Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2811/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 32/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der OCT handelt es sich um eine neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode, die - abgesehen von der Erbringung im Rahmen von Selektivverträgen nach § 73c Abs. 4 S. 2 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung – wegen fehlender positiver Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) noch nicht zum Leistungsspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehört.
Dass der GKV-Spitzenverband erst im März 2015 einen Antrag auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens beim GBA gestellt hat, begründet kein sog. Systemversagen, aufgrund dessen trotz fehlenden positiven Votums des GBA ein Leistungsanspruch bestehen könnte.
Eine Verpflichtung einen Antrag auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens für eine neue Behandlungs- und Behandlungsmethode zu stellen, besteht für antragsberechtigte Stellen erst dann, wenn sich die Antragsbefugnis zu einer Antragspflicht verdichtet hat, weil nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den GBA wahrscheinlich ist und im Übrigen eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen - etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit - ausgeschlossen erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 10/07 R, Rn. 26 m.w.N.). Dies war bei der OCT jedenfalls vor März 2015 nicht der Fall.
Dass der GKV-Spitzenverband erst im März 2015 einen Antrag auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens beim GBA gestellt hat, begründet kein sog. Systemversagen, aufgrund dessen trotz fehlenden positiven Votums des GBA ein Leistungsanspruch bestehen könnte.
Eine Verpflichtung einen Antrag auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens für eine neue Behandlungs- und Behandlungsmethode zu stellen, besteht für antragsberechtigte Stellen erst dann, wenn sich die Antragsbefugnis zu einer Antragspflicht verdichtet hat, weil nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den GBA wahrscheinlich ist und im Übrigen eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen - etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit - ausgeschlossen erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 10/07 R, Rn. 26 m.w.N.). Dies war bei der OCT jedenfalls vor März 2015 nicht der Fall.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für durchgeführte optische Kohärenztomografien (OCT).
Die Klägerin leidet unter einem Makulaödem, das durch intravitreale Injektionen mit VEGF-Inhibitoren behandelt wird. Zur Befunderhebung und Entscheidung über die weitere Therapie werden bei ihr regelmäßig OCT-Untersuchungen durchgeführt. Am 5. Mai 2015 teilte sie der Beklagten mit, dass demnächst erneut eine OCT vorgesehen sei. Da diese ärztliche Leistung aufgrund eines Systemversagens nicht über die elektronische Gesundheitskarte abrechenbar sei, beantrage sie die Freistellung von den Kosten nach § 13 Abs. 3 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V).
Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 8. Mai 2015 ab, da die OCT eine Privatbehandlung, eine sog. individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) sei. Die OCT sei nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit dem erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass es hier um ein Systemversagen bei der Anerkennung der Behandlungsmethode gehe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch am 30. Juli 2015 als unbegründet zurück. Eine nicht allgemein anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei grundsätzlich ausgeschlossen, solange der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sich nicht zur Notwendigkeit und zum therapeutischen Nutzen geäußert habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Fehlen einer Aussage des GBA auf einem Systemmangel beruhen könnte, seien nicht ersichtlich. Zwischenzeitlich habe der GBA mit Beschluss vom 15. April 2015 das Thema zur Beratung angenommen.
Mit der am 20. August 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Erstattung von 114,24 EUR für am 11. Juni und 30. Juli 2015 erfolgte OTC-Untersuchungen, weiter.
Sie macht geltend, es läge hinsichtlich der Anerkennung der Behandlungsmethode ein Systemversagen vor, aufgrund dessen die Beklagte die Kosten zu erstatten habe, obwohl die OCT noch keine vertragsärztliche Leistung und deshalb eine neue Behandlungsmethode sei. Der GKV-Spitzenverband habe erst am 3. März 2015 einen Antrag auf Bewertung der OCT gestellt, obwohl die dem zugrunde liegende Übersichtsarbeit des Deutschen Cochrane Zentrums des Universitätsklinikums Freiburg bereits am 1. Juli 2013 begonnen und spätestens Anfang Januar 2013 in Auftrag gegeben worden sei. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass mit der OCT sowohl bei der Makuladegeneration als auch der Diabetischen Retinopathie retinale Veränderungen erfasst werden können, die mit den bisherigen Referenzstandards nicht darstellbar seien. Die OCT ermögliche eine Darstellung der Netzhautmorphologie mit zusätzlicher, hochauflösender Tiefeninformation und somit eine zusätzliche Informationsebene gegenüber den herkömmlichen Verfahren. Diese Übersichtsarbeit habe 18 Studien ausgewertet, die alle spätestens im Jahr 2013 abgeschlossen gewesen seien, einige sogar schon länger davor (MARINA 2006; ANCHOR und SAILOR 2009). Mit einigen Krankenkassen bestünden bereits seit langem Einzelverträge zur Erbringung der OCT. Bei Augenärzten sei diese als Standard anerkannt und es bestehe in der augenärztlichen Fachwelt keinerlei Dissens darüber, dass es sich bei der OCT um eine nützliche und etablierte Untersuchungsmethode handele, die seit 1991 in Deutschland angewendet werde.
