S 17 R 342/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 17 R 342/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 R 316/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt der Klägerin eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs zu ge-währen ist.

Die am 00.00.1958 geborene Klägerin stellte im September 1994 erstmals einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit, den die Beklagte mit Be-scheid vom 14.11.1994 ablehnte; die am 20.12.1995 in der Folge gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.1995 erhobene Klage (Sozialgericht Münster, Az. S 9 An 120/95) blieb nach zunächst eingelegter und schließlich am 23.2.1999 zurückgenommener Berufung (LSG Nordrhein-Westfalen, Az. L 8 RA 10/98) im Ergebnis ohne Erfolg. Den zweiten Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit aus November 2000 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.6.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.1.2002 zunächst ab. Die hier-gegen erhobene Klage zum Sozialgericht Münster (Az.: S 9 RA 10/02) wies das Gericht mit Urteil vom 28.5.2003 ab. In dem folgenden Berufungsverfahren schlossen die Beteilig-ten vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 4 RA 48/03) am 23.4.2004 zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, in dem sich die – auch damali-ge – Beklagte zur Annahme des Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzun-gen für die im November 2000 beantragte Rente sowie zur Prüfung des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen für diese von der Klägerin begehrte Rente und zur Ertei-lung eines rechtsmittelfähigen Bescheides verpflichtete. Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 27.11.2000 mit Bescheid vom 5.11.2004 seit dem 1.11.2000 zunächst befristet bis zum 31.10.2006 und auf einen entsprechenden Weiter-zahlungsantrag vom 6.3.2006 sodann mit Bescheid vom 24.8.2006 auf unbestimmte Dau-er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Rentenberechnung lagen 21,7286 persönliche Entgeltpunkte zugrunde.

Die Klägerin war vom 24.8.1979 bis zum 31.3.2002 mit dem Versicherten S.X. (im Fol-genden: Versicherter) verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Famili-engericht – Ahlen vom 00.00.2008 rechtskräftig geschieden. Das Amtsgericht – Familien-gericht – übertrag zudem im Versorgungsausgleichsverfahren vom Versicherungskonto des Versicherten bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen auf das Versiche-rungskonto der Klägerin bei der Beklagten eine monatliche Rentenanwartschaft von 187,91 EUR bezogen auf den 31.3.2002 (Ende der Ehezeit). Die gegen das Urteil des Amts-gerichts – Familiengericht – Ahlen vom 00.00.2008 am 1.10.2008 eingelegte Berufung nahm die Klägerin am 10.12.2008 zurück. Zu diesem Zeitpunkt bezog der Versicherte kei-ne Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Beklagte stellte die der Klägerin gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Be-scheid vom 8.4.2009 mit Wirkung vom 1.1.2009 neu fest und legte der Rentenberechnung weitere 7,4231 persönliche Entgeltpunkte aufgrund des durchgeführten Versorgungsaus-gleichs zugrunde. Die Klägerin bat die Beklagte daraufhin um Erläuterung, weshalb die ihr gewährte Rente nicht bereits ab dem 1.4.2002, also ab dem auf den Zeitpunkt des Endes der Ehezeit folgenden Monat, rückwirkend angepasst worden sei. Sie vertrat die Ansicht, dass ihr die übertragene Rentenanwartschaft bereits ab dem 1.4.2002 zustünde. Die Be-klagte wies die Klägerin darauf hin, dass ihre Rente zutreffend berechnet worden sei und eine frühere Übertragung der Rentenanwartschaften aus dem durchgeführten Versor-gungsausgleich zu ihren Gunsten nicht möglich sei, da die von ihr bei Eintritt der Rechts-kraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bezogene Rente erst nach Ablauf des Monats des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsaus-gleich zu erhöhen sei. Die Beklagte wies in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Vorschrift des § 100 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) hin.

Auf erneutes Ersuchen der Klägerin, ihre Rente bereits mit Wirkung zum 1.4.2002 unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs anzupassen, stellte die Be-klagte nach Überprüfung gem. § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) mit Bescheid vom 13.4.2012 fest, dass eine frühere Übertragung der Rentenanwartschaften aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich zugunsten des Versicherungskontos der Klägerin nicht möglich sei. Zur Begründung wiederholte sie ihre vorigen Ausführungen ge-genüber der Klägerin.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.9.2012 Widerspruch ein, wobei sie da-rauf hinwies, den Bescheid erst am 11.8.2012 und nicht bereits zuvor durch ihren gesetz-lichen Betreuer erhalten zu haben. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihr bishe-riges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und hielt es nach wie vor für unzutref-fend, dass ihr die höhere Rente erst ab dem 1.1.2009 zustünde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.4.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Bescheid vom 8.4.2009 weder gem. § 44 Abs. 1 noch Abs. 2 SGB X zurückzunehmen sei, da die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt habe noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei und wies insoweit auf die Daten des Rentenbeginns der Klägerin und den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen über den Ver-sorgungsausgleich hin.

