, überwiegend wegen Beschäftigung, zurück. Ende September 1988 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Am 21.11.1988 nahm der Kläger im Bundesgebiet eine Beschäftigung auf und er war nahezu lückenlos bis zum Rentenbeginn beschäftigt. Hinsichtlich der rentenrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den Versicherungsverlauf im Bescheid vom 05.01.2017 Bezug genommen.
Auf seinen Rentenantrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21.10.2016 Regelaltersrente ab 01.12.2016 in Höhe von monatlich 2.087,09 EUR, wobei Beitragszeiten nur bis zum 31.12.2015 berücksichtigt wurden. Während des Widerspruchsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2017 diese Rente unter Berücksichtigung der im Jahr 2016 zurückgelegten Beitragszeiten mit einer monatlichen Höhe von 2.145,42 EUR von Anfang an neu fest; Beiträge wurden nicht abgeführt. Zugleich nahm sie den Bescheid vom 21.10.2016 von Beginn an zurück. Für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.09.1968 bis 14.09.1988 ermittelte die Beklagte - wie schon im Bescheid vom 21.10.2016 - die für die Rentenberechnung maßgeblichen Entgeltpunkte (EP) nach den Regelungen der §§ 256a ff. des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), also auf der Grundlage der im Beitrittsgebiet erzielten Einkünfte, für die Beiträge entrichtet wurden. Die Zeit vom 15.09.1988 bis 30.09.1988 wurde wiederum als Arbeitsausfalltage ausgewiesen (i.S. einer Anrechnungszeit, vgl. Seite 4 des Bescheides vom 05.01.2017) und die Zeit vom 30.09.1988 bis 20.11.1988 - wie zuvor - als Zeit der Vertreibung/Flucht (i.S. einer Ersatzzeit, vgl. Seite 4 und 6 des Bescheides vom 05.01.2017). Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung und der zu Grunde liegenden Zeiten wird auf den Bescheid vom 05.01.2017 und dessen Anlagen verwiesen. Der Widerspruch, mit dem der Kläger seine in der DDR zurückgelegten Zeiten als Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet haben wollte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2017 zurückgewiesen.
Die am 31.05.2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht Freiburg mit Urteil vom 27.09.2017 abgewiesen. Es hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R in SozR 4-2600 § 248 Nr. 1) angeschlossen, wonach die Bewertung von in der DDR zurückgelegten Zeiten nach dem SGB VI anstelle - wie früher - nach dem FRG nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2017 Berufung eingelegt. Er trägt vor, damals sei ihm die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt worden und er sei Bundesbürger geworden, wobei ihm damals die Anwendung des FRG für die DDR-Zeiten bestätigt worden sei. Er sieht sich durch die Ausführungen des Sozialgerichts verhöhnt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.09.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 zu verurteilen, höhere Regelaltersrente unter Bewertung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höhere Rente unter Bewertung der in der DDR zurückgelegten Zeiten nach dem FRG zu. Die Beklagte bewertete die in Rede stehenden Zeiten vielmehr zutreffend unter Anwendung der Regelungen der §§ 256a ff. SGB VI und legte der Rentenberechnung dementsprechend EP auf der Grundlage der im Beitrittsgebiet entrichteten Beiträge zu Grunde. Eine rechtliche Grundlage für die vom Kläger begehrte Anwendung des früher geltenden Rechts existiert nicht.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 05.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017. Soweit die Beklagte ursprünglich die Regelaltersrente mit dem Bescheid vom 21.10.2016 in Höhe von monatlich 2.087,09 EUR feststellte, wurde diese Regelung durch den während des Widerspruchsverfahrens ergangenen und damit gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Bescheid vom 05.01.2017 ersetzt. Mit diesem Bescheid ermittelte die Beklagte unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten im Jahr 2016 und bei im Übrigen unveränderter Bewertung der streitigen Versicherungszeiten in der DDR einen höheren monatlichen Rentenanspruch. Zugleich nahm sie den Bescheid vom 21.10.2016 "von Beginn an nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)" zurück. In Bezug auf die festgestellte monatliche Rente entfaltet somit der Bescheid vom 21.10.2016 keine Wirkung mehr (§ 39 Abs. 2 SGB X). Der Senat hat den Antrag des Klägers entsprechend sachdienlich gefasst.