Nach einer Auskunft der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sei ein Antrag auf Bewertung vorrangig deshalb nicht gestellt worden, weil die Patientenvertreter befürchtet hätten, dass die Ärzte bei einer Zulassung zu gering vergütet werden könnten und deshalb die OCT nicht mehr anböten. Der Antrag sei deshalb aus sachfremden oder willkürlichen Gründen verzögert worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die am 11. Juni 2015 und 30. Juli 2015 durchgeführten OCT-Untersuchungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 114,24 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Antragspflicht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erst dann vorliege, wenn nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Methode durch den GBA wahrscheinlich sei und im Übrigen eine positive Bewertung nicht aus anderen Gründen – etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit – ausgeschlossen erscheint. Auch stünden hier andere Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Das Gericht hat eine Auskunft des Augenarztes Dr. H. vom 3. Mai 2016 sowie der Augentagesklinik W. vom 13. Juni 2016 eingeholt. Es hat darüber hinaus Auskünfte des GBA vom 27. Januar 2017, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 9. Januar 2017 sowie des GKV-Spitzenverbandes vom 14. Juli 2017 zur Frage des Verfahrens bei der Methodenbewertung der optischen Kohärenztomographie beigezogen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 u. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine OCT-Untersuchung nach den §§ 13 Abs. 3, 27 Abs. 1 und 28 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB V), da diese Untersuchung eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist, die noch nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassen ist, und ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung, in dem dennoch ein Anspruch auf Erbringung der Methode zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht, nicht vorliegt.
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 S. 1 SGB V). Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, B 1 KR 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 11 m.w.N.). Hier fehlt es aber an einem Sachleistungsanspruch, der zu Unrecht abgelehnt wurde.
Gemäß den §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, 28 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte. Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der ärztlichen Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch des Versicherten unterliegt dabei allerdings den sich aus den §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Danach umfasst er nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn eine begehrte Therapie nach eigener Einschätzung der Klägerin oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V grundsätzlich nur dann der Fall, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) gemacht hat; die Richtlinien bestimmten insoweit auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O., Rn. 13).
Die OCT ist ein nicht invasives bildgebendes Verfahren, mit dem Netzhautstrukturen, ähnlich wie in einem histologischen Schnitt, hochauflösend abgebildet werden können. Dabei wird ein Lichtstrahl auf die Netzhaut projiziert. Durch die Messung des reflektierten und gestreuten Lichts der verschiedenen Netzhautschichten erzeugt die OCT zwei- und dreidimensionale Aufnahmen, die eine objektive und quantitative Beurteilung der Netzhaut zulassen. Mittels OCT können intra- und subretinale Strukturen wie zum Beispiel Flüssigkeitsansammlungen, Narbenprozesse und Veränderungen der Netzhautdicke beurteilt werden (vgl. Abschlussbericht D 15-01 des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen - Optische Kohärenztomografie bei Makulo- und Retinopathie, S. 2 oben). Die damit erhobenen Befunde dienen der Therapiesteuerung. Hierbei handelt es sich um eine ärztliche "Untersuchungsmethode" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, da dem Verfahren ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das es von anderen Untersuchungsverfahren unterschiedet und das seine systematische Anwendung in der Erkennung von Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. zum Begriff der Behandlungsmethode: BSG, a.a.O., Rn. 14 m.w.N. BSG, SozR 3-2500 § 31 Nr. 5). Die Methode ist auch neu, da sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztliche Versorgung (EBM) enthalten ist (vgl. zum Merkmal "neu": BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 18, Rn. 21 m.w.N.). Eine Empfehlung des GBA nach § 135 Abs. 1 SGB V liegt nicht vor, da der GBA derzeit noch das Beratungsverfahren durchführt.
