Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 1481/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 767/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 10/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1996 verurteilt, der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung aufgrund der bei ihr drohenden Gefahr einer Berufskrankheit Nr. 4302 ab 23.06.1993 zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte deren außergerichtlicher Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nur noch um die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Die 1966 geborene Klägerin war vom 04.08.1983 bis zum 22.06.1993 als Fahrzeuglackiererin beschäftigt und bei der Beklagten gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Aufgrund eines Antrags auf Rehabilitation vom 16.08.1993, der vom Arbeitsamt an die Beklagte weitergeleitet und mit einem Attest des Hausarztes Dr. D., A-Stadt, vom 07.07.1993 begründet worden war (Atemwegsbeschwerden, Anraten einer anderen Beschäftigung), leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren wegen einer Berufskrankheit ein. Sie zog bei:
• Angaben der Klägerin,
• Auskünfte der Beschäftigungsunternehmen E. (Auto F.), Firma G.,
• eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 09.02.1994,
• das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin,
• ärztliche Unterlagen von Dres. D./H. sowie Dr. J., J-Stadt,
• ein Gutachten von Dr. K., Berufsgenossenschaftliches Arbeitsmedizinisches Zentrum K Stadt, vom 17.01.1995,
• ein Gutachten von Prof. L., L-Stadt, vom 28.09.1995,
• Stellungnahmen des Landesgewerbearztes vom 11.04.1995 und 19.10.1995.
Mit Bescheid vom 27.11.1995 lehnte die Beklagte insbesondere aufgrund des Gutachtens von Prof. L. die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301, 4302 und 1315 der Anlage 1 der BKVO sowie die Gewährung von § 3 BKVO-Maßnahmen ab.
Der am 18.12.1995 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.1996, zugestellt am 23.07.1996, zurückgewiesen.
Mit der am 22.08.1996 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Begründung weiter, sie leide nicht an allgemeinen Allergien, sondern habe nur bei ihrer Arbeit als Lackiererin in der Vergangenheit Atembeschwerden gehabt. Seit der endgültigen Aufgabe dieser Tätigkeit zum 22.06.1993 und in ihrem zwischenzeitlich ausgeübten Beruf als Verkäuferin habe sie keine derartigen Beschwerden mehr.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Prof. M., Universitätsklinik Gießen, vom 02.10.1997, der das Vorliegen einer BK bei der Klägerin verneinte, aber eine konkret drohende Gefahr der Entstehung einer BK nach Nr. 4302 bejahte.
Die Klägerin beantragt nur noch,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1996 zu verurteilen, ihr Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung wegen einer bei ihr drohenden Gefahr der Entstehung einer BK nach Nr. 4302 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint das Gutachten von Prof. M. sei nicht schlüssig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Unterlagen im übrigen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.05.1998 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im aufrechterhaltenen Umfang begründet. Die Beklagte hat der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKVO aufgrund der bei der Klägerin drohenden Gefahr einer BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 der BKVO zu gewähren.
Die BK Nr. 4302 lautet: "Durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO hat der Träger der Unfallversicherung der Versicherten, die die Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr für sie nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Vorliegend gilt die "alte" BKVO fort, weil der Anspruch vor dem 01.01.1997 entstanden und damit das Recht der Reichsversicherungsordnung anzuwenden ist (vgl. §§ 212 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII).
Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Übergangsleistung sind im einzelnen:
1. Schädigende Einwirkungen/Exposition während der versicherten Tätigkeit,
2. konkrete Gefahr des Eintritts, des Wiederauflebens, der Verschlimmerung einer BK,
3. Kausalzusammenhang zwischen Nr. 1 und Nr. 2,
4. Einstellung der Tätigkeit,
5. Kausalzusammenhang zwischen Nr. 2 und Nr. 4 ("Einstellung, weil die Gefahr nicht anders zu beseitigen ist").
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Zu 1: Die schädigende Einwirkung/Exposition während der versicherten Tätigkeit steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Stellungnahme des TAD (BI. 19 f. Verw.-Akte) sowie des Gutachtens von Prof. M. fest. Der TAD hat in seiner Stellungnahme die zahlreichen Stoffe aufgeführt, mit denen die Klägerin beruflich zu tun hatte und die Atemwegsbeschwerden verursachen können. Prof. M. hat ausgeführt, daß jedoch erfahrungsgemäß davon auszugehen ist, daß unter arbeitsbedingtem Zeitdruck und bei kleineren Ausbesserungsarbeiten die Arbeitsschutzmaßnahmen nicht optimal durchgeführt werden, so daß zeitweise von einem inhalativen Lösungsmittel- und Isocyanat-Kontakt auszugehen ist. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, daß die üblichen Masken vor der Inhalation dampfförmiger Stoffe nicht ausreichend schützen (vgl. S. 21 des Gutachtens = BI. 87 Gerichtsakte). Diese Ausführungen sind für das Gericht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend, zumal Prof. M. darüber hinaus ein sehr erfahrener Arbeitsmediziner ist, der auch die Arbeitswirklichkeit kennt. Die doppeldeutige Aussage des Landesgewerbearztes in seiner Stellungnahme vom 19.10.1995 ("bei Einhaltung der Grenzwerte lassen sich auch Maßnahmen i.S. des § 3 nicht begründen" BI. 68 Verw.-Akte) vermag diese Beurteilung nicht zu erschüttern.