Zur Überprüfung steht der Bescheid vom 05.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 nur in Bezug auf die rentenrechtliche Bewertung der vom Kläger in der DDR zurückgelegten und im Bescheid ausgewiesenen Zeiten, wobei der Kläger anstelle der Bewertung der Beitragszeiten nach SGB VI eine solche nach dem FRG begehrt. Hierauf - und damit auf die Zeiträume der im Bescheid ausgewiesenen, in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten (s. den Versicherungsverlauf: von September 1968 bis September 1988) - hat der Kläger sein prozessuales Begehren von vornherein und zulässigerweise beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume). Dem entsprechend erstreckt sich die gerichtliche Prüfung auch nur hierauf (BSG, a.a.O.). Auch insoweit hat der Senat den Antrag sachdienlich gefasst.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI) sowie daraus abgeleiteter EP für beitragsfreie Zeiten (§ 63 Abs. 3 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Die Beklagte berücksichtigte die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI und ermittelte für diese EP nach den §§ 256a, 256b SGB VI. Die auf dieser Grundlage für die Berechnung der Rente erfolgte Ermittlung von EP begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Ebenso wie das Sozialgericht teilt auch der Senat die Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 14.12.2011 (a.a.O.), dem ein mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag (der 1947 geborene Kläger, der im Beitrittsgebiet Beitragszeiten zurücklegte, siedelte im Mai 1989 in die Bundesrepublik über), wonach der Kläger mit der Ermittlung von EP nach § 256a SGB VI - wie grundsätzlich alle anderen, die vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht Beitragszeiten im Beitrittsgebiet zurücklegten - dem Überleitungsprogramm des Einigungsvertrages und der nachfolgenden rentenrechtlichen Bestimmungen unterworfen wird. Für die Wertbestimmung ihres Rentenrechts ist - so das BSG - auf Grund gesetzlich angeordneter Gleichstellung und entsprechend den allgemeinen Grundlagen des bundesdeutschen Rentenrechts das im Beitrittsgebiet individuell beitragsversicherte Erwerbseinkommen maßgeblich. Demgegenüber gehört der Kläger nicht zum Kreis der Personen, deren EP für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19.05.1990 ausnahmsweise weiterhin auf Grund der Anlage 1 bis 16 zum FRG ermittelt werden. Nach der insoweit maßgeblichen Regelung des § 259a SGB VI gilt dies nur für jene Versicherte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18.05.1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten und vor dem 01.01.1937 geboren wurden. Zwar hatte der Kläger am 18.05.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet, jedoch ist der Kläger erst im Jahr 1951 geboren und damit nach dem maßgeblichen Stichtag, so dass eine Anwendung des FRG nicht in Betracht kommt (so auch das BSG, a.a.O. im dortigen Fall).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger - ebenso wie der Kläger in dem vom BSG (a.a.O.) entschiedenen Verfahren - als vor dem 18.05.1990 Zugezogener zum Zeitpunkt seines Zuzugs in das Bundesgebiet eine Anwartschaft auf Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG in der seinerzeitigen Fassung hatte. Denn zum Zeitpunkt seines Rentenbeginns - und dies ist der maßgebende Zeitpunkt - war er vom Anwendungsbereich des FRG ausgeschlossen.