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, aufgrund dessen hier trotz fehlender Empfehlung ein Sachleistungsanspruch bestehen könnte. Da eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig gleichstehende Erkrankung nicht vorliegt, kommt ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht in Betracht. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 des § 2 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Im Übrigen stehen nach der Stellungnahme des MDK auch diverse Untersuchungsmethoden zur Verfügung, wie z.B. der Amsler-Test, die biometrische Untersuchung des Auge mittels Spaltlampe zur Beurteilung des hinteren Augenabschnitts, die binokulare Funduskopie die eine Beurteilung des Makulaödems im Verlauf mit fotografischer Dokumentation ermöglich die Gesichtsfelduntersuchung und die Fluoreszenzangiografie.
Eine Erkrankung, die so selten auftritt, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet (sog. Seltenheitsfall, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, zitiert nach juris), liegt bei der Klägerin ebenfalls nicht vor, so dass auch unter diesem Aspekt kein ausnahmsweiser Anspruch auf eine nichtvertragliche Leistung gegeben ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt aber auch kein sog. Systemversagen vor. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse wegen Systemversagens kann ausnahmsweise ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). Jedoch setzt dies auch voraus, dass dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 12 RK 28/95, zitiert nach juris, Rn. 35 ff); Dabei ist die Anknüpfung an ein willkürliches Verhalten des GBA oder der antragsgsberechtigten Stellen von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 23. März 2017, 1 BvR 2861/16, zitiert nach juris). Ein solcher Fall ist bisher angenommen worden, wenn der GBA aufgrund eines Bewertungsverfahrens für den stationären Behandlungsbereich nach § 137c SGB V Erkenntnisse hat, die er im Rahmen des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V nicht nutzt und deshalb keine Empfehlung für den ambulanten Versorgungsbereich abgibt (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O.),
Ein hier geltend gemachtes willkürliches Unterlassen einer Antragstellung liegt jedoch nur dann vor, wenn sich die Antragsbefugnis zu einer Antragspflicht verdichtet hat, weil nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den GBA wahrscheinlich ist und im Übrigen eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen - etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit - ausgeschlossen erscheint; das erfordert zumindest ausreichende Anhaltspunkte für die medizinische Wirksamkeit der Methode. Voraussetzung dafür ist, dass die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Studien und Statistiken belegt ist (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 10/07 R, zitiert nach juris, Rn. 26 m.w.N.).
Dies ist bei der OCT jedoch nicht der Fall, da - bis zum heutigen Tag – keine Studienlage vorhanden ist, die die antragsberechtigten Organisationen verpflichtet hätten, einen Antrag beim GBA (früher) zu stellen. Denn auch nach Einleitung des Beratungsverfahrens hat das vom GBA beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem Abschlussbericht über die OCT bei neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration sowie beim Makulaödem im Rahmen der diabetischen Retinopathie vom 7. Juli 2017, Seite. iii, zu dem Untersuchungsziel der Nutzenbewertung zur Therapiesteuerung bei intravitrealer operativer Medikamentengabe (IVOM) mit Antagonisten der vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF-Inhibitoren und Steroiden (bei diabetischem Makulaödem) festgestellt, dass nur vier Studien zur altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und zwei Studien zur Diabetischen Retinopathie mit Makulaödem (DMÖ) herangezogen werden konnten. Dabei zeigten sich im Wesentlichen weder ein Nutzen, noch ein Schaden im Vergleich zu anderen Verfahren der Therapiesteuerung (monatliche Behandlung, Behandlung in festen Abständen, alleinige Sehschärfe-Steuerung), jedenfalls in keinem Bereich ein relevanter Nutzen. Liegen jedenfalls keinerlei Studien vor, die einen Nutzen belegen, so kann sich auch keine Antragsverpflichtung ergeben, da eine positive Bewertung durch den GBA dann nicht wahrscheinlich ist.
Darüber hinaus haben die antragsberechtigten Organe des GKV-Spitzenverbandes und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Studienlage überwacht und aufgrund sachlicher Erwägungen keinen Antrag bzw. erst im März 2015 einen Antrag gestellt.