Zu 2. und 3: Die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK durch die versicherte Tätigkeit steht zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls aufgrund des Gutachtens von Prof. M. fest. Dieser hat ausgeführt, daß der Befund der deutlichen Reizerscheinungen im Atembereich während der durchgeführten arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests 1995 bei Prof. L. und in seiner Klinik in 1997 sowie der Orts- und Zeitbezug der geklagten Beschwerden während der beruflichen Tätigkeit als konkret drohende Gefahr zu werten sind (S. 25 des Gutachtens = BI. 93 Gerichtsakte). Das Gericht folgt dem Gutachten auch insofern, da es aufgrund vorangegangener körperlicher Untersuchung der Klägerin und unter Berücksichtigung der von ihr vorgetragenen Beschwerden sowie der vorliegenden Unterlagen der übrigen Ärzte erstattet wurde. Das Gutachten ist hinreichend wissenschaftlich begründet und läßt Widersprüche zwischen Befunderhebung und Beurteilung nicht erkennen. Im übrigen wird das Gutachten durch die Aussage des die Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. D. gestützt. Durch die gegenteilige Beurteilung von Prof. L. wird dieses Ergebnis nicht erschüttert, weil Prof. L. seine andere Beurteilung nicht weiter begründet hat. Gleiches gilt für die Auffassung der Beklagten das Gutachten sei nicht "schlüssig" (Schriftsatz vom 22.10.1997, BI. 98 Gerichtsakte). Eine bronchiale Reaktion bei inhalativer Einwirkung berufsspezifischer Substanzen ist keine zwingende Voraussetzung für die Bejahung dieser Voraussetzung, das Gericht sieht vielmehr die von Prof. M. angeführten zwei Gesichtspunkte (deutliche Reizerscheinungen sowie Orts- und Zeitbezug) als ausreichend an. Angesichts dessen sieht das Gericht auch keinen Grund für weitere Untersuchungen mit insbesondere einer stärkeren, versuchsweisen Exposition der Klägerin, zumal diese mit einem höheren Gesundheitsrisiko verbunden wären. Durch das Gutachten von Dr. K., das in mancherlei Hinsicht angreifbar ist (vgl. Stellungnahme des Landesgewerbearztes vom 11.04.1995, BI. 46 Verw.-Akte), wird das Gutachten von Prof. M. nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt (vgl. BI. 44 f. Verw.-Akte).
Zu 4 und 5: Die Klägerin hat die Tätigkeit eingestellt und die Gefahr war auch nicht anders zu beseitigen. Zur Beurteilung einer Tätigkeitsaufgabe durch Versicherte ohne Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger ist entscheidend der objektive medizinische Zwang zur Tätigkeitsaufgabe, nicht jedoch welche subjektiven Vorstellungen der Versicherte hatte oder anderen Begleitumstände es gab (vgl. Drexel, BG 1977, 271, 273; Benz, BG 1988, 596 f. m.w.N.). Diese Voraussetzung ist trotz der Kündigung des Arbeitgebers wegen Arbeitsmangel erfüllt, weil die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen, wegen der konkreten Gefahr gemäß Nr. 2, sich beruflich umorientierte. Dies war auch objektiv aus medizinischen Gründen notwendig. Daß die Gefahr anders als durch die Tätigkeitsaufgabe zu beseitigen war, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der oben zu 1. schon genannten Überlegungen fest. Denn es kommt nicht auf einen theoretisch denkbaren idealtypischen Arbeitsplatz an, sondern auf das gerade im Sozialrecht entscheidende "praktische Leben" (vgl. BSGE 1, 72, 76). Dies um so mehr als bei den Entscheidungen der Unfallversicherungsträger über die Gewährung von Übergangsleistungen oder Präventionsmaßnahmen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen (vgl. insbesondere: Römer, BG 1994, 237 ff.) und vorliegend anstelle einer entsprechenden aufwendigen Umrüstung des Arbeitsplatzes nur Übergangsleistungen, nicht aber z.B. eine sehr viel teurere Umschulung zu bezahlen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und trägt dem anfänglichen umfangreicheren Klagebegehren Rechnung.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte deren außergerichtlicher Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nur noch um die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Die 1966 geborene Klägerin war vom 04.08.1983 bis zum 22.06.1993 als Fahrzeuglackiererin beschäftigt und bei der Beklagten gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Aufgrund eines Antrags auf Rehabilitation vom 16.08.1993, der vom Arbeitsamt an die Beklagte weitergeleitet und mit einem Attest des Hausarztes Dr. D., A-Stadt, vom 07.07.1993 begründet worden war (Atemwegsbeschwerden, Anraten einer anderen Beschäftigung), leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren wegen einer Berufskrankheit ein. Sie zog bei:
• Angaben der Klägerin,
• Auskünfte der Beschäftigungsunternehmen E. (Auto F.), Firma G.,
• eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 09.02.1994,
• das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin,
• ärztliche Unterlagen von Dres. D./H. sowie Dr. J., J-Stadt,
• ein Gutachten von Dr. K., Berufsgenossenschaftliches Arbeitsmedizinisches Zentrum K Stadt, vom 17.01.1995,
• ein Gutachten von Prof. L., L-Stadt, vom 28.09.1995,
• Stellungnahmen des Landesgewerbearztes vom 11.04.1995 und 19.10.1995.