Am 8.5.2013 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Gewährung der ihr gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der durch den Versorgungs-ausgleich übertragenen Rentenanwartschaft bereits seit dem 1.4.2009 begehrt. Zur weite-ren Begründung ihrer Klage verweist sie auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfah-ren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 11.4.2013 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 8.4.2009 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der durch den Versorgungs-ausgleich übertragenen Rentenanwartschaften bereits ab Ende der Ehezeit am 31.3.2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie nimmt zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug und weist ergänzend darauf hin, dass ein Versorgungsausgleich gem. § 52 Abs. 1 S. 3 des Sozial-gesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) durchgeführt sei, wenn die Entscheidung des Fa-miliengerichts wirksam sei. Die insoweit maßgebliche Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen sei unter Berücksichtigung des § 224 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-keit (FamFG) sowie der entsprechenden Auskunft des OLG Hamm seit dem 10.12.2008 rechtskräftig und wirksam.

Das Gericht hat am 6.2.2014 einen nichtöffentlichen Termin zur Erörterung des Sachver-halts mit den Beteiligten durchgeführt, in dessen Rahmen die damalige Vorsitzende aus-drücklich auf die ihrer Ansicht nach nicht gegebenen Erfolgsaussichten der Klage hinge-wiesen hat. Die Klägerin hat erklärt, sich rechtlich beraten lassen zu wollen. Im Folgenden hat sie erneut ihre Ansicht bekräftigt, dass die Übertragung der Rentenanwartschaft auf-grund des Versorgungsausgleichs bereits mit Wirkung vom 31.3.2002 zu erfolgen gehabt hätte.

Sodann hat das Gericht den Beteiligten mit Schreiben vom 7.3.2014 mitgeteilt, dass es beabsichtige, über den Rechtsstreit gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es hat hierbei auf den Inhalt des Protokolls zum Erörterungstermin vom 6.2.2014 hingewie-sen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Ver-waltungsakten sowie der Akten des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen zum dortigen Az. 15 F 53/02 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 SGG). Den Beteiligten ist eine Anhörungsmitteilung gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG zugestellt worden, indem ihnen mit gerichtlichem Schrei-ben vom 7.3.2014 die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu der beabsichtigten Entschei-dung durch Gerichtsbescheid schriftlich bis zum 15.4.2014 zu äußern.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Inhaltlich wendet sich die Klägerin letztlich gegen die Regelung des Bescheides vom 8.4.2009, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass der Klägerin eine höhere Rente we-gen Erwerbsunfähigkeit nicht bereits seit dem 1.4.2002, sondern erst ab dem 1.1.2009 zustehe. Da sie dessen Rücknahme und die Feststellung, dass ihr eine höhere Rente we-gen Erwerbsunfähigkeit bereits ab dem 1.4.2002 zusteht, im Wege der Aufhebung des im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gem. § 44 SGB X ergangenen Bescheides vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013 begehrt, ist ihre Klage als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG statthaft (vgl. Keller, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 20c). Hiervon ausgehend ist gemäß § 95 SGG Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013. Die Klägerin ist durch diesen angefochtenen Bescheid vom 13.4.2012 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da der Bescheid nicht rechtswidrig und ihr Vortrag nicht geeignet ist, eine ihr günstige Entscheidung herbeizuführen, denn sie hat keinen Anspruch auf Be-willigung einer höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (auch) für den Zeitraum vom 1.4.2002 bis zum 31.12.2008 unter Berücksichtigung des Zuschlags aus dem durchge-führten Versorgungsausgleich. Mangels eines entsprechenden Anspruchs ist die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten verletzt. Es ist gerade nicht zu beanstanden, dass der Klägerin als Versorgungsausgleichsberechtigten eine höhere Rente erst nach Ablauf des Monats gezahlt wird, in dem die Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen wirksam geworden ist.

Der Bescheid vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013 ist weder formell noch materiell rechtswidrig. Denn die Beklagte hat im von ihr eingeleiteten Überprüfungsverfahren gem. § 44 SGB X zutreffend festgestellt, dass sie den Bescheid vom 8.4.2009 weder nach § 44 Abs. 1 noch Abs. 2 SGB X zurückzunehmen hatte, da sie bei Erlass dieses Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt hatte noch von einem Sachverhalt ausgegangen war, der sich als unrichtig erwiesen hatte, und deshalb Sozial-leistungen – in Gestalt der Zahlung einer höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit – zu Unrecht nicht erbracht hatte und der Bescheid vom 8.4.2009 nicht rechtswidrig ist.

Der im genannten Überprüfungsverfahren ergangene Bescheid vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013 ist nicht formell rechtswidrig. Die Beklagte handelte als – nach wie vor – zuständige Behörde i.S.d. § 44 Abs. 3 SGB X. Die grund-sätzlich gem. § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung ist in Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 27.3.1984 – B 5a RKn 2/83 – juris Rn. 19; vgl. von Wulffen, in: ders., SGB X, 7. Auflage 2010, § 24 Rn. 5) und auch hier entbehrlich. Maßgebend ist insoweit, dass die Klägerin gegen den von der Beklagten im Rahmen des Verfahrens gem. § 44 SGB X überprüften Bescheid vom 8.4.2009 Wider-spruch hätte einlegen können, wodurch die unterlassene Anhörung geheilt gewesen wäre. Denn eine Anhörung kann gem. § 41 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 SGB X nachgeholt werden und ein Widerspruchsverfahren ersetzt die förmliche Anhörung, wenn der Beteiligte die Mög-lichkeit zur sachgerechten Äußerung hatte (von Wulffen, in: ders., SGB X, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 15).

Der Bescheid vom 13.4.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2013 ist auch nicht materiell rechtswidrig. Denn der Bescheid vom 8.4.2009, der formell und mate-riell rechtmäßig ist, war von der Beklagten nicht zurückzunehmen. Diese hat zutreffend festgestellt, dass der Klägerin eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berück-sichtigung der im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten übertragenen Rentenanwartschaft nicht bereits ab dem 1.4.2002, sondern erst ab dem 1.1.2009 zu-steht.

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auch für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 31.12.2008 kann lediglich § 48 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 SGB X sein (vgl. BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 14). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen o-der rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, wobei eine Aufhebung bereits mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen soll, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Mit Rentenbescheid vom 24.8.2006 hat die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfä-higkeit auf unbestimmte Dauer bewilligt und in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Rentenhöhe ausgehend von 21,7286 persönlichen Entgeltpunkten verbindlich festge-stellt, da die Klägerin hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat (vgl. § 77 SGG). Die der Klägerin gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gründet auf einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da mit ihm ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet worden ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.7.2014 – L 14 R 551/12 – juris Rn. 26; vgl. auch Brandenburg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Auflage 2013, § 48 Rn. 51).

Die der Klägerin mit Bescheid vom 5.11.2004 zunächst auf Zeit und mit späterem Be-scheid vom 24.8.2006 unbefristet gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist infolge einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse materiell rechtswidrig gewor-den. Denn mit dem Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen vom 00.00.2008, das nach erfolgter Berufungsrücknahme am 10.12.2008 rechtskräftig geworden ist, ist ein Versorgungsausgleich zugunsten des Versicherungskontos der Klägerin durchgeführt worden und eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist anzunehmen, wenn der dem aufzuhebenden Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt nicht mehr vorliegt (Brandenburg, in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Auflage 2013, § 48 Rn. 54; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 48 Rn. 8). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist eine rechtserhebliche Änderung, also eine solche, die zur Fol-ge hat, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den er-lassenen Verwaltungsakt nicht mit dem damaligen Inhalt hätte erlassen dürfen (Steinwe-del, in: Kasseler Kommentar, Band 3, 87. Erg.-Lfg. [Stand: 1.9.2015], SGB X, § 48 Rn. 13; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 48 Rn. 12). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses jenes der Klägerin die unbe-fristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährenden Bescheides vom 24.8.2006. Durch das am 10.12.2008 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen sind zugunsten der Klägerin unter Übertragung entsprechender Entgeltpunkte höhe-re Rentenanwartschaften begründet worden, worin eine wesentliche, rechtserhebliche Än-derung der tatsächlichen Verhältnisse zu sehen ist, die nach dem Erlass des genannten Rentenbescheides eingetreten ist. Entsprechend war der Rentenbescheid vom 24.8.2006 unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht mehr mit dem bisherigen Rentenzahlbetrag zu erlassen.

Die skizzierte wesentliche Änderung zugunsten der Klägerin hat die Beklagte zutreffend mit dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils und des darin festgesetzten Ver-sorgungsausgleichs angenommen. Diesbezüglich hat das Bundessozialgericht bereits in seiner Entscheidung vom 22.4.2008, der sich das Gericht anschließt, festgestellt, dass "[m]aßgeblicher Zeitpunkt, ab dem die durch den Versorgungsausgleich eingetretenen neuen Verhältnisse in Form eines Rentenzuschlags zu berücksichtigen sind, [ ] entgegen der Meinung der Klägerin jedoch nur der Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich sein" kann (BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – ju-ris Rn. 16). Diese Annahme findet ihre Stütze in § 53g Abs. 1 des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) i.V.m. § 48 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG), wonach Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit ihrer Rechtskraft wirksam werden (vgl. auch die inhaltsgleiche Folgevorschrift des § 224 Abs. 1 FamFG und die im Grundsatz übertragbare Kommentierung hierzu von Schwedhelm, in: Bahrenfuss, FamFG, 2. Auflage 2013, § 224 Rn. 2; Lorenz, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 224 FamFG Rn. 1). Entsprechend ist erst mit Eintritt der Rechtskraft und damit der Wirksamkeit des Scheidungsurteils des Amtsge-richts – Familiengericht – Ahlen das rentenrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Kläge-rin und der Beklagten umgestaltet worden und erst dadurch der Wert ihres Rentenstamm-rechts um den Wert der zu Lasten der Rentenanwartschaften des Versicherten begründe-ten Rentenanwartschaften erhöht worden, da erst das wirksame Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen – über die Gestaltung des Versorgungsausgleichs zwischen den früheren Eheleuten, der auf familienrechtlichem Gebiet liegt, hinaus – auch das davon zu trennende Rentenrechtsverhältnis und gerade das Rentenstammrecht der Klägerin ge-genüber der Beklagten hoheitlich und rechtsbegründend verändert (vgl. BSG, Urteil vom 29.1.1991 – 4 RA 67/90 – juris Rn. 19).

Ausgehend von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse in Gestalt der seit dem 10.12.2008 rechtskräftigen und wirksamen Entscheidung des Amtsgerichts – Familienge-richt – Ahlen über den Versorgungsausgleich und der insoweit vorgesehenen Übertragung einer monatlichen Rentenanwartschaft i.H.v. 187,91 EUR und unter weiterer Berücksichti-gung, dass die Klägerin als Versorgungsausgleichsberechtigte im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der o.g. Entscheidung bereits Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog, ergibt sich der Zeitpunkt der Erhöhung der Rente aus § 100 Abs. 1 S. 1 SGB VI. Die Norm ergänzt § 48 SGB X (BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 17) und re-gelt insoweit als lex specialis, dass bei einer auf tatsächlichen Gründen beruhenden Ände-rung der Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn diese Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Nach § 100 Abs. 1 S. 1 SGB VI kann also eine wesentliche Änderung bei ei-ner laufenden Rentenzahlung nur zum folgenden Monatsbeginn berücksichtigt werden (BSG, a.a.O., Rn. 17; sog. "Monatsprinzip"). Da der Versorgungsausgleich gem. § 53g Abs. 1 FGG (erst) mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahlen, also am 10.12.2008, wirksam geworden ist, durften die dem Ver-sicherungskonto der Klägerin aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleich zusätz-lich gutzuschreibenden Entgeltpunkte ihre Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erst zum 1.1.2009 erhöhen.

Demgegenüber kann eine Änderung der rentenrechtlichen Verhältnisse nicht auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden. Insoweit mangelt es bereits an einer Rechts-grundlage, welche die rückwirkende Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs ermög-lichen würde (BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 18). Soweit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse auch bei der Durchführung des Versorgungsaus-gleichs rechtliche Wirkungen für die Beurteilung von in der Vergangenheit liegenden bzw. erforderlich gewesen Umständen entfalten kann, bedeutet dies nur, "dass Anspruchsvo-raussetzungen, die nach allgemeinem Rentenversicherungsrecht schon vor der Wirksam-keit der familiengerichtlichen Entscheidung hätten erfüllt sein müssen, nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs unter Umständen als rechtzeitig erfüllt gelten können, wenn andernfalls ein Leistungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger in der Zeit ab Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung schlechthin nicht entstehen oder erhöht werden könnte" (BSG, Urteile vom 29.1.1991 – 4 RA 67/90 – juris Rn. 20 sowie vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 21). Insbesondere ergibt sich auch aus § 101 Abs. 3 S. 1 SGB VI in der hier gem. § 268a Abs. 2 SGB VI anzuwendenden Fas-sung vom 20.4.2007 nichts Anderes. Denn die Vorschrift enthielt eine Sonderreglung für die Wirkungen des durchgeführten Versorgungsausgleichs, die jedoch nur die Auswirkun-gen von Abschlägen betraf, die ein Ausgleichsverpflichteter hinzunehmen hat, der bereits eine Rente erhält (vgl. BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 18). Fer-ner kann auch nicht zu Gunsten der Klägerin auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung ab-gestellt werden, da das Urteil vor Eintritt der Rechtskraft am 10.12.2008 keine rechtsge-staltende Wirkung hatte. Denn zu einem Zeitpunkt vor Eintritt der Rechtskraft konnten die im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu übertragenden Rentenanwartschaften noch nicht dem Versicherungskonto der Klägerin gutgeschrieben werden und entsprechend auf einem Versicherungskonto noch nicht vorhandene Entgeltpunkte für die Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt werden (BSG, a.a.O., Rn. 20).

Es ist zudem unter Berücksichtigung des Gebots der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich des Zeitpunkts der rechtsgestaltenden Wirkung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich für die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, den durch-geführten Versorgungsausgleich rentenrechtlich umzusetzen, grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen es zu einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungs-ausgleich gekommen ist (BSG, a.a.O., Rn. 23). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ha-ben bei der Gestaltung und Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens für alle Beteiligten eine besonders große Bedeutung (BSG, Urteil vom 29.1.1991 – 4 RA 67/90 – juris Rn. 27). Denn der Versorgungsausgleich betrifft neben den gegensätzlichen Interes-sen der früheren Ehegatten untereinander auch das Interesse des jeweiligen früheren Ehegatten im Verhältnis zu der von dem jeweiligen Rentenversicherungsträger repräsen-tierten Versichertengemeinschaft (BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 25). Insoweit ist es insbesondere unbeachtlich, ob der Ausgleichsberechtigte selbst oder andere von ihm nicht zu vertretende Umstände hierfür verantwortlich waren, denn das wirtschaftliche Risiko einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsaus-gleich tragen die früheren Ehegatten selbst (BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 23; vgl. ferner LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2014 – L 3 R 356/14 – juris Rn. 23).

Selbst wenn die Beklagte für eine Ver- bzw. Hinauszögerung des familiengerichtlichen Verfahrens über den Versorgungsausgleich verantwortlich zu machen wäre, könnte die Klägerin dies insoweit allenfalls im Wege eines Haftungsanspruchs bzw. wohl insbesonde-re eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. Art. 34 S. 1 des Grundgesetzes (GG) geltend machen. Für einen so ver-standenen Schadensersatzanspruch aus einer Amtspflichtverletzung ist jedoch der Rechtsweg nicht zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, sondern gem. Art. 34 S. 3 GG i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu jenen der ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet. Es ist dem Sozialgericht zudem verwehrt, gem. § 17 Abs. 2 S. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) über einen geltend ge-machten Amtshaftungsanspruch zu entscheiden, da gem. § 17 Abs. 2 S. 2 GVG die Ent-scheidungsbefugnis insoweit allein bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit liegt. Schließlich wäre bei einem geltend gemachten Amtshaftungsanspruch auch eine Teilverweisung des Rechtsstreits nicht zulässig (BSG, Beschluss vom 31.10.2012 – B 13 R 437/11 B – juris Rn. 10; vgl. auch Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 51 Rn. 41). Auch über eine etwaige Kompensation wegen einer vom Amtsgericht – Familiengericht – zu verantwortenden überlangen Verfahrensdauer hat das Sozialgericht nicht zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 23).

Das Gericht hat hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Eintritts der Rechtskraft der den Ver-sorgungsausgleich betreffenden Entscheidung für den Zeitpunkt des Beginns der Erhö-hung der Rente auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken und verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der es sich inhaltlich umfänglich anschließt (vgl. BSG, Urteil vom 22.4.2008 – B 5a R 72/07 R – juris Rn. 26ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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