Der GKV-Spitzenverband hat diesbezüglich dargelegt, dass er die Studienlage seit 2008 kontinuierlich überwache. Seit April 2008 läge ein Kurzgutachten des Medizinischen Diensten des Spitzenverbandes (MDS) vor, nach dem der Nutzen der Methode aufgrund methodologischer Schwächen der Studien als alleinige Diagnose- und Verlaufsdiagnostik nicht als gesichert eingeschätzt werden könne und die alternativen Untersuchungsmethoden nicht ersetzt werden könnten. Im Dezember 2010 sei dann eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Retinologischen Gesellschaft, des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft veröffentlicht worden, die diese Einschätzung in Frage gestellt habe. Deshalb sei Anfang Februar 2011 beim MDS ein Gutachten zur Ermittlung der Erkenntnisse zum Einsatz der OCT bei Diagnostik von und Therapiesteuerung bei nAMD und DMÖ im Vergleich mit alternativen Methoden zur Therapiesteuerung, die zum Leistungspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören, in Auftrag gegeben worden. Dabei sollte geklärt werden, ob die OCT eine Verbesserung der Behandlung der nAMD und DMÖ ermöglicht. Der MDS habe daraufhin aufgrund mangelnder Ressourcen ein externes Review eingeleitet und das Deutsche Cochrane Zentrum in Freiburg mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das Ende 2014 vorgelegen habe. Dieses sei zu dem Schluss gekommen, dass Nutzen und Risiken der OCT im Vergleich zu bereits in der Versorgung befindlichen Untersuchungsmethoden bei der Therapiesteuerung nicht belegt werden können, aber ein Nutzen auch nicht auszuschließen sei. Dies habe der GKV-Spitzenverband dann zum Anlass genommen, im März 2015 das Bewertungsverfahren einzuleiten. Insoweit hat er die Studienlage beobachtet und zeitnah nach Vorliegen eines Gutachtens, das allein einen Nutzen nicht ausgeschlossen hat, gestellt. Die von der Klägerin benannten Studien waren dem GKV-Spitzenverband bekannt; diese hätten jedoch keine für die Einschätzung der Methode klare Studienlage erbracht. Nach Vorlage des Gutachtens des Deutschen Cochrane Zentrums bestand zwar das Recht, ein Bewertungsverfahren einzuleiten, mangels Beleg für den Nutzen der OCT jedoch keine rechtliche Verpflichtung einen Antrag zu stellen.
Ähnlich hat sich die KBV in ihrer Stellungnahme vom 9. Januar 2017 geäußert. Auch sie hat dargelegt, dass ihr keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Unterlagen vorlagen, aus denen der Nutzen der OCT im Sinne einer Verbesserung von patientenrelevanten Endpunkten auf entsprechend hohem Erkenntnisniveau hätte abgeleitet werden können.
Dass sich die OCT in der augenärztlichen Praxis durchgesetzt hat, ändert hieran nichts. Denn dies wäre rechtlich allein dann von Bedeutung, wenn der GBA oder eine antragsberechtigte Organisation die ihr obliegende Aufgabe nicht wahrgenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997, a.a.O., Rn. 45). Ansonsten kann die Verbreitung in der Praxis, worauf auch die KBV in ihrer Stellungnahme hinweist, nicht den Beleg durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien und Statistiken ersetzen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die OCT nicht nur als IGeL, sondern vielfach auch aufgrund selektivvertraglicher Regelungen zwischen Krankenkassen und einzelvertraglich gebundenen Augenärzten zu Lasten der GKV angeboten wird und Verbreitung gefunden hat. Denn für derartige einzelvertragliche Leistungen wurden geringere Anforderungen an die Bewertung von Nutzen und Risiken gestellt; nach § 73c Abs. 4 S. 2 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung waren allein solche Leistungen von einer Vereinbarung ausgeschlossen, über die der GBA eine ablehnende Entscheidung getroffen hatte; eine positive Nutzenbewertung oder die Wahrscheinlichkeit einer solchen, war nicht erforderlich, damit eine Leistung zulässiger Gegenstand eines Vertrages werden konnte (Orlowski/Rau/Wasem u.a., SGB V-Kommentar - Gesetzliche Krankenversicherung - GKV, 46. AL, § 73c, Rn. 16 i.V.m. 73b Rn 66). Es ist deshalb nicht als Umgehung des Bewertungsverfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V und damit als Systemversagen anzusehen, wenn über derartige Selektivverträge nach § 73c SGB V die OCT weite Verbreitung gefunden hatte. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn trotz entsprechender positiver Erkenntnisse über den Nutzen der Methode das Bewertungsverfahren nicht eingeleitet worden wäre und die Versicherten allein bei Vorliegen von Selektivverträgen die Leistung, deren Nutzen belegt ist, zu Lasten der GKV in Anspruch hätten nehmen können. Liegen aber - wie hier – keine derartigen Erkenntnisse vor, kann ein Leistungsanspruch auf eine Untersuchungsmethode deren Nutzen nicht belegbar ist unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens nicht deshalb verlangt werden, weil andere Krankenkassen bzw. Ärzte einen Selektivertrag geschlossen haben.
