Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 443/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Rentenleistungen in Höhe von 35.850,63 EUR streitig.
Der am ...1941 geborene Versicherte heiratete am ...1970 die am ...1945 geborene Klägerin. Nach dem rechtskräftig gewordenen Endurteil des Landgerichts P. vom 22.10.1974 wurde die kinderlose Ehe aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag aus Verschulden des Versicherten geschieden. Am ...1983 ehelichte der Versicherte Frau Helga A. Am ...1984 verstarb der Versicherte. Mit Bescheid vom 30.07.1984 gewährte die Beklagte Frau Helga A. Witwenrente aus der Versicherung des Versicherten in Höhe von zunächst monatlich 418,30 DM ab dem 01.09.1984.
Auf den Antrag vom 25.04.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14.08.2007 große Witwenrente an Geschiedene ab dem 01.06.2007 in Höhe von monatlich 528,72 EUR. Der Bescheid enthielt u. a. folgenden Hinweis: "Wir weisen darauf hin, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richtet. Sollten wir dabei feststellen, dass dieser allein rentenberechtigt ist, entfällt ihr Anspruch auf Rente von Beginn an."
Mit Bescheid vom 04.09.2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente von Frau Helga A. neu. Aus den Rentenanwartschaften des Versicherten bestehe ein Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte. Daher vermindere sich die Witwenrente. Mit weiterem Bescheid vom 10.07.2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 04.09.2007 teilweise zurück. Eine Aufhebung sei nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat Frau Helga A. Klage zum SG Landshut erhoben. Mit Urteil vom 13.07.2010 hat das SG Landshut die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 04.09.2007 in der Form des Bescheides vom 10.07.2008 aufzuheben und Frau Helga A. Witwenrente wieder in ungekürzter Höhe zu gewähren. Es habe keine Aufteilung der Witwenrente auf Frau Helga A. und die Klägerin zu erfolgen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente habe Az.: S 14 R 1438/08). Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.06.2012 zurückgewiesen (Az.: L 1 R 805/10). Das Landessozialgericht hat im Wesentlichen die Entscheidung des SG Landshut bestätigt.
Nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 30.11.2012 erlies die Beklagte den streitigen Bescheid vom 06.02.2013. Der Rentenbescheid vom 14.08.2007 wurde mit Wirkung vom 01.06.2007 zurückgenommen. Die entstandene Überzahlung in Höhe von 35.850,63 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.11.2012 sei zu erstatten. Der in diesem Bescheid festgestellte Anspruch auf eine große Witwenrente für geschiedene Ehegatten gemäß § 243 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) sei zu Unrecht anerkannt worden. Insoweit wurde auf die Urteile des SG Landshut vom 13.10.2010 und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.06.2012 verwiesen. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich die Klägerin nicht berufen, weil an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht und das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Bescheides nicht schutzwürdig sei. Es sei im Bescheid vom 14.08.2007 darauf hingewiesen worden, dass sich ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente auch gegen diesen Bescheid richtet und dass der Anspruch von Beginn an wegfalle, sofern dieser allein rentenberechtigt sei. Über den von Frau Helga A. eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid über die Aufteilung der Rente mit der Begründung, dass die Klägerin nicht unterhaltsbedürftig sei, sei sie mit Schreiben vom 22.11.2007 informiert worden. Aufgrund dieser Hinweise und Informationen könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheides berufen, weil sie die Rechtswidrigkeit des Bescheides kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es gelte daher die Zehnjahresfrist.
Mit Schreiben vom 08.02.2013 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2013 zurückwies.
Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom 05.06.2013 erhobene Klage zum SG Landshut. In der Klagebegründung wurde ausgeführt, dass eine Rücknahme des Bescheides nicht zulässig sei, weil die Rücknahmefrist von 2 Jahren nach Bekanntgabe bereits abgelaufen sei. Auch der im Bescheid vom 14.08.2007 enthaltene Hinweis, wonach ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente auch gegen den Bescheid vom 14.08.2007 wirke und der Anspruch gegebenenfalls wegfalle, ändere daran nichts. Dies stelle im Ergebnis lediglich einen Hinweis dar, dass formelle Rechtskraft in diesem Fall nicht eintrete. Der Schutz des § 45 SGB X setze nicht die formelle Rechtskraft, sondern eine materielle Bindungswirkung voraus. Einen Widerrufsvorbehalt habe der Bescheid vom 14.08.2007 nicht enthalten. Es sei keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme sichtbar. Ausführungen zur positiven Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis sei die Beklagte schuldig geblieben.