Mit Bescheid vom 27.11.1995 lehnte die Beklagte insbesondere aufgrund des Gutachtens von Prof. L. die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301, 4302 und 1315 der Anlage 1 der BKVO sowie die Gewährung von § 3 BKVO-Maßnahmen ab.
Der am 18.12.1995 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.1996, zugestellt am 23.07.1996, zurückgewiesen.
Mit der am 22.08.1996 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Begründung weiter, sie leide nicht an allgemeinen Allergien, sondern habe nur bei ihrer Arbeit als Lackiererin in der Vergangenheit Atembeschwerden gehabt. Seit der endgültigen Aufgabe dieser Tätigkeit zum 22.06.1993 und in ihrem zwischenzeitlich ausgeübten Beruf als Verkäuferin habe sie keine derartigen Beschwerden mehr.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Prof. M., Universitätsklinik Gießen, vom 02.10.1997, der das Vorliegen einer BK bei der Klägerin verneinte, aber eine konkret drohende Gefahr der Entstehung einer BK nach Nr. 4302 bejahte.
Die Klägerin beantragt nur noch,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1996 zu verurteilen, ihr Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung wegen einer bei ihr drohenden Gefahr der Entstehung einer BK nach Nr. 4302 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint das Gutachten von Prof. M. sei nicht schlüssig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Unterlagen im übrigen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.05.1998 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im aufrechterhaltenen Umfang begründet. Die Beklagte hat der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKVO aufgrund der bei der Klägerin drohenden Gefahr einer BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 der BKVO zu gewähren.
Die BK Nr. 4302 lautet: "Durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO hat der Träger der Unfallversicherung der Versicherten, die die Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr für sie nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Vorliegend gilt die "alte" BKVO fort, weil der Anspruch vor dem 01.01.1997 entstanden und damit das Recht der Reichsversicherungsordnung anzuwenden ist (vgl. §§ 212 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII).
Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Übergangsleistung sind im einzelnen:
1. Schädigende Einwirkungen/Exposition während der versicherten Tätigkeit,
2. konkrete Gefahr des Eintritts, des Wiederauflebens, der Verschlimmerung einer BK,
3. Kausalzusammenhang zwischen Nr. 1 und Nr. 2,
4. Einstellung der Tätigkeit,
5. Kausalzusammenhang zwischen Nr. 2 und Nr. 4 ("Einstellung, weil die Gefahr nicht anders zu beseitigen ist").
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Zu 1: Die schädigende Einwirkung/Exposition während der versicherten Tätigkeit steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Stellungnahme des TAD (BI. 19 f. Verw.-Akte) sowie des Gutachtens von Prof. M. fest. Der TAD hat in seiner Stellungnahme die zahlreichen Stoffe aufgeführt, mit denen die Klägerin beruflich zu tun hatte und die Atemwegsbeschwerden verursachen können. Prof. M. hat ausgeführt, daß jedoch erfahrungsgemäß davon auszugehen ist, daß unter arbeitsbedingtem Zeitdruck und bei kleineren Ausbesserungsarbeiten die Arbeitsschutzmaßnahmen nicht optimal durchgeführt werden, so daß zeitweise von einem inhalativen Lösungsmittel- und Isocyanat-Kontakt auszugehen ist. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, daß die üblichen Masken vor der Inhalation dampfförmiger Stoffe nicht ausreichend schützen (vgl. S. 21 des Gutachtens = BI. 87 Gerichtsakte). Diese Ausführungen sind für das Gericht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend, zumal Prof. M. darüber hinaus ein sehr erfahrener Arbeitsmediziner ist, der auch die Arbeitswirklichkeit kennt. Die doppeldeutige Aussage des Landesgewerbearztes in seiner Stellungnahme vom 19.10.1995 ("bei Einhaltung der Grenzwerte lassen sich auch Maßnahmen i.S. des § 3 nicht begründen" BI. 68 Verw.-Akte) vermag diese Beurteilung nicht zu erschüttern.