Letztendlich kommt es nicht darauf an, aus welchen Beweggründen die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. einen Antrag nicht gestellt hat, da jedenfalls objektiv eine Verpflichtung hierzu nicht bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage erfolglos blieb.
Da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR unterschritt, bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG die Berufung der Zulassung. Sie war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat, da eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen anhängig sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für durchgeführte optische Kohärenztomografien (OCT).
Die Klägerin leidet unter einem Makulaödem, das durch intravitreale Injektionen mit VEGF-Inhibitoren behandelt wird. Zur Befunderhebung und Entscheidung über die weitere Therapie werden bei ihr regelmäßig OCT-Untersuchungen durchgeführt. Am 5. Mai 2015 teilte sie der Beklagten mit, dass demnächst erneut eine OCT vorgesehen sei. Da diese ärztliche Leistung aufgrund eines Systemversagens nicht über die elektronische Gesundheitskarte abrechenbar sei, beantrage sie die Freistellung von den Kosten nach § 13 Abs. 3 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V).
Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 8. Mai 2015 ab, da die OCT eine Privatbehandlung, eine sog. individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) sei. Die OCT sei nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit dem erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass es hier um ein Systemversagen bei der Anerkennung der Behandlungsmethode gehe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch am 30. Juli 2015 als unbegründet zurück. Eine nicht allgemein anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei grundsätzlich ausgeschlossen, solange der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sich nicht zur Notwendigkeit und zum therapeutischen Nutzen geäußert habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Fehlen einer Aussage des GBA auf einem Systemmangel beruhen könnte, seien nicht ersichtlich. Zwischenzeitlich habe der GBA mit Beschluss vom 15. April 2015 das Thema zur Beratung angenommen.
Mit der am 20. August 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Erstattung von 114,24 EUR für am 11. Juni und 30. Juli 2015 erfolgte OTC-Untersuchungen, weiter.
Sie macht geltend, es läge hinsichtlich der Anerkennung der Behandlungsmethode ein Systemversagen vor, aufgrund dessen die Beklagte die Kosten zu erstatten habe, obwohl die OCT noch keine vertragsärztliche Leistung und deshalb eine neue Behandlungsmethode sei. Der GKV-Spitzenverband habe erst am 3. März 2015 einen Antrag auf Bewertung der OCT gestellt, obwohl die dem zugrunde liegende Übersichtsarbeit des Deutschen Cochrane Zentrums des Universitätsklinikums Freiburg bereits am 1. Juli 2013 begonnen und spätestens Anfang Januar 2013 in Auftrag gegeben worden sei. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass mit der OCT sowohl bei der Makuladegeneration als auch der Diabetischen Retinopathie retinale Veränderungen erfasst werden können, die mit den bisherigen Referenzstandards nicht darstellbar seien. Die OCT ermögliche eine Darstellung der Netzhautmorphologie mit zusätzlicher, hochauflösender Tiefeninformation und somit eine zusätzliche Informationsebene gegenüber den herkömmlichen Verfahren. Diese Übersichtsarbeit habe 18 Studien ausgewertet, die alle spätestens im Jahr 2013 abgeschlossen gewesen seien, einige sogar schon länger davor (MARINA 2006; ANCHOR und SAILOR 2009). Mit einigen Krankenkassen bestünden bereits seit langem Einzelverträge zur Erbringung der OCT. Bei Augenärzten sei diese als Standard anerkannt und es bestehe in der augenärztlichen Fachwelt keinerlei Dissens darüber, dass es sich bei der OCT um eine nützliche und etablierte Untersuchungsmethode handele, die seit 1991 in Deutschland angewendet werde.