In der Klageerwiderung vom 02.07.2013 verwies die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 aufzuheben.
Der Vertreter der Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akte der Beklagten und die Akten des SG Landshut verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des streitigen Bescheides ist § 45 SGB X von der Beklagten benannt worden. Vorliegend ist aber entgegen der Auffassung der Beklagten eine Aufhebung nicht mehr möglich, da die Zweijahresfrist für die Rücknahme gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bereits überschritten ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend nicht die Zehnjahresfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X einschlägig.
Danach kann bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Auf die Klägerin trifft nach Überzeugung des Gerichts weder Ziff. 2 noch Ziff. 3 zu.
Die Beklagte hat weder vorgetragen noch ist in irgendeiner Weise erkennbar, dass die Klägerin bei der Witwenrentenantragstellung unrichtige Angaben gemacht hat.
Für das Gericht ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (bei Erlass) kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit hätte erkennen können. Aus der Begründung des Bescheides vom 14.08.2007, wonach darauf hingewiesen worden ist, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richte und der Rentenanspruch von Beginn an entfalle, sollte dabei festgestellt werden, dass dieser allein rentenberechtigt ist, ergibt sich jedenfalls keine Bösgläubigkeit der Klägerin. Vielmehr hat die Klägerin. Witwenrentenantrag gestellt, weil sie überzeugt war, darauf einen Anspruch zu haben. Selbst wenn sie die oben angeführte Begründung zur Kenntnis genommen hat, kann man selbst bei großzügiger Auslegung zugunsten der Beklagten keine Bösgläubigkeit der Klägerin unterstellen. Im Gegenteil, die Beklagte war bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (s. o.) selbst überzeugt, dass der Bescheid vom 14.08.2007 rechtmäßig sei. Ansonsten hätte die Beklagte den streitigen Bescheid bereits wesentlich früher aufgehoben. Wenn also schon die Beklagte von der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.08.2007 überzeugt war, kann man von der Klägerin als juristischem Laien keine bessere Rechtskenntnis erwarten und schon gar nicht Bösgläubigkeit unterstellen.
Es liegt aber auch kein zulässiger Widerrufsvorbehalt im Sinne von § 32 SGB X vor. Zum einen kann man aus dem Wortlaut der Begründung des Bescheides vom 14.08.2007 keinen Widerrufsvorbehalt entnehmen. Der Hinweis: "Wir weisen darauf hin, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richtet. Sollten wir dabei feststellen, dass dieser allein rentenberechtigt ist, entfällt ihr Anspruch auf Rente von Beginn an.", stellt schon nach dem Wortlaut keinen Widerrufsvorbehalt dar. Dieser müsste sich nämlich aufgrund seiner weitreichenden Wirkung eindeutig aus dem Wortlaut der Bescheidsbegründung ergeben, zum anderen wäre er nach Überzeugung des Gerichts auch nicht zulässig. Bei der Entscheidung über einen Rentenanspruch handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, § 32 Abs. 1 SGB X. Der Betroffene hat, falls alle Voraussetzungen erfüllt sind, einen Rechtsanspruch auf positive Entscheidung, der nur dann eingeschränkt werden darf, falls dies durch Gesetz vorgesehen ist. Im Falle der Klägerin gibt es eine derartige Einschränkung nicht.
Nach allem konnte die Beklagte den Bescheid vom 14.08.2007 nicht mehr aufheben.
Weitere Ausführungen hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Beklagte erübrigen sich deshalb. Es bestehen nämlich insoweit auch erhebliche Zweifel von Seiten des Gerichts, ob in der floskelartigen Wiederholung von Argumenten ohne konkreten Sachbezug überhaupt eine Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen gesehen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG).
-
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder ab 1. Juni 2014 beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" in das elektronische Gerichtspostfach des Bayer. Landessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Rentenleistungen in Höhe von 35.850,63 EUR streitig.