Zu 2. und 3: Die konkrete Gefahr des Eintritts einer BK durch die versicherte Tätigkeit steht zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls aufgrund des Gutachtens von Prof. M. fest. Dieser hat ausgeführt, daß der Befund der deutlichen Reizerscheinungen im Atembereich während der durchgeführten arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests 1995 bei Prof. L. und in seiner Klinik in 1997 sowie der Orts- und Zeitbezug der geklagten Beschwerden während der beruflichen Tätigkeit als konkret drohende Gefahr zu werten sind (S. 25 des Gutachtens = BI. 93 Gerichtsakte). Das Gericht folgt dem Gutachten auch insofern, da es aufgrund vorangegangener körperlicher Untersuchung der Klägerin und unter Berücksichtigung der von ihr vorgetragenen Beschwerden sowie der vorliegenden Unterlagen der übrigen Ärzte erstattet wurde. Das Gutachten ist hinreichend wissenschaftlich begründet und läßt Widersprüche zwischen Befunderhebung und Beurteilung nicht erkennen. Im übrigen wird das Gutachten durch die Aussage des die Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. D. gestützt. Durch die gegenteilige Beurteilung von Prof. L. wird dieses Ergebnis nicht erschüttert, weil Prof. L. seine andere Beurteilung nicht weiter begründet hat. Gleiches gilt für die Auffassung der Beklagten das Gutachten sei nicht "schlüssig" (Schriftsatz vom 22.10.1997, BI. 98 Gerichtsakte). Eine bronchiale Reaktion bei inhalativer Einwirkung berufsspezifischer Substanzen ist keine zwingende Voraussetzung für die Bejahung dieser Voraussetzung, das Gericht sieht vielmehr die von Prof. M. angeführten zwei Gesichtspunkte (deutliche Reizerscheinungen sowie Orts- und Zeitbezug) als ausreichend an. Angesichts dessen sieht das Gericht auch keinen Grund für weitere Untersuchungen mit insbesondere einer stärkeren, versuchsweisen Exposition der Klägerin, zumal diese mit einem höheren Gesundheitsrisiko verbunden wären. Durch das Gutachten von Dr. K., das in mancherlei Hinsicht angreifbar ist (vgl. Stellungnahme des Landesgewerbearztes vom 11.04.1995, BI. 46 Verw.-Akte), wird das Gutachten von Prof. M. nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt (vgl. BI. 44 f. Verw.-Akte).
Zu 4 und 5: Die Klägerin hat die Tätigkeit eingestellt und die Gefahr war auch nicht anders zu beseitigen. Zur Beurteilung einer Tätigkeitsaufgabe durch Versicherte ohne Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger ist entscheidend der objektive medizinische Zwang zur Tätigkeitsaufgabe, nicht jedoch welche subjektiven Vorstellungen der Versicherte hatte oder anderen Begleitumstände es gab (vgl. Drexel, BG 1977, 271, 273; Benz, BG 1988, 596 f. m.w.N.). Diese Voraussetzung ist trotz der Kündigung des Arbeitgebers wegen Arbeitsmangel erfüllt, weil die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen, wegen der konkreten Gefahr gemäß Nr. 2, sich beruflich umorientierte. Dies war auch objektiv aus medizinischen Gründen notwendig. Daß die Gefahr anders als durch die Tätigkeitsaufgabe zu beseitigen war, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der oben zu 1. schon genannten Überlegungen fest. Denn es kommt nicht auf einen theoretisch denkbaren idealtypischen Arbeitsplatz an, sondern auf das gerade im Sozialrecht entscheidende "praktische Leben" (vgl. BSGE 1, 72, 76). Dies um so mehr als bei den Entscheidungen der Unfallversicherungsträger über die Gewährung von Übergangsleistungen oder Präventionsmaßnahmen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen (vgl. insbesondere: Römer, BG 1994, 237 ff.) und vorliegend anstelle einer entsprechenden aufwendigen Umrüstung des Arbeitsplatzes nur Übergangsleistungen, nicht aber z.B. eine sehr viel teurere Umschulung zu bezahlen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und trägt dem anfänglichen umfangreicheren Klagebegehren Rechnung.
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