Nach dem seinerzeit vom Gedanken der Eingliederung geprägten FRG sollten die Berechtigten nach Möglichkeit so gestellt werden, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbracht (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Demnach wurde bei Anrechnung in der DDR zurückgelegter Beitragszeiten die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage nach Maßgabe der Anlage 1 zum FRG auf der Grundlage von Tabellenwerten ermittelt (§ 22 Abs. 1 FRG in der vom 01.01.1984 bis 30.06.1990 geltenden a.F.). Im Zuge der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wurde das FRG jedoch geändert und die rentenrechtliche Stellung der Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR wesentlich neu gestaltet. So schließt der durch Art. 14 Nr. 14a des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.07.1991 (BGBl. I, S. 1606 - RÜG -) zum 01.01.1992 neu gefasste § 15 Abs. 1 FRG die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten aus. Ebenso wurde mit Art. 14 Nr. 16b RÜG zum 01.01.1992 § 17 Abs. 1 FRG a.F. gestrichen. Gleichzeitig fügte der Gesetzgeber neue Vorschriften in das SGB VI ein. Bereits die hier zum 01.01.1992 in Kraft getretenen Neuregelungen sahen eine Anwendung des FRG in Abhängigkeit von einem Rentenbeginn vor dem 01.01.1996 nur noch übergangsweise vor (§ 259a SGB VI i.d.F. des Art. 1 Nr. 75 RÜG). Schon hiervon war der Kläger - ebenso wie der Kläger in dem vom BSG entschiedenen Verfahren - nicht mehr erfasst. Im Jahre 1993 erfolgte dann rückwirkend zum 01.01.1992 die Begrenzung auf den nunmehr noch erfassten Personenkreis (§ 259a SGB VI i.d.F. des Art. 1 Nr. 16 Buchst. b des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes [RÜ-ErgG] vom 24.06.1993, BGBl. I S. 1038). Auch vor dem 19.05.1990 Zugezogene wurden damit nunmehr vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen, wenn sie nach dem 01.01.1937 geboren waren (vgl. BSG a.a.O.).
Damit richtet sich die Berechnung der Rente des Klägers nicht nach dem bis zum 30.06.1990 geltenden bundesdeutschen Recht. An diese gesetzgeberische Entscheidung ist der Senat gebunden. Hieran vermögen die Erlebnisse des Klägers im Zusammenhang mit seiner Ausreise aus der DDR nichts zu ändern.
Zutreffend ist zwar, dass der Kläger vor dem Hintergrund der in der ehemaligen DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten seinerzeit Rentenanwartschaften erworben hatte, allerdings waren diese nicht mit dem Recht auf Anwendung eines bestimmten Rechts bei Eintritt des Versicherungsfalls 28 Jahre später verknüpft. Zutreffend hat das Sozialgericht unter Wiedergabe der Ausführungen des BSG deshalb darauf hingewiesen, dass ein Vertrauen auf den Fortbestand aktuellen Rechts verfassungsrechtlich nicht geschützt ist, weil auch das Recht Veränderungen der äußeren Bedingungen Rechnung tragen muss. Soweit sich der Kläger insoweit verhöhnt sieht, verkennt er den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, wonach sich die Prüfung nicht an Befindlichkeiten der Betroffenen, sondern an den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -), namentlich den Grundsätzen der sog. echten und unechten Rückwirkung orientiert. In diesem Rahmen spielt auch der Aspekt eine Rolle, ob sich - so das Sozialgericht unter Wiedergabe des BSG -Betroffene auf die Änderungen einstellen konnten, was im Falle des Klägers durch 27 Jahre Beitragsentrichtung nach der Ausreise aus der DDR zu bejahen ist. Dabei ist - anders als der Kläger anscheinend meint - nicht darauf abzustellen, inwieweit ein Ausgleich jeglicher Vermögensnachteile erreicht werden konnte. Denn Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht der Ausgleich wirtschaftlicher oder persönlicher Nachteile, die im Laufe des Lebens eintraten. Das Sozialgericht hat die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BSG in seinem Urteil wörtlich wiedergegeben und auch darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die damals erhobene Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 13.12.2016, 1 BvR 713/13, u.a. in juris). Der Senat weist daher insoweit die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger höhere Altersrente zusteht.