Der am ...1941 geborene Versicherte heiratete am ...1970 die am ...1945 geborene Klägerin. Nach dem rechtskräftig gewordenen Endurteil des Landgerichts P. vom 22.10.1974 wurde die kinderlose Ehe aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag aus Verschulden des Versicherten geschieden. Am ...1983 ehelichte der Versicherte Frau Helga A. Am ...1984 verstarb der Versicherte. Mit Bescheid vom 30.07.1984 gewährte die Beklagte Frau Helga A. Witwenrente aus der Versicherung des Versicherten in Höhe von zunächst monatlich 418,30 DM ab dem 01.09.1984.
Auf den Antrag vom 25.04.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14.08.2007 große Witwenrente an Geschiedene ab dem 01.06.2007 in Höhe von monatlich 528,72 EUR. Der Bescheid enthielt u. a. folgenden Hinweis: "Wir weisen darauf hin, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richtet. Sollten wir dabei feststellen, dass dieser allein rentenberechtigt ist, entfällt ihr Anspruch auf Rente von Beginn an."
Mit Bescheid vom 04.09.2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente von Frau Helga A. neu. Aus den Rentenanwartschaften des Versicherten bestehe ein Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte. Daher vermindere sich die Witwenrente. Mit weiterem Bescheid vom 10.07.2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 04.09.2007 teilweise zurück. Eine Aufhebung sei nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat Frau Helga A. Klage zum SG Landshut erhoben. Mit Urteil vom 13.07.2010 hat das SG Landshut die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 04.09.2007 in der Form des Bescheides vom 10.07.2008 aufzuheben und Frau Helga A. Witwenrente wieder in ungekürzter Höhe zu gewähren. Es habe keine Aufteilung der Witwenrente auf Frau Helga A. und die Klägerin zu erfolgen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente habe Az.: S 14 R 1438/08). Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.06.2012 zurückgewiesen (Az.: L 1 R 805/10). Das Landessozialgericht hat im Wesentlichen die Entscheidung des SG Landshut bestätigt.
Nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 30.11.2012 erlies die Beklagte den streitigen Bescheid vom 06.02.2013. Der Rentenbescheid vom 14.08.2007 wurde mit Wirkung vom 01.06.2007 zurückgenommen. Die entstandene Überzahlung in Höhe von 35.850,63 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.11.2012 sei zu erstatten. Der in diesem Bescheid festgestellte Anspruch auf eine große Witwenrente für geschiedene Ehegatten gemäß § 243 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) sei zu Unrecht anerkannt worden. Insoweit wurde auf die Urteile des SG Landshut vom 13.10.2010 und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.06.2012 verwiesen. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich die Klägerin nicht berufen, weil an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht und das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Bescheides nicht schutzwürdig sei. Es sei im Bescheid vom 14.08.2007 darauf hingewiesen worden, dass sich ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente auch gegen diesen Bescheid richtet und dass der Anspruch von Beginn an wegfalle, sofern dieser allein rentenberechtigt sei. Über den von Frau Helga A. eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid über die Aufteilung der Rente mit der Begründung, dass die Klägerin nicht unterhaltsbedürftig sei, sei sie mit Schreiben vom 22.11.2007 informiert worden. Aufgrund dieser Hinweise und Informationen könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheides berufen, weil sie die Rechtswidrigkeit des Bescheides kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es gelte daher die Zehnjahresfrist.
Mit Schreiben vom 08.02.2013 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2013 zurückwies.
Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom 05.06.2013 erhobene Klage zum SG Landshut. In der Klagebegründung wurde ausgeführt, dass eine Rücknahme des Bescheides nicht zulässig sei, weil die Rücknahmefrist von 2 Jahren nach Bekanntgabe bereits abgelaufen sei. Auch der im Bescheid vom 14.08.2007 enthaltene Hinweis, wonach ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente auch gegen den Bescheid vom 14.08.2007 wirke und der Anspruch gegebenenfalls wegfalle, ändere daran nichts. Dies stelle im Ergebnis lediglich einen Hinweis dar, dass formelle Rechtskraft in diesem Fall nicht eintrete. Der Schutz des § 45 SGB X setze nicht die formelle Rechtskraft, sondern eine materielle Bindungswirkung voraus. Einen Widerrufsvorbehalt habe der Bescheid vom 14.08.2007 nicht enthalten. Es sei keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme sichtbar. Ausführungen zur positiven Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis sei die Beklagte schuldig geblieben.
