Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 925/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine telemedizinische kardiologische Überwachung.
Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Vom 19.06.2016 bis zum 29.06.2016 wurde sie aufgrund eines Hirninfarkts stationär im F Krankenhaus C behandelt.
Mit Schreiben vom 15.08.2016 stellte die N GmbH für die Klägerin einen Kostenübernahmeantrag für eine telemedizinische kardiologische Überwachung. Herr Dr. J, Chefarzt des F Krankenhauses C, bescheinigte am 24.06.2016, dass bei der Klägerin aufgrund verschiedener vorliegender Nebenerkrankungen und/oder dem Einsatz von bestimmten Medikamenten eine engmaschige kardiologische Überwachung notwendig sei. Deshalb halte er den Einsatz einer telemedizinischen Betreuung mit dem MyCareLink Patientenmonitor für sinnvoll. Als Diagnose gab Dr. J einen Schlaganfall unklarer Ursache und den Verdacht auf paroxysmales Vorhofflimmern an. In einer beigefügten "Preisübersicht für 2016" führte die N GmbH aus, dass der CareLink Netzwerk Service ein internetbasierter Service für Patienten und betreuende Kardiologen sei. Dieser Service ermögliche die Fernabfrage von Daten aus implantierbaren Herzgeräten durch den MyCareLink Patientenmonitor, deren Übertragung mittels Mobilfunktechnologie sowie den Zugriff für den behandelnden Arzt auf die im Rahmen der Fernabfrage erhaltenen Gerätedaten über die N CareLink Webseite. Die Kosten für den MyCareLink Monitor wurden mit 1.150,00 Euro veranschlagt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.08.2016 eine Kostenübernahme ab. Die telemedizinische Überwachung stelle eine neue Behandlungsmethode dar, welche nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) enthalten sei.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Die Beklagte schaltete den MDK ein. Dr. N1 kam in einem Gutachten nach Aktenlage vom 02.09.2016 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme der Beklagte nicht zu empfehlen sei, da aus medizinischen Gründen kein konkreter patientenrelevanter Vorteil der telemetrischen Auswertung erkennbar wäre.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2016 als unbegründet zurück. Sie vertritt die Auffassung, für das klägerische Begehren gebe es keine Rechtsgrundlage im Leistungsrecht der GKV.
Am 07.11.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, zur Vermeidung eines Schlaganfalls sei die telemedizinische Überwachung notwendig. Im Krankenhaus sei ihr der Patientenmonitor von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellt worden. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus würden die Daten einmal täglich ausgelesen und an die N GmbH übersandt. Daneben würden die Daten zweimal jährlich vom behandelnden Kardiologen ausgelesen. Ergänzend trägt sie vor, mit der N GmbH keinen Vertrag geschlossen zu haben. Die Kosten seien von ihr auch noch nicht beglichen worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 zu verurteilen, die Kosten für die telemedizinische kardiologische Überwachung in Höhe von 1.150,00 Euro als Sachleistung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wurde auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die telemedizinische kardiologische Überwachung, da es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage hierfür fehlt.
Der Einsatz des MyCareLink Patientenmonitors stellt sich als Element der ambulanten ärztlichen Behandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Phase der postoperativen Nachsorge dar. Sein Einsatz obliegt der Verantwortung des die kardiologischen Nachbetreuung durchführenden Arztes und ist damit bereits vom Anspruch des Patienten auf ärztliche Behandlung umfasst und mit der Vergütung der ärztlichen Leistung durch die Beklagte abgegolten. Er unterliegt insoweit keinem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse.
Als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs kann nicht § 33 Abs. 1 SGB V herangezogen werden. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als Gebrauchsgegenstand des allgemeinen Lebens anzusehen ist. Der beantragte MyCareLink Patientenmonitor ist kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hilfsmittel im Sinne dieser Vorschrift sind dem Patienten zur selbständigen und eigengesteuerten Anwendung oder Benutzung zur Verfügung gestellte Sachleistungen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Hilfsmittel dem Versicherten in Konkretisierung des Anspruchs auf Behandlungsleistungen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V), zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder in Erfüllung des den Krankenkassen obliegenden Rehabilitationsauftrages (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX) zum Behinderungsausgleich zur Verfügung gestellt wird. Ein Hilfsmittel im Sinne des Gesetzes liegt dann nicht vor, wenn die therapeutische oder Ausgleichsfunktion eines Gegenstandes unabhängig von der Mitwirkung des Versicherten allein durch die Dienstleistung eines Leistungserbringers erzielt wird. Kann der eigentliche mit einem Gerät verfolgte Zweck der Hilfeleistung und damit die eigentliche Ausgleichsleistung erst durch fremde Dienstleistungen erfolgen, kommt ihm nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine selbständige Erfüllung des auf einen Funktionsausgleich gerichteten Hilfsmittelzweckes zu (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.1990, 3 RK 39/89; BSGE 67,97-99). Der von der Klägerin begehrte Patientenmonitor dient dazu, die Daten des im Körper der Klägerin implantierten Recorders zu empfangen, zu sammeln und über Internet an die N GmbH zu übersenden, die die Daten nach ihrer technischen Aufbereitung den behandelnden Ärzten zur Verfügung stellt. Diese Überwachung ist ohne eigenständige Mitwirkung der Klägerin nur mittels fremder Dienstleistung zu erzielen. Die Übertragung und Datenaufbereitung erfolgt durch die N GmbH, die diese Daten dann anschließend den behandelnden Ärzten zur Verfügung stellt. Diese entscheiden, ob und ggf. welche notwendigen medizinischen Leistungen zu erbringen sind.