Der am 1951 geborene Kläger legte von September 1968 bis September 1988 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Pflichtbeitragszeiten, überwiegend wegen Beschäftigung, zurück. Ende September 1988 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Am 21.11.1988 nahm der Kläger im Bundesgebiet eine Beschäftigung auf und er war nahezu lückenlos bis zum Rentenbeginn beschäftigt. Hinsichtlich der rentenrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den Versicherungsverlauf im Bescheid vom 05.01.2017 Bezug genommen.
Auf seinen Rentenantrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21.10.2016 Regelaltersrente ab 01.12.2016 in Höhe von monatlich 2.087,09 EUR, wobei Beitragszeiten nur bis zum 31.12.2015 berücksichtigt wurden. Während des Widerspruchsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2017 diese Rente unter Berücksichtigung der im Jahr 2016 zurückgelegten Beitragszeiten mit einer monatlichen Höhe von 2.145,42 EUR von Anfang an neu fest; Beiträge wurden nicht abgeführt. Zugleich nahm sie den Bescheid vom 21.10.2016 von Beginn an zurück. Für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.09.1968 bis 14.09.1988 ermittelte die Beklagte - wie schon im Bescheid vom 21.10.2016 - die für die Rentenberechnung maßgeblichen Entgeltpunkte (EP) nach den Regelungen der §§ 256a ff. des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), also auf der Grundlage der im Beitrittsgebiet erzielten Einkünfte, für die Beiträge entrichtet wurden. Die Zeit vom 15.09.1988 bis 30.09.1988 wurde wiederum als Arbeitsausfalltage ausgewiesen (i.S. einer Anrechnungszeit, vgl. Seite 4 des Bescheides vom 05.01.2017) und die Zeit vom 30.09.1988 bis 20.11.1988 - wie zuvor - als Zeit der Vertreibung/Flucht (i.S. einer Ersatzzeit, vgl. Seite 4 und 6 des Bescheides vom 05.01.2017). Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung und der zu Grunde liegenden Zeiten wird auf den Bescheid vom 05.01.2017 und dessen Anlagen verwiesen. Der Widerspruch, mit dem der Kläger seine in der DDR zurückgelegten Zeiten als Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet haben wollte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2017 zurückgewiesen.
Die am 31.05.2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht Freiburg mit Urteil vom 27.09.2017 abgewiesen. Es hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R in SozR 4-2600 § 248 Nr. 1) angeschlossen, wonach die Bewertung von in der DDR zurückgelegten Zeiten nach dem SGB VI anstelle - wie früher - nach dem FRG nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2017 Berufung eingelegt. Er trägt vor, damals sei ihm die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt worden und er sei Bundesbürger geworden, wobei ihm damals die Anwendung des FRG für die DDR-Zeiten bestätigt worden sei. Er sieht sich durch die Ausführungen des Sozialgerichts verhöhnt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.09.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 zu verurteilen, höhere Regelaltersrente unter Bewertung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höhere Rente unter Bewertung der in der DDR zurückgelegten Zeiten nach dem FRG zu. Die Beklagte bewertete die in Rede stehenden Zeiten vielmehr zutreffend unter Anwendung der Regelungen der §§ 256a ff. SGB VI und legte der Rentenberechnung dementsprechend EP auf der Grundlage der im Beitrittsgebiet entrichteten Beiträge zu Grunde. Eine rechtliche Grundlage für die vom Kläger begehrte Anwendung des früher geltenden Rechts existiert nicht.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 05.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017. Soweit die Beklagte ursprünglich die Regelaltersrente mit dem Bescheid vom 21.10.2016 in Höhe von monatlich 2.087,09 EUR feststellte, wurde diese Regelung durch den während des Widerspruchsverfahrens ergangenen und damit gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Bescheid vom 05.01.2017 ersetzt. Mit diesem Bescheid ermittelte die Beklagte unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten im Jahr 2016 und bei im Übrigen unveränderter Bewertung der streitigen Versicherungszeiten in der DDR einen höheren monatlichen Rentenanspruch. Zugleich nahm sie den Bescheid vom 21.10.2016 "von Beginn an nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)" zurück. In Bezug auf die festgestellte monatliche Rente entfaltet somit der Bescheid vom 21.10.2016 keine Wirkung mehr (§ 39 Abs. 2 SGB X). Der Senat hat den Antrag des Klägers entsprechend sachdienlich gefasst.
Zur Überprüfung steht der Bescheid vom 05.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 nur in Bezug auf die rentenrechtliche Bewertung der vom Kläger in der DDR zurückgelegten und im Bescheid ausgewiesenen Zeiten, wobei der Kläger anstelle der Bewertung der Beitragszeiten nach SGB VI eine solche nach dem FRG begehrt. Hierauf - und damit auf die Zeiträume der im Bescheid ausgewiesenen, in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten (s. den Versicherungsverlauf: von September 1968 bis September 1988) - hat der Kläger sein prozessuales Begehren von vornherein und zulässigerweise beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume). Dem entsprechend erstreckt sich die gerichtliche Prüfung auch nur hierauf (BSG, a.a.O.). Auch insoweit hat der Senat den Antrag sachdienlich gefasst.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI) sowie daraus abgeleiteter EP für beitragsfreie Zeiten (§ 63 Abs. 3 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Die Beklagte berücksichtigte die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI und ermittelte für diese EP nach den §§ 256a, 256b SGB VI. Die auf dieser Grundlage für die Berechnung der Rente erfolgte Ermittlung von EP begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Ebenso wie das Sozialgericht teilt auch der Senat die Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 14.12.2011 (a.a.O.), dem ein mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag (der 1947 geborene Kläger, der im Beitrittsgebiet Beitragszeiten zurücklegte, siedelte im Mai 1989 in die Bundesrepublik über), wonach der Kläger mit der Ermittlung von EP nach § 256a SGB VI - wie grundsätzlich alle anderen, die vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht Beitragszeiten im Beitrittsgebiet zurücklegten - dem Überleitungsprogramm des Einigungsvertrages und der nachfolgenden rentenrechtlichen Bestimmungen unterworfen wird. Für die Wertbestimmung ihres Rentenrechts ist - so das BSG - auf Grund gesetzlich angeordneter Gleichstellung und entsprechend den allgemeinen Grundlagen des bundesdeutschen Rentenrechts das im Beitrittsgebiet individuell beitragsversicherte Erwerbseinkommen maßgeblich. Demgegenüber gehört der Kläger nicht zum Kreis der Personen, deren EP für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19.05.1990 ausnahmsweise weiterhin auf Grund der Anlage 1 bis 16 zum FRG ermittelt werden. Nach der insoweit maßgeblichen Regelung des § 259a SGB VI gilt dies nur für jene Versicherte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18.05.1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten und vor dem 01.01.1937 geboren wurden. Zwar hatte der Kläger am 18.05.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet, jedoch ist der Kläger erst im Jahr 1951 geboren und damit nach dem maßgeblichen Stichtag, so dass eine Anwendung des FRG nicht in Betracht kommt (so auch das BSG, a.a.O. im dortigen Fall).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger - ebenso wie der Kläger in dem vom BSG (a.a.O.) entschiedenen Verfahren - als vor dem 18.05.1990 Zugezogener zum Zeitpunkt seines Zuzugs in das Bundesgebiet eine Anwartschaft auf Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG in der seinerzeitigen Fassung hatte. Denn zum Zeitpunkt seines Rentenbeginns - und dies ist der maßgebende Zeitpunkt - war er vom Anwendungsbereich des FRG ausgeschlossen.
Nach dem seinerzeit vom Gedanken der Eingliederung geprägten FRG sollten die Berechtigten nach Möglichkeit so gestellt werden, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbracht (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Demnach wurde bei Anrechnung in der DDR zurückgelegter Beitragszeiten die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage nach Maßgabe der Anlage 1 zum FRG auf der Grundlage von Tabellenwerten ermittelt (§ 22 Abs. 1 FRG in der vom 01.01.1984 bis 30.06.1990 geltenden a.F.). Im Zuge der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wurde das FRG jedoch geändert und die rentenrechtliche Stellung der Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR wesentlich neu gestaltet. So schließt der durch Art. 14 Nr. 14a des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.07.1991 (BGBl. I, S. 1606 - RÜG -) zum 01.01.1992 neu gefasste § 15 Abs. 1 FRG die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten aus. Ebenso wurde mit Art. 14 Nr. 16b RÜG zum 01.01.1992 § 17 Abs. 1 FRG a.F. gestrichen. Gleichzeitig fügte der Gesetzgeber neue Vorschriften in das SGB VI ein. Bereits die hier zum 01.01.1992 in Kraft getretenen Neuregelungen sahen eine Anwendung des FRG in Abhängigkeit von einem Rentenbeginn vor dem 01.01.1996 nur noch übergangsweise vor (§ 259a SGB VI i.d.F. des Art. 1 Nr. 75 RÜG). Schon hiervon war der Kläger - ebenso wie der Kläger in dem vom BSG entschiedenen Verfahren - nicht mehr erfasst. Im Jahre 1993 erfolgte dann rückwirkend zum 01.01.1992 die Begrenzung auf den nunmehr noch erfassten Personenkreis (§ 259a SGB VI i.d.F. des Art. 1 Nr. 16 Buchst. b des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes [RÜ-ErgG] vom 24.06.1993, BGBl. I S. 1038). Auch vor dem 19.05.1990 Zugezogene wurden damit nunmehr vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen, wenn sie nach dem 01.01.1937 geboren waren (vgl. BSG a.a.O.).
Damit richtet sich die Berechnung der Rente des Klägers nicht nach dem bis zum 30.06.1990 geltenden bundesdeutschen Recht. An diese gesetzgeberische Entscheidung ist der Senat gebunden. Hieran vermögen die Erlebnisse des Klägers im Zusammenhang mit seiner Ausreise aus der DDR nichts zu ändern.
Zutreffend ist zwar, dass der Kläger vor dem Hintergrund der in der ehemaligen DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten seinerzeit Rentenanwartschaften erworben hatte, allerdings waren diese nicht mit dem Recht auf Anwendung eines bestimmten Rechts bei Eintritt des Versicherungsfalls 28 Jahre später verknüpft. Zutreffend hat das Sozialgericht unter Wiedergabe der Ausführungen des BSG deshalb darauf hingewiesen, dass ein Vertrauen auf den Fortbestand aktuellen Rechts verfassungsrechtlich nicht geschützt ist, weil auch das Recht Veränderungen der äußeren Bedingungen Rechnung tragen muss. Soweit sich der Kläger insoweit verhöhnt sieht, verkennt er den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, wonach sich die Prüfung nicht an Befindlichkeiten der Betroffenen, sondern an den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -), namentlich den Grundsätzen der sog. echten und unechten Rückwirkung orientiert. In diesem Rahmen spielt auch der Aspekt eine Rolle, ob sich - so das Sozialgericht unter Wiedergabe des BSG -Betroffene auf die Änderungen einstellen konnten, was im Falle des Klägers durch 27 Jahre Beitragsentrichtung nach der Ausreise aus der DDR zu bejahen ist. Dabei ist - anders als der Kläger anscheinend meint - nicht darauf abzustellen, inwieweit ein Ausgleich jeglicher Vermögensnachteile erreicht werden konnte. Denn Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht der Ausgleich wirtschaftlicher oder persönlicher Nachteile, die im Laufe des Lebens eintraten. Das Sozialgericht hat die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BSG in seinem Urteil wörtlich wiedergegeben und auch darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die damals erhobene Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 13.12.2016, 1 BvR 713/13, u.a. in juris). Der Senat weist daher insoweit die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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