In der Klageerwiderung vom 02.07.2013 verwies die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 aufzuheben.
Der Vertreter der Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akte der Beklagten und die Akten des SG Landshut verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des streitigen Bescheides ist § 45 SGB X von der Beklagten benannt worden. Vorliegend ist aber entgegen der Auffassung der Beklagten eine Aufhebung nicht mehr möglich, da die Zweijahresfrist für die Rücknahme gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bereits überschritten ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend nicht die Zehnjahresfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X einschlägig.
Danach kann bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Auf die Klägerin trifft nach Überzeugung des Gerichts weder Ziff. 2 noch Ziff. 3 zu.
Die Beklagte hat weder vorgetragen noch ist in irgendeiner Weise erkennbar, dass die Klägerin bei der Witwenrentenantragstellung unrichtige Angaben gemacht hat.
Für das Gericht ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (bei Erlass) kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit hätte erkennen können. Aus der Begründung des Bescheides vom 14.08.2007, wonach darauf hingewiesen worden ist, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richte und der Rentenanspruch von Beginn an entfalle, sollte dabei festgestellt werden, dass dieser allein rentenberechtigt ist, ergibt sich jedenfalls keine Bösgläubigkeit der Klägerin. Vielmehr hat die Klägerin. Witwenrentenantrag gestellt, weil sie überzeugt war, darauf einen Anspruch zu haben. Selbst wenn sie die oben angeführte Begründung zur Kenntnis genommen hat, kann man selbst bei großzügiger Auslegung zugunsten der Beklagten keine Bösgläubigkeit der Klägerin unterstellen. Im Gegenteil, die Beklagte war bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (s. o.) selbst überzeugt, dass der Bescheid vom 14.08.2007 rechtmäßig sei. Ansonsten hätte die Beklagte den streitigen Bescheid bereits wesentlich früher aufgehoben. Wenn also schon die Beklagte von der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.08.2007 überzeugt war, kann man von der Klägerin als juristischem Laien keine bessere Rechtskenntnis erwarten und schon gar nicht Bösgläubigkeit unterstellen.
Es liegt aber auch kein zulässiger Widerrufsvorbehalt im Sinne von § 32 SGB X vor. Zum einen kann man aus dem Wortlaut der Begründung des Bescheides vom 14.08.2007 keinen Widerrufsvorbehalt entnehmen. Der Hinweis: "Wir weisen darauf hin, dass ein Rechtsbehelf eines weiteren Berechtigten gegen die Aufteilung der Rente sich auch gegen diesen Bescheid richtet. Sollten wir dabei feststellen, dass dieser allein rentenberechtigt ist, entfällt ihr Anspruch auf Rente von Beginn an.", stellt schon nach dem Wortlaut keinen Widerrufsvorbehalt dar. Dieser müsste sich nämlich aufgrund seiner weitreichenden Wirkung eindeutig aus dem Wortlaut der Bescheidsbegründung ergeben, zum anderen wäre er nach Überzeugung des Gerichts auch nicht zulässig. Bei der Entscheidung über einen Rentenanspruch handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, § 32 Abs. 1 SGB X. Der Betroffene hat, falls alle Voraussetzungen erfüllt sind, einen Rechtsanspruch auf positive Entscheidung, der nur dann eingeschränkt werden darf, falls dies durch Gesetz vorgesehen ist. Im Falle der Klägerin gibt es eine derartige Einschränkung nicht.
Nach allem konnte die Beklagte den Bescheid vom 14.08.2007 nicht mehr aufheben.
Weitere Ausführungen hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Beklagte erübrigen sich deshalb. Es bestehen nämlich insoweit auch erhebliche Zweifel von Seiten des Gerichts, ob in der floskelartigen Wiederholung von Argumenten ohne konkreten Sachbezug überhaupt eine Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen gesehen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG).
-
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder ab 1. Juni 2014 beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" in das elektronische Gerichtspostfach des Bayer. Landessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
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