Nach einer Auskunft der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sei ein Antrag auf Bewertung vorrangig deshalb nicht gestellt worden, weil die Patientenvertreter befürchtet hätten, dass die Ärzte bei einer Zulassung zu gering vergütet werden könnten und deshalb die OCT nicht mehr anböten. Der Antrag sei deshalb aus sachfremden oder willkürlichen Gründen verzögert worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die am 11. Juni 2015 und 30. Juli 2015 durchgeführten OCT-Untersuchungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 114,24 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Antragspflicht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erst dann vorliege, wenn nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Methode durch den GBA wahrscheinlich sei und im Übrigen eine positive Bewertung nicht aus anderen Gründen – etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit – ausgeschlossen erscheint. Auch stünden hier andere Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Das Gericht hat eine Auskunft des Augenarztes Dr. H. vom 3. Mai 2016 sowie der Augentagesklinik W. vom 13. Juni 2016 eingeholt. Es hat darüber hinaus Auskünfte des GBA vom 27. Januar 2017, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 9. Januar 2017 sowie des GKV-Spitzenverbandes vom 14. Juli 2017 zur Frage des Verfahrens bei der Methodenbewertung der optischen Kohärenztomographie beigezogen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 u. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine OCT-Untersuchung nach den §§ 13 Abs. 3, 27 Abs. 1 und 28 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB V), da diese Untersuchung eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist, die noch nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassen ist, und ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung, in dem dennoch ein Anspruch auf Erbringung der Methode zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht, nicht vorliegt.
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 S. 1 SGB V). Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, B 1 KR 44/12 R, zitiert nach juris, Rn. 11 m.w.N.). Hier fehlt es aber an einem Sachleistungsanspruch, der zu Unrecht abgelehnt wurde.
Gemäß den §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, 28 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte. Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der ärztlichen Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch des Versicherten unterliegt dabei allerdings den sich aus den §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Danach umfasst er nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn eine begehrte Therapie nach eigener Einschätzung der Klägerin oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V grundsätzlich nur dann der Fall, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) gemacht hat; die Richtlinien bestimmten insoweit auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O., Rn. 13).
Die OCT ist ein nicht invasives bildgebendes Verfahren, mit dem Netzhautstrukturen, ähnlich wie in einem histologischen Schnitt, hochauflösend abgebildet werden können. Dabei wird ein Lichtstrahl auf die Netzhaut projiziert. Durch die Messung des reflektierten und gestreuten Lichts der verschiedenen Netzhautschichten erzeugt die OCT zwei- und dreidimensionale Aufnahmen, die eine objektive und quantitative Beurteilung der Netzhaut zulassen. Mittels OCT können intra- und subretinale Strukturen wie zum Beispiel Flüssigkeitsansammlungen, Narbenprozesse und Veränderungen der Netzhautdicke beurteilt werden (vgl. Abschlussbericht D 15-01 des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen - Optische Kohärenztomografie bei Makulo- und Retinopathie, S. 2 oben). Die damit erhobenen Befunde dienen der Therapiesteuerung. Hierbei handelt es sich um eine ärztliche "Untersuchungsmethode" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, da dem Verfahren ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das es von anderen Untersuchungsverfahren unterschiedet und das seine systematische Anwendung in der Erkennung von Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. zum Begriff der Behandlungsmethode: BSG, a.a.O., Rn. 14 m.w.N. BSG, SozR 3-2500 § 31 Nr. 5). Die Methode ist auch neu, da sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztliche Versorgung (EBM) enthalten ist (vgl. zum Merkmal "neu": BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 18, Rn. 21 m.w.N.). Eine Empfehlung des GBA nach § 135 Abs. 1 SGB V liegt nicht vor, da der GBA derzeit noch das Beratungsverfahren durchführt.
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, aufgrund dessen hier trotz fehlender Empfehlung ein Sachleistungsanspruch bestehen könnte. Da eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig gleichstehende Erkrankung nicht vorliegt, kommt ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht in Betracht. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 des § 2 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Im Übrigen stehen nach der Stellungnahme des MDK auch diverse Untersuchungsmethoden zur Verfügung, wie z.B. der Amsler-Test, die biometrische Untersuchung des Auge mittels Spaltlampe zur Beurteilung des hinteren Augenabschnitts, die binokulare Funduskopie die eine Beurteilung des Makulaödems im Verlauf mit fotografischer Dokumentation ermöglich die Gesichtsfelduntersuchung und die Fluoreszenzangiografie.