Es kann offen bleiben, ob der MyCareLink Patientenmonitor eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V darstellt oder als Hilfsmittel im Rahmen dieser neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zur Anwendung gelangt. Die Rechtsprechung fordert für das Vorliegen einer neuen Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, dass einer medizinischen Vorgehensweise ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegen muss, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll; insoweit ist der Begriff der Behandlungsmethode der umfassendere im Vergleich zu dem der ärztlichen Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.1999, B 6 KA 39/98 R; BSGE 84, 247-253). Selbst wenn man in der telemedizinischen kardiologischen Überwachung einen grundlegend neuen methodischen Ansatz im Vergleich mit den bereits anerkannten Methoden der kardiologischen Diagnostik anerkennt, kommt eine Abrechnung als vertragsärztliche Leistung mangels Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 135 Abs. 1 SGB V nicht in Betracht. Bisher hat der G-BA die telemedizinische kardiologische Überwachung mittels MyCareLink Patientenmonitor nicht in den Katalog der anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen, so dass die Behandlung vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasst ist.
Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des G-BA bedarf, liegt im Falle der Klägerin nicht vor. Ihre Herzerkrankung ist kein sogenannter Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte. Ein Seltenheitsfall liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn es sich um eine sehr seltene Erkrankung handelt, die sich wegen ihrer Seltenheit der systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung entzieht und für die deshalb keine wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüfte Behandlungsmethode zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere bei Erkrankungen, die weltweit nur extrem selten auftreten und deshalb weder systematisch erforscht noch behandelt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R; SozR 4-2500 § 27 Nr. 1).
Ein Leistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einem sogenannten Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4). Ein solcher Systemmangel liegt nur vor, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Ein Antrag auf Überprüfung der Methode beim G-BA wurde bisher nicht gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der G-BA systemwidrig nicht mit der Therapie mittels Patientenmonitor befasst hat, liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Insoweit ist auf die gutachterliche Stellungnahme des MDS "Telemedizinische Überwachung von Patienten mit implantierten kardiologischen Aggregaten - Überprüfung und Bewertung der Evidenzlage" (Stand 19.06.2015; abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/ 40-268-3742/2016-04-21 Einleitung-Beratungsverf-135 Telem-aktive-kardiale-Aggr Gutachten.pdf) zu verweisen. Der Nachweis einer Überlegenheit des Telemonitorings im Vergleich zur Standardversorgung steht demnach noch aus. Insoweit sind noch weitere Studien notwendig, um den Zusatznutzen des Telemonitorings abschließend zu bewerten.
An dieser nicht ausreichenden Studienlage hat sich bis zum heutigen Tag nach Kenntnis der Kammer nichts geändert. Auch ein möglicher Verstoß gegen den gesetzlichen Auftrag in § 87 Abs. 2 a Satz 7 SGB V rechtfertigt nicht die Annahme eines Systemversagens, da es weiterhin an den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens fehlt.
Ein Kostenübernahmeanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 a Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die allgemein anerkannte, den medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbarer positiver Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die postoperativen Risiken einer Herzoperation stehen nach Schwere und Ausmaß wertungsmäßig nicht mit einer akut lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gleich. Zudem steht eine Standarddiagnostik zur Verfügung. Das Telemonitoring zielt gerade auf Patienten, die zwar ein definiertes Risiko einer Komplikation aufweisen, jedoch gerade nicht akut gefährdet sind und deshalb nicht der ständigen Anwesenheit ärztlicher Hilfe bedürfen.
Unabhängig davon sieht die Kammer die Klägerin keinem Anspruch der Firma N auf Zahlung der Kosten für die Nutzung des Patientenmonitors ausgesetzt. Eine entsprechende vertragliche Verpflichtung ist nach Aktenlage nicht zu erkennen. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich, dass die Firma N allein die Krankenkasse als möglichen Vertragspartner und Schuldner ihrer Leistung ansieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine telemedizinische kardiologische Überwachung.
Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Vom 19.06.2016 bis zum 29.06.2016 wurde sie aufgrund eines Hirninfarkts stationär im F Krankenhaus C behandelt.
Mit Schreiben vom 15.08.2016 stellte die N GmbH für die Klägerin einen Kostenübernahmeantrag für eine telemedizinische kardiologische Überwachung. Herr Dr. J, Chefarzt des F Krankenhauses C, bescheinigte am 24.06.2016, dass bei der Klägerin aufgrund verschiedener vorliegender Nebenerkrankungen und/oder dem Einsatz von bestimmten Medikamenten eine engmaschige kardiologische Überwachung notwendig sei. Deshalb halte er den Einsatz einer telemedizinischen Betreuung mit dem MyCareLink Patientenmonitor für sinnvoll. Als Diagnose gab Dr. J einen Schlaganfall unklarer Ursache und den Verdacht auf paroxysmales Vorhofflimmern an. In einer beigefügten "Preisübersicht für 2016" führte die N GmbH aus, dass der CareLink Netzwerk Service ein internetbasierter Service für Patienten und betreuende Kardiologen sei. Dieser Service ermögliche die Fernabfrage von Daten aus implantierbaren Herzgeräten durch den MyCareLink Patientenmonitor, deren Übertragung mittels Mobilfunktechnologie sowie den Zugriff für den behandelnden Arzt auf die im Rahmen der Fernabfrage erhaltenen Gerätedaten über die N CareLink Webseite. Die Kosten für den MyCareLink Monitor wurden mit 1.150,00 Euro veranschlagt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.08.2016 eine Kostenübernahme ab. Die telemedizinische Überwachung stelle eine neue Behandlungsmethode dar, welche nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) enthalten sei.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Die Beklagte schaltete den MDK ein. Dr. N1 kam in einem Gutachten nach Aktenlage vom 02.09.2016 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme der Beklagte nicht zu empfehlen sei, da aus medizinischen Gründen kein konkreter patientenrelevanter Vorteil der telemetrischen Auswertung erkennbar wäre.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2016 als unbegründet zurück. Sie vertritt die Auffassung, für das klägerische Begehren gebe es keine Rechtsgrundlage im Leistungsrecht der GKV.
Am 07.11.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, zur Vermeidung eines Schlaganfalls sei die telemedizinische Überwachung notwendig. Im Krankenhaus sei ihr der Patientenmonitor von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellt worden. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus würden die Daten einmal täglich ausgelesen und an die N GmbH übersandt. Daneben würden die Daten zweimal jährlich vom behandelnden Kardiologen ausgelesen. Ergänzend trägt sie vor, mit der N GmbH keinen Vertrag geschlossen zu haben. Die Kosten seien von ihr auch noch nicht beglichen worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 zu verurteilen, die Kosten für die telemedizinische kardiologische Überwachung in Höhe von 1.150,00 Euro als Sachleistung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wurde auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die telemedizinische kardiologische Überwachung, da es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage hierfür fehlt.
Der Einsatz des MyCareLink Patientenmonitors stellt sich als Element der ambulanten ärztlichen Behandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Phase der postoperativen Nachsorge dar. Sein Einsatz obliegt der Verantwortung des die kardiologischen Nachbetreuung durchführenden Arztes und ist damit bereits vom Anspruch des Patienten auf ärztliche Behandlung umfasst und mit der Vergütung der ärztlichen Leistung durch die Beklagte abgegolten. Er unterliegt insoweit keinem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse.
Als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs kann nicht § 33 Abs. 1 SGB V herangezogen werden. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als Gebrauchsgegenstand des allgemeinen Lebens anzusehen ist. Der beantragte MyCareLink Patientenmonitor ist kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hilfsmittel im Sinne dieser Vorschrift sind dem Patienten zur selbständigen und eigengesteuerten Anwendung oder Benutzung zur Verfügung gestellte Sachleistungen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Hilfsmittel dem Versicherten in Konkretisierung des Anspruchs auf Behandlungsleistungen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V), zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder in Erfüllung des den Krankenkassen obliegenden Rehabilitationsauftrages (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX) zum Behinderungsausgleich zur Verfügung gestellt wird. Ein Hilfsmittel im Sinne des Gesetzes liegt dann nicht vor, wenn die therapeutische oder Ausgleichsfunktion eines Gegenstandes unabhängig von der Mitwirkung des Versicherten allein durch die Dienstleistung eines Leistungserbringers erzielt wird. Kann der eigentliche mit einem Gerät verfolgte Zweck der Hilfeleistung und damit die eigentliche Ausgleichsleistung erst durch fremde Dienstleistungen erfolgen, kommt ihm nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine selbständige Erfüllung des auf einen Funktionsausgleich gerichteten Hilfsmittelzweckes zu (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.1990, 3 RK 39/89; BSGE 67,97-99). Der von der Klägerin begehrte Patientenmonitor dient dazu, die Daten des im Körper der Klägerin implantierten Recorders zu empfangen, zu sammeln und über Internet an die N GmbH zu übersenden, die die Daten nach ihrer technischen Aufbereitung den behandelnden Ärzten zur Verfügung stellt. Diese Überwachung ist ohne eigenständige Mitwirkung der Klägerin nur mittels fremder Dienstleistung zu erzielen. Die Übertragung und Datenaufbereitung erfolgt durch die N GmbH, die diese Daten dann anschließend den behandelnden Ärzten zur Verfügung stellt. Diese entscheiden, ob und ggf. welche notwendigen medizinischen Leistungen zu erbringen sind.