Eine Erkrankung, die so selten auftritt, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet (sog. Seltenheitsfall, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, zitiert nach juris), liegt bei der Klägerin ebenfalls nicht vor, so dass auch unter diesem Aspekt kein ausnahmsweiser Anspruch auf eine nichtvertragliche Leistung gegeben ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt aber auch kein sog. Systemversagen vor. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse wegen Systemversagens kann ausnahmsweise ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). Jedoch setzt dies auch voraus, dass dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 12 RK 28/95, zitiert nach juris, Rn. 35 ff); Dabei ist die Anknüpfung an ein willkürliches Verhalten des GBA oder der antragsgsberechtigten Stellen von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 23. März 2017, 1 BvR 2861/16, zitiert nach juris). Ein solcher Fall ist bisher angenommen worden, wenn der GBA aufgrund eines Bewertungsverfahrens für den stationären Behandlungsbereich nach § 137c SGB V Erkenntnisse hat, die er im Rahmen des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V nicht nutzt und deshalb keine Empfehlung für den ambulanten Versorgungsbereich abgibt (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013, a.a.O.),
Ein hier geltend gemachtes willkürliches Unterlassen einer Antragstellung liegt jedoch nur dann vor, wenn sich die Antragsbefugnis zu einer Antragspflicht verdichtet hat, weil nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den GBA wahrscheinlich ist und im Übrigen eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen - etwa der fehlenden Wirtschaftlichkeit - ausgeschlossen erscheint; das erfordert zumindest ausreichende Anhaltspunkte für die medizinische Wirksamkeit der Methode. Voraussetzung dafür ist, dass die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Studien und Statistiken belegt ist (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 12. August 2009, B 3 KR 10/07 R, zitiert nach juris, Rn. 26 m.w.N.).
Dies ist bei der OCT jedoch nicht der Fall, da - bis zum heutigen Tag – keine Studienlage vorhanden ist, die die antragsberechtigten Organisationen verpflichtet hätten, einen Antrag beim GBA (früher) zu stellen. Denn auch nach Einleitung des Beratungsverfahrens hat das vom GBA beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem Abschlussbericht über die OCT bei neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration sowie beim Makulaödem im Rahmen der diabetischen Retinopathie vom 7. Juli 2017, Seite. iii, zu dem Untersuchungsziel der Nutzenbewertung zur Therapiesteuerung bei intravitrealer operativer Medikamentengabe (IVOM) mit Antagonisten der vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF-Inhibitoren und Steroiden (bei diabetischem Makulaödem) festgestellt, dass nur vier Studien zur altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und zwei Studien zur Diabetischen Retinopathie mit Makulaödem (DMÖ) herangezogen werden konnten. Dabei zeigten sich im Wesentlichen weder ein Nutzen, noch ein Schaden im Vergleich zu anderen Verfahren der Therapiesteuerung (monatliche Behandlung, Behandlung in festen Abständen, alleinige Sehschärfe-Steuerung), jedenfalls in keinem Bereich ein relevanter Nutzen. Liegen jedenfalls keinerlei Studien vor, die einen Nutzen belegen, so kann sich auch keine Antragsverpflichtung ergeben, da eine positive Bewertung durch den GBA dann nicht wahrscheinlich ist.
Darüber hinaus haben die antragsberechtigten Organe des GKV-Spitzenverbandes und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Studienlage überwacht und aufgrund sachlicher Erwägungen keinen Antrag bzw. erst im März 2015 einen Antrag gestellt.