Es kann offen bleiben, ob der MyCareLink Patientenmonitor eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V darstellt oder als Hilfsmittel im Rahmen dieser neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zur Anwendung gelangt. Die Rechtsprechung fordert für das Vorliegen einer neuen Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, dass einer medizinischen Vorgehensweise ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegen muss, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll; insoweit ist der Begriff der Behandlungsmethode der umfassendere im Vergleich zu dem der ärztlichen Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.1999, B 6 KA 39/98 R; BSGE 84, 247-253). Selbst wenn man in der telemedizinischen kardiologischen Überwachung einen grundlegend neuen methodischen Ansatz im Vergleich mit den bereits anerkannten Methoden der kardiologischen Diagnostik anerkennt, kommt eine Abrechnung als vertragsärztliche Leistung mangels Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 135 Abs. 1 SGB V nicht in Betracht. Bisher hat der G-BA die telemedizinische kardiologische Überwachung mittels MyCareLink Patientenmonitor nicht in den Katalog der anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen, so dass die Behandlung vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasst ist.
Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des G-BA bedarf, liegt im Falle der Klägerin nicht vor. Ihre Herzerkrankung ist kein sogenannter Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte. Ein Seltenheitsfall liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn es sich um eine sehr seltene Erkrankung handelt, die sich wegen ihrer Seltenheit der systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung entzieht und für die deshalb keine wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüfte Behandlungsmethode zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere bei Erkrankungen, die weltweit nur extrem selten auftreten und deshalb weder systematisch erforscht noch behandelt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R; SozR 4-2500 § 27 Nr. 1).
Ein Leistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einem sogenannten Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4). Ein solcher Systemmangel liegt nur vor, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Ein Antrag auf Überprüfung der Methode beim G-BA wurde bisher nicht gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der G-BA systemwidrig nicht mit der Therapie mittels Patientenmonitor befasst hat, liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Insoweit ist auf die gutachterliche Stellungnahme des MDS "Telemedizinische Überwachung von Patienten mit implantierten kardiologischen Aggregaten - Überprüfung und Bewertung der Evidenzlage" (Stand 19.06.2015; abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/ 40-268-3742/2016-04-21 Einleitung-Beratungsverf-135 Telem-aktive-kardiale-Aggr Gutachten.pdf) zu verweisen. Der Nachweis einer Überlegenheit des Telemonitorings im Vergleich zur Standardversorgung steht demnach noch aus. Insoweit sind noch weitere Studien notwendig, um den Zusatznutzen des Telemonitorings abschließend zu bewerten.
An dieser nicht ausreichenden Studienlage hat sich bis zum heutigen Tag nach Kenntnis der Kammer nichts geändert. Auch ein möglicher Verstoß gegen den gesetzlichen Auftrag in § 87 Abs. 2 a Satz 7 SGB V rechtfertigt nicht die Annahme eines Systemversagens, da es weiterhin an den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens fehlt.
Ein Kostenübernahmeanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 a Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die allgemein anerkannte, den medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbarer positiver Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die postoperativen Risiken einer Herzoperation stehen nach Schwere und Ausmaß wertungsmäßig nicht mit einer akut lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gleich. Zudem steht eine Standarddiagnostik zur Verfügung. Das Telemonitoring zielt gerade auf Patienten, die zwar ein definiertes Risiko einer Komplikation aufweisen, jedoch gerade nicht akut gefährdet sind und deshalb nicht der ständigen Anwesenheit ärztlicher Hilfe bedürfen.
Unabhängig davon sieht die Kammer die Klägerin keinem Anspruch der Firma N auf Zahlung der Kosten für die Nutzung des Patientenmonitors ausgesetzt. Eine entsprechende vertragliche Verpflichtung ist nach Aktenlage nicht zu erkennen. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich, dass die Firma N allein die Krankenkasse als möglichen Vertragspartner und Schuldner ihrer Leistung ansieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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