Der GKV-Spitzenverband hat diesbezüglich dargelegt, dass er die Studienlage seit 2008 kontinuierlich überwache. Seit April 2008 läge ein Kurzgutachten des Medizinischen Diensten des Spitzenverbandes (MDS) vor, nach dem der Nutzen der Methode aufgrund methodologischer Schwächen der Studien als alleinige Diagnose- und Verlaufsdiagnostik nicht als gesichert eingeschätzt werden könne und die alternativen Untersuchungsmethoden nicht ersetzt werden könnten. Im Dezember 2010 sei dann eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Retinologischen Gesellschaft, des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft veröffentlicht worden, die diese Einschätzung in Frage gestellt habe. Deshalb sei Anfang Februar 2011 beim MDS ein Gutachten zur Ermittlung der Erkenntnisse zum Einsatz der OCT bei Diagnostik von und Therapiesteuerung bei nAMD und DMÖ im Vergleich mit alternativen Methoden zur Therapiesteuerung, die zum Leistungspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören, in Auftrag gegeben worden. Dabei sollte geklärt werden, ob die OCT eine Verbesserung der Behandlung der nAMD und DMÖ ermöglicht. Der MDS habe daraufhin aufgrund mangelnder Ressourcen ein externes Review eingeleitet und das Deutsche Cochrane Zentrum in Freiburg mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das Ende 2014 vorgelegen habe. Dieses sei zu dem Schluss gekommen, dass Nutzen und Risiken der OCT im Vergleich zu bereits in der Versorgung befindlichen Untersuchungsmethoden bei der Therapiesteuerung nicht belegt werden können, aber ein Nutzen auch nicht auszuschließen sei. Dies habe der GKV-Spitzenverband dann zum Anlass genommen, im März 2015 das Bewertungsverfahren einzuleiten. Insoweit hat er die Studienlage beobachtet und zeitnah nach Vorliegen eines Gutachtens, das allein einen Nutzen nicht ausgeschlossen hat, gestellt. Die von der Klägerin benannten Studien waren dem GKV-Spitzenverband bekannt; diese hätten jedoch keine für die Einschätzung der Methode klare Studienlage erbracht. Nach Vorlage des Gutachtens des Deutschen Cochrane Zentrums bestand zwar das Recht, ein Bewertungsverfahren einzuleiten, mangels Beleg für den Nutzen der OCT jedoch keine rechtliche Verpflichtung einen Antrag zu stellen.
Ähnlich hat sich die KBV in ihrer Stellungnahme vom 9. Januar 2017 geäußert. Auch sie hat dargelegt, dass ihr keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Unterlagen vorlagen, aus denen der Nutzen der OCT im Sinne einer Verbesserung von patientenrelevanten Endpunkten auf entsprechend hohem Erkenntnisniveau hätte abgeleitet werden können.
Dass sich die OCT in der augenärztlichen Praxis durchgesetzt hat, ändert hieran nichts. Denn dies wäre rechtlich allein dann von Bedeutung, wenn der GBA oder eine antragsberechtigte Organisation die ihr obliegende Aufgabe nicht wahrgenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997, a.a.O., Rn. 45). Ansonsten kann die Verbreitung in der Praxis, worauf auch die KBV in ihrer Stellungnahme hinweist, nicht den Beleg durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien und Statistiken ersetzen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die OCT nicht nur als IGeL, sondern vielfach auch aufgrund selektivvertraglicher Regelungen zwischen Krankenkassen und einzelvertraglich gebundenen Augenärzten zu Lasten der GKV angeboten wird und Verbreitung gefunden hat. Denn für derartige einzelvertragliche Leistungen wurden geringere Anforderungen an die Bewertung von Nutzen und Risiken gestellt; nach § 73c Abs. 4 S. 2 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung waren allein solche Leistungen von einer Vereinbarung ausgeschlossen, über die der GBA eine ablehnende Entscheidung getroffen hatte; eine positive Nutzenbewertung oder die Wahrscheinlichkeit einer solchen, war nicht erforderlich, damit eine Leistung zulässiger Gegenstand eines Vertrages werden konnte (Orlowski/Rau/Wasem u.a., SGB V-Kommentar - Gesetzliche Krankenversicherung - GKV, 46. AL, § 73c, Rn. 16 i.V.m. 73b Rn 66). Es ist deshalb nicht als Umgehung des Bewertungsverfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V und damit als Systemversagen anzusehen, wenn über derartige Selektivverträge nach § 73c SGB V die OCT weite Verbreitung gefunden hatte. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn trotz entsprechender positiver Erkenntnisse über den Nutzen der Methode das Bewertungsverfahren nicht eingeleitet worden wäre und die Versicherten allein bei Vorliegen von Selektivverträgen die Leistung, deren Nutzen belegt ist, zu Lasten der GKV in Anspruch hätten nehmen können. Liegen aber - wie hier – keine derartigen Erkenntnisse vor, kann ein Leistungsanspruch auf eine Untersuchungsmethode deren Nutzen nicht belegbar ist unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens nicht deshalb verlangt werden, weil andere Krankenkassen bzw. Ärzte einen Selektivertrag geschlossen haben.
Letztendlich kommt es nicht darauf an, aus welchen Beweggründen die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. einen Antrag nicht gestellt hat, da jedenfalls objektiv eine Verpflichtung hierzu nicht bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage erfolglos blieb.
Da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR unterschritt, bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG die Berufung der Zulassung. Sie war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat, da eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen anhängig sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved